Vom Kaiserschnitt zur Alleingeburt

Die fünffache Mutter im folgenden Bericht erzählt von ihren Geburten und lässt uns ausführlich an ihren letzten beiden Geburten teilhaben, die sie nur mit ihrem Mann zusammen erlebt hat.

Vorgeschichte

Wir, bisher sechs, leben Patchwork. Meine drei „großen“ Kinder zogen mit mir in die zweite Ehe, aus der nun auch Kindchen vier und fünf entstanden sind. Von meinem ersten Sohn wurde ich 2003 per Sectio entbunden. 2005 folgte mein zweiter Sohn auf natürlichem Weg, jedoch mit allen Schikanen, die ein Krankenhaus zu bieten hat. Im Jahr 2009 ein Sternenkind und 2010 durfte ich mich über meinen dritte Sohn freuen. Eine vaginale Geburt, die mithilfe des Wehentropfes eingeleitet wurde. Woraus sich eine sehr schmerzhafte „MaikäferaufdemRücken“ – Geburt ergab.

Die Schwangerschaften waren allesamt unauffällig und ohne Komplikationen. Ich lief brav, wie vom Gesundheitssystem empfohlen, regelmäßig zu allen Vorsorgeuntersuchungen und ließ, ohne zu hinterfragen, alles über mich ergehen. Eine Hebamme sah ich erst zur Geburt, zuvor nur meinen Frauenarzt.

Schon in der dritten Schwangerschaft hielt ich das Buch „Die Hebammensprechstunde“ jeden Abend in meinen Händen und lass, bewundernd und staunend, die Berichte von Ingeborg Stadelmann. Eine Hausgeburt – wie schön diese Vorstellung war. Aber die Angst und fehlendes Wissen sowie Vertrauen in meine Fähigkeiten waren viel zu groß. Zudem hatte mein damaliger Partner absolutes Vertrauen in Krankenhäuser.

Viertes Kind, erste Alleingeburt

Nun fünf Jahre später, 2015, war es endlich soweit. Mein jetziger Mann und ich hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben. Ich war endlich schwanger und schnell waren wir uns einig: Dieses Baby empfangen wir Zuhause, in Liebe und Würde. Eine von den wenigen Hausgeburtshebammen war schnell gefunden und meine ersten Termine zur Vorsorge wahrgenommen. Ich wollte diesmal so wenig wie notwendig Ärzte aufsuchen.

Ab der 20. Schwangerschaftswoche suchte mich ein fieser Dauerdurchfall auf. Dieser blieb fast 11 Wochen, bei Tag und  auch bei Nacht. Homöopathisch hat meine Hebamme nichts unversucht gelassen. Zum Ende bin ich dann doch dehydriert, freiwillig, in ein Krankenhaus gegangen. Jedoch nur um mich zu regenerieren und mir bestätigen zu lassen, dass es meinem Baby an nichts fehlt. Die mehrfach angeratene Darmspiegelung habe ich abgelehnt. Meinem Baby ging es gut und ich wollte nichts riskieren. Jedoch gefiel dies meiner Hebamme nicht sonderlich. Der Durchfall hielt an und war auch alternativ-medizinisch nicht zu stoppen. In der 33. Schwangerschaftswoche verabschiedete ich mich von meiner Hebamme. In mir wuchs der Gedanke einer Alleingeburt. Bestärkt durch gleichnamiges Buch und Facebookgruppen. Dennoch wollte ich eine Hebamme  finden, die bereit ist mich zu unterstützen, falls ich sie brauche. Das Glück war auf meiner Seite und ich hatte schnell eine Hebamme gefunden. Den Durchfall haben wir in kurzer Zeit homöopathisch auflösen können. Heute bin ich mir sicher, dass die Ursache rein psychisch war.

Die letzten Wochen vergingen ohne Auffälligkeiten und mein Wunsch nach einer Alleingeburt wuchs. Ich war völlig frei von Ängsten und Sorgen und vertraute auf mich und meine Fähigkeit dieses Baby allein zu gebären. Meinem Mann gegenüber erwähnte ich es immer nur beiläufig.

In der Nacht, 5.8., wurde ich gegen 0.15 Uhr von leichten Wellen geweckt. Liegen bleiben wollte ich nicht und beschloss  nach unten ins Wohnzimmer zu gehen, um zu sehen wie sich die Wellen entwickeln.

Noch schnell eine Wehenapp installiert und das Wohnzimmer hergerichtet. Kerzen erleuchteten fast weihnachtlich das Wohnzimmer. Zur Musik kreiste ich mein Becken und merkte, dass die Wellen regelmäßig und in immer kürzeren Abständen kamen.

Ich weckte meinen Mann. Es war ca. 1.15 Uhr. Zeit für ihn den Pool aufzubauen. Er war aber noch völlig schlaftrunken und sagte mir: „ Das schaffe ich jetzt nicht mehr“. „Gut, dann geh ich erst mal in die Badewanne“, erwiderte ich. Ich war schon völlig im Flow, voller Vorfreude auf die kommende Geburt.

In der Wanne wurden die Wellen stärker und die Abstände verkürzten sich wieder. Ich wollte laufen, mich bewegen. Also stieg ich aus und mich ereilte eine Welle, die mich in die Knie zwang. Ich stützte mich am Wannenrand, bejahend die Welle veratmend. Ja, ich lasse los. Im Wohnzimmer angekommen, sah ich das mein bisher entspannter Mann langsam nervös wurde. Ich schickte ihn auf die Terrasse, wo er seinen xten Kaffee trank.

Ich lief weiterhin durch das Wohnzimmer und bejahte jede Welle. Zu keiner Zeit waren die Wellen schmerzhaft und ich fühlte mich wirklich wohl in meinem Zustand. Die nächste Welle kündigte sich an, sie kam voller Kraft, eine Urgewalt. So dass ich noch heute keine richtigen Worte finde. Es war eine Urkraft, die mich dazu bewog, das erste Mal nach meinem Muttermund zu fühlen. Prima, vollständig geöffnet und ich spürte das Köpfchen bereits. Es brannte und ich wusste, dass unsere Tochter nicht mehr lange auf sich warten lässt. Jetzt durfte mein Mann die Hebamme anrufen, welche sich gleich auf den Weg machte.

Meine Beine begannen zu zittern und ich musste mich seitlich auf unser Sofa legen. Kaum lag ich  spürte ich die erste „Presswehe“ und schob, atmend das Köpfchen vorwärts. Nach nur zwei „Presswehen“ war das Köpfchen  geboren und ich wartete auf die nächste Welle. Meine, Mann kniete vor dem Sofa und hielt das Köpfchen, während ich spürte, dass sich die Schultern drehten. Mit der nächsten Welle war sie dann geboren, 4.24 Uhr.

Kurz darauf kam unsere Hebamme, völlig erstaunt, dass unser Baby schon da ist. Sie untersuchte unsere Kleine, die mit 4700 Gramm und 54 cm gar nicht so klein war. Die Nabelschnur war bereits auspulsiert und wurde von meinem Mann durchtrennt. Meine Plazenta folgte, nachdem die Hebamme am herausragenden Rest der Nabelschnur zog. Ich war viel zu sehr im Hormonrausch, so dass ich dies über mich ergehen ließ.

Fünftes Kind, zweite Alleingeburt

Im Dezember 2017 freuten wir uns noch einmal, denn ich hielt einen positiven Test in der Hand. In dieser Schwangerschaft sollten es nur drei Termine bei meiner Ärztin werden. Ich nahm nur die Screenings wahr und lehnte sowohl vaginale als auch alle anderen unnötigen Untersuchungen wie z.B. CTG ab.

Wir hatten uns wieder für die Hebamme entschieden, die uns auch in der letzten Schwangerschaft  begleitete. Allerdings hat auch sie das Handtuch in der Hausgeburtshilfe geschmissen. Auch ihr waren die Versicherungsbeiträge zu hoch. Daher war schnell klar, dass es wieder eine Alleingeburt wird.

Die Wochen der Schwangerschaft vergingen rasend schnell und ich genoss jeden Tag mit meinem Baby im Bauch. Ich wollte diese letzte Schwangerschaft so bewusst wie möglich wahrnehmen. Jeder Tag war ein Geschenk und mir ging es unheimlich gut. Der Kontakt zu meinem Baby bestätigte mir, dass es ihm auch gut ging. Meiner Hebamme habe ich ab der 37. Schwangerschaftswoche alle Termine abgesagt. Denn sie bekam es mit der Angst zu tun, da sie wusste, ich würde in kein Krankenhaus gehen. Ich wollte frei sein von den Ängsten aus meinem Umfeld und blieb die letzten Wochen daheim und bereitete mich mental auf die Geburt vor. Ich visionierte eine Geburt im Garten. Dafür hatten wir extra umgestaltet und diesen Platz als den meinigen erklärt.

Am 25.7., es war wieder so ein heißer Tag, den wir abwechselnd  im kühlen Haus als auch im erfrischenden Pool verbrachten. An diesem Abend, es waren alle Kinder daheim, zog es uns wieder in den Garten. Vom angrenzenden Feld wehten frische Brisen und wir spielten ausgelassen miteinander. Mich zog es dann zu meinem „Platz“, ich hatte das Bedürfnis  mich zu erden. Also legte ich mich auf meine Wiese,  genoss die kühlere Luft und die Wärme der Wiese.

Ich bemerkte nun, dass ich wieder Kontraktionen hatte. Schenkte ihnen aber keine große Beachtung und fuhr im Alltagsgeschehen fort. Als dann unsere Jüngste im Bett war, setzte ich mich gemütlich auf unsere Terrasse und entspannte mich. Meinen Mann verabschiedete ich, als er zum Gassigehen mit dem Hund loszog mit folgenden Worten: „Mausel, geh net so lange. Unser Baby macht sich auf den Weg.“ Ich war selbst ganz erstaunt über meine Worte, denn sie kamen mir einfach so über die Lippen.

Gegen 21.30 Uhr wurde mir bewusst, dass es Geburtswellen sind. Zwar sehr unregelmäßig aber deutlich. Nach einer Stunde war dann auch mein Mann wieder zurückgekehrt. Wir machten es uns auf der Terrasse gemütlich. Zündeten Teelichter an, stellten Musik bereit und auch mein „heiliger“ Platz wurde mit der Feuerschale und reichlich Brennholz bestückt. Die Wellen kamen nun alle 7 Minuten. Ich bejahte jede Welle und „schwamm“ mit ihnen.

Es war nun schon dunkel und kühler geworden. Und ich genoss die Wärme, welche von der Feuerschale erstrahlte, lief durch das feuchte Gras im Garten und veratmete jede Welle. Mein Gefühl sagte mir immer wieder: Bleib in Bewegung und hilf dem kleinen tiefer ins Becken einzutreten. Die Zeit verging rasant und die Uhr zeigte nun Mitternacht. Die Straßenbeleuchtung erlosch und der Mond stand direkt über uns, während nun die Wellen alle 5 Minuten kamen. Der Druck im Rücken nahm mit jeder Welle zu und mein Mann massierte mich fleißig. Durch das viele Laufen waren meine Beine sehr angespannt und auch hier durfte mein Mann Abhilfe schaffen. Ich bat ihn jedes Bein „auszuschütteln“ und fühlte auch gleich Besserung.

Am liebsten hätte ich mich hingelegt, um mich auszuruhen, aber instinktiv blieb ich in Bewegung und kreiste meine Becken. Irgendwie wurde ich ungeduldig, denn meine letzte Geburt ging deutlich schneller voran. Ich tastete nach meinem Muttermund und freute mich über 5cm. Mein Mann wurde ungeduldig und ich bot ihm an, sich doch noch kurz hinzulegen. Wir gingen ins Wohnzimmer. Kerzenschein und Duftlampe sorgten auch hier für eine schöne Atmosphäre. Da das Sofa schon „geburtsbereit“ war, legte mein Mann sich kurzerhand auf das Kindersofa. Ich musste schmunzeln, denn es sah schon witzig aus. Ein 1,80 m-Mann zusammengerollt auf einem 1,00 m-Kleinkindersofa liegend.

Die Wellen und auch der Druck im Kreuzbein wurden nun wesentlich stärker und die Abstände sehr kurz. Ich kniete vor dem Sofa und stützte mich in den Pausen auf dem Sofa liegend ab. Die Wellen waren gewaltig, so auch der enorme Druck hinten. Ich versuchte weiterhin jede Welle zu bejahen und ging hinüber in eine sehr tiefe Tonlage. 2.00 Uhr, platsch – „Mausel das war die Fruchtblase“.  „ Hab es gehört.“ Und schon legte mein Mann neue Unterlagen aus. Ich war nun vollständig geöffnet und es folgten sogleich die „Presswehen“. Ich schob mit den langen Wellen das Köpfchen voran und konnte ihn auch gut fühlen. Während der gesamten „Pressphase“ hielt ich meine Hand am Kopf des Kleinen. Der Kopf war noch nicht vollständig geboren und es folgte die letzte Welle. Der Kleine „rutschte“ in die Hände des stolzen Papas. Da war er nun. Ich kniete noch vor dem Sofa, als mein Mann mir den Kleinen durch meine Beine reichte. Ich nahm ihn und begann erst einmal zu schluchzen und zu weinen. Völlig überwältigt im Gefühlsrausch.

Da ich wirklich geschafft war, versuchte ich mich auf das Sofa zu legen. Leichter gesagt als getan. Mein Hinterteil schmerzte und bewegen war nur mit aller größter Anstrengung möglich. Selbst ohne Bewegung tat es unheimlich weh. Da lag ich nun. Die Nachwehen waren auszuhalten und wir warteten auf das Auspulsieren der Nabelschnur sowie auf die Geburt der Plazenta. Ich stillte unseren Sohn zum ersten Mal. 3.05 Uhr haben wir abgenabelt und die Plazenta gebar ich hockend in die dafür vorgesehenen Schüssel um 3.33 Uhr. Geschafft. Wir waren müde. Mein Mann wusch mich und den Kleinen, er räumte auf,  entsorgte die Unterlagen und stellte meine Plazenta in den Kühlschrank. Wir zogen 4.15 Uhr nach oben ins Bett, wo auch unsere jüngste Tochter schlief. Die großen Brüder haben alles verschlafen und wollten auch nicht geweckt werden. Die Überraschung war am nächsten morgen umso schöner. Kuschelzeit im Familienbett.

8.30 Uhr kam schon unsere Hebamme zur Nachsorge. Dass ich keine Geburtsverletzungen hatte, wusste ich bereits und auch sonst war alles gut. Der Kleine wurde gewogen und gemessen. 4650 Gramm und 54 cm lang.

Wir sind überglücklich, dass wir uns wieder für den Weg der Alleingeburt entschieden haben. Für uns war es genau die richtige Entscheidung. Es gibt aber auch die andere Seite. Das Umfeld, Außenstehende. Bereits in der Schwangerschaft haben wir es vermieden über den geplanten Geburtsort zu reden. Unverständnis, Kopfschütteln bis hin zu Debatten über Risiken und Verantwortungsbewusstsein.

Beide Geburten werden immer zu unseren intimsten und schönsten Ereignissen im Leben zählen. Momente, die wir nicht geteilt haben, die allein uns gehören. Dennoch bedauerte ich die ersten Tage nach der Geburt, dass ich mit niemandem über diese Geburt reden konnte. Zu gern hätte ich einfach nur erzählt bzw. geredet. Im frischen Gefühlsrausch, stolz und glücklich erzählen zu können, einen lieben und verständnisvollen Zuhörer zu finden. Denn die Geburt meines fünften Kindes war ein ganz anderes Erlebnis als die Geburt meiner Tochter. Er war ein Sternengucker, die Atmosphäre berauschend lieblich und dennoch nicht ohne diese intensiven, gewaltigen Urkräfte, die anders waren als bei meiner Tochter.

Ihr lieben Frauen und Leser/innen, traut euch. Es ist euer Körper und allein eure Verantwortung. Jeder Frau kann gebären, wir konnten es schon immer. Unsere wunderbaren Körper sind dazu geschaffen. Selbstbestimmend und würdevoll gebären zu können ist möglich, sofern ihr dafür einsteht. Für euch und eure Kinder.

Herzlichst

Daniela und Uwe

In eigener Sache: zurück aus der Sommerpause

Hallo ihr Lieben,

ich hoffe, ihr hattet einen schönen Sommer! Einige von euch warten schon eine Weile auf eine Antwort auf ihre Kommentare und Emails. Ich habe euch nicht vergessen, aber habe mir eine kleine Sommerpause gegönnt, plus wurde sie mir aufgezwungen, weil ich aufgrund technischer Probleme lange nicht oder nur sporadisch auf meine Webseite zugreifen konnte. Das Problem wird aber jetzt hoffentlich gelöst und ganz bald hoffe ich, dass ich alles abarbeiten kann. Und auch neue Geburtsberichte sind in der Warteschlange.

Demnächst also mehr!

Viele Grüße,

Sarah Schmid

Zweite Alleingeburt nach Kaiserschnitt

Die Mama im folgenden Bericht bekommt ihr viertes Kind. Das erste war ein Kaiserschnitt, das zweite eine Hausgeburt, Nummer drei war eine Alleingeburt und Nummer vier soll auch eine werden. Diesmal liegt das Baby offenbar nicht so optimal, aber zusammen mit ihrem Mann meistert sie die Geburt. Als eine letzte Hürde stellt sich dann die Anmeldung der Geburt heraus. In Österreich gibt es eine Hebammenhinzuziehungspflicht, die auch für die Mutter gilt. Was passiert in Österreich bei einer Geburt, die bewusst ohne Hebamme stattfindet? Lest selbst.

Als ich den Schwangerschaftstest machte, war mir klar: Es muss da raus! Daher lief das Projekt „Baby klein halten“ ab Tag 1 (groß sollte es werden, nur nicht zu groß). Großes Unwohlsein in der Frühschwangerschaft ließ jedoch eine geordnete Ernährung in weite Ferne rücken, sodass ich mich oft aufgebläht, mieselaunig und ungut fühlte. Fußreflexzonen-Massage schaffte zwar teilweise Abhilfe, aber richtig gut ging es mir erst, als die berühmten ersten drei Monate der Schwangerschaft vorbei waren. Zu diesem Zeitpunkt startete ich auch wieder in meine Yoga-Kurse, meist zwei Mal pro Woche (Ashtanga Yoga). Gewicht hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt ca. 3 kg zugenommen, und es kam nicht mehr wirklich was dazu bis zum Ende der Schwangerschaft. Ich versuchte, mich hauptsächlich eiweißreich zu ernähren und Dickmacher-Kohlenhydrate wie Zucker, Brot, Mehl, Reis etc. zu vermeiden. Das heißt: Statt Cornflakes zum Frühstück gab es dann zwei Rühreier mit Pilzen und Joghurt mit frischen Früchten.

Ärztliche Untersuchungen nehme ich keine in Anspruch, auch Hebamme gibt es keine. Der Kontakt zu meinem Bauchgefährten ist sehr direkt. Bereits recht früh spüre ich erste Schmetterlingsbewegungen, die dann immer deutlicher und besser wahrnehmbar werden. Bis zum Ende der Schwangerschaft wird der 1-zu-1-Kontakt so intensiv, dass ein Gedanke an mein Kind ausreicht, um eine Reaktion von ihm herbeizuführen. Auf Bauch-Berührungen reagiert es sowieso prompt, sodass ich weiß: Auch die Geburt werden wir gemeinsam zuverlässig meistern.

Mein Bauch wächst, jedoch sehr in Maßen – es dürfte recht wenig Fruchtwasser vorhanden sein (was sich gegen Ende nach Blasensprung bestätigt, als der Bauch fast noch genau so aussieht wie vor dem Blasensprung). Die Kindsbewegungen sind stark, deutlich, teils pieksig – und als ich am Tag vor der Geburt in ein Geschäft spaziere, um Reitsachen für die große Tochter zu kaufen, und man fragt (wie üblich zu der Zeit, wann es denn käme, sage ich: „Weiß nicht. In ein oder zwei Wochen – oder morgen.“

An diesem „Morgen“ ist es 1 Uhr nachts. 38. Schwangerschaftswoche und ein paar zerquetschte Tage. Am Vorabend hatte mein Kind schon so in Richtung Muttermund gepiekst, dass ich mir dachte: Lang wird das die Fruchtblase nicht mehr tolerieren. Dennoch fühle ich mich noch nicht wirklich geburtsbereit. Vor allem vom Kopf her bin ich noch „dicht“ – will es hinauszögern, wobei der Platz im Bauch ziemlich aufgebraucht ist und die Nachbarin am Vornachmittag meinte: „Dein Bauch ist ja schon vooolll weit unten!“ – war mir gar nicht aufgefallen.

Ich wache also nach großer Müdigkeit und langem Spaziergang am Vortag auf und bin sofort hellwach, denn meine Schlafhose ist patschnass (lustigerweise das Bett darunter nicht. Wie genau das funktioniert hat, kann ich mir bis heute nicht erklären. Offenbar hat die Hose rascher aufgesaugt als alles andere). Ich stehe auf und denke: Hm, wenn ich jetzt links aus meinem Zimmer gehe, hört das mein Mann und wird munter. Daher gehe ich erstmal auf die Gästetoilette und lasse dort weiteres Fruchtwasser ab. Weil noch nichts weitergeht, fange ich an, einen Geburtsbericht in das Fotoalbum für mein Kind zu schreiben:

„Nun ist es ca. 3:19 Uhr. Fruchtblase leer, ziemlich. Darm + Blase auch gut aufgeräumt. Ich hab 1 Kalziumtablette genommen und grad eine Banane gegessen. Bei Geburtsbeginn waren wir ca. 73,4 kg schwer. Unsere Waage zeigt ja immer sehr unterschiedliche Gewichte. Je nachdem, wo man gerade steht.

Wir arbeiten daran, dass du geboren wirst.

Schmerzen habe ich keine.

4:39 Eilig hast du es nicht, arbeitest aber mit (obwohl Du schläfst)

6:00 bisschen geschlafen, Wehen beginnen wieder.

Ab 7 Uhr kleine Tochter wach, kurz danach die Mittlere, später die Große. Es ist hell, Du magst nicht. Alle tönen, Hunde laufen, kein guter Zeitpunkt zum Gebären.

Die Nachbarin nimmt ab 9:35 die beiden kleineren Kinder, um 10:15 geht die Große nach unten. Sie ist heute mit einer Freundin zum Reiten verabredet.

Ich gehe ins Bad. Bitte Papa, mir zu helfen. Denn ich weiß, heute, jetzt, hier, möchte ich kein Kind bekommen. Ich war, bin noch nicht so weit. Möchte es verlegen auf – irgendwann später. Nur eben nicht jetzt. – Shit, wieder eine Wehe, denn mein Kind ist anderer Meinung. – Papa hilft. Er hält und drückt meinen Rücken genau dort, wo es gut tut. Ab 10:30 h wird es anstrengend. Ich weiß nicht weiter, Papa macht mir Mut.“

Ich sage: „Ich kann das nicht.“ Er: „Doch (und schluckt).“ Ich: „Du bist unsicher, das brauch ich jetzt nicht.“ Er, selbstbewusst: „Bin ich nicht. Du kannst das.“ Ich: „Sag mir noch was Gutes.“ Er: „Du hast das schon zweimal gemacht, du kannst das auch heute.“ Ich: „Ja, das ist gut. Baby, komm runter, komm raus, jaaaaaa, rauuuus.“ Stehe über dem WC, halbhockend. Habe durch das viele Yoga starke Beine und merke keinerlei Ermüdung. Presse, schiebe, mache irgendwie mit, wie es mir sinnvoll erscheint. Wobei mein Kopf Gedanken hat wie: Woher weiß ich, ob das hier alles sinnvoll ist? Vielleicht haut es sich nur die Birne an, wie Nr. 1, die ein Kaiserschnitt war? Und überhaupt, ich hatte mir ja zwei Einläufe verpasst in der Nacht, bei der Großen bekam ich auch einen in der Klinik damals – werde ich deswegen jetzt wieder einen Kaiserschnitt haben??“ (Die Kinder 2 und 3 kamen auch schon zu Hause, Nr.2 mit Hebamme, Nr. 3 ohne – da hatten alle geschlafen, sogar die Hunde.) Dumme Gedanken kommen und gehen und bremsen mich in meiner Arbeit. Mein Mann sitzt ganz ruhig am Boden im Badezimmer. Er stört, wider Erwarten, meine Arbeit nicht. Niemals zuvor hätte ich mir gedacht, meinen Mann zu tolerieren beim Gebären. Doch jetzt ist mir alles einfach nur scheißegal. Und wenn er auch nur einen halben sinnvollen, mutmachenden Satz für mich hat: HER DAMIT! Ich brauche ihn JETZT! Als Türbewacher und Geburtsbewacher.

Im Album steht:

„Ab 10:45 Presswehen. Ich merke irgendwann, wie es innen brennt. Jetzt weiß ich: Gleich ist es geschafft, von hier aus geht es nur noch nach unten und dann raus!“

Als ich spüre, dass Du knapp vor dem Herauskommen bist, sage ich zu Papa: „Sie kommt gleich, fängst du sie auf?“ Ich wechsle vom Platz über dem WC (denn nur dort kann ich ganz loslassen und alles abfließen lassen, was die Geburtswege noch verengt) vor die Badewanne mit den praktischen Griffen. Gehe auf alle Viere und richte mich auf. Presse und schiebe mit, egal ob Wehe oder nicht, meine Muskeln sind gut. Sie ersetzen die Zeit ohne Wehe fast gleichwertig. Dann spüre ich den Aufzug nach unten, gigantisch, gewaltig, ich weiß: Dieser DRUCK hat mir so viel abverlangt. Dieser immense DRUCK ist es, der die komplette Hemmungslosigkeit verlangt! Das Aufmachen bis aufs Äußerste. „Sie kommt gleich!“, sage ich zu Papa. Er: „Ich sehe die Haare! – – Der Kopf ist da!“ Ich: „Kannst du sie rausholen, irgendwie, mach mal …“ Er: „Ist schon da!“ – – Ich: „Und?!“ Er: „Dreimal darfst du raten.“ Ich: „Ein Mädchen.“ Er: „Richtig.“

Im Album notiere ich später:

„Genau um 11 h bist Du geboren. Ein Mädchen – wie schön!

Ca. um 11:30 Uhr kommt Dein Raumschiff, die Plazenta. Jetzt esse ich ein TWIX. Papa hält dich, ich habe lange geduscht und du grunzt und quäkst. Die Augen hattest Du gleich mal offen, direkt nach der Geburt hast du gequäkt. Kofferwaage zeigt um 15:40 Uhr 2760g an. 32 cm Kopf. Erstes Stillen war um 12:10 für ca. 30 Minuten (nicht, ohne vorher Lansinoh aufgetragen zu haben gegen wunde Brustwarzen…). Erstes Augen auf am Nachmittag gegen 16 Uhr. Erster Spaziergang um 17:45 Uhr im Tragetuch.

Plazenta-Gewicht: 485 g.“

Im Nachhinein gesehen wärst Du heute noch nicht geboren, hätte ich die Kinder nicht wegorganisieren können. Sie waren ein Mega-Hemmschuh und brachten mich total aus dem Konzept. Ich kannte bis dahin keine Geburten am Tag, sondern nur in der Nacht zwischen 4 und 5. Auch hatte ich noch nie das Bedürfnis, beim Gebären zu schlafen und die Latenzphasen in Form von Ruhe­-Energie auszukosten. Im Hinterkopf dachte ich dauernd: Mist, Blasensprung vor bald 12 Stunden, da geben sie in der Klinik dann Antibiotika gegen aufsteigende Infektionen. Also setzte ich mich selbst unter Druck, unnötig. – – Aufgrund vieler Sitz-Arbeit vor dem PC und etlichen Fernseh-Abenden am Sofa lag das Kind im Nachhinein gesehen in Sterngucker-Position. Das machte das Eindrehen und Rausflutschen nicht unbedingt leichter. War aber gut zu bewerkstelligen aufgrund der relativ geringen Kindsgröße und des überschaubaren Gewichts sowie Kopfumfangs. Irgendein alter Riss ging bei der Geburt wieder auf. Ich versuchte ihn, mit Sekundenkleber zu flicken, was zwar gelang, aber nicht funktionierte auf Dauer 😉 Dennoch: Nennenswerte Schmerzen hatte ich nach der Geburt keine und war, obwohl ich diesmal 40 Tage Schonung mir selbst verordnet hatte, schon am Abend wieder so voller Energie und hormonell gepimpt, dass ich unbedingt eine Hunde-Runde spazieren wollte mit Baby im Tuch.

Bei der Besichtigung der Plazenta stellte sich heraus, dass es offenbar wieder einen „stagnierten“ Zwilling gegeben hatte. Wie schon beim letzten Mal. Ich war und bin froh, dass nur eines durchkam, zwei hätten mich definitiv überfordert.

Die Plazenta wusch ich drei Tage nach der Geburt ab, entfernte die Eihäute und schnitt sie in insgesamt 11 Teile, die ich einfror. Alle 3 Tage mixe ich mir einen Shake aus Plazenta, Beeren, Joghurt, Honig, Blüten – und trinke ihn. Der Ekelfaktor ist ja nur im Kopf, außer das Eisen schmeckt man nicht wirklich etwas von der Plazenta. Dieser Shake hilft mir dabei, stimmungsmäßig „oben“ zu bleiben, und auch energietechnisch scheint der Mix gelungen. Müde bin ich natürlich, wenn das Baby nachts zig Mal trinken möchte, aber ich fühle mich dennoch gut, fit und stark genug, um auch mit den großen Kindern nach ein paar Tagen schon wieder kleinere Ausflüge zu unternehmen. Papa als Back-Up, der übernimmt, wenn mich dann doch die Müdigkeit übermannt.

Die Milch fließt gut, wenngleich das Stillen auch nach vielen Jahren erfolgreichen Vor-Stillens schweinsmäßig wehtut die ersten Tage. Das Ansaugen, -autsch!!! Langsam wird es besser (heute 10 Tage nach der Geburt geht es nach dem Ansaugen fast schmerzfrei), aber da muss man halt durch.

 

Ganz so einfach war sie dann nicht, die offizielle „Beurkundung“ am Standesamt. Mein Witz, als ich zwei Tage nach der Geburt dort vorstellig wurde mit „da könnte ja jeder mit einem geklauten Kind kommen und sagen, das ist meines“, war natürlich unangebracht und bescherte gemeinsam mit der Tatsache, dass weder Arzt noch Hebamme dabei waren bei der Geburt jede Menge Aufregung. Nach zig Telefonaten (von Mann zu Mann, ich versuchte, im Wochenbett den unnötigen Ärger von mir fern zu halten) mit dem zuständigen Standesbeamten, kam eine offizielle Aufforderung zur „Mängelbehebung“. Diese besagte, dass entweder Arzt oder Hebamme die Geburt bestätigen sollten. Doch dagegen wehrte ich mich nach wie vor mit Händen und Füßen. Warum sollte ich ausgerechnet jetzt, wo das Kind schon über eine Woche alt war, jemanden um seine Bestätigung über etwas bitten, von dem er/sie keine Ahnung haben konnte? Ich zog es daher vor, meine Nachbarin als Zeugin mit ins Standesamt zu nehmen. Sie bestätigte durch eine offizielle Niederschrift, dass ich schwanger gewesen war und sie rund eine Stunde nach der Geburt bei mir zu Hause das Neugeborene gesehen hatte. Ich bestätigte in einer weiteren Niederschrift ebenso, dass ich schwanger war und geboren hatte. Offenbar reichten unsere deckungsgleichen Aussagen im Paket mit eindeutigen Fotos aus Spätschwangerschaft, nach der Geburt und von kurz nach der Geburt aus, um der Tatsache „die Frau war schwanger und hat tatsächlich ein Kind geboren“ durch eine Geburtsurkunde Glauben zu schenken. Der Umstand, dass ich gegen das österreichische Hebammengesetz verstoßen hatte (eigentlich gleich mehrfach, denn ich hatte nicht nur keine Hebamme hinzugerufen oder nachher verständigt, sondern mein Mann hatte auch einschlägige, eigentlich Hebammen vorbehaltene Tätigkeiten durchgeführt), spielte in weiterer Folge keine Rolle mehr. Aber man weiß ja nie, was noch kommt. Nach der Geburt des dritten Kindes (Alleingeburt), wurde damals das Jugendamt vorstellig aufgrund einer Anzeige gegen mich wegen „Kindeswohlgefährdung durch die Hausgeburt“. Da es keinen Grund zur Beanstandung gab, zogen die beiden Damen nach zwei Stunden reger Diskussion wieder davon. Dennoch hatte dieses Intermezzo, ebenso wie die Sache mit dem Standesamt, unnötige Kraftreserven gekostet. Grund genug, ein weiteres Huhn zu schmackhafter Suppe zu verarbeiten und portionsweise – neben den Plazentastücken – einzufrieren …