Die letzten Tage mit dickem Bauch sind noch einmal eine Klasse für sich. Seit vorgestern hab ich immer mal ein Reihe an spürbaren aber nicht ernsthaften Wehen, die mit Vorliebe abends und nachts kommen. Dazu wird Bauchzwerg um 2 Uhr so richtig aktiv. Letzte Nacht 2 Stunden lang. Aber auch ohne das Gewühle in meinem Bauch war ich so was von wach. Sodbrennen, verstopfte Nebenhöhle, laut gluckernder Bauch (wie die Nacht davor auch schon) und einfach WACH. Ich bin dann aufgestanden und hab gelesen. Dachte ich finde was Erbauendes zum Thema „die letzten Tage bevor’s losgeht“. Na ja, die „Hebammensprechstunde“ von Stadelmann ist doch nicht so das, was ich mir vor Johannas Geburt mal davon versprochen hab. Die hat vorallem Seiteweise ihre Tees und Kügelchen im Kopf. Ab um 4 hab ich dann weitergeschlafen.
Vor ein paar Tagen hab ich mal erwähnt, daß ich ein paar Kontraktionen hatte, woraufhin Tim dann doch ein Buch zum Thema zu lesen anfing, was ich ihm vor Monaten mal gegeben hab. Er meinte, er will noch Oxytocin in der Apotheke besorgen. Nur für den Fall…. Aus seiner Arzthaut kommt er wohl so schnell nicht heraus.
Inzwischen beobachtet mich meine Umgebung ganz genau und ich bin sicher die, die von meinen Plänen wissen, mit gewisser Sorge. Als Tim gestern von Arbeit anrief, fragte er, ob das Baby schon da sei. 😀 Er hat also schon eine Vorstellung von dem was ihn erwartet.
Archiv für den Monat: Juni 2008
Die Sache mit der Verantwortung
Wenn wir 18 werden, gelten wir heutzutage als erwachsen. Wir dürfen Alkohol kaufen und Auto fahren, man traut uns zu, eine Familie gründen zu können und auch sonst auf eigenen Füßen zu stehen. Kurz: wir haben die volle Verantwortung für unser Leben.
Außer Frau wird schwanger. Da dreht sich das Rad zurück. Plötzlich und ohne gefragt worden zu sein, übernimmt wieder jemand anders die Verantwortung für ihr Leben und das des werdenden Lebens. Wie das passiert? Frau geht schlicht und einfach, wie von ihr allgemein erwartet, zum Arzt. Und dieser sieht sich ab jetzt in der Verantwortung, daß Mutter wie Kind lebend aus der Sache herauskommen. Das ist plötzlich wieder wie damals zu Hause: Solange man tut was Mama sagt, ist alles in Ordnung. Aber wehe, man hat eine andere Meinung, wehe man trifft eine eigene Entscheidung. „Sie wollen Hebammenvorsorge machen? – Dafür kann ich keine Verantwortung übernehmen.“
Hallo? Seit wann muß jemand anderes die Verantwortung für meine Entscheidungen übernehmen? Bin ich unmündig, weil schwanger? Wer kommt überhaupt auf die Idee, einer gesunden Frau, die zufällig gerade schwanger ist, die Verantwortung für ihr Leben, ihre Entscheidungen etc. abzunehmen? Ist man nicht mehr voll zurechnungsfähig weil schwanger? Kann man in schwangerem Zustand plötzlich vor lauter Hormonen nicht mehr wissen, was gut für einen ist? Oder ist das eine Art Initiationsritus zum Muttersein, daß man erstmal selbst wieder wie ein Kind behandelt wird?
In dieser Schwangerschaft habe ich deshalb entschieden, selbst verantwortlich zu sein. Ich brauche keinen Vormund, der mir sagt, was ich tun muß, damit es mir und meinem Kind gut geht. Ich brauche niemanden, der hinter jedem Busch Gefahren und Komplikationen wittert, unzählige Tests durchführt, von denen ich schon vorher weiß, daß sie negativ sein werden und der seine Ängste am Schluß auf mich überträgt. Ich kann mich selbst informieren über alle Kleinigkeiten von der Empfängnis über gesunde Ernährung bis zum Nabelschnur durchtrennen. Und ich kann zum Arzt gehen, wenn ich merke, daß etwas nicht stimmt. Ich bin nämlich volljährig, auch wenn ich schwanger bin.
"Time to say good bye…"
Oh weh, bin ich heute emotional und melancholisch. Meine Schwangerschaft geht vorbei und ich trauere drum. Ob es nun morgen losgeht oder noch zwei Wochen dauert, irgendwie wird mir gerade bewußt, daß die Sache so gut wie vorbei ist. Und irgendwie macht mich das traurig. Bald verläßt der kleine Wurm seine schützende Höhle, beginnt sein Leben in der rauen Welt hier draußen. Und mein Leben wird wieder einmal umgeworfen. Die gesamte Hormonachterbahn erwartete mich. Euphorie beim Anblick des noch nassen Frischgeschlüpften, Heultage und Milcheinschuß, Geschrei, wohliges Glucksen und Schlafmangel…. *schaluchz*
39. SSW
Hochschwanger. Das klingt mindestens genauso spannend wie Hochsommer, Hochzeit oder Hochdruckgebiet. Heute war eine Freundin da und wir haben einen Gipsabdruck vom Bauch gemacht.
Ist sehr schön geworden, besser als der bei Johanna, weil ich dank fehlendem Ischiasproblem schön aufrecht sitzen konnte. Jetzt kann das Baby also kommen.
Von allen Seiten wird mir eine schöne Geburt und viel Glück gewünscht und meistens schwingt ein schicksalshafter Ton mit. Als stünde ich vor einer schweren, unangenehmen aber eben notwendigen Prüfung. Ich werd mir meine Prüfung jedenfalls so angenehm wie möglich gestalten. 🙂
Hab mich jetzt doch entschieden, gar nicht zur Schwangerenvorsorge zu gehen. Hab einfach keine Nerven, jemandem Unbeteiligten meine Pläne und Beweggründe darzulegen für nix und wieder nix. Im Notfall nehmen sie mich im Krankenhaus so oder so.
Die letzten Tage werde ich zusehen noch ganz gut Schlaf zu kriegen. Johanna schläft zur Zeit so unruhig, aber sobald Wochenende ist darf Tim sie jetzt nachts haben. Ich merke, daß ich ein paar Schlafreserven gut gebrauchen kann.
Mit Tim hab ich mich ausgesprochen und ich denk, er versteht mich, nimmt meine Wünsche nicht mehr so persönlich oder fürchtet Anzeichen einer Ehekrise. Wir hätten einfach viel früher schon so eindeutig miteinander reden sollen. Nur Zeit zu finden ist momentan schwer. Wenn dann abends doch mal Zeit wäre, sind wir meist zu müde für tiefgehende Dialoge.
38. SSW
Langsam wird’s ernst. Und irgendwie wünsch ich mir gerade, daß es noch lange dauert. Mir geht’s gerade so gut, selbst das Sodbrennen hat sich beim reinen Anblick der Rennie-Verpackung verzogen. Habe gestern noch lange und sinnlos mit Tim diskutiert. Er hatte hier gelesen, daß ich mich von ihm unverstanden fühle. Das war Anlaß zu einer riesen Litanei, die nur unsere Verschiedenheiten zementiert hat. Ich glaub manchmal, es liegen Lichtjahre zwischen uns. Er sagt zwar, er unterstützt mich was meine Geburtspläne betrifft, aber verstehen tut er nicht, warum ich es will, wie ich es will, ohne Hebamme und am liebsten auch ohne sonst jemanden. Er hat keine Panik deswegen und läßt es auf sich zukommen, sagt er. Wirklich gestützt fühle ich mich bei solchen Aussagen nicht gerade. Ich fühl mich als Einzelkämpfer an der Front und muß selber sehen, wie ich den Mut und Glauben an die Sache aufrecht erhalte. Zum Glück gibt es das Internet mit seinen vielen englischen Seiten und Erfahrungsberichten über Alleingeburten. Dahin verkrümel ich mich, wenn die Zweifel meiner Umgebung auch meine werden wollen.
Es ist schon unglaublich, wieviel Psychologie da reinspielt! In einem Forum in dem ich bin, so ein ganz normales Schwangerenforum wo ich meine Alleingebärpläne erst kundtue, wenn sie Fakt geworden sind, haben einige solche Angst vor der Geburt und so gar kein Vertrauen in ihren Körper, daß sie obwohl es medizinisch keinen Grund gibt, am liebsten einen KS hätten. In jeden Fall ist eine normale Geburt für sie etwas Schreckliches, was man nur schnell genug hinter sich bringen muß. Die Folge: kaum am Entbindungstermin fordern sie die Einleitung, die dann in einem mehrtätigen Marathon mündet, am Schluß mit Hebamme und Arzt auf dem Bauch, die das Kind herauskristellern. Womit ihnen bestätigt wird: Jawohl, Geburt ist schrecklich. Von ärztlicher wie mütterlicher Seite herrscht so viel Angst und Ungeduld, wenn es dem Ende einer Schwangerschaft entgegen geht. Frauen, die der Natur ihren Lauf lassen wollen, haben es enorm schwer, der Panik zu widerstehen, die aufkommt, sobald der ET um einen Tag überschritten ist. Bei Johanna hatte ich zu der Zeit „nur“ Hebammenvorsorge und ich mußte trotzdem debatieren, daß ich nicht jeden 2. Tag ans CTG will, sondern nur jeden 4.-5.. Dabei gilt nicht 40+x Wochen als übertragen sondern 42 Wochen. Und die erreichen die wenigsten. Die tatsächlichen Gefahren liegen statistisch weit hinter denen zurück die man annehmen muß, wenn man die Geschäftigkeit und Besorgtheit beobachtet, die bei überschrittenem ET plötzlich aufkommt.
Eine total verrückte Welt, die ihr Heil in überstürzter medizinischer Aktion sucht und die Dinge damit erst recht verkompliziert. Da hilft alles gute Zureden nichts mehr. Wenn Frau in der Panikschiene eingerastet ist, dann gilt nur noch Flucht nach vorn. In meinem Forum hab ich schon so viele solcher Fälle verfolgt, versucht zu ermutigen, doch dem eigenen Körper zu vertrauen, Fakten und Informationen gegeben…. Aber geändert hat das nichts. Das Vertrauen in die eigene Kraft war schon lange fort, irgendwo verloren gegangen auf dem Weg zwischen Fein-US, Glucosetoleranztest und Wehenbelastungstest. Es macht mich traurig, daß sich Frauen so bereitwillig ihre Fähigkeit Gebären zu können absprechen lassen, um sich dann ihr Leben lang gebärunfähig zu fühlen.
37. SSW
Ich häng rum und krieg nix gebacken. Im Hinterkopf stapeln sich langsam die Aufgaben, aber ich finde für alles einen Grund, warum es nicht jetzt getan werden muß. Das Wetter ist traumhaft sommerlich, nicht so heiß, wie ich es aus Deutschland gehört habe. Mir und Bauchbaby geht’s gut, auch wenn die Nächte mit den häufigen Pipi-Pausen doch gewöhnungsbedürftig sind. Und mit dem Bauch überleg ich dreimal, ob sich jetzt das Aufstehen lohnt. Zum Glück hilft mir meine Schwiegermama gerade richtig viel im Garten und Haus, kocht, paßt auf Johanna auf. Aber wenn ich sie so rackern seh, hab ich auch irgendwie ein schlechtes Gewissen. Emotional wird die See ungemütlicher. Ich hab Angst vor dem Alltag mit zwei kleinen Kindern, fühle mich von Tim irgendwie unverstanden und allein und hab das Gefühl, daß die Zeit einfach stillsteht und sich vielleicht nie etwas am Jetzt ändern wird. Dann wieder klopft das schlechte Gewissen über all den unerledigten Sachen an, zu denen ich mich nicht aufraffen kann. Und der Gedanke, daß die Schwangerschaft ja schon bald vorbei ist und ich dann zwei von der Sorte hab. Ach, du Schreck! Gerade hab ich mich so schön an Johanna gewöhnt und wir haben einen für uns beide guten Rhythmus gefunden. Aber damit wird’s bald aus sein. Wann soll ich den verpassten Schlaf von der Nacht nachholen, wenn Baby 2 sich nicht nach unseren Mittagsschlafzeiten richtet? Oder wie krieg ich beide an meiner Brust unter, wenn beide Brust wollen? Was mach ich, wenn beide gleichzeitig auf Mamas Arm wollen? Und ob ich wohl diesmal trotz lauter Müdigkeit zum Kochen komme und nicht wieder wider Willen so viel abnehme?
Wenigstens müssen wir diesmal nicht 4 Wochen nach der Geburt umziehen. Wir müssen auch nicht jeden Tag um 6 aufstehen und 8 Stunden im Sprachkurs sitzen. Vielleicht wird Baby 2 kein Schreibaby und die Nächte ganz friedlich. Die Vorstellung mit Baby 2 im Arm Johanna beim Spielen zuzusehen klingt nett. Und Schwiegermama zieht zwar in ihre eigenen Wohnung und arbeitet bald, aber in der Nähe ist sie immer noch.
Hach, es wird schon werden. Und ich bin trotzdem besorgt.