Nachts allein im dunklen Klo – Alleingeburt beim ersten Kind

Die Mutter im folgenden Bericht bekommt ihr erstes Kind – in Eigenregie. Und damit es klappt, zieht sie sich nachts ins dunkle Bad zurück und bekommt mucksmäuschenstill ihr Baby – um Oma und Opa nicht zu erschrecken, mit denen sie und ihr Mann unter einem Dach wohnen. 

Der offizielle Plan für die Geburt meines Sohnes war, ins Geburtshaus zu gehen – vor allem zur Beruhigung der Verwandtschaft. Der inoffizielle (nur für mich) war, ihn zu Hause zu bekommen. Da er mein erstes Kind ist und ich auf alle möglichen spontanen Entscheidungen vorbereitet sein wollte, war sowohl die Geburtshaustasche gepackt, als auch im Wohnzimmer alles nötige für eine Hausgeburt bereit gelegt.
Wir wohnen mit den Großeltern (die am meisten Angst von allen vor der Geburt hatten) in einem Haus. Deswegen war klar, falls ich es zu Hause mache, muss ich mucksmäuschenstill sein (und ich hatte keine Ahnung, ob ich das schaffe), sonst hetzen sie mir den Rettungswagen auf den Hals.
Am Ende ist es doch für mich perfekt aber anders als geplant gelaufen.

Die Geburt

Am 02.11.2018 (Freitag) bin ich bei 40+6, ich muss zum Kontroll-US und sehe auch kurz meine Hebamme. Davor gehe ich wie fast immer mit meinem Hund eine gute Stunde im Wald  spazieren. Und wie so oft bekomme ich dadurch häufig einen harten Bauch, sogar Senkwehen sind dabei. Und wie so oft die letzen Tage frage ich mich, ob das die Zeichen sind? Ob es bald losgeht, ob ich zuviel in mich hineinlausche und mir am Ende nur durch den Wunsch endlich mein Baby zu haben, Geburtsanzeichen einbilde? Was ich mir nicht einbilde ist, dass sich mein Muttermund und das Gewebe drum herum schon  sehr weich – fast flüssig anfühlen. Mein Körper ist bereit, aber das kann alles oder nichts bedeuten.

Auf dem Ultraschall ist nichts besonderes zu erkennen, der Kopf meines Babys liegt schon schön tief im Becken, die Füße befinden sich direkt unter den Rippen. Fruchtwassermenge ist gut, Plazenta sieht für ihr Alter normal aus. Die Frauenärztin denkt nicht, dass da heute und die nächsten Tage was passiert. Ich mache einen neuen Kontroll-Termin für Montag aus. Der Rest des Tages verläuft unspektakulär. Ich habe wieder keinen Hunger und mir ist leicht schlecht. Der Druck auf den Magen durch den Riesenbauch sorgt seit ungefähr einer guten Woche für Übelkeit. Heute muss ich auch mal wieder brechen, ich bin müde, obwohl ich letzte Nacht ausnahmsweise einigermaßen geschlafen habe (ich war oft schlaflos die letzen 2 Wochen). Deswegen gehe ich schon gegen 21 Uhr – aufgrund der Übelkeit ziemlich nüchtern – ins Bett. Eigentlich will ich noch lesen, bin aber so schläfrig, dass ich um 21:30 Uhr das Licht ausmache. Mein Mann ist im Wohnzimmer geblieben und zockt auf seiner Konsole. Ich fühle noch zu meinem Baby hin, das sich ruhig verhält, was ungewöhnlich für diese Zeit ist. Mir fällt noch ein, dass er (Baby) den ganzen Abend ruhig war, obwohl er normalerweise ab 19 Uhr ausgiebig in meinem Bauch turnt. Ist wohl auch müde heute, wir schlafen ein.

2 Stunden später, 23:30 Uhr, wache ich auf und muss aufs Klo. Ich schaue auch nach meinem Mann … der wie so oft, vor dem Fernseher pennt, Jurassic Park ist gerade zu Ende. Ich bin sauer, weil es mich nach wie vor stört, dass ich so oft alleine ins Bett gehen muss und mein Mann es nicht gebacken bekommt, einfach rechtzeitig ins Bett zu gehen. Es gibt mir das Gefühl, dass es ihm egal ist, wo er schläft (ich hätte ihn gern bei mir, er mich anscheinend nicht). Wütend lass ich ihn dort sitzen und stapfe wieder ins Bett.

Um 00:10 weckt mich mein Hündin, die aus irgendeinem Grund unruhig ist und rumjammert. Ich bin immer noch so gereizt, dass ich aus dem Bett hochfahre und mich zum Aus-dem-Bettsteigen nach links drehe. Dabei reißt meine Fruchtblase rechts unten. Jedenfalls fühlt es sich so an. Leicht perplex gehe ich auf Toilette, nachprüfen, ob ich Recht habe. Ich verliere wirklich ein paar Tropfen Fruchtwasser.

Ich bin nach wie vor in wenig begeisterter Laune und denke bloß: Das heißt ja noch lange nicht, dass deswegen irgendwas bald passiert. Trotzdem schnappe ich mir vorsichtshalber den Hund und geh mit ihm in Nachthemd und Gummilatschen raus auf die Straße. Die blöde Kuh (Hund) interessiert sich mehr für Katzen als fürs Pinkeln, also wieder rein. Hund ins Hundebett im Schlafzimmer gestopft und dann übellaunig beschlossen, meinen Mann doch ins Bett zu schaffen. Falls hier und heute doch noch irgendwas losgeht, nützt er mir ausgeschlafen im Bett mehr als müde auf dem Sofa. Ich bin sogar so zickig, dass ich mich über sein Abendessen – Linsensuppe mit Bockwurst – aufrege, weil die ganze Bude nach Wurst  riecht und ich das hasse. Hab den Kerl wenig freundlich geweckt, den Fernseher ausgemacht, das Fenster gekippt und wir sind beide ins Bett gegangen (ca. 00:30). Vorsichtshalber ziehe ich noch ein Netzhöschen mit Surfbrett (Inkontinenz-Einlage) an, ich will die Matratze nicht mit Fruchtwasser einsauen. Ich döse wieder ein.

00:50 Uhr wache ich wieder auf – von einer Wehe. Ich bin irgendwie erstaunt und irritiert, denke kurz drüber nach, dass – falls heute die Geburt losgehen sollte – ich darauf überhaupt keinen Bock habe, weil ich viel zu schlecht gelaunt bin. Gleichzeitig bekomme ich einen kurzen Anfall von starker Aufregung, schon fast Angst, der aber gleich wieder geht. Innerlich zucke ich mit den Schultern und beschließe weiter zu schlafen. 10 Minuten später wache ich wieder auf – Wehe. Und 10 Minuten später wieder – Wehe. Beim nächsten Mal sind es nur noch 5 Minuten, dann 4, dann wieder 5.

Rückblickend hab ich keine Ahnung, warum ich mir nichts dabei gedacht habe, ich kann nur sagen, ich hab nicht wirklich gedacht und gleichzeitig war ich trotzdem voll da.

Irgendwie geht hier ja jetzt doch was los, deswegen will ich aufs Klo: Pinkeln, vielleicht kacken und eventuell kann ich irgendwie Fruchtwasser ablassen. An der Schlafzimmertür drehe ich nochmal um. Lieber gleich noch das Intim-Piercing rausfummeln. Vielleicht wird es später zu mühsam. Dann gehe ich gegen 1:30 Uhr aufs Klo und werde, was ich da noch nicht weiß, nicht zurück kommen.

Auf der Toilette geht´s richtig los, nur dass ich außer pinkeln ziemlich viele Wehen in ziemlich kurzen Abständen habe. Ich muss mich arg konzentrieren, um mit diesen sehr fiesen, periodenartigen Schmerzen umzugehen. Ich finde es wirklich absurd und sehr sinnlos, dass das so weh tun muss. Ich denke kurz darüber nach, dass ich bald ins Geburtshaus fahren müsste und es kommt mir unmöglich vor. Der Weg ins Schlafzimmer, meinen Mann wecken, den Hund zu Oma und Opa schaffen, die Treppen zum Haus raus, ins Auto steigen, Auto fahren, im Geburtshaus die Treppen rauf laufen … Ich bleib da.

Kaum ist der Entschluss gefallen, hole ich mir einen leeren Putzeimer zum Kotzen aus der Kammer nebenan, kippe das Fenster über dem Klo einen Spalt, damit ich frische Luft bekomme und mache das Licht aus, weil ich weiß, dass der Körper Geburtshormone im Dunkeln besser produzieren kann. Es ist fast stockfinster, weil außer zum kleinen Fenster über der Toilette und der Glastür zwischen Hausflur und Klo-Vorraum kein Licht rein kommt.

Dann geht es richtig los. Ich verliere völlig das Zeitgefühl, weil ich mich komplett auf die Wehen konzentrieren muss. Anfangs sitze ich noch einige Zeit wehend auf dem Klo, aber nachdem mein Schleimpfropf dort abgeht (ich dachte eigentlich, ich hätte ihn schon vor 2 Wochen verloren – war nicht so, nachdem ich ihn in echt gesehen hab), halte ich es nicht mehr auf der Schüssel aus und knie mich auf den Fußabstreifer davor. An der Schüssel kann man sich prima festhalten, dazwischen muss ich kotzen bis nur noch Galle kommt. Dabei platzt mir dann auch richtig meine Fruchtblase. Die Inkontinenz-Einlage fängt das meiste zum Glück auf, so dass ich nicht in einer schleimigen Pfütze sitze. Dann ziehe ich sie aber samt Netzhöschen aus und schmeiße sie in meinen Kotz-Putzeimer. Die Abstände zwischen den Wehen sind so kurz, dass ich nur noch zwischen alter und neuer Wehe unterscheiden kann, keine Zeit sich wirklich Auszuruhen, keine Zeit über irgendetwas nachzudenken.

Ich merke, dass mit den ganzen Wehen Stuhlgang mit runter kommt! Es ist meine persönliche Horrorvorstellung, mir unkontrolliert auf und zwischen die Beine zu kacken und am Ende mein Baby in einen Scheißhaufen zu gebären. Also lege ich mir im Halbbewusstsein Klopapier in die Hand und kacke in meiner Not tatsächlich dort hinein. Lässt sich prima ins Klo werfen und runter spülen und mehr kommt zum Glück auch nicht.

Ich bin so randvoll mit Adrenalin, dass es meinen gesamten Körper immer wieder
durchschüttelt. Ich nehme es zur Kenntnis, kümmert mich aber nicht weiter – ich hab sowas wie ein kleines, analytisches Männchen in meinem Kopf sitzen, das die ganze Zeit kommentiert, was gerade passiert. Es ist, als würde ich den Geburtsvorgang mit einer Checkliste abarbeiten und kontrollieren, ob alles in der richtigen Reihenfolge abläuft. Und weil es das tut, weiß ich von Wehe zu Wehe, ich kann weiter machen, es geht den richtigen Gang. Ab und zu fühle ich kurz zu meinem Kind hin. Es ist ganz ruhig aber wach.

Wâhrend der ganzen Wehen-Arbeit bin ich nur zu drei Gelegenheiten bei wirklich klarem
Verstand. Einmal trinke ich ein paar Schluck Wasser, einmal sperre ich die Milchglastür zu,
damit mich nicht doch jemand uneingeladen überrascht und einmal hole ich mir eine Packung Küchenrolle aus der Putzkammer, um die Geburtssoße gleich größtmöglich auffangen zu können. Dazwischen hab ich immer wieder mal kurz ein paar vernünftige Gedanken, die aber gleich wieder verschwinden: Ob der Hund ruhig bleibt oder ob sie in ihrem Hundebett liegt und
jammert … warum ich mein Kind auf der Toilette bekomme … dass Geburt sich ähnlich anfühlt, wie wenn man viel zu viel gesoffen hat und nun kotzend mit Kreislaufproblemen über dem Klo hängt und weiß, dass man da jetzt einfach durch muss, bis es wieder besser wird … ich wüsste gern, wie spät es ist …
Die Wehen werden immer intensiver (späte Eröffnungsphase) und es fällt mir immer schwerer, damit vernünftig umzugehen. Ich bewege meinen Oberkörper vor und zurück, strecke und krümme mich, halte mich abwechselnd am Klo und am Türrahmen fest … mein Kind ist zu meinem Verdruss immer noch oben im Bauch und ich frage mich langsam, ob ich das noch lange aushalte.
Ich werde kurz unterbrochen: Ich höre ein paar Schritte und jemand murmelt etwas. Ich
verharre ganz still und lausche. Nach ein paar Momenten höre ich nichts mehr, da gehen die
Wehen auch schon weiter (später stellte sich heraus, dass der Opa die Katze rausgelassen hat – der Abstand zwischen Milchglas- und Haustür beträgt höchstens zwei Meter, er hat mich nicht bemerkt).

Ich hab jetzt keine Lust mehr, ich bin müde wie nie und will mich nur noch ausruhen und
schlafen. Kurz wünsche ich, mir würde jemand den Rücken streicheln und mir sagen, dass ich das gut mache. Sofort kommt die barsche Antwort aus mir: Quatsch, ich weiß ja wohl selber, dass ich das hier gut mache! Dann stelle ich mir vor, wie jemand vor mir sitzt, meine Hände hält und mich mitfühlend-sorgend ansieht. In dem Moment weiß ich ganz klar, dass ich niemanden hätte dabei haben wollen und dass mir niemand auch nur irgendwie hätte helfen oder was abnehmen können. Also bin ich froh, allein zu sein, weiter geht´s.

Dann wird es so wild, dass ich hier und jetzt Schluss machen will … erst morgen den 2. Teil
der Geburt fertig machen … Moment! 2. Teil? Das heißt, ich müsste mich jetzt in der
Übergangsphase befinden! Ich taste nach dem Muttermund und finde tatsächlich einen
glibberigen, ringförmigen Bereich mit einer Öffnung und da ist was Hartes zu tasten. Der Kopf vom Kind! Oh FUCK!!! Ist der noch weit oben!
Habe ich zu Beginn der Geburt noch freundlich mit meinem Muttermund geredet, dass es okay ist, aufzumachen, dass keine Gefahr droht und er Tür und Tor öffnen kann … Jetzt brülle ich ihn innerlich an: Mach endlich auf, du dummes A……..!!!
Dann gerate ich endgültig in eine Art Trance und bin nicht mehr so wirklich bei mir selbst –
eher drum herum. Einmal versuche ich mich tatsächlich hinzulegen, weil ich mich so gerne
ausruhen möchte – mit Wehen unmöglich, also liege ich zwischenzeitlich mit dem Oberkörper auf dem Klo. Einmal mache ich sogar ein Geräusch, „Aaaah“ oder so, was ich höre und sofort wieder leise bin (das war das einzige Geräusch während der gesamten Geburt, sonst hab ich nur geschnauft, geschwitz und geatmet, damit mich bloß keiner hört und mich findet).
Weil die Wehen so übermächtig sind, versuche ich sie irgendwie mit dem Oberkörper wegzuzappeln. Beim Festhalten stört mich mein Fingerring, also ziehe ich ihn ab und lege ihn ordentlich zu Seite. Meine Knie tun unangenehm weh, weil ich die ganze Zeit auf dem Fußabstreifer sitze. Deswegen schnappe ich mir das einzige Handtuch, was wir für Hände und Morgentoilette im Klo-Bad haben und lege es unter mich. Viel besser.

Eine kurze Pause, ich taste nach. Oh FUCK, der Kopf ist immer noch so weit oben, aber die Öffnung wird größer. Müssten jetzt nicht eigentlich bald die Presswehen kommen? Und dann beginnen zu meiner großen Erleichterung die Presswehen! Ich bin heilfroh, weil ich weiß, dass ein Ende langsam in Sicht kommt. Gleichzeitig bin ich
schockiert, was für eine Urgewalt eine Presswehe ist! Dabei sind die ersten Presswehen noch nicht einmal so stark. Ich vermute, dass der Muttermund noch nicht vollständig eröffnet ist. Das gibt mir genug Zeit, ein paar Presswehen lang herauszufinden, ob es besser ist, mit zu schieben oder sie einfach von selbst passieren zu lassen. Mitschieben ist besser, wenn auch beängstigend, weil ich nicht einschätzen kann, wie schnell und heftig der Geburtskanal gedehnt wird (ich will keine Geburtsverletzungen haben). Dann denk ich mir: Scheiß drauf. Ich will mein Kind haben, ich will nicht länger als nötig hier rum tun. Schluss mit der Korinthenkackerei, jetzt wird geklotzt und nicht gekleckert.
Ich schiebe mit. Gefühlvoll aber mit aller Kraft, jede Presswehe, und es fühlt sich sooo richtig an! Innendrin spüre ich zu meiner Erleichterung nur ein leichtes Brennen und – wow – wie sich der Kindskopf nach unten bewegt! Als ich nachtaste, ist er schon in der Hälfte des Vaginalganges, es geht also richtig vorwärts und motiviert mich ungemein!
Dann erreicht der Kindskopf den Ausgang und beult meinen gesamten Beckenboden aus. Ich habe keine Gelegenheit drüber nachzudenken, ob jetzt gleich alles kaputt gehen wird, weil in diesem Moment in der Küche die auf 5 Uhr programmierte Kaffeemaschine anfängt, lautstark Kaffee zu mahlen. Ein paar kurze Gedanken schießen mir durch den Kopf: Waaaas? Schon so
spät? Ich hätte die Uhrzeit auf 3 bis halb 4 Uhr geschätzt; oh nein, nur noch eine Stunde Zeit, bis die Großeltern munter werden; Hoffentlich wacht und steht mein Mann jetzt bald auf und findet mich, dann könnte er sogar noch was von der Geburt mitkriegen …

Die nächste Presswehe kommt, ich entscheide mich für alles und lasse „nichts“ hinter mir, ist mir egal, ob alles kaputt geht, ich gebäre jetzt mein Kind! Und so schiebe ich bei dieser sowieso schon mehr als gewaltigen Presswehe so stark ich kann mit und der Kopf meines Kindes ist geboren. Ich bin überwältigt und fasse hin. Das Gesicht zeigt nach rechts, alles ein bisschen schleimig, aber Augen und Nase/Mund sind soweit frei. Mein Kind fängt noch in mir an zu atmen. Es macht Glucksgeräusche und deutlich regelmäßige Schniefer, was mich ungemein
erleichtert und freut! Ich lasse die Hand am Kopf und rede leise mit meinem Baby. Wir warten kurz, ich fühle wie das Kind in meinem Körper zappelt und sich dreht … dann kommt die nächste Presswehe und in einem feuchten Schwall gebäre ich den Körper in meine Arme.
Für einen Moment muss ich das Baby ablegen, umgreifen, hochnehmen und presse es dann mit beiden Armen an meinen Bauch. Ich bin unendlich froh, dass mein Baby da ist, dass diese Wahnsinnsgeburt jetzt geschafft ist. Ich rede weiter beruhigend auf mein quäkendes Kind ein, streichel seinen Kopf und kontrolliere nochmal seine sehr regelmäßige Atmung. Ich will sein Gesicht sehen und da erst stelle ich fest, dass ich ja immer noch im Dunkeln sitze und fast gar nichts sehen kann. Also Licht an und ja, es ist ein richtiges Baby! Genauer gesagt ist es mein Baby und es macht für mich komischerweise gefühlt keinen Unterschied, dass er jetzt „draußen“ ist. Es ist dasselbe Kind, davor war es in mir drin und jetzt ist es an mir dran und es ist meins.
Ich will aufstehen und zu meinem Mann ins Schlafzimmer, ihm sein Kind zeigen! Und dann schüttelt es mich dermaßen, dass ich nur noch mein Kind an mich drücken kann und ich wieder in die Knie gehe. Ich weiß nicht, wie viele Minuten lang ich so zitterte, aber ich bekomme Angst um mein Baby, weil es im kalten Bad schnell an Hauttemperatur verliert. Das erste Mal wünsche ich mir, es wäre jemand da um mir zu helfen.
Dann beruhigt sich mein Körper gut genug vom Schüttelfrost, so dass ich hochkomme und die 7 Meter ins Schlafzimmer laufen kann. Tür auf, Licht an: „Kannst du mir bitte mal helfen? Ich habe gerade unser Kind geboren.“ Mein Bester glotzt mich ungläubig und fassungslos an und denkt wahrscheinlich einen Moment lang, ich will ihn verarschen. Dann steht er senkrecht im Bett, springt raus, wickelt mich und Baby in alle zur Verfügung stehenden Decken und wir gehen rüber ins Wohnzimmer auf die Couch. (Später wird er erzählen, es war sowas wie sein persönlicher, nachträglicher Halloween-Moment: Aus dem Dunkeln plötzlich zu voller Zimmerbeleuchtung wird er geweckt und da steht seine Frau blutverschmiert, kreidebleich und zitternd mit einem Neugeborenen im Arm.)

Im Wohnzimmer bitte ich ihn, eine große Schüssel zu holen, weil ich die Nachwehen spüre und die Plazenta wohl gleich kommen wird. Er holt sie, ich drücke ihm das an der Nabelschnur hängende Baby in die Hände, stelle ein Bein aufs Sofa, halte die Schüssel zwischen meine Beine, drücke kurz mit und platsch, flutscht die gesamte Nachgeburt raus.

Ich will das Kind von dem glibberigen See getrennt haben, der jetzt auf dem Wohnzimmertisch steht. Also kontrolliere ich die Nabelschnur mit den Fingern: kalt, weiß, kein Puls – kann ab. Ich wackel in die Küche und dort muss ich mich erstmal kurz zwischen die Küchenschränke auf den Boden legen, weil mein Kreislauf schlapp macht. Dabei kucke ich auf die Herduhr: 05:26 Uhr (lustig, wie solche Zahlen im Kopf hängen bleiben). Meinem Mann rufe ich zu, dass alles in Ordnung ist, ich steh gleich wieder auf. Geht tatsächlich auch gleich wieder, ich nehme meine superscharfe Küchenschere mit und schnippschnapp Nabelschnur plazentanah ab. Anschließend nehme ich mein Baby wieder zu mir und lege mich in Decken gewickelt mit ihm aufs Sofa. Ab da bin ich nur noch entspannt und glücklich, ich fühle mich wie eine Siegerin!
Mein wunderbarer Mann ruft die Hebamme an und erklärt ihr die Situation, dass wir nicht mehr ins Geburtshaus fahren und dass das Baby bereits geboren ist. Und so macht sich die Hebamme zusammen mit ihrer Zweithebamme auf dem Weg zu uns, um wenigstens eine Nachsorge zu machen. Ich bin heilfroh, als sie 45 Minuten später bei uns eintreffen und sich alle um alles und um mich kümmern.
Meine Plazenta war sehr groß, deswegen war der Blutverlust durch die Lösungsblutung bei der Geburt mit geschätzten 500ml recht hoch. Bis auf Kreislaufprobleme beim Aufstehen und Rumlaufen an diesem Tag hatte ich aber keine weiteren Probleme. Die Gebärmutter hatte sich anschließend gut zusammengezogen und die Blutung auch sofort gestoppt.

Ich habe mir minimale Geburtsverletzungen zugezogen, die mit jeweils einem Stich an 4
unterschiedlichen Stellen repariert wurden. Einmal im Vaginalgang ein kleiner Riss zur
Dammseite hin (hätte man nicht unbedingt machen müssen, aber ein Gefäß hat an der Stelle noch geblutet) und die anderen drei kleinen Risse im Vaginalgang zu den Schamlippen hin wurden mit jeweils einem Stich wieder zugenäht. Der Damm sowie der Rest sind heil geblieben.

Baby-Sohn, geboren am 03.11.2018
Vermutlicher Geburtszeitpunkt: 05:05 Uhr
Geburtsdauer: 4 1/2 h (1. Wehe bis zur Plazenta), ohne Plazenta: 4h 10 Min
Baby-Sohn: 54cm lang, 36,5cm Kopfumfang, 4100g schwer
Nur eine leichte Blaufärbung des Schädels durch Venenstauung während der Geburt, ansonsten knitter- und faltenfrei, minimale Reste Käseschmiere am Rücken und in den Körperfalten
U1 wurde nicht gemacht

Aviels Geburt – Eine Alleingeburt beim dritten Kind

Die Mama im folgenden Bericht bekommt ihr drittes Kind. Sie ist alleinerziehend, aber mit der virtuellen und realen Unterstützung anderer Frauen bekommt sie ihr Baby wie gewünscht selbstbestimmt und in Eigenregie.

2010 habe ich meine erste Tochter bekommen. Im Krankenhaus ging es der Hebamme, die bis zum Schluss bei mir bleiben musste, nicht schnell genug, also wurde begonnen, zu intervenieren. Ich lag 12 Stunden in den Wehen und fühlte mich im Krankenhaus hilflos und ausgeliefert. Das Ende vom Lied war, dass ich einen ungewollten Kaiserschnitt in Vollnarkose erleben musste. Obwohl es Mutter und Kind gut ging. Das war einfach furchtbar für mich, ich hatte körperlich und psychisch sehr lange damit zu kämpfen. Das Kind war schon eine Stunde alt, als ich wach wurde. Und ich wusste, dass dieser große Eingriff in die Geburt unnötig gewesen war. Das hat mir aber niemand geglaubt bzw. war keiner meiner Meinung.

2014 erwartete ich mein zweites Kind, meinen ersten Sohn. Ich wollte es diesmal natürlich anders haben. Ich wünschte mir eine Hausgeburt. Es fand sich aber keine Hebamme, die mich darin begleiten wollte, wegen „Zustand nach Kaiserschnitt“. Ich fand niemanden, der in mich und meinen Körper vertraute – außer ich selbst. Ich hab das gar nicht verstanden. Schließlich fand ich eine Hebamme, die auch keine Hausgeburt mit mir planen wollte, aber mit der ich mich verabredete, dass wenn ich sie sehr spät rufen würde und quasi nicht mehr in der Lage wäre, in die Klinik zu kommen, müsse sie ja dann zu mir heim kommen. So machte ich es. Ich eröffnete zuhause alleine, hatte schon leichten Druck nach unten und rief sie dann an. Gegen unsere Absprache sagte sie, sie würde nicht kommen, ich sollte zu ihr in die Klinik kommen. Da musste ich mich spontan entscheiden, ob ich eine unvorbereitete Alleingeburt mache oder zu ihr in die Klinik fahre. Sobald ich aus dem Haus ging, fühlte ich wieder deutlich, dass das nicht richtig ist und in der Klinik hatte ich wieder einen so genannten Geburtsstillstand. Und war schlussendlich 12 Stunden eröffnet im Kreissaal und es ging nicht weiter. Zuhause hatte ich mich mit Rizinusöl selbst eingeleitet in Absprache mit der Hebamme, weil ich die Einleitung im Krankenhaus so umgehen wollte. Ich vertraute meinem Urteil noch nicht richtig und ließ mich bequatschen, 10 Tage über Termin, ohne sonstige Komplikationen, was ich im Nachhinein sehr bereute. Ich gebar meinen Sohn spontan, aber es war eine sehr anstrengende Geburt. Ich lag 18 Stunden in den Wehen. Im Krankenhaus die ganze Zeit am Wehentropf. Die Verfügung, die ich fürs Krankenhaus aufstellte, die mir auch gegengezeichnet worden war, wurde schließlich unter der Geburt nicht berücksichtigt. Ich konnte mich gerade so gegen einen Dammschnitt wehren, durfte mich nicht aufrichten, ständiges CTG, ständiges Gefummel an mir, wodurch mir ein tiefer Scheidenriss zugefügt wurde, der sehr lange sehr schmerzhaft war, es wurde direkt abgenabelt. Und es war offensichtlich, dass mein Sohn noch nicht reif war, oder gar übertragen. Auch nach dieser Geburt wusste ich, dass es hätte anders sein können, dass die entstandenen Probleme hausgemacht waren. Und ich fühlte mich nochmal um eine schöne Geburt betrogen, ganz übergriffig behandelt und tot traurig.

Zum dritten Mal schwanger 

Nach zwei traumatischen Krankenhausgeburten möchte ich dieses Mal meiner Intuition vertrauen und danach handeln. Das bedeutet für mich, mich zurückzuziehen und mein Ding zu machen, wenn die Geburt losgeht. Außerdem möchte ich auch im Vorfeld keine VorSORGEN. Dieses Baby darf selbst entscheiden, wann es geboren werden will.  Also entscheide ich mich nur für den 2. großen Ultraschall. (In der  Frühschwangerschaft hatte ich eine  Blutung und einen kurzen Ultraschall um zu sehen, ob das Kind lebt.)

Ich finde glücklicherweise zu meiner Doula und zu Sarah Schmid und den tollen Frauen, die durch sie eine Plattform bekommen und werde eine von ihnen. Ich lese viel über freie Geburten, über mögliche Komplikationen und Lösungen. Ich bin täglich im Kontakt und kann alle Fragen stellen, die mich beschäftigen. Ich werde also in den neun Monaten dieser Schwangerschaft meine eigene Expertin und bereite mich auch mental auf eine Alleingeburt vor.

Dazu lese ich folgende Bücher: „Alleingeburt“ von Sarah Schmid, „Meisterin der Geburt“ von Jobina Schenk, „Die selbstbestimmte Geburt“ von Ina May Gaskin, „Die geplante Alleingeburt“ von Anita Evensen und „Vom Glück der natürlichen Geburt“ von Nadine Wenger. Außerdem schaue ich mehrfach den Film „Die sicherer Geburt“. Vor allem mit den beiden erstgenannten Büchern und dem Film arbeite ich intensiv. Ich füttere meine unterschiedlichen Intelligenzen, wie Jobina Schenk das vielleicht ausdrücken würde. Ich visualisiere und manifestiere geistig meine Wunschgeburt. Es gibt keinen Plan B! In einem Büchlein trage ich die wichtigen Informationen zusammen. Ich schaue mir online unzählige Geburten an und nehme wahr, wie unterschiedlich es sich für mich anfühlt, ob ich eine selbstbestimmte Geburt sehe oder eine, die nicht frei geschieht.

Auf diesem Weg möchte ich vor allem  Sarah Schmid und diesen wunderbaren  Frauen danken, die ich immer mit meinen Fragen bombardieren kann und Antworten bekomme, die Gold wert sind.  Dankeschön!!! Ohne diesen Kontakt wäre es für mich nicht möglich gewesen, eine schöne, selbstbestimmte Geburt zu erleben.  Und meiner Doula Eileen Schmitt möchte ich gerne danken, die genau so für mich da war, wie ich es brauchte.  Und danke an alle, die selbst denken und Vertrauen haben in den natürlichen Prozess einer Geburt. Ihr habt mich mit euren Geschichten gestärkt.

Die Geburt

Am 3.1.19 abends habe ich leichte Wellen und weiß eigentlich intuitiv, dass es folgende Nacht richtig losgehen wird. Es könnten aber auch einfach Übungswehen sein. Die Geburt habe ich ja schon eine Weile „abgesagt“, weil das Warten mir so unglaublich lange vorkam. Anstatt früh ins Bett zu gehen und mich auszuruhen, muss ich aufbleiben und eine meiner Lieblingsserien anschauen. „Mord mit  Aussicht“, die Folge, in der Bärbel in der  Hütte im Wald unvorbereitet, während eines Einsatzes, ihr Baby bekommt. Naja. Und dann bin ich um 3 Uhr im Bett.

Um 5:30 Uhr werde ich von einer ordentlichen Wehe geweckt. Ich stehe gemütlich auf und lass wirken. Es bleibt ordentlich. Ich lasse mir offen, mich noch mal hinzulegen. Aber jetzt bereite ich lieber alles vor und mach mir einen Geburtstee. Vielleicht kann ich ja dann noch etwas schlafen, denke ich mir. Ich mache mir also einen schönen Geburtstee, heißes Wasser in eine Thermoskanne, Schüsseln bereit und lege Bett und den Teppich davor mit wasserdichten Einlagen aus. Ich lege viele Handtücher bereit und wärme zwei Handtücher auf der Heizung vor. Ich mache mir Musik an. Und suche eine Uhr mit Sekundenangabe, um grob einzuschätzen, wie oft und wie lange die Wehen kommen. Sie sind dann schon ca. eine Minute lang. Irgendwie bin ich aber trotzdem nicht richtig sicher, ob das wirklich schon die Geburt ist, deswegen verschiebe ich noch das Hinstellen der Kamera nach hinten. Was mir im Nachhinein leid tut, weil ich die Geburt doch nicht filme. Ich veratme die Wehen  und sie bleiben ordentlich. Als ich eine Tasse vom wohltuenden Geburtstee im Schneidersitz vor meinem Bett zu mir genommen habe, möchte ich am liebsten noch eine Tasse trinken und ein bisschen meditieren. Ich schließe die Augen und merke, dass ich mir jetzt nicht noch einen Tee machen kann und Meditieren klappt auch nicht mehr. Die Wehen brauchen schon meine ganze Aufmerksamkeit.

Ich beginne, mit der Wehe zu tönen. Vor dem Bett sitzend stütze ich mich intuitiv nach hinten mit den Händen auf dem Bett ab und hebe mein Gesäß. Wenn ich Druck in die Handflächen nach unten gebe und meine Arme anspanne mit der Wehe, nimmt mir das einiges an Wehenschmerz. Ich bin davon überrascht und froh, dass ich etwas gefunden habe, dass mir Erleichterung verschaffen kann. Ich lehne mich nach vorne auf meinen großen Gymnastikball und bewege mein Becken hin und her. Dabei bemerke ich, dass mir die Musik nicht passt, ich bin aber nicht mehr in der Lage, etwas anderes zu finden. Also mache ich sie ganz aus.

Ab da bin ich voll und ganz damit beschäftigt, mir Erleichterung zu verschaffen am Höhepunkt einer Wehe. Ich erinnere mich an ein wunderschönes Bild, auf dem eine wehende Frau im Türrahmen steht. Also versuche ich das auch. Der Druck im Kreuzbein hilft, aber ich stehe nicht gut. Also räume ich kurzerhand den Raum zwischen Schrankecke und Fensterbrett frei, drücke mich von hinten in den Schrank und halte mich am Fensterbrett fest. Schon besser. Hier beginne ich, glaube ich, schon etwas mit zu schieben. Mein elektrisches Massagekissen probiere ich auch aus im Kreuzbein. Aber es hilft nicht, ich brauche deutlich mehr Gegendruck.

Ich möchte aufs Klo. Es tut gut, dort ganz loszulassen. Meine Füße stehen auf einem Höckerchen und hier kann ich auch wunderbar mein Kreuzbein in die Klobrille drücken. Also schiebe ich mit der Wehe von innen nach unten und mit den Füßen nach hinten. Das tut gut und hier bleibe ich eine ganze Weile. Ich habe das Gefühl, ich arbeite mit der Wehe und mache sie mir dadurch leichter. Aber ich bin auch ganz überrascht von der Heftigkeit des Schmerzes. Obwohl ich ja schon zwei Kinder habe. Jedenfalls erfordert diese Arbeit meine ganze Konzentration. Ich starre in mein Bad und ärgere mich darüber, dass ich nicht mehr geschlafen habe, denn ich fühle mich schon sehr erschöpft. Ich will gar nicht daran denken, wie lange das noch so gehen kann. Nein, denken geht jetzt auch gar nicht.

Irgendwann macht es pfff und etwas Flüssigkeit spritzt in die Toilette. Ich weiß, dass das die Fruchtblase ist, obwohl sie bei den anderen Geburten nie platzte. Es ist nicht viel Flüssigkeit. Ich stehe auf. Ich bemerke Blutkoagel, die auf dem Boden liegen. Damit kann ich nichts anfangen. Also frage ich in der Gruppe nach und rufe meine Doula an. Ich möchte wissen, ob das in Ordnung ist oder besorgniserregend. Ich empfinde keine Angst, es ist der Aufpasser in mir, der beruhigt werden will, bzw. wenn nötig, das Notfallprogramm starten kann. Die Damen aus der Gruppe beruhigen mich, meine Doula bitte ich, zu kommen und lege schnell wieder auf, weil ich nicht reden kann.

Ich begebe mich zu meinem Geburtsort vor mein Bett, knie mich hin und lege den Oberkörper auf mein Bett. Jetzt schreie ich, die Wehen sind so heftig. Ich drücke stark mit nach unten, weil es immer noch Erleichterung verschafft. Auf einmal macht es zack, und ich spüre wie das Köpfchen von links in das Becken hinein tritt. Ein Wahnsinnsgefühl. Ich schreie sehr laut und kralle mich am Bett fest, dabei presse ich wirklich stark mit der Wehe und spüre das Köpfchen immer tiefer. Ich weiß einerseits, dass es nun nicht mehr lange dauert, bis mein Baby da ist, aber ich bin immer noch nur damit beschäftigt, mir die Wehen zu erleichtern und presse stark mit. In der Schwangerschaft hatte ich mir vorgestellt, dass ich die Hand am Köpfchen haben werde, die Drehung der Schultern bewusst wahrnehmen werde und eigentlich wollte ich doch in der Hocke gebären. Doch ich kann jetzt nicht schauen, wie das Baby rauskommt, ich kann nur pressen, mich am Bett fest krallen, fluchen und schreien und es von innen spüren. Auf einmal fällt das ganze Baby aus mir raus mit einer Wehe. Da gab es keine Schulterdrehung. Oh was für ein Wunder. Es ist 9:14 Uhr.

Nun liegt es da auf der Seite und meckert sofort dolle los. Ich streichle seinen Rücken, der voller Käseschmiere ist, und mache mit der anderen Hand ein Foto, als ein Teil in mir wahrnimmt, dass ja da ein Schwänzchen am Baby ist. Ich war nämlich sicher, dass ich ein Mädchen bekommen würde. Ich rufe die Doula an und sage, dass Sie, ähm, dass Er da ist. Zwischen dem ersten Telefonat und jetzt sind 10 Minuten vergangen. Von der ersten Wehe, von der ich wach wurde, bis zur Geburt meines Sohnes sind 3 Stunden und 45 Minuten vergangen. Aber von meinem Empfinden her hat es sich kürzer angefühlt.

Ich nehme, immer noch kniend, mein Baby in den Arm und herze und küsse ihn, er hört auf zu weinen und schaut mich an. Ich lege mich mit ihm ins Bett und er dockt gleich an. Dieses Bild schicke ich der Gruppe.

Meine Doula ruft an. Ich kann gar nicht rangehen, weil ich große Schmerzen habe. Bis die Plazenta ca. 40 Minuten später kommt, habe ich gefühlt eine andauernde Wehe. Irgendwann richte ich mich auf und schiebe die Plazenta raus. Dann wird es leichter. Ich blute noch immer und sehe auf dem Geburtsplatz ist ziemlich viel Blut. Ich bemerke, dass meine großen Kinder wach geworden sind. Ich möchte die Unterlagen vom Geburtsplatz wegräumen, damit sie sich nicht erschrecken. Leider vergesse ich, davon vorher ein Bild zu machen.

Ich ziehe meinen Bademantel über und gehe ins Kinderzimmer. Ich sage zu meinen Großen: „Es ist ein Junge! “ Meine Tochter fragt: „ Was ist ein Junge?“ Mein Sohn fragt:  „Warum hast du Blut an der Hand?“ Ich: „Weil ich gerade ein Kind gekriegt habe.“ Die Großen: „Was? Wo ist es?“ „In meinem Bett.“ Also gehen sie es begrüßen. Sie sind direkt total verliebt. Ich lasse meine drei Wunder in meinem Bett alleine und gehe duschen. Meine Doula ruft ganz oft an, um zu hören ob es mir gut geht.

Zwischenzeitlich habe ich meinen Bauch mit tiefgefrorener Erbsenpackung gekühlt und kann nach dem Duschen feststellen, dass in der Binde nicht zu viel Blut ist. Das beruhigt die Doula und mich.

Ich fühle mich sehr erschöpft, Kreislauf im Eimer, wohl auch deswegen, weil ich nicht viel geschlafen habe. Und ich vermisse bis heute das Gefühl der Euphorie, welches ich bei der zweiten Geburt deutlich wahr nahm. Vielleicht aber auch durch die Medikamente verursacht. Natürlich freue ich mich über mein Kind, aber ich bin einfach nur kaputt und möchte schlafen. Im Nachhinein habe ich mich öfter gefragt, wo dieses Glücksgefühl bleibt. Es fühlte sich in den Tagen danach auch mehr so an, als sei einfach etwas ganz Natürliches passiert und vielleicht braucht es diese Achterbahn der Gefühle dann gar nicht. Ich weiß es nicht.

Ca. 10 Stunden nach Geburt schneide ich im Beisein meiner großen Kinder die Nabelschnur durch. Dabei muss ich dann ein bisschen weinen. Ich hatte mir offen gelassen, eine Lotusgeburt zu machen, aber die Plazenta nervt mich.

Am Abend kommt meine Freundin Andrea vorbei. Wir messen und wiegen meinen Sohn. Ich habe vorher gar nicht bemerkt, dass er ziemlich groß ist. Er wiegt 4160 Gramm, und hat einen Kopfumfang von 37 cm.

Es ist alles, was wichtig ist, so gekommen, wie ich es bestellt habe. Ich war ganz alleine, und darüber war ich vor allem froh, als ich so lange auf Toilette saß. Und meine großen Kinder haben alles verschlafen. Es war eine unkomplizierte Geburt. Mein Sohn ist deutlich größer und schwerer als die beiden anderen es waren. (Beide waren um die 3,5 Kilo und hatten einen kleineren Kopf). Und ich bin froh, dass ich das nicht vorher wusste. Es ist auch toll, vom Geschlecht dermaßen überrascht zu werden. Ich hatte mir gar keinen Namen für einen Jungen überlegt. Aber auch dieser kam zu uns. Ich hatte noch nie so ein fittes Kind und mir geht es auch sehr gut. Ich habe nur ein paar Schürfwunden. Ich würde alles wieder genauso machen. Alleine konnte ich mich ganz auf meinen Körper einlassen, mich der Geburt hingeben und zur gleichen Zeit aktiv die Wellen reiten. Und so gebar ich meinen 2. Sohn in nicht mal 4 Stunden völlig selbstbestimmt. Ich bin so dankbar und in der Seele heil.

 

 

 

Eine Alleingeburt beim zweiten Kind

Die Mama im folgenden Bericht bekommt ihr zweites Kind – in Eigenregie. Die Hebamme rufen sie so, dass sie gerade rechtzeitig zur Plazentageburt kommt. 

Vorgeschichte und Gedanken zur Geburt in Eigenregie 

Ich habe meinen Sohn im Geburtshaus geboren. Die Geburt war auch interventionsarm und selbstbestimmt. Die Hebammen haben hauptsächlich unterstützt und begleitet. Allerdings war die Pressphase mit 2 Stunden sehr lange und anstrengend für mich. Letztendlich wurde er mit einem leichten Kristellergriff der Hebamme, in tiefer Hocke geboren. Ich war wirklich froh, dass es endlich geschafft war. Aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, es nicht ganz alleine gepackt zu haben. Somit habe ich mich auf die Suche nach einer “Ursache” gemacht. Ich kam dann zum Ergebnis, dass ich während der Pressphase die mentale Verantwortung abgeben habe. Ich hab zwar gepresst wie eine Blöde. War aber nicht bei mir selbst. Ich dachte immer, die Hebamme sollen den jetzt endlich holen. Und das war glaub das Problem, dass ich die Verbindung zu mir und meinem Baby verloren hatte.

Ich bin dann über Urbia und Netmoms auf Alleingeburtsberichte gestoßen, dann auf diese Seite hier (www.geburt-in-Eigenregie.de) und schließlich aufs Hausgeburtsforum. Ich hab viele, viele Berichte gelesen und mir das Buch „Alleingeburt – Schwangerschaft und Geburt in Eigenregie“ gekauft. Ich hab mich seit meiner ersten Geburt auf meine zweite Schwangerschaft und Geburt vorbereitet. Und noch bevor ich schwanger wurde, stand der Plan einer Alleingeburt fest. Eine Hebamme wollte ich als Backup allerdings haben und hab mit ihr auch entspannte Vorsorge und Nachsorge genossen. Ich hatte einen Ultraschall in der Schwangerschaft mitte, um grobe körperliche Schäden auszuschließen.

Da ich während meiner zweiten Schwangerschaft beruflich sehr eingespannt war, hatte ich gar nicht so viel Zeit, mich intensiv auf die Geburt vorzubereiten, aber da diese mentale Vorbereitung schon seit meiner ersten Geburt statt gefunden hatte, fühlte ich mich wirklich sicher und wohl zu Hause.

Ich hab natürlich auch meinen Mann Schritt für Schritt an die Alleingeburt herangeführt. Er „musste“ dann zum Ende hin auch das Buch „Alleingeburt“ lesen und hat sich sogar eine kleine Übersicht erstellt. Was in welchem Falle zu tun wäre. Er war wirklich die Ruhe selbst und hat mir völlig vertraut. Seine Ausstrahlung hat mir sehr gut getan und in kurzen Momenten der Unsicherheit (Übergangsphase), hat er mir wieder Sicherheit gegeben.

Ganz alleine hätte ich glaub während der Übergangsphase schon ein bisschen Angst bekommen, ob denn wirklich alles passt, weil es so schnell gegangen ist. Aber ein kleines „Es ist doch alles gut!“ hat mir als Bestärkung schon gereicht.

Das Wichtigste ist, dass man sich als Gebärende wohlfühlt und Vertrauen!!! in sich und seinen Körper hat. Das wäre auch bei so vielen Krankenhausgeburten der Schlüssel zur Lösung.

Die Geburt

Montag, 20.08.2018: Ein Termin bei der Hebamme zum CTG, da ich 4 Tage über Termin bin. Das erste CTG in meiner Schwangerschaft ist schnell geschrieben und alle Werte passen. Die Hebamme tastet auf meinen Wunsch hin noch nach dem Muttermund. Er ist bei 4 cm, Gebärmutterhals noch etwas wulstig, Gewebe schön weich und dehnbar.

Ich fahre nach Hause und habe den ganzen Tag über vermehrtes Ziehen am Muttermund und im Kreuz, ähnlich wie bei der letzten Untersuchung am Muttermund. Wie jeden Abend gehe ich ins Bett und hoffe, dass es endlich los geht.

Um ca. 2.00 Uhr weckt mich die erste Wehe. Ich versuche einfach weiter zu schlafen, denke noch nicht gleich an Geburtsbeginn. Die zweite Wehe ist im Liegen aber einfach unangenehm und ich stehe auf. Denke mir, ja das könnte heute was werden. Da ich mir vorab schon überlegt habe die Badewanne auszuprobieren, lasse ich mir ein Bad ein und zünde schöne Kerzen an, um ein angenehmes Licht zu haben. Aber irgendwie ist die Wanne nichts für mich, da ich nur auf dem Rücken liegen kann. Während den Wehen bin ich einfach gerne nach vorne gebeugt. Also steige ich nach drei Wehen wieder raus und trockne mich ab.

Es ist ca. 3.00 Uhr und ich wecke meinen Mann. Die Wehen kommen nun schon sehr zackig (ca. alle 3 Minuten) und kraftvoll.

Da ich gerne meine Schwester noch als Unterstützung dabei habe, ruft mein Mann sie um ca. 3.15 Uhr. Sie ist um 3.23 Uhr etwa bei uns angekommen und ich bin nicht mehr am rummaschieren, sondern knieend vor unserem Bett. Meine Schwester drückt in den Wehen auf mein Kreuz, was das Ganze etwas erträglicher macht. Ich will auch nicht mehr alleine sein und um 3.29 Uhr platzt die Fruchtblase.

Die nächste Wehe war die unangenehmste von allen und dann setzten auch schon die Presswehen ein. Da wir mit dem Anruf bei der Hebamme möglichst lange warten wollten, rief mein Mann erst jetzt bei ihr an (ca. 3.35 Uhr).

Ich spürte, wie der Kopf sich mit jeder Wehe durchs Becken schob und das es nicht mehr lange dauern kann, bis das Baby geboren ist. Nach ca. vier Wehen war der Kopf bereits am Scheidenausgang. Mit der nächsten Wehe wurde er bis zur Nase geboren, es folgte eine kurze Pause und der ganze Kopf wurde geboren. Mein Mann kniete hinter mir und unterstützte mich wundervoll. Mit der letzten Wehe wurde unsere Tochter in seine Hände geboren. Er reicht sie mir unter dem Oberschenkel hindurch, ich setze mich hin und bewunderte mein Kind.

Meine Tochter kam um 3.51 Uhr auf die Welt. Ca. 2 Minuten später kam auch die Hebamme ins Schlafzimmer. Sie war sehr gestresst, da sie am Telefon schon hörte, wie weit ich war, aber froh, dass es uns beiden gut ging.

Ca. 10 Minuten später wurde die Plazenta geboren. Wir nabelten in aller Ruhe ab, bevor ich auf Geburtsverletzungen untersucht wurde. Ich hatte einen Scheidenriss, der genäht wurde, aber auch der macht mir keinerlei Probleme.

Die Geburt verlief genau so, wie wir es uns im Vorfeld gewünscht hatten. Obwohl ich wieder überwältig war von dieser Kraft, die Geburt mit einem „macht“. Man hat keine Wahl und kommt einfach nicht raus, auch wenn man gerne eine Pause hätte. Im Nachhinein wurde mir bewusst, dass man es einfach geschehen lassen muss und sich demütig diesem Prozess der Natur ergeben. Sich Fallen lassen und Geburt geschehen lassen und mit jeder Wehe mitgehen.

Unser 3-Jähriger Sohn schlief die ganze Zeit im Zimmer nebenan und durfte seine Schwester gleich am Morgen betrachten und bewundern.

Für mich war die ganze Zeit klar, dass ich nachts entbinden werde und wir dadurch auch keine Betreuung für unseren Sohn brauchten.