Dagmars 1. Alleingeburt

Hier eine schöne Alleingeburtsgeschichte von Dagmar aus Österreich.

Tochter #1 war von den Voraussetzungen schon ausgerüstet für eine Alleingeburt (Plazenta oben, Nabelschnur ok), hab mich aber nicht getraut, es allein zu machen, aber wollen hätte ich schon, bin aber dann hingefahren, wo ich mich angemeldet hab.
War auch nicht schlimm, hätte aber anders sein können. Aber ich hab gelernt, ich kann’s. Das war das große Aha-Erlebnis:
„Und für DAS bin ich jetzt da her gefahren?“
Meine zweite Tochter habe ich also zuversichtlicher erwartet.

Erste Wehen gespürt, nix dabei gedacht, weil errechneter Termin erst in 11 Tagen. Nächsten Tag in der Früh das „Zeichen“. Tochter #1 sagt irgendwann an dem Tag, ihr wäre faad, ich: „Du wirst heute sicher noch was aufregendes erleben.“
Badewannentest gemacht:
Wehen werden stärker, muss bald raus, weil sie ziemlich heftig werden. Der Muttermund ist ca. 4 cm offen. Alles klar.

Habe wie jeden Samstag Waschtag und den auch brav erledigt, dazwischen habe ich mich immer wieder auf die Couch gesetzt und Wehen überlebt.
Bücken, heben, hart arbeiten, Großkind tragen ist noch gut möglich, aber hinlegen nicht mehr. Besonders nach hinten hin tut es sehr weh. Fange an nachzudenken, wie das am-Rücken-liegen-Frauen überlebt haben…
Also ICH NICHT!
Ich absolviere also den Waschtag, Schwester ruft an, Freundin ruft an, Mutter ruft an,…

Zwischendurch schaue ich immer wieder, wie es dem Muttermund geht. Öffnet sich. Es fühlt sich übrigens urlustig an, wenn die Fruchtblase so prall in die Scheide hineinsteht, hab mich auch gespielt damit… zabong! zabong! und dabei jedesmal eine Wehe ausgelöst.
Waschtag fertig machen, Handtücher einpacken. Taxi rufen.

Die auserkorene Geburtswohnung war eine andere, da war schon alles vorbereitet.
Im Taxi habe ich drei Wehen gehabt, die echt nicht zu verbergen waren, habe mich am Griff festgehalten und fest geatmet.
Beim Zahlen wieder eine Wehe gehabt, Trinkgeld gegeben, was ich in der Hand hatte. Stiegen raufgegangen, Wehe gehabt. Aufgesperrt, endlich! Aufs Bett, hingekniet,… ah, wie angenehm! Endlich laut stöhnen dürfen! Heizbläser aufdrehen. Tochter #1 dreht den Fernseher auf. Im Knien laut gestöhnt, nur schnell einmal den Schmerz weggedrückt, auf einmal kracht und platzt es in mir, und ich kann mir gerade noch das rechte Hosenbein runterziehen, kann nicht anders, muss drücken, auf einmal sehe ich ein Kopferl zwischen meinen Beinen hängen, schaut richtig echt aus. Es schaut mich zuerst mit dem Hinterkopf an und dreht dann das Gesicht zu meinem linken Bein hin, während ich den Stoff von meinem rechten Hosenbein zum linken rüber tu, und da plumpst das Baby auch schon raus und schreit, weil es so kalt ist. Meine Hose ist trotzdem ziemlich trocken geblieben. Aber auf der Decke ist ein Fruchtwasserfleck.

Ich nehme schnell zwei Handtücher, waren Gott sei Dank in Griffweite, wickel Baby ein, Baby hört auf zu schreien, ich entferne mein linkes Hosenbein, lege mich daneben hin und zieh die Decke über uns beide.
Tochter #1 hat nebenbei gefragt, was ich da mach, es dann irgendwie kapiert. Helfe ihr aus der Jacke, wie es langsam wärmer wird im Zimmer. Die 2 Handtücher um Tochter #2 entferne ich nun und klemme sie mir zwischen die Beine.

An die folgenden zwei Stunden kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich die ganze Zeit fasziniert das Baby betrachtet habe, und dabei wahrscheinlich ziemlich doof geschaut.
Weil ich die Nabelschnur bis jetzt nicht durchgeschnitten gehabt habe, und dieselbe zwischen den Beinen von Tochter #2 gelegen ist, war ich mir bis zum letzten Moment nicht sicher, was es ist. Ich konnte mich zwar erinnern, ein weibliches Genital gesehen zu haben, aber weil dem armen Baby kalt war, konnte ich das nicht überprüfen, sondern habe es schnell eingewickelt. Ich bin also da gelegen, Tochter #1 hat sich langsam hergetraut und die geringe Größe von Nase, Fingern und Zehen bewundert, aber ich hab lange nicht gewusst, ob es jetzt wirklich ein Mädchen war!

Ich knie mich auf und warte, dass die Plazenta „kommt“, hab das irgendwo gelesen, dass sie nach 20 Minuten „kommt“. Dann wird’s mir zu blöd, außerdem tut’s weh, und ich drück einfach an. Nach zwei Stunden, in denen ich gut geruht habe, flutscht das Ding also raus und fühlt sich an wie ein weicher Zwilling. Wieder ein Aha-Erlebnis:
Das hat mir wieder einmal keine gesagt, dass ich bei der Plazenta genauso andrücken muss wie beim Kind. Hätte sonst bis zum St.-Nimmerleinstag gewartet.
Aber Hauptsache, das Ding ist draußen. Ich kann mich endlich bewegen, hol mein Taschenfeitl hervor und schneide die Nabelschnur durch. (Wahnsinn, geht das schwer! Sowas Zähes hab ich noch nie erlebt!)

Göttin sei Dank! Es ist tatsächlich ein Mädchen!
Ich nehme die Handtücher zwischen meinen Beinen hervor und packe die Plazenta drin ein, schaue sie mir aber noch genau an (nix auffälliges). Meine Hände sind koscher (wirklich nicht ein bisschen Blut o.ä.), also helfe ich Tochter #1 aus der Wäsche, aufs Topferl und in den Pyjama und gehe mich dann waschen.

Ich nehme mir eine normale Babywindel, zieh eine Unterhose drüber und gehe unter die Decke. Das Leintuch ist bis auf einen kleinen hellen blutigen Fleck, mehr wässrig als blutig, sauber geblieben. Tochter #1 hat derweil äußerst gewissenhaft und zu meiner vollsten Zufriedenheit das Baby bewacht.
Baby frisch einpacken, Licht abdrehen, Fernseher abdrehen und schlafen gehen.

Um Mitternacht kommt dann noch meine Schwester und weiß zuerst nichts damit anzufangen, dass ich „völlig heruntergekommen“ bin. Ich erklärte es ihr dann noch genauer: „Ich bin niedergekommen.“
Und sagte sie ungefähr eine viertel Stunde lang, dass ich verrückt sei, während sie das Baby anschaute. Sie sagt irgendwann: „Hallo! Ich bin deine Mama!“, und die Kleine lächelt. Dann hat sie sie mir wieder zurückgegeben, und mein Baby hat zu weinen begonnen. Diese kleine Episode hängt ihr bis heute nach.
Meine Schwester brachte mir dann Butterbrot und Orangensaft, und wir waren alle glücklich. Meine Schwester hat dann noch „mon chéri“ gegessen. Und Tochter #1 war ganz stolz und wollte allen alles erzählen.

In der Nacht habe ich mich einmal schlafend gestellt, obwohl ich wusste, dass das keinen Sinn hatte, und dann ist die „Große“ senkrecht im Bett gestanden und hat im Befehlston gesagt:
„Baby weint, Baby möch Titti ham!“
Am nächsten Tag fuhren wir dann in das für die Geburt theoretisch vorgesehene Krankenhaus. Dort wurden meine Tochter und ich untersucht, jedoch nicht die Geburtsbestätigung geschrieben. Später habe ich dann im österreichischen Gesetz gelesen, dass jeder Arzt und jede Hebamme, die zu einer Geburt gerufen werden, auch wenn die Geburt dann schon vorbei war, dazu verpflichtet wären – außer sie erkennen auf den ersten Blick, dass die Angaben falsch sind. Es war zwar kein Rufen, sondern ein Hingehen, aber geburtshilflich ausgebildete Menschen sind in Anspruch genommen worden. Diese Menschen hätten mir eigentlich bei der Erlangung der Geburtsurkunde behilflich sein müssen. Aber sie taten es nicht. Möglicherweise deshalb, weil ich allzu sehr vermittelte, dass es auch ohne Hebamme geht.

Na gut, dann war ich halt dran mit „auf-ins Mittelalter“-Mutterschaftsfeststellungsmethoden:
Bei mir wurde die Größe der Gebärmutter und der Wochenfluss festgestellt (Rückbildung geht bei Alleingeburt sehr schnell), bei meiner Tochter wurde die niemals erwünschte, weil harte und scheuernde Nabelklemme angebracht. Trotz dieser übertriebenen und unerwünschten geburtshilflichen Maßnahmen wurde so getan, als wäre ich nie dort gewesen. Am Standesamt wurde das allerdings nicht mehr akzeptiert. Die zur Befragung herangezogene Amtsärztin verlangte Untersuchungsergebnisse von mir – trotz Mutter-Kind-Pass! -, dass „es sein könnte, dass ich geboren habe“
(Originalzitat: „Ich glaube Ihnen ja, dass Sie schwanger waren. Aber wir brauchen eine Bestätigung, dass es sein könnte, dass Sie geboren haben.“), und vom Kind, dass „das Alter stimmen könnte“.
Irgendwann hat meine Mutter irgendwen angerufen, und am nächsten Tag konnte ich die Geburtsurkunde abholen.

Ich hatte bis zum Vaterschaftstest Angst, dass ich einmal mit einer Amtsärztin und ein paar Kinderhändlerinnen auf der Anklagebank lande, weil die Geburtsurkunde dermaßen unseriös zustande gekommen war.
Aber das Geburtserlebnis würde ich niemals gegen ein anderes eintauschen.

Alles selber machen dürfen… Herrlich!

(Anmerkung: Das war 1991)