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Eine geplante Alleingeburt im Pool

Ich darf wieder einen ganz unspektakulären, dennoch oder gerade deswegen sehr schönen Geburtsbericht mit euch teilen. Die Geburt fand dieses Jahr im April statt. Es ist nicht meine Geburt, sondern die einer Frau, die dieses Erlebnis gern mit euch teilen möchte. Viel Spaß beim Lesen! 🙂

Die Schwangerschaft dauerte länger als erwartet. Die jeweils 4 Geburten meiner Mutter und Großmutter und
auch die Geburt meiner ersten Tochter fanden allesamt vor dem errechneten Termin statt. Eine
Terminüberschreitung kam mir völlig seltsam vor und ich rechnete ca. eine Woche vor dem offiziellen Termin
mit der Geburt.
Doch der Termin kam und ging vorüber und ich wurde allmählich immer ungeduldiger und gereizter. Auch fing
ich schon bei ET+6 an mir ernsthaft Gedanken über die weitere Vorsorge und mögliche Einleitungsversuche zu
machen. Ich hatte mich doch nicht die ganze Schwangerschaft von allem medizinischen fern gehalten, um die Geburt
hinterher mit Einleitung oder gar Sectio im KH zu beenden?
Selbst einer sehr zurückhaltenden Hebamme hatte ich mich nur zögerlich geöffnet, um sie für den Notfall in
Rufbereitschaft zu haben. Das war auch meinem Mann R sehr wichtig. Ansonsten hatte er sich schon lange
immer mehr mit dem Gedanken an eine Haus- und Alleingeburt angefreundet.
Die Hebamme kam bei ET+7 und wir besprachen die Möglichkeiten für die nächsten Tage. Sie hätte gerne
spätestens bei ET+14 einen Ultraschall gehabt und vorher noch 2 mal selbst Herztöne gehört und den Bauch
abgetastet. Auch hatte sie verschiedene Möglichkeiten im Angebot mit Akupunktur, Homöopathie oder Tee
nochmal selbst einen Anstoß für die Geburt zu geben.
Das klang für mich alles sehr vernünftig und nach einem echten Minimalprogramm.
Am nächsten Morgen wachte ich auf, meine große Kleine wollte Aufwach-Stillen und ich spürte dabei mal
wieder ein leicht schmerzhaftes Ziehen im Bauch. Soweit nichts Ungewöhnliches oder war es diesmal doch
unangenehmer als sonst? Schon seit Wochen hatte ich beim Stillen immer mal wieder ein paar Wehchen
gehabt. Auf der Toilette wieder ein nettes aber uneindeutiges Zeichen: Etwas Schleim mit braunem Blut drin.
Aber Schleim hatte ich auch schon vor einer Woche ein wenig gesehen und zum Glück niemandem etwas
verraten.
Als aber beim Frühstück um 9:30 Uhr gleich 3 Wehen in 15 Minuten Abständen zu spüren waren, da war ich mir
sicher: Jetzt kommt die Geburt wirklich in Gang. Ich freute mich heimlich ein bisschen und weihte dann sehr
bald Mann R. und Tochter M. ein. Wir frühstückten in Ruhe fertig. Danach begann R den Pool zu füllen und sonst
alles vorzubereiten. Ich blieb mit M oben in der Wohnküche und legte mir eine Matte vor unser Sofa.
Inzwischen musste ich mich tatsächlich etwas konzentrieren, wenn eine Wehe kam. Ich kniete vor dem Sofa
und legte meinen Kopf in ein Kissen. Die Schmerzen waren vor allem hinten am Kreuzbein zu spüren. Mit
einem heißen Körnerkissen am Rücken waren sie aber gut auszuhalten. Zwischendurch hörte ich mir noch an,
was M so beim Spielen zu erzählen hatte und sie ließ mir meine Pausen und meinen Platz auf dem Sofa, wenn
die Wehen kamen.
Gegen 11 Uhr hatte R den Pool fertig. Ich war mir nicht sicher, ob mir die Zeit im Wasser nicht lang werden
würde, wollte aber zumindest mal probieren. So zogen wir um ins EG. Mein Töchterchen plantschte ein wenig
mit den Händen im Wasser und spielte Hebamme, die den Pool putzt. Mein Mann erleichterte mir die
Schmerzen im Rücken mit Gegendruck.
Um 12 Uhr – die Wehen kamen etwa alle 10 Min. – riefen wir eine liebe Freundin N an, die sich während der
Geburt um unsere Große kümmern wollte und – je nach spontanem Gefühl – auch dabei sein
konnte/sollte/wollte.
Auch mit der Hebamme hat mein Mann dann irgendwann telefoniert und Bescheid gegeben, dass es wohl
heute etwas wird und sie nicht noch weit weg fahren soll, falls wir sie dann doch dazu holen möchten.
Etwa um 13 Uhr kam N dazu. Ich hatte zwischen den Wehen noch Zeit ihr ein wenig zu erklären, was es mit
den Rückenschmerzen auf sich hat. R zeigte ihr wie sie mir helfen konnte und nun wechselten sich die beiden
ab mit Tee kochen und ähnlichem drum herum und der direkten Hilfe an meinem Rücken. Ich hätte keine Wehe
mehr darauf verzichten wollen, dass mir jemand den Rücken drückt, es linderte die Schmerzen wirklich ganz
enorm.
Auch im Pool fühlte ich mich unglaublich wohl. Ich werde nur noch im absoluten Notfall jemals wieder ohne
Pool gebären! Während der Wehen kniete ich, lehnte meine Stirn auf den Rand und schaute vor mir ins Wasser.
Die Wasserhöhe reichte grade, dass mein Kreuzbein noch gut bedeckt war. Zwischendurch rutschte ich ins
Wasser und lag auf dem Rücken, möglichst weit drin im warmen Wasser. Ich fühlte mich total wohl dort.
M wurde dann sehr aufgeregt und hüpfte um den Pool herum und wackelte am Poolrand. Weil ich auf keinen
meiner Helfer verzichten wollte, schlug ich ihr vor mit der Oma draußen Laufrad zu fahren. Sie nahm die Idee
an und ich dachte sogar noch an „in der Nähe bleiben und Handy mitnehmen“ und äußerte das kurz und
knapp.
Als mich R gegen 13:40 Uhr fragte, ob ich mal auf Toilette wolle (stand so in meinem Geburtsplan), da war mir
klar: Nein, ich gehe nirgendwo mehr hin! Er meinte es wäre dann auch mal Zeit zu lüften. Ich bat ihn vorher
noch heißes Wasser nachzufüllen. Ich wollte es warm genug haben, falls das Kind plötzlich da ist. Zum Wasser
austauschen kamen wir noch, zum Lüften blieb schon keine Zeit mehr…
Mir fiel außerdem ein: 1. Wie gut, dass ich nirgendwo hin muss während der Geburt und 2. Wie locker ich alles
öffnen kann, wenn ich ganz sicher bin, dass niemand da am Geburtsweg herum untersuchen will! Jede andere
Möglichkeit fand ich gradezu absurd.
Kurz darauf um 13:50 Uhr wurden die Wehen intensiver und die Pausen kürzer. Einmal nahm ich ein leichtes Zittern in meinen Beinen wahr und dachte mir: „Aha, Übergangs-Phase!“. Das gab mir neuen Mut. Die Wehen
waren jetzt doch sehr schmerzhaft. Ich klammerte mich in den Pausen an die Uhr und setzte mir 14 Uhr als
„Zwischenziel“, keine Ahnung warum. Dann begannen auch schon die Presswehen. Das war mir gar nicht
richtig klar, aber ich nahm eine etwas veränderte Haltung ein. Ich rundete meinen Rücken soweit es ging ohne
das Gesicht ins Wasser zu tauchen.
Ein paar Wehen später richtete ich mich auf und fühlte mit der Hand schon den Kopf. Ich behielt die Hand
während der Wehen dort. Bei der nächsten Wehe sprang die Fruchtblase, zwei oder drei Wehen später kam der
Kopf und ich wusste: Jetzt ist das Schlimmste überstanden. R und N saßen vor dem Pool und konnten durch die
durchsichtigen Wände sogar schon das Gesicht sehen. Ich hielt den Kopf in meinen Händen und wartete auf die
nächste Wehe. Gleichzeitig kam mir schon der Verdacht, dass wohl die alte Naht wieder aufgegangen sei. Als
die Wehe kam, drehte sich das Kind (ein ziemlich merkwürdiges Gefühl) und – schwupp – kam der Körper
heraus.
Unter Wasser nahm ich mein Kind sicher in die Hände und hob es dann heraus. Ich setzte mich hin und legte
es mir auf die Brust. Zuerst war es noch ganz bläulich, aber man konnte zuschauen wie schnell es rosiger
wurde. Ich ließ mir eine Mullwindel geben und deckte es zu, wo es aus dem Wasser schaute. Das Kindlein
atmete schnaufend und röchelnd, aber doch schön regelmäßig. Die Nabelschnur pulsierte weiter. Wir saßen
einige Minuten staunend da und schauten es uns an.
R hat als Geburtszeit 14:13 Uhr rekonstruiert. Dann riefen wir die große Schwester M an. Etwa 15 Min. nach der
Geburt kam sie herein und schaute sich ihr Geschwister vorsichtig an. Erst jetzt guckten wir nach und stellten
fest: Es ist ein Junge. Er machte einen kleinen Still-Versuch und blinzelte vorsichtig in die neue Welt.
Nach ca. 40 Min. kam die Plazenta und nun wollte ich auch aus dem Pool heraus, auch um die Blutung besser
sehen zu können. Das Wasser im Pool war seit dem Blasensprung trüb und inzwischen schon deutlich rot
gefärbt. Ich fühlte, dass die alte Narbe wieder gerissen war und wir riefen die Hebamme an. Sie fragte, ob es
eilig sei. Nein, sie könne ruhig noch ihren Kaffee austrinken und sich dann langsam auf den Weg machen.
Wir nabelten ab und ich gab den Kleinen zu seinem Papa auf den Arm in ein warmes rotes Handtuch. Dann
nahm ich im Pool noch eine kurze Schlauch-Dusche. Ich fischte noch die Plazenta heraus und legte sie in einen
Eimer. Mit Ns Hilfe stieg ich über den Poolrand auf eine Einwegunterlage. Ich trocknete mich ab und zog mich
an. Dann wagte ich den Aufstieg ins erste Stockwerk, um mich dort ins Bett zu legen. Ganz langsam und
vorsichtig, Stufe für Stufe, kam ich ohne Schwierigkeiten im Bett an.
Nun durften auch die Schwiegereltern ihren neuen Enkel begrüßen. Sie standen ganz ergriffen am Bett. Der
Opa brachte seine Kamera mit, um ein paar schöne Fotos vom frisch geborenen Kind zu machen. Es dauerte
nicht lange, da fiel meiner Schwiegermutter die Abwesenheit der Hebamme auf… Wir beruhigten sie, sagten
die Hebamme sei „schon“ auf dem Weg und es ginge uns ja auch offensichtlich allen gut. Ich gab dann auch in
den nächsten Stunden zu, dass wir das durchaus so geplant hätten und ich ihr nur den Gedanken nicht vorher
zumuten wollte. So im Nachhinein kann sie das sogar akzeptieren. Interessant wird es dann möglicherweise,
wenn die nächste Geburt bevor steht? Aber schon toll, dass es jetzt kein Problem ist!
Die Hebamme kam dann zu uns als unser Kleiner etwa 2 Stunden alt war. Ich bat sie um ihre Einschätzung
wegen der Verletzung. Sie empfahl mir einen Stich zu nähen, aus dem dann während der Arbeit nach
Absprache doch 3 wurden. Als Betäubung reichte ein Tupfer mit Gel. Ich schaute mir vorher im Spiegel die
Wunde an und auch beim Nähen wollte ich zusehen. Wenn ich es schon nicht selbst machen kann, dann muss
ich zumindest genau wissen was da passiert und mich auf die Piekser einstellen. Sie gab mir noch ein Arnikagel
und Kompressen für die Wunde.
Wir baten sie einen Blick auf die Plazenta zu werfen, einmal die Blutung und die Gebärmutter zu beurteilen und
besprachen die weitere Betreuung. Das Tasten der Gebärmutter übernahm ich selbst – wieder ein Beispiel für
ihre angenehm zurückhaltende Arbeitsweise. Sie füllte uns eine Geburtsanzeige für’s Standesamt aus und ließ
uns ihre Babywaage da. Damit war der Besuch auch schon beendet und wir verabredeten uns für den nächsten
Mittag, um dann noch etwas U1 nachzuholen und weitere Fragen zu besprechen. Unser Baby war inzwischen
eingeschlafen und wir wollten ihn nicht stören.
Den Rest des Tages verbrachten wir mit Essen, Baby bestaunen und ein paar Anrufen.
Ich bin total dankbar, dass wir so eine Geburt erleben durften. Alle Beteiligten haben ihre Sache ganz ganz toll
gemacht und uns genau so geholfen, wie es für uns gut und richtig war. Überhaupt gab es so viele Helfer drum
herum: Mein Mann R, meine Tochter M, unsere Freundin N, Hebamme T, Schwiegermutter K und
Schwiegervater U (der doch tatsächlich den Pool entleerte).
Die ersten Tage:
Schon die erste Nacht war ein wenig anstrengend. Der Kleine war noch bis 3:30 Uhr damit beschäftigt sein
Mekonium los zu werden. Er lässt sich auch furchtbar leicht gleich wieder wecken, wenn er eingeschlafen ist.
Einmal hatte er beim Einschlafen seinen Kopf unter meiner Brust vergraben. Da reichte es schon, dass ich ihm
die Atmung erleichtern wollte und schon war er wieder wach. Wir schafften es dann aber doch zumindest 4-5
Stunden zu schlafen, er lag dabei natürlich in meinem Arm.
Am nächsten Mittag kam meine Schwester zu einem 24-Std-Besuch angereist. Das war schön und vor allem für
M richtig gut. Die ist nämlich weiterhin sehr aufgekratzt und zappelig, braucht außerdem sowieso jeden Tag
mehrere Stunden Bewegung. Es stört nur leider den Kleinen und mich, wenn sie dann durchs Bett hüpft und
dabei quietscht…
Der Papa ist ausgelastet mit Aufräumarbeiten und Haushalt. Natürlich will und soll R auch immer wieder Zeit haben für seinen neuen Sohn. Das Abhalten auf dem Töpfchen macht z.B. hauptsächlich er, denn sitzen ist ja
nicht so vorteilhaft im Wochenbett und mit Verletzung.
Windelfrei klappt auch schon super. Von den 5 Portionen Mekonium ist eine im Pool, eine im Handtuch, eine in
der Windel und zwei im Töpfchen gelandet. Seitdem erwischen wir ungefähr die Hälfte aller Pipis und die
meisten Kakas, was uns viel ungeliebtes Liegen auf dem Wickeltisch erspart. Natürlich gibt es auch immer
wieder Missverständnisse, wenn er eigentlich doch Weiter-Stillen möchte und wir denken er muss mal. Oder
umgekehrt, wenn er mal muss und ich es mit Stillen oder Tragen versuchen bis dann die Windel nass ist.
Ich bin eine anspruchsvolle Wöchnerin, vor allem was die Versorgung mit viel gutem Essen angeht. Immer
muss der Mann Obst und Gemüse nachliefern und dann lege ich auch noch Wert darauf nichts Stopfendes zu
essen. Er hat es wirklich nicht leicht, kennt sich im Supermarkt und in der Küche nur halb aus, usw.
Das Stillen hat der Kleine nach den ersten paar Versuchen ganz schnell gelernt. Jetzt möchte er meistens im 20
Min. Takt für etwa 2 Stunden immer wieder an die Brust. Dann kommt dazwischen wieder eine 3-5-stündige
Schlafpause. Die Milch ist nach 2 Tagen auch schon voll da gewesen. Nur meine Brustwarzen sind jetzt sehr
empfindlich. Stillen im Liegen ist zwar toll für die Rückbildung und zum Ausruhen, für die Brustwarzen ist es
aber nicht so der Hit. Ich hoffe es wird einfach wieder besser und lasse immer mal Luft dran. Wenn sie noch
richtig wund werden, probiere ich es mal mit schwarzem Tee.
Die Große möchte gerne ihr gewohntes Einschlaf- und Aufwach-Stillen und ich möchte ihr das auch unbedingt
und sehr gerne ermöglichen. Es ist allerdings schon mehrmals schwierig gewesen, wenn dann der Kleine
gleichzeitig beim Papa weint und auch an die Brust möchte. Da müssen wir unseren Weg noch finden … Beide
gleichzeitig im Liegen Stillen wäre eigentlich schön, kriegen wir aber bisher nicht hin, erst recht nicht mit so
empfindlichen Brüsten und dem extrem wichtigen Ellbogen-Gepuhle, das untrennbar mit dem Einschlaf-Stillen
verbunden ist.
M ist wirklich sehr lieb und so rücksichtsvoll, wie sie nur kann. Dennoch ist sie eine sehr mama-bedürftige 4-
Jährige und von der Situation natürlich verunsichert. Da tut sie mir manchmal sooo leid und ich muss wirklich
gut auf sie achten, grade weil sie sich so viel Mühe gibt und sich eher zurück zieht. Was sehr schön läuft: Seit
Geburtsbeginn bin ich wieder ganz interessiert an den Dingen die sie mir erzählen und zeigen mag. Vorher war
ich wirklich nörgelig und ungeduldig mit ihr. Jetzt kann ich ihr oft ganz ruhig sagen, wenn mich etwas stört oder
sie aufrichtig um etwas bitten ohne Anspruchshaltung. Das finde ich sehr sehr schön.
Ab nächste Woche darf sie dann endlich mit dem Papa zur Eingewöhnung in den KiGa. Ich denke es wird ihr
gefallen und vielleicht bekommt sie dort dann auch gleich genug Bewegung.
Der Hebammenbesuch verzögerte sich dann noch um einen Tag. Sie rief an, sie habe die ganze Nacht
gearbeitet, ob es in uns Recht wäre das zu verschieben. Als sie dann am übernächsten Tag nach der Geburt
kam, hatte sie allerdings die nächste Nacht auch nicht mehr Schlaf bekommen …
Wir holten noch das Abhören und Messen von der U1 nach: Lunge und Herz klingen normal, Kopfumfang 35cm,
Länge 50cm. Gewogen hatte ich 12 Stunden nach der Geburt: 3400g (mit kl. Korrektur für Mekonium und Pipi).
Ich bat sie noch einen Blick auf die Naht zu werfen: Alles in Ordnung. Dann wünschte ich ihr einen erholsamen
Schlaf nach zwei durchgearbeiteten Nächten. Nachdem sie nun alle anstehenden Geburten geschafft hat,
möchte sie nach Ostern gerne verreisen und so werden wir uns evtl. gar nicht mehr sehen.
Vielleicht lasse ich nächste Woche noch eine andere Hebamme nach der Naht und der Rückbildung sehen,
denn ich bin noch nicht ganz entschlossen, ob ich 2 Wochen nach Geburt verreise … Der Stillkongress lockt. Im
Moment traue ich es mir eher zu als meinem Baby. Ob er sich dann immernoch so leicht stören lässt? Naja,
noch muss ich mich ja nicht entscheiden.

Die Kunst des Stillens

das erste Mal stillen
das erste Mal stillen

Stillen ist die natürlichste Sache der Welt. Und doch sehen sich die meisten Mütter gewissen Schwierigkeiten gegenüber, sobald es mit dem Stillen ernst wird. Im Normfall hat jede Frau zwar zwei anstandslos geschaffene Brüste, nur wurde irgendwie vergessen, die Bedienungsanleitung dafür beizulegen. Stattdessen gibt es häufig Ratschläge von allen Seiten, die sich inhaltlich nicht stärker widersprechen könnten.
„Lass das Baby an deine Brust, wann immer und wie lange es will!“
„Gewöhne ihm bloß einen festen Rhythmus an!“, „Eine Nachtpause ist wichtig!“, „Schone deine Brustwarzen, nicht zu lange anlegen und immer nur eine Seite!“, „Wenn die Milch nicht reicht, musst du halt zufüttern!“ usw.
Dabei könnte Stillen doch in fast allen Fällen und nach Überwindung eventueller Anfangsschwierigkeiten so einfach sein. Doch bis dahin haben viele Mütter schon aufgegeben. Weil sie entmutigt wurden, die falschen Ratschläge befolgten oder nicht unterstützt wurden.
Wenn du stillen willst und Probleme mit dem Stillen hast, dann gib nicht so schnell auf! Wende dich an eine Fachfrau für’s Stillen, z.B. von der La Leche Liga.
Einfach Tricks können besonders die erste Zeit des Stillens so viel leichter machen:
Gegen wunde Brustwarzen hilft beispielsweise eine Lanolin-haltige Creme, die vor und nach dem Stillen aufgetragen wird und auch nicht abgewaschen werden muss. Das war mein Wundermittel zu Beginn meiner ersten Stillzeit.
Gegen „zu wenig“ Milch hilft viel anlegen, da bei der Milch Angebot und Nachfrage untrennbar miteinander verbunden sind. Vorschnelles Zufüttern erreicht das Gegenteil, denn wenn das Baby anderweitig satt wird, bestellt es weniger an der Brust. Häufig wird von Hebammen Druck gemacht, wenn das Baby nach der Geburt in einer bestimmten Zeit nicht ein bestimmtes Gewicht erreicht hat. Davon sollte man sich primär aber wirklich nicht verrückt machen lassen. Sieht das Baby gesund aus, macht es regelmäßig Pipi und trinkt es gut, besteht erst einmal kein Anlass zur Sorge.
Auch in Zeiten eines Wachstumsschubs (und solche gibt es in den ersten Monaten viele), verlangen Babys manchmal ständig nach der Brust. Das wird oft als Zeichen gedeutet, die Milch reiche nicht. Für gewöhnlich bestellt das Baby aber nur mehr, weil sein Bedarf gestiegen ist. Die Brust reagiert und produziert innerhalb von ein paar Tagen mehr. Mit einer reichhaltigen Ernährung musst du nur alle notwendigen Bestandteile liefern. Den Rest machen deine Brüste dann von selbst. Dabei helfen Ruhe und Entspannung und viel Hautkontakt mit deinem Baby. Lass dich bekochen und pflegen, solange ihr das Stillen noch übt oder wenn ihr in einer schwierigen Phase seid.
Prophylaktisches Abpumpen der Milch, wie es meine Mutter zu ihrer Zeit noch eingetrichtert bekommen hat, ist nicht nötig. So kann man sich höchstens ein Zuviel an Milch bestellen. Harte Stellen in der Brust oder übervolle Brüste kann man vorsichtig mit der Hand ausstreichen – am besten unter der warmen Dusche oder nach warmen Auflagen. Da entspannen die kleinen Milchgänge besser und geben die Milch leichter her. Ein Überangebot an Milch ist meisten nur ein Problem der ersten Tage nach dem Milcheinschuss und pegelt sich sehr schnell auf den aktuellen Bedarf ein.
Auf leichten Stress kann der Frauenkörper besonders zu Anfang der Stillzeit empfindlich reagieren und ein Milchstau kann die Folge sein. Man fühlt sich matt, vielleicht fiebrig, und in der Brust finden sich harte, rote, schmerzhafte Stellen. Dann am besten nichts wie ins Bett mit Mama und Baby, ausruhen, stillen, kühlen und evt. harte Stellen ausstreichen.
Nach ein paar Wochen sind die anfänglichen Schwierigkeiten in der Regel überwunden und du kannst das Stillen ganz genießen.
Aber halt, ist es nicht bald schon wieder Zeit zum Abstillen?
Mit ca. sechs Monaten interessieren sich die meisten Babys zwar für feste Nahrung, allerdings darf und kann die Muttermilch noch bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr und darüber hinaus als wertvolle Ergänzung zum Einsatz kommen. Ihr dürft das Stillen also noch lange genießen, wenn ihr das wollt – sowie seine Vorzüge als Beruhigung, Schmerzlinderung und Einschlafhilfe bei einem den Schlaf verweigernden Kleinkind. Das alles ist erlaubt, in den meisten nicht westlichen Kulturen üblich und völlig unschädlich.
Egal was irgendwelche Ratgeber festlegen: Das Baby muss nicht auf Listen und Regeln, die irgendjemand aufgestellt hat, abgestimmt werden. Hauptsache ist nur, du und dein Baby, ihr seid auf einander eingestimmt.
Die Vorzüge des Stillens sind inzwischen ja hinreichend bekannt und erforscht. Dabei beeinflusst das Stillen nicht nur die emotionale Entwicklung des Kindes, sondern kann auch das Immunsystem stärken. Eine Studie (National Survey of Children’s Health 2003), für die Eltern zum Stillen ihrer Babys interviewt wurden, zeigt, dass bei gestillten Kindern im Grundschulalter und in der Pubertät verhältnismäßig seltener Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten auftraten. Auch, dass Stillen das Immunsysstem stärkt, ist ausführlich untersucht worden. (McJackson 2006)
Aber nicht nur für das Kind hat das Stillen gesundheitliche Vorteile. Auch die Mutter profitiert. Das Stillen schafft in vielen Fällen einen natürlichen Abstand zur nächsten Schwangerschaft und zum nächsten Kind, der dem mütterlichen Körper eine Pause gönnt und ihr Zeit gibt, sich ganz auf dieses eine Kind zu konzentrieren, solange es noch die volle, mütterliche Aufmerksamkeit braucht. Nebenbei senkt eine Mutter, je länger sie stillt, umso deutlicher ihr Brustkrebsrisiko.
In manchen Fällen kann es vorkommen, dass eine Mutter wirklich zu wenig Milch hat und nicht (ausschließlich) stillen kann. Die Ursache dafür kann in verschiedenen Hormonstörungen (z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Insulinresistenz) liegen. Eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise ist hier vorbeugend von entscheidender Bedeutung.
Emotionale Aspekte und traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit können zu Grunde liegen, wenn eine Mutter eine Abneigung gegenüber dem Stillen hat. Diese kann sich auch auf das Baby übertragen und dazu führen, dass es die Brust schon früh verweigert. Hier sollte man sich Hilfe suchen und darf die Situation als gute Gelegenheit betrachten, mit altem, unliebsamem Ballast endlich ins Reine zu kommen.

Klar ist: Zwei Brüste hat eigentlich jede Frau. Aber Stillen ist eine Kunst. Und es lohnt sich, diese Kunst zu beherrschen.

Schwangerschaftstagebuch – mein erstes eigenes Buch

Ich habe ein Buch geschrieben! 🙂
Nicht, dass ich nicht schon viel geschrieben hätte, aber das ist meine erste Veröffentlichung. In ein paar Wochen folgt auch noch, etwas umfangreicher an Inhalt und Seiten, „Alleingeburt“.
Aber jetzt erst einmal: „Babyzauber“. Ein Schwangerschaftstagebuch und kurzer Ratgeber in einem mit viel Platz zum Selber-Eintragen. Wer also gerade schwanger ist oder etwas zum Verschenken braucht, schaut’s euch mal an!

Vorzeitiger Blasensprung? – Nur die Ruhe!

Ich darf einen ganz frischen Bericht einer Alleingeburt (2. Kind, 2. Alleingeburt) mit euch teilen. Es ist nicht meine Geburt, sondern der Bericht einer Frau, die bereit ist, dieses Ereignis mit euch zu teilen. Viel Spaß beim Lesen! 🙂

Unser Baby ist da, ein Junge, am 8.5. um 13:28 Uhr.
Irgendwie war mir am 7.5. abends schon so, dass die Blase springen könnte, deswegen legte ich das Bett mit Moltonunterlagen aus. Um 3 Uhr nachts wachte ich von so einem warmen Gesicker zwischen den Beinen auf, und stellte fest, dass die Blase tatsächlich gesprungen war. Das war ja eigentlich die Situation, die ich überhaupt nicht wollte, der Druck, Wehen produzieren zu müssen.
Nach dem Gang ins Badezimmer legte ich mich erstmal wieder hin und sagte meinem inzwischen aufgewachten Mann, wir werden heute oder morgen Eltern (danach konnte er nicht mehr einschlafen ;-),
Um 8 Uhr morgens rief ich die Hebamme an. Sie kam zum Bauch abtasten und Herztöne abhören. Außerdem schlug sie vor nachzusehen, wie reif der Muttermund sei, aber das wollte ich auf keinen Fall, was für sie ok war. Immerhin hat mich ihr Kommentar, nach der Muttermundreifung zu schauen, daran erinnert, dass ich einige Zeit zuvor in dem Buch „Adventures in Tandem Nursing“ (Hilary Flower) gelesen hatte, Stillen unter der Geburt trüge zur Muttermundreifung bei. Das machte ich, nachdem die Hebamme wieder gefahren war, mit meiner Tochter ausgiebig an dem Morgen. Trotzdem tat sich praktisch gar nichts, manchmal ein kaum wahrnehmbares Ziehen im Bauch, sonst nichts.
Beim Essen kochen um 12 Uhr war mir aber plötzlich so, als würde ich nicht mehr dazu kommen, zu essen. Ich war stark verlangsamt mit allem, meinen Bewegungen, ging langsam durch die Wohnung, so leicht vorgebeugt (wozu mein Mann bemerkte, so bist du bei der letzten Geburt auch gegangen), und da war dann klar, dass es bald losgehen würde.
Eine Kartoffel habe ich um 13 Uhr noch geschafft zu essen, ganz langsam, und dann kam plötzlich eine heftigere Wehe, bei der ich schon etwas bewusster atmen und mich irgendwo festhalten musste.
Ich fing an, Sachen vorzubereiten, Duschvorhang über den Teppich, Unterlagen hinlegen, etc., aber die zweite heftigere Wehe kam erst nach mehreren Minuten. Mein Mann telefonierte noch in aller Ruhe und bekam nichts mit. Ich merkte nach der dritten Wehe plötzlich, dass mein Unterleib anfing zu zucken, und sich unglaublicherweise schon das Kind durchschob (also praktisch nach drei Wehen). Als mein Mann aufgelegt hatte, sagte ich ihm, er solle mir schnell aus der Hose helfen, das hätte ich alleine nicht mehr geschafft, weil ich mich vornüber gebeugt festhalten musste und das Baby schon so tief saß, dass ich kein Bein mehr heben konnte.
Für meine Tochter, die noch die ganze Zeit um mich herum wuselte, war es plötzlich zuviel, dass ich mich so festhielt, atmete, meinem Mann sagte: schnell, zieh mir die Hose aus – jedenfalls fing sie an zu weinen. Mein Mann schickte sie eine Etage tiefer zur Oma. Zu dem Zeitpunkt saß der kindliche Kopf schon vor meinem Damm. Ich hielt ihn mit einer Hand zurück, weil ich nicht wollte, dass er so schnell durchschießt, aber nach ein paar Sekunden war klar, dass es kein Halten mehr gab, also hab ich einmal gedrückt, und das ganze Baby glitschte mir in einem Zug entgegen.
Ohne irgendwelche Presswehen, nur mit diesem Unterleibszucken.
Als mein Mann daran dachte, auf die Uhr zu schauen, war es 13:28 Uhr, die komplette Geburt hatte also etwas mehr als zwanzig Minuten gedauert.
Wir hielten das Baby warm und mein Mann meinte, es ist ein Junge, worauf ich noch gar nicht geachtet hatte, dann habe ich mich aufs Bett gesetzt, und nach einer Stunde oder so haben wir die Hebamme angerufen.
Direkt nachdem das Baby draußen war habe ich mir ein bisschen mehr Gedanken gemacht als bei der Alleingeburt unserer Tochter. Sie hörte ich nämlich schon schreien, bevor sie mir in einem Rutsch in die Hände geflutscht kam, er schrie nicht, sondern meckerte ein bisschen angestrengt herum, viel zurückhaltender als sie.
Das ist er wohl allgemein. Auch wenn er jetzt Stillen will, maunzt er ein bisschen und wedelt mit den Armen, unsere Tochter hat, wenn sie stillen wollte, Wände zum Einstürzen gebracht.
So hatte ich nun zwei völlig problemlose Alleingeburten, die erste zweieinhalb Stunden, die zweite zwanzig Minuten.
Obwohl ich über den Blasensprung nicht begeistert war, denke ich im Nachhinein, dass er vielleicht gut war, weil ich deswegen an dem Morgen zu Hause geblieben bin. Wäre ich Einkaufen gefahren, wie eigentlich geplant, und wäre die Geburt dann auch so schnell gegangen, hätte ich ihn im Einkaufszentrum bekommen.
Ich bin wirklich dankbar, dass ich zwei so schöne, ruhige, problemlose und schnelle Alleingeburten hatte, die einfach ganz natürlich passiert sind, ohne dass jemand um mich herum Unruhe gemacht oder eingegriffen hätte. Solche Geburten sind ein Geschenk, finde ich. Aber sie sind auch so normal. Wahrscheinlich wäre das die Art, wie Geburten meistens ablaufen würden, wenn die Frauen nicht so auf Drama und Angstmacherei gepolt wären.
Mein Mann ist auch froh, dass er mit mir solche Geburten erleben konnte, obwohl er etwas, sagen wir mal, weniger begeistert davon war, als ich der Hebamme bei der Vorsorge gesagt habe: Ich rufe dich unter der Geburt nur an, wenn ich das Gefühl habe, ich brauche dich, wenn nicht, mache ich es alleine.

Warum vegan?

Über viele Jahrtausende der Menschheitsgeschichte wurden tierische Lebensmittel hoch geschätzt. Die Menschen jagten oder weideten ihre Herden. Kein bekanntes Volk verzichtete ohne Not auf Eier, Milch, Fleisch, Fett und Innereien. Wenige Gruppen aßen aus religiösen Gründen kein Fleisch und nur von vielleicht einer Handvoll asketisch lebenden Gemeinschaften (Männern in der Regel) ist historisch bekannt, dass sie vollständig auf tierische Lebensmittel verzichteten. Häufiger finden sich Völker, die sich traditionell vorwiegend oder fast ausschließlich von tierischen Lebensmitteln ernährten, wie die Eskimo in Alaska, die Massai in Kenia, die Indianer Kanadas oder die Hirtenvölker der Mongolei.
Nicht überall wurde so viel Tierisches gegessen wie bei den genannten Völkern. Trotzdem scheint sich die Menschheit insgesamt darüber einig, dass tierische Lebensmittel einen Vorteil darstellen, der mit Gesundheit verknüpft wird, und auf den niemand gern verzichtet.
Erscheint es da nicht als gewagtes Experiment, die Wege unserer Vorfahren zu verlassen und sich beim Erhalt der Gesundheit und beim Wachstum der eigenen Kinder ganz auf pflanzliche Lebensmittel verlassen zu wollen? Viele Experten, die eine ausschließlich pflanzliche Ernährung vertreten, gehen inzwischen sogar soweit, unsere modernen Krankheiten dem Konsum von beispielsweise Milch oder Fleisch anzulasten. Die passenden Studien werden in der Regel schnell gefunden oder die Daten entsprechend interpretiert, ungeachtet der Tatsache, dass historische Fakten generell dagegen sprechen. Vegetarisch und vegan ist „in“.
Aber was ist es wirklich, das immer mehr, vorwiegend junge Frauen, bewegt, diesen historisch so gut wie unerprobten Weg zu gehen?
Zumeist wird das Mitgefühl mit den Tieren angegeben, an dessen Leid und Tod man nicht Schuld sein will. Gezielt setzen Verfechter der ausschließlich pflanzlichen Ernährung Fotos und Filme dafür ein, um ihre Sache emotional zu unterstreichen. Beispielsweise, indem Filme aus Schlachthöfen oder Fotos von Menschen in der Rolle von Kühen gezeigt werden. Die Kampagnen wollen schockieren und bleiben nicht ohne Wirkung.
Aber ist es tatsächlich so, dass eine pflanzliche Ernährung Leid verhindert? Auf der einen Seite vielleicht. Auf der anderen Seite sterben Rehkitze und Hasen, wenn ein Mähdrescher ein Getreidefeld aberntet. Unsere Landwirtschaft, auch jene, die biologisch ist, aber in großem Stil stattfindet, beraubt vielen Tieren ihres Lebensraumes. Und sind nicht auch sämtliche Insekten und Mikroorganismen Lebewesen? Leiden sie weniger, wenn sie in eine Mühle oder auf unsere Windschutzscheibe geraten, als Kühe beim Schlachter? Oder ist das Leid, dass sich besser beobachten lässt, automatisch schlimmer, als das, was weniger offensichtlich ist? Und was ist mit den Pflanzen selbst? Sie können zwar nicht weglaufen oder atmen, aber auch sie sind Lebewesen. Leiden sie etwa nicht, wenn man sie ausreißt, zerschneidet, zermixt, kocht und isst? Inzwischen gibt es Forschung, die zeigt, dass Pflanzen miteinander kommunizieren können. Zum Beispiel weiß eine Pflanze, wenn ihre Nachbarin Trockenheit leidet, und trifft dann entsprechende Vorkehrungen für sich selbst. Pflanzen wehren sich mit bestimmte Stoffen und Giften gegen Fressfeinde. Sie sind also durchaus Lebewesen, die ihr Leben – soweit es ihnen möglich ist – verteidigen.
Es scheint offenbar in der Gesamtheit unmöglich, als Mensch nicht auch Leid und Tod zu verursachen. Außer vielleicht, man lebt als Einsiedler in seinem eigenen großen Garten und ernährt sich nur von Früchte. Aber ohne die Samen, versteht sich, denn da sind ja die Babys unserer Pflanzen drin!
Vielleicht versteht ihr, worauf ich hinaus will. Es erfordert ein utopisches, nicht mit der Realität in Einklang zu bringendes Leben, will man nicht der Urheber von Leid für irgendjemanden sein. Und dann tritt man doch aus Versehen auf eine Schnirkelschnecke…
Raubtiere haben keine Hemmungen zu jagen und Fleisch zu fressen. Hühner und andere Vögel ziehen genussvoll den Regenwurm aus seinem Loch. Und selbst Kühe haben kein schlechtes Gewissen, wenn sich zwischen dem Gras, das sie fressen, Fliegen, Mücken, Blattläuse und dergleichen befinden. Jedes Lebewesen tötet – absichtlich oder aus Versehen – andere Lebewesen oder fügt Leid zu. Tod und Leid scheinen zum Wesen dieser Welt zu gehören und eine Tatsache zu sein, der wir uns nicht entziehen können. Glauben wir Menschen tatsächlich, wir könnten uns aus diesem Kreislauf herausnehmen, zu dem wir eigentlich gehören?
Damit meine ich natürlich nicht, dass es uns egal sein sollte, wie Tiere gehalten werden. Ich sorge, so gut ich kann, für meine Tiere und bemühe mich, soweit es mir möglich ist, eine Landwirtschaft zu unterstützen, in der Tiere ordentliche Lebensbedingungen bekommen. Aber ich schlachte auch meine eigenen Kaninchen und esse Fleisch. Wie man schlachtet, hat mein Opa an meine Mutter und meine Mutter an mich weitergegeben. Leider hat das moderne Leben für die meisten von uns dazu geführt, dass wir vom Leben unserer Vorfahren fast vollständig abgeschnitten sind. Bräuche und Kulturpraktiken, die über Jahrhunderte gepflegt und weitergegeben wurden, sind den meisten von uns fremd geworden. Die Moderne hat eine neue Kultur geschaffen, in der wir zwar Autos, Handys und Computer bedienen können, aber keinen Bezug mehr zu dem haben, was das Leben noch bis vor etwa hundert Jahren für die meisten Menschen ausmachte. Wir haben unsere eigene moderne Kultur mit unseren eigenen Glaubenssätzen geschaffen. Nicht mehr Gott, der christliche Glaube oder die Weisheit unserer Eltern und Großeltern sind der Maßstab für unser Leben, sondern das, was gewisse Experten oder auch wir selbst als Wahrheit anerkennen. Dabei können wir heute frei aus einem großen Angebot das wählen, was uns gefällt. Das mag seine Vorzüge haben, aber es lässt uns auch in so ziemlich allen Aspekten des Lebens mit einer gewissen Orientierungslosigkeit zurück.
Ich bin, historisch gesehen, nur ein Glied in einer langen Kette von Vorfahren, die übrigens alle nie auf die Idee gekommen wären, sich rein pflanzlich zu ernähren. Ich bin, biologisch gesehen, nur ein kleiner Teil im großen Kreislauf der Natur, wo jeder mit seinem Leben zum Leben eines anderen beiträgt. Die Pflanzen haben meinem Kaninchen Leben gegeben, mein Kaninchen gibt mir mit seinem Leben, was ich zum Leben brauche, und ich gebe durch Schwangerschaft, Stillen, meine Zeit und Arbeit meinen Kindern ein gutes Leben. Und wenn ich einmal tot bin, dann wird mein Körper diversen Bakterien, Pilzen und Kleinstlebewesen ein reichliches Festfressen bescheren.

Warum also vegan? Manchen Menschen geht es gesundheitlich auf einmal besser, wenn sie beispielsweise Milch weglassen. Weil die Milch ihnen Beschwerden bereitet, schlussfolgern sie daraus, Milch wäre ungesund. Da Milch, wie wir gesehen haben, historisch schon lange ein beliebtes und mit Gesundheit assoziiertes Lebensmittels des Menschen ist, gibt es in der Regel wohl andere Gründe für die bestehenden Probleme mit der Milch. Das sind häufig:

– Pasteurisieren und Homogenisieren der Milch – unbehandelt, wie Milch traditionell getrunken wurde, wird sie sehr häufig trotzdem vertragen.
– Eine nicht artgerechte Fütterung der Tiere, die die Qualität der Milch verändert.
– Eine durch die moderne Lebensweise schwache Verdauungstätigkeit, die nicht mehr in der Lage ist, Eiweiße gut zu verdauen.

Letzteres Problem scheint inzwischen recht häufig zu sein. Hier sorgt ein Verzicht auf alle problematischen Lebensmittel zwar für Beschwerdefreiheit, auf Dauer fehlen dem Körper aber Substanzen, die dieser zum Erhalt seiner Zellfunktionen benötigt. Eine spezielle Diät, beispielsweise die GAPS-Diät, zu der der zeitweise Verzicht auf alle Getreideprodukte zählt, kann helfen, denn Darm zu heilen. Eiweiße aus rohen oder fermentierten Lebensmitteln zusammen mit viel ursprünglichem Fett (Butter, Schmalz, Olivenöl), und gelatinehaltigen Knochenbrühen geben dem Körper dabei in leicht verdaulicher Form, was er braucht.

Warum vegan? Für mich gibt es keinen triftigen Grund für diese asketische Lebensweise. Und für dich?

Ein Baby zum 11. Jahrestag

Im Folgenden habe ich die Ehre, euch den Bericht einer weiteren schönen, unspekatulären Geburt zu präsentieren. (Es ist nicht mein Geburtsbericht, sondern der einer Frau, die bereit ist, ihn mit euch zu teilen.) Viel Spaß beim Lesen! 🙂

Die Haus-Wasser-Alleingeburt unseres dritten Kindes

Dienstag, 30.04.2013 (SSW. 38+5)

Hebamme A. kommt zur Vorsorge. Baby hat guten Bezug zum Becken, wohl aber noch abschiebbar. Herztöne sind bilderbuchmäßig, nichts deutet auf baldige Geburt hin, was mich nicht wundert. Ich hatte eh immer geglaubt, es bis in den Mai zu schaffen. Zu einer Gewichtsprognose lässt sie sich nicht hinreißen. „Wenn 4,5kg drin sind, dann müssen 4,5kg raus.“, sage ich. Das Wissen übers Gewicht würde ja an der Situation nichts ändern. Weiter brüten und abwarten.
Nachmittags kommen mein Bruder und Freundin vorbei, zeigen ein US-Bild auf dem Handy. Ich werde Tante, wie geil. ET ist der 20.12. – der gleiche Tag, wie damals in meiner ersten Schwangerschaft, die in der 7. Woche endete. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, denke ich.
Abends ab 21 Uhr hab ich wieder Senkwehen, oder doch Wehen? 10-Minuten Abstände. Schmerzloses Rumgewehe bis 0 Uhr. Ich gehe schlafen, wer weiß, was kommt. Wenn, dann möchte ich wenigstens ausgeruht sein.

Mittwoch, 01.05.2013 (SSW. 38+6)

Um 4:41 die erste spürbare Wehe, wie kräftige Regelschmerzen. Ich gehe aufs Klo und finde keine Ruhe mehr. Putze oben das Badezimmer. Leichte Wehen, noch unregelmäßig, aber nicht mehr zu missachten. Ich glaube, es kommt in Gang. Inzwischen ist es 5:45. C. (mein Mann) und die Kinder pennen.
Nach einem Toilettengang kommt mir Sohni entgegen. Er fragt, warum heute kein Kindergarten ist. „Weil heute der 01. Mai ist und da ist der Kindergarten zu.“
M.: „Mai? Dann kommt heute unser Baby.“
Ich hatte immer gesagt, dass im Mai das Baby kommt. „Ja, vielleicht kommt heute unser Baby – also wahrscheinlich kommt heute unser Baby! Die Chancen stehen gut.“
„Heut kommt unser Baby, darum feiern wir, alle meine Freunde freuen sich mit mir“, singt er und auch unsere Mittlere freut sich diebisch.
Ich schicke C. runter, um meine Eltern anzurufen. So können sie in Ruhe die Kinder holen und gemeinsam frühstücken. Um halb 8 sind sie da. Ich wehe unregelmäßig in unterschiedlicher Intensität, kann mich dabei unterhalten und auch noch sitzen.

Wir frühstücken. Es ist so leise ohne Kinder. Heute ist unser 11. Jahrestag. Wir beginnen den Pool aufzubauen, räumen noch ein bisschen auf. Ich stelle eine gefüllte gelbe Tulpe in Sichtweite auf die Fensterbank und denke an Ina May Gaskin und den Strauss sich öffnender Blumen.
Ich gehe noch kurz durch den Garten und staune, dass dieses Jahr wirklich alles zur gleichen Zeit blüht. Alle Nachbarn schlafen offenbar noch ihren Rausch vom Tanz in den Mai aus. Es ist so still. Dann wird mir die Frühlingsluft zu kühl. Wir haben Zeit und beschließen, dass wir auf natürlichem Wege etwas zur Zervixreifung unternehmen könnten – Sperma enthält doch Prostaglandine.
Jetzt ist es 9:15, ich wehe mit mal kürzeren, mal längeren Abständen, aber sie tun weh.
10:30: Ich lege mich aufs Sofa, schlafe auch noch mal ein und hab dabei eine größere Wehenpause bzw. nur 3 mäßig schmerzhafte Wehen, bis etwa 12 Uhr.
Ich koche schnell Nudeln mit Tomatensauce. Wir essen auf der Terrasse – bei Sonnenschein und leichter Brise. Jetzt fehlt nur noch der Meerblick.
Wir beschließen, spazieren zu gehen, um wieder Bewegung in die Sache zu bringen. Eine Runde durchs Dorf, Nachbars Magnolie blüht traumhaft schön. Einige Dörfler wundern sich, dass wir ohne Kinder unterwegs sind. Die Sonne scheint und wir überlegen uns, den Spaziergang noch auszudehnen. In den Wald.
Dort kommen die Wehen dann in Gang, regelmäßig, alle 5-6 Minuten. Ich kann noch gut laufen, aber bepusten muss ich die Wehen schon.

Um 14:30 kommen wir zurück nach Hause, mit 5-Minuten Abständen. Ich bin guter Dinge. Kaum drinnen, wieder längere Pausen. Ich frage mich, woran es liegt, befinde den Gedanken dann aber für blöd und verwerfe ihn. Ich schmiere meinen Bauch mit Geburtsöl ein, der Geruch erinnert mich an irgendwas aus der Veterinärmedizin oder doch eher Straßenbau?
Um 14:50 ne fiese Wehe – wir lassen Wasser in den Pool.
Um 15:15 bin ich im Wasser und beobachte, wie sich das Meersalz im Kissenbezug flott auflöst und bereue es, mir vor kurzem die Achseln rasiert zu haben.
Ich schaff es, in keiner Position auch nur ansatzweise, den Muttermund zu tasten. Ich kann mich verrenken wie ich will, ich komm nicht ran. Genauso wenig hab ich den Schleimpfropf zu Gesicht bekommen bzw. ne Zeichnungsblutung gehabt. Ich hab den Gedanken, dass da noch nicht viel Eröffnung geschafft sein könnte. Obwohl ich nicht recht dran glauben mag und denke trotzdem, dass es eine gute Idee ist, sich im warmen Wasser zu entspannen.
C. reicht mir ein Handtuch, was ich über die Körperstellen lege, die nicht von Wasser bedeckt sind.
Ich bin etwa 2 Stunden drin und „ziehe meine Bahnen“. Linke Seite, rechte Seite, Hocke, Vierfüßler, immer im Wechsel. Die Wehen kommen regelmäßig mit gut aushaltbarer Intensität. C. sitzt einen halben Meter vor mir, im Schaukelstuhl, strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Zwischendrin fallen ihm die Augen zu, er legt sich auf das Sofa, schläft auch noch mal. Eine Zeit lang läuft noch eine Doku über Wildtierschutz in Afrika im TV, was ganz gut ablenkt. Die Duftlampe beduftet das Wohnzimmer angenehm mit Entbindungsduft, die Tulpe auf der Fensterbank zeigt sich in voller Pracht. Was mein Muttermund macht, weiß ich immer noch nicht, auch jetzt komm ich nicht ran. Das einzige was passiert, ist, dass ich mit der Fummelei die nächste Wehe auslöse. Ich hab die Uhr im Blick, 4 Minuten, 4 Minuten, 5 Minuten, 3 Minuten, 8 Minuten,…
Das Telefon klingelt, Sohni ist dran. Er ist nervös, hat so oft gefragt, ob das Baby schon da ist. C. kann ihn beruhigen. Abends wird er noch Fieber bekommen und früh ins Bett gehen. Ich merke ein bisschen Anspannung, weil alle mit einem schnelleren Fortschritt zu rechnen scheinen, ich selbst nehme mich da nicht raus.
Um 16 Uhr marschiert Frau K., unsere Nachbarin, durch ihren Garten und sieht meinen aus dem Geburtspool ragenden Kopf hinterm Wohnzimmerfenster. Den Blick werde ich nicht vergessen. Ihr Kopf blieb quasi stehen, während ihr Körper weiter lief und man ihr ansah, wie sie sich fragte, was wir dort tun. Großartig.
C. massiert meinen Rücken, was mir sehr gut tut. Die Intensität der Wehen nimmt zu, ich bitte Männe, A. anzurufen. Sie hört mich im Hintergrund eine Wehe veratmen. Fragt, ob ich Kindsbewegungen fühle, was ich bejahe. Wir bleiben entspannt, beschließen, dass wir uns melden, wenn mir danach ist.
Das eigentlich für nachmittags bei Schwiegers geplante Waffelessen hat C. morgens abgesagt. Somit waren die informiert und prompt klingelt um 17:23 das Telefon. Schwiemu dran. Sie wolle mal hören, weil sie ja so nervös sei, ob die Hebamme schon da sei etc. C. teilt ihr, wie schon morgens, mit, dass ich Wehen hab und er sich wie bereits vereinbart melden wird, sobald es was zu vermelden gibt und ist stinksauer, dass man nicht mal mehr in Ruhe gebären darf. Ich hab daraufhin eine 20-minütige Wehenpause.
C. kippt mit dem Wasserkocher zwischendurch heißes Wasser nach.
Die nächste Wehe gegen 17:45 ist heftig. Ich will einen Muttermundsbefund – jetzt. Männe soll A. anrufen. Sie muss noch schnell was organisieren und will sich dann auf den Weg machen.
Ich bin ganz klar in der Übergangsphase angekommen. Es zieht bis zu den Knien, im Rücken, im Bauch. Ich muss ständig aufstoßen, was ich bei allen Kindern so hatte, und ich bin irgendwie in einer anderen Welt, weiß nicht mehr so recht, wohin mit mir.
Es kommt eine Hammerwehe. Ich liege gerade auf der rechten Seite im Pool. Ich jammere nicht, ich schreie auch nicht, aber ich atme so laut, dass C. sich beeindruckt zeigt. Eigentlich will ich: „Oh weia, die Wehen tun echt weh und ich weiß nicht, ob der Muttermund vollständig ist und ich weiß auch nicht, warum ich keinen Pressdrang habe und ich will auch nicht sinnlos gegen einen unvollständigen Muttermund pressen und überhaupt, ich will jetzt einen Muttermundsbefund“, sagen. Ein Bruchteil dessen kommt mit leichtem Unterton der Verzweiflung raus. In C. Gesicht sehe ich einen Hauch Hilflosigkeit.
Ich knie, liege, und mache und tue im Pool, die Wehen sind heftig. Ich spüre nach jeder Wehe Kindsbewegungen, merke, wie die Maus sich hin- und her dreht und versucht, sich richtig einzustellen. Ich stehe auf, weil ich wissen will, was passiert, wenn die Schwerkraft mehr wirken kann, hocke mich aber ganz schnell wieder hin. Im Wasser ist’s angenehmer. Ich knie im Wasser, lehne mich mit dem Oberkörper über den Rand, und beschließe, dass ich jetzt das tue, wonach mir ist, dass ich jetzt mitdrücke und bin mir in meinem Entschluss unheimlich sicher und völlig ohne Angst.
Nächste Wehe. „Jetzt rutsch endlich rein!“ Ich kann diese Wehen nicht mehr veratmen und tolerieren. Nächste Wehe, ich drücke mit. Vorsichtig, nur ein oder zwei Mal je Wehe. Der Kopf überwindet irgendwas im oberen Beckenbereich. C. guckt im Flur rum, ob A. kommt…
Nächste Wehe, ich veratme, will ihr Zeit lassen. Nächste Wehe, ich bin in halbaufrechter Rückenlage, C. ist im Flur, ich drücke, die Fruchtblase springt. Es fühlt sich an, als würde sich ein kleiner Wasserballon innerlich vorwölben und dann aufplatzen. „C., ich glaub die Fruchtblase ist gesprungen.“ Er kommt und guckt. Käseschmiereflöckchen im Poolwasser, er sieht das Fruchtwasser auch noch ausströmen. „Ja, das war die Fruchtblase.“
Nächste Wehe, ich drücke. Ich merke, wie sich mein Becken mit Kind füllt. Sie rutscht quasi von allein rein. „C., das Baby kommt. Kamera an und Handtuch her!“
Mein armes Männlein muss springen. Jetzt geht alles ganz schnell. Nächste Wehe, ich sitze halb aufrecht im Pool. Der Kopf kommt, ich merke ein minimales Brennen innerlich. Ich fasse hin. So weich! Der Kopf ist so wahnsinnig weich, ich fühle weiche Babyhaare.
Als C. am Poolrand steht und auch fühlt, ist der Kopf zur Hälfte geboren. Ich versuche langsam zu machen, lege meinen Kopf nach hinten auf den Poolrand, aber mein Körper macht ganz von alleine. Der Kopf kommt. Nächste Wehe. Ich drücke ein bisschen mit, die Schultern drehen sich und J. taucht auf. Mit offenen Augen und Mund sehe ich sie der Wasseroberfläche entgegen schwimmen. Die Welt steht still und es ist, als würde Mutter Natur auf uns herab blicken, wohlwollend mit dem Kopf nicken und „Gut gemacht, Tochter“, sagen. Ich hebe J. zügig aus dem Wasser. Sie ist bildhübsch und irgendwie ist mir klar, dass sie ein Mädchen ist, ein absolutes Mädchengesicht. „Hallo Baby, hey Baby.“ Wir heulen und reden wirres Zeug und staunen und freuen uns. C. guckt auf die Uhr: 18:33 Uhr. Wir decken sie mit Handtüchern zu, ich hebe ein Beinchen an, um nachzugucken. Tatsächlich ein Mädchen! Wir freuen uns riesig, unser Gefühl hat uns nicht getrügt. Sie schrie sofort, wurde schnell rosig und guckt mich mit großen Augen an. Willkommen in unserer Mitte J.! Interessehalber fühle ich an der Nabelschnur. Sie pulsiert kräftig.
C. ruft A. an. Sie kann sich Zeit lassen. Nach einer Weile wird’s dann doch etwas kalt im Pool. Ich steige aus, C. drapiert einige Handtücher aufs Sofa und ich setze mich mit der Maus hin. Nach ner Weile wird’s aber doch ungemütlich, wir legen uns. Die Nabelschnur reicht gerade so, dass sie an die Brust kommt. Sie saugt kräftig und beschert mir die ersten Nachwehen. Jede Bewegung an der Nabelschnur löst ebenfalls eine Nachwehe aus. Eine ganze Stunde nach der Geburt merke ich, dass die Plazenta raus möchte. C. holt eine Schüssel. Hintern hoch, sie kommt quasi von selbst. Wir stellen die Schüssel neben mir ab und C. guckt, ob ich irgendwelche Rissverletzungen habe. Nichts zu sehen. 5 Minuten später trifft A. ein. Sie hört sich erstmal unsere Story an und lässt sich anstecken von unserer Begeisterung. Sie beguckt J. und wir sind uns einig, dass sie etwas mehr wiegen wird, als ihre Geschwister. Wir entscheiden uns, die Nabelschnur am Kind möglichst lang zu lassen, damit Sohni am Tag drauf noch mal abnabeln kann. Er hatte sich das so gewünscht. C. nabelt ab. Wir begutachten die Plazenta. Etwas über 60cm lange Nabelschnur, die Plazenta hat einen Durchmesser von 17-18 cm und ist relativ dick. Keine Verkalkungen, keine Fetteinlagerungen, aber eine recht große Einblutung zwischen Chorion- und Amnionhülle. A. vermutet erst eine Nebenplazenta, unter Umständen vielleicht eine frühere Zwillingsschwangerschaft. Wir schneiden rein, aber es ist lediglich Blut drin zu finden, was auch recht frisch zu sein scheint. Also entweder kurz vor oder aber während der Geburt entstanden. Gefährlich hätte die wohl nicht werden können, weil es zwischen die Fruchthüllen blutete und nicht hinter die Plazenta, also keine Ablösegefahr. Mein Blutverlust ist so gering, dass A. nicht so recht weiß, was sie da überhaupt dokumentieren soll. Sie zupft ein winziges Stück von der Plazenta ab, was ich mit einem großen Schluck Wasser zu mir nehme.
Auch A. findet an mir keine Geburtsverletzungen. Ich ziehe mir was an, währenddessen kuschelt die Maus auf Papas Brust. Wir wiegen und messen sie. 3730g, 52cm, 34,5 KU.
Wir schauen uns gemeinsam das Geburtsvideo an. A. verkündet, dass sie eh nur dagestanden und „Machst du gut.“ gesagt hätte, wäre sie denn da gewesen und schenkt mir spontan den Geburtsort unserer J. – den Geburtspool.
So um 22 Uhr fährt A. nach Hause und wir gehen ins Bett. Die Kleine hat noch ein bisschen Mühe mit der Temperatur und ich ziehe ihr entgegen meiner Planungen was an. Die Nacht verbringt sie auf mir schlafend.

Vergleiche ich meine Geburten, kann ich nicht sagen, welche die einfachste war. Diese Geburt war nicht einfacher, als die anderen zwei, aber ganz anders. Ich bin daran gewachsen. Ich habe keine Verantwortung abgegeben, ich war die ganze Zeit voll da und konzentriert. Nie wieder würde ich freiwillig einen Teil der Geburt in die Hände anderer legen.
C. hat mich sehr überrascht. Er war total souverän und ruhig. Ich wusste, dass ich mich zu jeder Zeit auf ihn verlassen kann und so haben wir 11 Jahre nach dem ersten Kuss zusammen ein Kind geboren.

Mikas Geburt oder : Wie ein Traum zum Albtraum wurde… Teil 3

Im Folgenden der dritte und letzte Teil von Nancys Geburtsbericht:

Da liegt er: grün und blau gestochen, angeschlossen an Geräte, zig Schläuche an seinem kleinen Körper, 4 Tröpfe, die alle in mein Kind führen. Und eine MAGENSONDE! Ich bin schockiert. Ich fühle mich hintergangen und betrogen. Ich frage Sven, ob er irgendetwas unterschrieben hat. „Nein! Nur, dass sie ihn mitnehmen dürfen!“ Ich habe Schmerzen, muss mich setzen. Die Schwester bringt 2 Stühle. Dann kommt die Ärztin. Sie erklärt uns, dass Mika Blut abgenommen bekommen hätte und dass sie auf die Werte wartet, dass er vorsorglich Antibiotika bekommt. („Er ist ja sehr kalt geworden und außerdem sind bei so Hausgeburten ja immer sehr viele Keime im Spiel. Das wird solange gemacht, bis bewiesen ist, das keine Infektion vorliegt.“) Dass er Kochsalz und Zuckerlösung bekomme, um seinen Kreislauf zu stabilisieren und dass viele Babys das brauchen, um „einen Anschubs“ zu kriegen und in Gang zu kommen. Die Magensonde kann sie nicht wirklich erklären. Sie sagt, dass es zur Kontrolle ist, ob er Fruchtwasser geschluckt habe. Wenn das sehr viel wäre, müsste man es raussaugen. Ich sitze da und nicke. Ich bin bestürzt, lasse mir das aber nicht anmerken. Dann frage ich, warum mein Kind denn nun so blau ist, denn das ist der einzige Grund, warum er hier ist. „Das ist nur eine Stauung, harmlos und ungefährlich. Man muss das nur überwachen, um Hirnblutungen auszuschließen.“

Die Ärztin fragt mich, ob ich schon ein Zimmer hätte. Ich verneine und sage ihr, dass ich den Kleinen gern mit nach Hause nehmen möchte. Sie sieht mich entgeistert an, sagt erstmal nichts und meint dann, dass sie jetzt aber erstmal zutun hätte und erst später Zeit hätte für die Untersuchungen, die noch gemacht werden müssen. „Wir müssen ja noch den Ultraschall vom Kopf machen, das ist sehr wichtig. Und auf die Blutwerte müssen Sie eh erstmal warten.“

Ich stimme zu und frage meinen Mann, ob er Mittag essen gehen will. Er bejaht und wir beschließen, gemeinsam etwas essen zu gehen. Es muss etwa 14 oder 15 Uhr gewesen sein. Der Weg von der Station zur Kantine ist weit. Wir essen Mittag, essen Eis und sitzen in der Sonne. Es sind heiße 37° an diesem Tag. Ich merke, wie das ganze Gerenne mir zu schaffen macht. Ich habe Schmerzen … Aber ich muss zu meinem Kind. In der Lobby fällt mir ein, dass Sven die Babyschale holen muss. Er geht zum Auto und holt die Klamotten und den Sitz. Ich bleibe währenddessen in der Lobby und warte. Ich setze mich auf eine Bank, als es mich wie ein Blitz durchfährt. SCHMERZ! Aua … ich krümme mich, stehe auf, setze mich wieder. Aua aua aua… Wo bleibt nur Sven? Stechende Schmerzen. Ich versuche, mich zusammen zu reißen.

Endlich kommt Sven wieder. Ich lasse mir nichts anmerken. Er hat Babyschale und Sachen. Wir gehen zurück auf die Station. Ich suche eine Toilette, beeile mich. Ich will zu Mika. Im Bad nehme ich die Riesen-Vorlage bei Seite. Alles ist dunkelrot, voller Blut. Ich setze mich und versuche, während des Schmerzes loszulassen. Eine riesen Lache Blut fließt aus mir ins Toilettenbecken. Es tut weh. Ich bleibe mit geschlossenen Augen sitzen und versuche, den Schmerz zu veratmen. Es gelingt mir nur bedingt. Endlich ist es vorbei. Ich will aufstehen, blute dabei das ganze Bad voll. Meine Vorlage ist dunkelrot. Ich werfe sie eingepackt in den Müll und lege meinen Slip mit dicken Lagen Toilettenpapier aus. Wir hatten ja an alles gedacht, nur nicht an mich, nicht an Vorlagen für die frisch entbundene Mutter. Traurig eigentlich …

Zurück auf der Station gehen wir zu Mika. Es ist niemand im Zimmer. Ich streichle mein Baby durch die Klappe des Inkubators und rede mit ihm. Ich sage ihm, dass ich ihn mit nach Hause nehmen werde. Doch nach einer Weile muss ich mich wieder setzen. Die Schmerzen kommen wieder. Es vergehen Stunden. Bei Mika im Zimmer liegt ein sehr sehr kleines Frühchen, um das sich die Schwester sehr engagiert kümmert. Es weint und es zerreißt mich, das zu hören. Mika will in der Zeit, in der wir einfach sitzen und warten, mehrmals anfangen zu weinen. Jedes Mal stehe ich schnell auf, streichle über seine Wange und rede mit ihm. Er lauscht und schläft jedes Mal rasch wieder ein. Das war für mich der Beweis, dass er sehr genau gemerkt hat, dass ich da bin, dass es sehr wohl hilft, mit seinem Baby zu sprechen und es zu liebkosen, auch wenn die Ärzte meinen, dass Ruhe am besten wäre.

Als die Schwester aus dem Zimmer geht, lese ich Mika’s Kranken-Kurve. Alles normal. Super Temperatur, keinerlei Krankheitszeichen. Wieso auch? Dann sehe ich seine Werte! WOW! 57cm, 4698g, Kopfumfang 37cm … Ich kann es nicht fassen! So groß kam er mir gar nicht vor! Ich zeige es Sven, der stolz wie Bolle die Brust schwellt und sagt, dass der kleine große Mann ganz der Papa ist. Er bekommt das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht.

Mika - gesund und verkabelt

Ich sage nun auch Sven, dass ich Mika mitnehmen werde. Er schaut mich an und sagt: „Du wirst das Richtige tun! Wäre es gefährlich, würdest du es ja bestimmt nicht riskieren, ihn dieser Gefahr auszusetzen. Außerdem hat die Ärztin ja ganz locker reagiert, also wird es nicht so schlimm sein.“ Er vertraute mir. Er wusste, dass ich viel gelesen hab und er weiß auch, dass ich nicht auf den Kopf gefallen bin. Ich würde unser Kind nie absichtlich in Gefahr bringen. Gutes Gefühl! Ich erklärte ihm, dass uns die Ärztin ganz sicher noch über möglich Komplikationen aufklären wird und dass er darauf gefasst sein soll. Ich werde Mika trotzdem mitnehmen, auch wenn sie die Horror-Geschichten auspacken. Ich hoffte sehr, dass Sven mir beisteht, wenn das Gespräch mit der Ärztin losginge …

Wir warten. Es kommt mir ewig vor. Zwischendurch versuchen Sanitäter und Pfleger, eine Fledermaus zu fangen, die auf der Station umher fliegt. Sie lachen und sind froh. Wir warten. Irgendwann, etwa gegen 16Uhr, kommt die Ärztin. Sie fragt: „Und sie wollen ihren Sohn wirklich mitnehmen, ja?“ Ich nicke: „Sie haben gesagt, die Stauung ist nicht gefährlich und die Verfärbung ist harmlos. Deswegen sollte er kontrolliert werden.“ Sie beginnt, wie ich es ahnte, mit den Horrorgeschichten. Wiederholt fällt das Wort Hirnblutung. „Auch eine Infektion ist seeeeehr wahrscheinlich. Bis Sie das als Mutter merken, kann es zu spät sein! Was machen Sie, wenn es ihm schlechter geht?“ Ich antworte, dass eine Hebamme zur Kontrolle kommen wird und dass ich, sollte irgendetwas sein, sofort wieder in die Klinik gehen werde. „Ja, aber Sie wissen ja, das Schwedt keine Kinderklinik hat und wir sind nun schon einmal wegen Ihnen diesen Weg gefahren! Erwarten Sie wirklich, dass wir wegen ihres Leichtsinns nochmals kommen? Ich finde, dass Sie äußerst unverantwortlich sind, wenn sie ihr Kind jetzt mitnehmen.“ Ich schaue zu Boden … ich fühle mich elend. Sven sagt kein Wort. Ich sehe die Ärztin wieder an und betone, dass ich Mika trotzdem mitnehmen werde. „Und dann dieses Wetter! Es ist so warm da draußen und da wollen sie mit einem frisch geborenem Säugling in der Hitze Auto fahren?“ Sie schüttelt mit dem Kopf. Ich kann nicht klar denken, bekomme ein schlechtes Gewissen. Erst Wochen später fällt mir auf, dass Mika auf der Station in einem Wärmebettchen lag, dass auf konstant 37° gehalten wurde. Als wir losfuhren, waren es noch 30° …
Eine Horror-Geschichte verfolgt die nächste. „So dicke Kinder bekommen auch schnell mal eine Gelbsucht! Das muss kontrolliert werden!“ Ich wiederhole, dass ich eine Hebamme habe und auch zur U2 den Arzt aufsuchen werde. „Da kann es schon zu spät sein! Ich weiß ja, dass Sie sich wohl alles etwas anders vorgestellt haben, aber jetzt ihren Kopf hier durchzudrücken, ist sehr verantwortungslos!“ Da war es wieder, dieses Wort. Sven muss gedacht haben, ich bin bescheuert, aber er sagt nichts. Hört sich nur alles an.

Irgendwann sagt die Ärztin: „Gut, ich muss noch mal kurz weg. Ich komme aber wieder, dann machen wir den Ultraschall am Kopf. Ich sage Ihnen aber gleich, dass wir, wenn wir Sie gehen lassen, noch einen Bluttest machen müssen! Ohne den darf ich Sie hier nicht rauslassen! Der wird zwar eigentlich nach 3 Tagen erst gemacht, aber da Sie ja gehen wollen, machen wir ihn gleich. Auswertbar wird er dann nicht sein und die Hebamme muss ihn nach 3 Tagen wiederholen.“ Ich bin verwundert, aber eingeschüchtert und wie gelähmt. Sie hält mir einen Zettel vor: „Das müssen Sie unterschreiben, wenn Sie gehen wollen.“ Ich unterschreibe. „Warum wollen Sie ihn denn unbedingt mitnehmen?“ Ich antworte mit gesenktem Kopf: „Weil ich finde, das ein Baby zur Mama gehört und nicht allein in einen Brutkasten!“

Die Ärztin geht. Wir sind allein. Ich beruhige Sven. „Sie müssen das alles sagen, um sich abzusichern.“ Er vertraut mir. Kurze Zeit später kommt die Schwester mit einer Milchflasche ins Zimmer und geht zu Mika. Sie geht an die Magensonde, zieht mit einer Spritze daran. Es erscheint klare Flüssigkeit. Sie erklärt mir, dass das ok sei und spritzt die Flüssigkeit zurück. Ich sitze wie gelähmt, als sie zu Mika geht und ihm die Flasche in den Mund steckt. Ich sehe Sven an und sage: „Nein, oh nein…“ Mehr schaffe ich nicht. Ich wehre mich nicht mehr. Ich lasse es geschehen. Ich kann nicht mehr kämpfen. Das Gespräch mit der Ärztin hat viel Kraft gekostet. Ich bin kein Mensch, der gut gegenhalten kann. Ich bin eher wie ein angeschossenes Reh und gehe Diskussionen aus dem Weg. Erstaunlich, dass ich es bei der Ärztin geschafft habe, standhaft zu bleiben.
So bekommt Mika als erste Nahrung in seinem Leben nicht meine gute Muttermilch, sondern Flaschenmilch. Ich bin traurig, halte aber die Tränen zurück. Die Schwester freut sich. „Er hat alles ausgetrunken! Die ganzen 70ml!“ Ich bin fassungslos! 70ml? In den kleinen Magen? Wie soll er dann demnächst von meiner Vormilch satt werden? Ich drehe den Kopf zu Seite, als sie mich ansieht. Warum tut man so etwas? Die Mutter sitzt stundenlang neben ihrem Baby, voll gefüllt mit Hormonen. Nichts hätte ich lieber getan, als Mika zu stillen. Meine Brüste waren prall gefüllt. Ich hatte schon seit Wochen Vormilch, das so wertvolle Kolostrum. Stattdessen muss ich mit ansehen, wie mein Kind eine Flasche bekommt. Aber er hatte noch die Schläuche überall. Es wäre wohl zuviel Aufwand gewesen, ihn mir zu geben. Sein Hunger nach Nahrung war gestillt, der nach Nähe noch immer nicht. Die Schwester fragt, wo unser Zimmer ist. Ich antworte, dass wir nur noch auf die Ärztin warten und Mika dann mitnehmen. Sie ist erstaunt, aber weiterhin freundlich und freut sich sogar irgendwie für uns. Zumindest fühlt es sich so an. Sie geht kurz, kommt dann wieder und sagt, dass sie ihm dann schon mal die Magensonde zieht und die Zugänge entfernt. Das freut mich. Endlich geht es vorwärts.

Sie zieht die Nadeln, zieht die Sonde. Mika weint, lässt sich aber schnell beruhigen. Die Schwester ist sehr liebevoll mit ihm, streichelt über die Fontanelle. Die Ärztin kommt und ordnet die Schwester an, den besagten Bluttest zu machen. Die Schwester ist verdutzt. „Den kann man erst nach 3 Tagen machen. Sonst ist er eh nicht auswertbar und wir bekommen nur den roten Zettel!“ „Der Test wird trotzdem gemacht. Ich muss mich hier auch ein wenig absichern!“, entgegnet die Ärztin und geht wieder. Die Schwester schaut traurig und schüttelt den Kopf. „Tja, kleiner Mann … dann muss ich dich jetzt noch mal stechen..“ Ich gehe näher heran und rede mit meinem Kind. Sie sticht in den bereits lila-blauen Fuß. Mika schreit. Die Schwester drückt und drückt. Es will nichts kommen. Mika’s Stimme beginnt zu zittern. Er schreit aus voller Kraft und die Tränen laufen sein Gesicht herunter. Ich fange wieder an zu weinen, gehe zu Mika und streichle ihn, sage immer: „Ist gut, mein Schatz, gleich ist es vorbei.“ Meine Tränen fallen auf den Wickeltisch und auch auf mein Kind. Ich sehe nichts mehr, höre ihn nur schreien, verzweifelt schreien. Es kommt nicht genug Blut. „Die Schwester schaut traurig, sagt leise: „So ein Schwachsinn…“ und sticht in den anderen kleinen Fuß. Mika versucht zu zappeln, er schreit verzweifelt. Es bringt mich fast um. Mein Herz tut mir weh! Im wahrsten Sinne. Ich kann kaum Luft holen. Mein armes Baby schreit um Hilfe –
laut, wimmernd, verzweifelt – und ich darf ihm nicht helfen. Einer der vielen Momente, die mir als die schrecklichsten in Erinnerung bleiben.

Irgendwann ist sie endlich fertig. „Sie können ihn jetzt anziehen.“ Ich hole seine Sachen, kann kaum etwas sehen. Mika weint noch immer, während ich ihn behutsam anziehe und mit ihm rede. Ich überlege, ob ich ihm einen Body unterziehe oder nur den dünnen Pullover+Strampler. Die Schwester meint richtiger Weise, dass ein Body nicht nötig wäre. Ich stimme zu und ziehe Mika langsam an, während ich ihn immer wieder liebkose und sage: „Mama ist ja da.“ Er wimmert. Als ich fertig bin, schlägt die Schwester vor, ihn zu stillen. Eine phantastische Idee. Ich gehe zum Stuhl und stille, zwischen all diesen Geräten, zum ersten Mal mein Baby. Er saugt sofort kräftig, beruhigt sich endlich und schläft sanft auf meinem Arm ein.

Die Ärztin kommt wieder, als die meisten Tränen getrocknet sind. Sie will den Ultraschall machen. Ich setze mich mit Mika auf die Liege. Sie schickt mich weg und beginnt zu schallen. Große Stille und Angespanntheit füllen den Raum. Nach etwa 10 Minuten beginnt sie zu reden. „Ja, also ich hab hier was gefunden. Das KÖNNTE eine Blutung sein.“ Ich bitte sie, mir diese „Blutung“ zu zeigen. In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass sich Flüssigkeiten im Ultraschall immer als schwarze Flächen darstellen. Was sie mir zeigt, sieht anders aus. „Ich zeige ihnen mal die eine Seite des Hirns. Da sehen sie diese weiße Linie. Auf dieser Seite ist die Aussackung dieser Linie so, wie sie sein muss. Wenn ich nun auf der anderen Seite schaue, sehe sie, dass die Linie weiter ausgestülpt ist. Sie geht also etwas weiter nach außen. Sehen Sie das?“ Ich sehe es. Es ist minimal, was sie mir auch bestätigt. Sofort geht mir durch den Kopf, das 2 Hälften eines Menschen NIE gleich groß sind. Seien es Arme, Beine, Brüste oder Augen – es ist immer unterschiedlich. Wieso sollte das beim Hirn anders sein? Ich frage, was denn getan wird, wenn es eine Blutung wäre. Sie druckst umher, antwortet schließlich, dass es engmaschig überwacht würde. Ich höre heraus, dass aktiv nichts getan werden würde, bis sich Komplikationen äußern. Sie fragt, ob wir immer noch gehen wollen. Ich bejahe das. Sie weißt mich nochmals darauf hin, dass Krampfanfälle, schnell steigendes Fieber, schlimme Gelbsucht usw. zu erwarten wären und dass ich reagieren müsse, wenn mir etwas davon auffällt. Ich nicke.

Sie geht, um endlich die Entlassungspapiere fertig zu machen. Wir warten – wieder einmal! Nach etwa einer 3/4h kommt sie wieder, gibt uns den Brief und wünscht uns „trotzdem“ alles Gute. Die Schwester kommt auch, um sich zu verabschieden, und wünscht ebenfalls alles Gute „für den kleinen Dicken“.

Ich packe Mika behutsam in die Babyschale. Er schläft friedlich. Wir verlassen die Station. Ich fühle mich, als würde ich einen Krieg hinter mir lassen. Es fällt eine Last und so viel Anspannung von mir ab, dass ich mich einfach nur erleichtert fühle, als wir beim Auto ankommen. Wir schnallen Mika an. Ich bleibe hinten bei ihm sitzen. Wir fahren nach Hause. Endlich! Unterwegs rufe ich meine Hebamme an. Es meldet sich der Anrufbeantworter. Ich schildere kurz, was geschehen ist und bitte um Rückruf. Sven telefoniert danach noch mit meinen und seinen Eltern. Sie möchten den Kleinen noch kurz sehen und fragen, ob sie, nur ganz kurz, gucken kommen dürfen. Ich stimme zu. Mir ist alles egal! Ich bin einfach nur froh, wenn wir zuhause sind – in Sicherheit!

Zuhause angekommen, gehe ich mit Mika auf die Couch. Hier, wo am Morgen der Horror begann, erinnert nur ein kleiner Blutfleck auf der Decke daran, welch psychische Folter hier für mich stattgefunden hat. Sven ist wie von Sinnen. Kaum zuhause angekommen, räumt er alle Kerzen, alle Unterlagen, alles, was an die Geburt erinnert, sofort weg. Das Bad, der Ort an dem ich mein Kind bekommen hab, ich hätte es gern in Ruhe nochmals betrachtet, so wie es war. Doch Sven war wie fremdgesteuert. Alle Unterlagen, jeder kleine Blutfleck, alles wurde sofort, zusammen mit meinem rosa Krankenhaus-Leibchen entsorgt. Sogar die Bad-Matte mit den kleinen, ausgestanzten Löchern flog umgehend nach draußen. „Die ist auch schmutzig, die kann weg!“ Ich verneine. „Die wird sauber gemacht und kommt wieder hier ins Bad!“ „Ja??“ – „JA!!!“ So zieht die Matte dann doch nach ein paar Tagen wieder ins Bad. Grundgereinigt. Was mir bleibt, ist ein winzig kleiner Blut-Fleck am Rande des Teppichs, der an den magischen Moment der Geburt erinnert.

Svens Eltern treffen mit der großen Schwester ein. Ich sitze im Wohnzimmer. Felia ist stolz wie verrückt. Sie küsst und streichelt ihren kleinen Bruder. Die Eltern meines Mannes schießen Fotos und freuen sich, dass es uns „gut“ geht. Die erste Freude, die erste Regung von ihrer Seite seit der gesamten Schwangerschaft. Ich freue mich darüber sehr. Dann treffen auch meine Eltern ein. Meine Mutter fällt mir um den Hals und weint. „Ich bin so stolz auf dich, Nancy! Das hast du gut gemacht!“ Ich erzähle, dass die Krankenhausnummer nicht hätte sein müssen. Doch alle sind einstimmig der Meinung: „Ist doch gut, dass alles kontrolliert wurde und er gesund ist!“ Ich sage nichts weiter, bin nur traurig. Erst später, als sie alle Teile der Geschichte kennt, ändert meine Mutter ihre Meinung und kann es, wie ich, überhaupt nicht verstehen, warum all das mit uns gemacht wurde. Am Abend ruft meine Hebamme an. Ich erzähle ihr alles. Sie fragt, warum nicht angerufen wurde. Mir fehlt die Erklärung. Ich weiß es nicht. Sie meint, dass sie soweit für Nachbetreuungen nicht fährt – eigentlich. Ich sage ihr, dass ich hier niemand anderes mehr haben will und biete an, einen Teil der Fahrtkosten zu übernehmen. Sie stimmt erstmal für den nächsten Tag zu … und betreut mich dann doch, bis das frühe Wochenbett vorüber ist.

Der Tag neigt sich dem Ende. Ich stille Mika und wir gehen geschafft ins Bett. Als es zuhause still wird, wird Mika unruhig. Die ersten Nächte waren furchtbar. Er schrie aus dem Schlaf heraus sehr oft auf und weinte fürchterlich. Er muss schlimme Albträume gehabt haben. Auch entwickelte er sich nach einigen Wochen zum Schrei-Baby. Ich telefonierte mit der Vorsitzenden von Greenbirth.e.V., die mir erklärte, dass auch er, der noch nicht sprechen kann, seine Gefühle und Ängste mitteilen will. Das leuchtete ein. Ich solle ihm sagen, dass es mir leid tut, dass er alleine solche Dinge durchstehen musste und dann solle ich es zulassen, dass er schreit, ihm zuhören. Das tat ich und jedes Mal versicherte ich ihm, dass ich ihn nie wieder so allein lassen werde. Es wurde besser bei ihm, bei mir wurde es schlimmer! Jeden Abend, wenn er schlief und ich ihn ansah, bekam ich das große Heulen. Ich konnte nicht an mich halten! Jeden, wirklich jeden Abend lag ich weinend im Bett neben meinem Kind und flüsterte ihm zu, wie leid mir alles tut.
Bis er 4 Monate alt war, schlief Mika nur auf meinem Arm ein. Bis heute, 9 Monate später, ist er sehr viel anhänglicher, als meine beiden Töchter es waren. Ich darf den Raum nicht ohne ihn verlassen, sonst weint er sofort dicke Tränen. Ich stille ihn jeden Abend in den Schlaf. Er braucht das.

Wäre er ein anderes Kind, wenn alles etwas anders verlaufen wäre? Ich weiß es nicht! Ich weiß aber, dass es mich verändert hat! Als meine Hebamme ihn zum ersten Mal sah, sagte sie sofort, dass er ein gesundes Kind ist. Er bekam weder Gelbsucht, noch Krampfanfälle oder eine Infektion. Hätte er eine bekommen, dann ganz sicher nicht durch die „Hausgeburts-Keime“, sondern weil man ihn auskühlen lassen hat und alle 4 Gliedmaßen zerstochen hat, bis sie grün-blau-lila leuchteten.

Folgend noch der versprochene Entlassungsbrief, mit dem ich nach Hause fuhr. Er lässt nur erahnen, was für eine egoistische Rabenmutter ich war und bin. Die U2 war ein Spießrutenlauf sondergleichen und nochmals schwer und sehr erniedrigend für mich. Danach waren wir nicht mehr beim Arzt und es geht uns blendend … endlich geht es uns blendend!

Hauptdiagnose: Hypertrophes, reifes Neugeborenes
Respiratorische Anpassungsstörung
V.a. (Verdacht auf) NG-Infektion
V.a. IVH I-II rechts (intraventrikuläre Hirnblutung rechts)

Anamnese:

Um 7 Uhr Ungeplante Hausgeburt (LÜGE!!). Rasche Entwicklung des hypertrophen Kindes in 20 Min. FW klar. Kind postnatal wenig geschrien und schlaff, Schaum vorm Mund (??? Ich erzählte, das Fruchtwasser schaumig aus dem Mund trat) Nach Stimulation unregelmäßiges Schreien und livide Verfärbung. Ruf des Notarztes. Abnabelung nach 20 Minuten durch den Sanitäter. Bei Eintreffen des Notarztes schlappes, livide verfärbtes Kind, nach Stimulation jedoch kräftiges Schreien bei weiter anhaltender zyanotischer Hautverfärbung. Sättigung nicht ableitbar wegen mangelndem Kindersensor. Unbefriedigende Beatmung mit Beutel (???) mit O2 Zufuhr. Kontaktaufnahme mit unserem neonatologischen Team. Vereinbarung Anlage eines Rachen-CPAP und ggf. Bebeutelung über CPAP, Transport ins naheliegende Krankenhaus Schwedt zur weiteren Versorgung, sowie dortige Übernahme durch uns.
Bei Aufnahme in der Klinik gestresstes Kind mit kühler Peripherie. Temperatur 35,4° ( :'( ) Blutentnahme, dabei pH 7,13, pCO2 82,7, BE – 7,3 , BZ 4,1, Sao2