Die Mutter im folgenden Bericht bekommt ihr erstes Kind – in Eigenregie. Und damit es klappt, zieht sie sich nachts ins dunkle Bad zurück und bekommt mucksmäuschenstill ihr Baby – um Oma und Opa nicht zu erschrecken, mit denen sie und ihr Mann unter einem Dach wohnen.
Der offizielle Plan für die Geburt meines Sohnes war, ins Geburtshaus zu gehen – vor allem zur Beruhigung der Verwandtschaft. Der inoffizielle (nur für mich) war, ihn zu Hause zu bekommen. Da er mein erstes Kind ist und ich auf alle möglichen spontanen Entscheidungen vorbereitet sein wollte, war sowohl die Geburtshaustasche gepackt, als auch im Wohnzimmer alles nötige für eine Hausgeburt bereit gelegt.
Wir wohnen mit den Großeltern (die am meisten Angst von allen vor der Geburt hatten) in einem Haus. Deswegen war klar, falls ich es zu Hause mache, muss ich mucksmäuschenstill sein (und ich hatte keine Ahnung, ob ich das schaffe), sonst hetzen sie mir den Rettungswagen auf den Hals.
Am Ende ist es doch für mich perfekt aber anders als geplant gelaufen.
Die Geburt
Am 02.11.2018 (Freitag) bin ich bei 40+6, ich muss zum Kontroll-US und sehe auch kurz meine Hebamme. Davor gehe ich wie fast immer mit meinem Hund eine gute Stunde im Wald spazieren. Und wie so oft bekomme ich dadurch häufig einen harten Bauch, sogar Senkwehen sind dabei. Und wie so oft die letzen Tage frage ich mich, ob das die Zeichen sind? Ob es bald losgeht, ob ich zuviel in mich hineinlausche und mir am Ende nur durch den Wunsch endlich mein Baby zu haben, Geburtsanzeichen einbilde? Was ich mir nicht einbilde ist, dass sich mein Muttermund und das Gewebe drum herum schon sehr weich – fast flüssig anfühlen. Mein Körper ist bereit, aber das kann alles oder nichts bedeuten.
Auf dem Ultraschall ist nichts besonderes zu erkennen, der Kopf meines Babys liegt schon schön tief im Becken, die Füße befinden sich direkt unter den Rippen. Fruchtwassermenge ist gut, Plazenta sieht für ihr Alter normal aus. Die Frauenärztin denkt nicht, dass da heute und die nächsten Tage was passiert. Ich mache einen neuen Kontroll-Termin für Montag aus. Der Rest des Tages verläuft unspektakulär. Ich habe wieder keinen Hunger und mir ist leicht schlecht. Der Druck auf den Magen durch den Riesenbauch sorgt seit ungefähr einer guten Woche für Übelkeit. Heute muss ich auch mal wieder brechen, ich bin müde, obwohl ich letzte Nacht ausnahmsweise einigermaßen geschlafen habe (ich war oft schlaflos die letzen 2 Wochen). Deswegen gehe ich schon gegen 21 Uhr – aufgrund der Übelkeit ziemlich nüchtern – ins Bett. Eigentlich will ich noch lesen, bin aber so schläfrig, dass ich um 21:30 Uhr das Licht ausmache. Mein Mann ist im Wohnzimmer geblieben und zockt auf seiner Konsole. Ich fühle noch zu meinem Baby hin, das sich ruhig verhält, was ungewöhnlich für diese Zeit ist. Mir fällt noch ein, dass er (Baby) den ganzen Abend ruhig war, obwohl er normalerweise ab 19 Uhr ausgiebig in meinem Bauch turnt. Ist wohl auch müde heute, wir schlafen ein.
2 Stunden später, 23:30 Uhr, wache ich auf und muss aufs Klo. Ich schaue auch nach meinem Mann … der wie so oft, vor dem Fernseher pennt, Jurassic Park ist gerade zu Ende. Ich bin sauer, weil es mich nach wie vor stört, dass ich so oft alleine ins Bett gehen muss und mein Mann es nicht gebacken bekommt, einfach rechtzeitig ins Bett zu gehen. Es gibt mir das Gefühl, dass es ihm egal ist, wo er schläft (ich hätte ihn gern bei mir, er mich anscheinend nicht). Wütend lass ich ihn dort sitzen und stapfe wieder ins Bett.
Um 00:10 weckt mich mein Hündin, die aus irgendeinem Grund unruhig ist und rumjammert. Ich bin immer noch so gereizt, dass ich aus dem Bett hochfahre und mich zum Aus-dem-Bettsteigen nach links drehe. Dabei reißt meine Fruchtblase rechts unten. Jedenfalls fühlt es sich so an. Leicht perplex gehe ich auf Toilette, nachprüfen, ob ich Recht habe. Ich verliere wirklich ein paar Tropfen Fruchtwasser.
Ich bin nach wie vor in wenig begeisterter Laune und denke bloß: Das heißt ja noch lange nicht, dass deswegen irgendwas bald passiert. Trotzdem schnappe ich mir vorsichtshalber den Hund und geh mit ihm in Nachthemd und Gummilatschen raus auf die Straße. Die blöde Kuh (Hund) interessiert sich mehr für Katzen als fürs Pinkeln, also wieder rein. Hund ins Hundebett im Schlafzimmer gestopft und dann übellaunig beschlossen, meinen Mann doch ins Bett zu schaffen. Falls hier und heute doch noch irgendwas losgeht, nützt er mir ausgeschlafen im Bett mehr als müde auf dem Sofa. Ich bin sogar so zickig, dass ich mich über sein Abendessen – Linsensuppe mit Bockwurst – aufrege, weil die ganze Bude nach Wurst riecht und ich das hasse. Hab den Kerl wenig freundlich geweckt, den Fernseher ausgemacht, das Fenster gekippt und wir sind beide ins Bett gegangen (ca. 00:30). Vorsichtshalber ziehe ich noch ein Netzhöschen mit Surfbrett (Inkontinenz-Einlage) an, ich will die Matratze nicht mit Fruchtwasser einsauen. Ich döse wieder ein.
00:50 Uhr wache ich wieder auf – von einer Wehe. Ich bin irgendwie erstaunt und irritiert, denke kurz drüber nach, dass – falls heute die Geburt losgehen sollte – ich darauf überhaupt keinen Bock habe, weil ich viel zu schlecht gelaunt bin. Gleichzeitig bekomme ich einen kurzen Anfall von starker Aufregung, schon fast Angst, der aber gleich wieder geht. Innerlich zucke ich mit den Schultern und beschließe weiter zu schlafen. 10 Minuten später wache ich wieder auf – Wehe. Und 10 Minuten später wieder – Wehe. Beim nächsten Mal sind es nur noch 5 Minuten, dann 4, dann wieder 5.
Rückblickend hab ich keine Ahnung, warum ich mir nichts dabei gedacht habe, ich kann nur sagen, ich hab nicht wirklich gedacht und gleichzeitig war ich trotzdem voll da.
Irgendwie geht hier ja jetzt doch was los, deswegen will ich aufs Klo: Pinkeln, vielleicht kacken und eventuell kann ich irgendwie Fruchtwasser ablassen. An der Schlafzimmertür drehe ich nochmal um. Lieber gleich noch das Intim-Piercing rausfummeln. Vielleicht wird es später zu mühsam. Dann gehe ich gegen 1:30 Uhr aufs Klo und werde, was ich da noch nicht weiß, nicht zurück kommen.
Auf der Toilette geht´s richtig los, nur dass ich außer pinkeln ziemlich viele Wehen in ziemlich kurzen Abständen habe. Ich muss mich arg konzentrieren, um mit diesen sehr fiesen, periodenartigen Schmerzen umzugehen. Ich finde es wirklich absurd und sehr sinnlos, dass das so weh tun muss. Ich denke kurz darüber nach, dass ich bald ins Geburtshaus fahren müsste und es kommt mir unmöglich vor. Der Weg ins Schlafzimmer, meinen Mann wecken, den Hund zu Oma und Opa schaffen, die Treppen zum Haus raus, ins Auto steigen, Auto fahren, im Geburtshaus die Treppen rauf laufen … Ich bleib da.
Kaum ist der Entschluss gefallen, hole ich mir einen leeren Putzeimer zum Kotzen aus der Kammer nebenan, kippe das Fenster über dem Klo einen Spalt, damit ich frische Luft bekomme und mache das Licht aus, weil ich weiß, dass der Körper Geburtshormone im Dunkeln besser produzieren kann. Es ist fast stockfinster, weil außer zum kleinen Fenster über der Toilette und der Glastür zwischen Hausflur und Klo-Vorraum kein Licht rein kommt.
Dann geht es richtig los. Ich verliere völlig das Zeitgefühl, weil ich mich komplett auf die Wehen konzentrieren muss. Anfangs sitze ich noch einige Zeit wehend auf dem Klo, aber nachdem mein Schleimpfropf dort abgeht (ich dachte eigentlich, ich hätte ihn schon vor 2 Wochen verloren – war nicht so, nachdem ich ihn in echt gesehen hab), halte ich es nicht mehr auf der Schüssel aus und knie mich auf den Fußabstreifer davor. An der Schüssel kann man sich prima festhalten, dazwischen muss ich kotzen bis nur noch Galle kommt. Dabei platzt mir dann auch richtig meine Fruchtblase. Die Inkontinenz-Einlage fängt das meiste zum Glück auf, so dass ich nicht in einer schleimigen Pfütze sitze. Dann ziehe ich sie aber samt Netzhöschen aus und schmeiße sie in meinen Kotz-Putzeimer. Die Abstände zwischen den Wehen sind so kurz, dass ich nur noch zwischen alter und neuer Wehe unterscheiden kann, keine Zeit sich wirklich Auszuruhen, keine Zeit über irgendetwas nachzudenken.
Ich merke, dass mit den ganzen Wehen Stuhlgang mit runter kommt! Es ist meine persönliche Horrorvorstellung, mir unkontrolliert auf und zwischen die Beine zu kacken und am Ende mein Baby in einen Scheißhaufen zu gebären. Also lege ich mir im Halbbewusstsein Klopapier in die Hand und kacke in meiner Not tatsächlich dort hinein. Lässt sich prima ins Klo werfen und runter spülen und mehr kommt zum Glück auch nicht.
Ich bin so randvoll mit Adrenalin, dass es meinen gesamten Körper immer wieder
durchschüttelt. Ich nehme es zur Kenntnis, kümmert mich aber nicht weiter – ich hab sowas wie ein kleines, analytisches Männchen in meinem Kopf sitzen, das die ganze Zeit kommentiert, was gerade passiert. Es ist, als würde ich den Geburtsvorgang mit einer Checkliste abarbeiten und kontrollieren, ob alles in der richtigen Reihenfolge abläuft. Und weil es das tut, weiß ich von Wehe zu Wehe, ich kann weiter machen, es geht den richtigen Gang. Ab und zu fühle ich kurz zu meinem Kind hin. Es ist ganz ruhig aber wach.
Wâhrend der ganzen Wehen-Arbeit bin ich nur zu drei Gelegenheiten bei wirklich klarem
Verstand. Einmal trinke ich ein paar Schluck Wasser, einmal sperre ich die Milchglastür zu,
damit mich nicht doch jemand uneingeladen überrascht und einmal hole ich mir eine Packung Küchenrolle aus der Putzkammer, um die Geburtssoße gleich größtmöglich auffangen zu können. Dazwischen hab ich immer wieder mal kurz ein paar vernünftige Gedanken, die aber gleich wieder verschwinden: Ob der Hund ruhig bleibt oder ob sie in ihrem Hundebett liegt und
jammert … warum ich mein Kind auf der Toilette bekomme … dass Geburt sich ähnlich anfühlt, wie wenn man viel zu viel gesoffen hat und nun kotzend mit Kreislaufproblemen über dem Klo hängt und weiß, dass man da jetzt einfach durch muss, bis es wieder besser wird … ich wüsste gern, wie spät es ist …
Die Wehen werden immer intensiver (späte Eröffnungsphase) und es fällt mir immer schwerer, damit vernünftig umzugehen. Ich bewege meinen Oberkörper vor und zurück, strecke und krümme mich, halte mich abwechselnd am Klo und am Türrahmen fest … mein Kind ist zu meinem Verdruss immer noch oben im Bauch und ich frage mich langsam, ob ich das noch lange aushalte.
Ich werde kurz unterbrochen: Ich höre ein paar Schritte und jemand murmelt etwas. Ich
verharre ganz still und lausche. Nach ein paar Momenten höre ich nichts mehr, da gehen die
Wehen auch schon weiter (später stellte sich heraus, dass der Opa die Katze rausgelassen hat – der Abstand zwischen Milchglas- und Haustür beträgt höchstens zwei Meter, er hat mich nicht bemerkt).
Ich hab jetzt keine Lust mehr, ich bin müde wie nie und will mich nur noch ausruhen und
schlafen. Kurz wünsche ich, mir würde jemand den Rücken streicheln und mir sagen, dass ich das gut mache. Sofort kommt die barsche Antwort aus mir: Quatsch, ich weiß ja wohl selber, dass ich das hier gut mache! Dann stelle ich mir vor, wie jemand vor mir sitzt, meine Hände hält und mich mitfühlend-sorgend ansieht. In dem Moment weiß ich ganz klar, dass ich niemanden hätte dabei haben wollen und dass mir niemand auch nur irgendwie hätte helfen oder was abnehmen können. Also bin ich froh, allein zu sein, weiter geht´s.
Dann wird es so wild, dass ich hier und jetzt Schluss machen will … erst morgen den 2. Teil
der Geburt fertig machen … Moment! 2. Teil? Das heißt, ich müsste mich jetzt in der
Übergangsphase befinden! Ich taste nach dem Muttermund und finde tatsächlich einen
glibberigen, ringförmigen Bereich mit einer Öffnung und da ist was Hartes zu tasten. Der Kopf vom Kind! Oh FUCK!!! Ist der noch weit oben!
Habe ich zu Beginn der Geburt noch freundlich mit meinem Muttermund geredet, dass es okay ist, aufzumachen, dass keine Gefahr droht und er Tür und Tor öffnen kann … Jetzt brülle ich ihn innerlich an: Mach endlich auf, du dummes A……..!!!
Dann gerate ich endgültig in eine Art Trance und bin nicht mehr so wirklich bei mir selbst –
eher drum herum. Einmal versuche ich mich tatsächlich hinzulegen, weil ich mich so gerne
ausruhen möchte – mit Wehen unmöglich, also liege ich zwischenzeitlich mit dem Oberkörper auf dem Klo. Einmal mache ich sogar ein Geräusch, „Aaaah“ oder so, was ich höre und sofort wieder leise bin (das war das einzige Geräusch während der gesamten Geburt, sonst hab ich nur geschnauft, geschwitz und geatmet, damit mich bloß keiner hört und mich findet).
Weil die Wehen so übermächtig sind, versuche ich sie irgendwie mit dem Oberkörper wegzuzappeln. Beim Festhalten stört mich mein Fingerring, also ziehe ich ihn ab und lege ihn ordentlich zu Seite. Meine Knie tun unangenehm weh, weil ich die ganze Zeit auf dem Fußabstreifer sitze. Deswegen schnappe ich mir das einzige Handtuch, was wir für Hände und Morgentoilette im Klo-Bad haben und lege es unter mich. Viel besser.
Eine kurze Pause, ich taste nach. Oh FUCK, der Kopf ist immer noch so weit oben, aber die Öffnung wird größer. Müssten jetzt nicht eigentlich bald die Presswehen kommen? Und dann beginnen zu meiner großen Erleichterung die Presswehen! Ich bin heilfroh, weil ich weiß, dass ein Ende langsam in Sicht kommt. Gleichzeitig bin ich
schockiert, was für eine Urgewalt eine Presswehe ist! Dabei sind die ersten Presswehen noch nicht einmal so stark. Ich vermute, dass der Muttermund noch nicht vollständig eröffnet ist. Das gibt mir genug Zeit, ein paar Presswehen lang herauszufinden, ob es besser ist, mit zu schieben oder sie einfach von selbst passieren zu lassen. Mitschieben ist besser, wenn auch beängstigend, weil ich nicht einschätzen kann, wie schnell und heftig der Geburtskanal gedehnt wird (ich will keine Geburtsverletzungen haben). Dann denk ich mir: Scheiß drauf. Ich will mein Kind haben, ich will nicht länger als nötig hier rum tun. Schluss mit der Korinthenkackerei, jetzt wird geklotzt und nicht gekleckert.
Ich schiebe mit. Gefühlvoll aber mit aller Kraft, jede Presswehe, und es fühlt sich sooo richtig an! Innendrin spüre ich zu meiner Erleichterung nur ein leichtes Brennen und – wow – wie sich der Kindskopf nach unten bewegt! Als ich nachtaste, ist er schon in der Hälfte des Vaginalganges, es geht also richtig vorwärts und motiviert mich ungemein!
Dann erreicht der Kindskopf den Ausgang und beult meinen gesamten Beckenboden aus. Ich habe keine Gelegenheit drüber nachzudenken, ob jetzt gleich alles kaputt gehen wird, weil in diesem Moment in der Küche die auf 5 Uhr programmierte Kaffeemaschine anfängt, lautstark Kaffee zu mahlen. Ein paar kurze Gedanken schießen mir durch den Kopf: Waaaas? Schon so
spät? Ich hätte die Uhrzeit auf 3 bis halb 4 Uhr geschätzt; oh nein, nur noch eine Stunde Zeit, bis die Großeltern munter werden; Hoffentlich wacht und steht mein Mann jetzt bald auf und findet mich, dann könnte er sogar noch was von der Geburt mitkriegen …
Die nächste Presswehe kommt, ich entscheide mich für alles und lasse „nichts“ hinter mir, ist mir egal, ob alles kaputt geht, ich gebäre jetzt mein Kind! Und so schiebe ich bei dieser sowieso schon mehr als gewaltigen Presswehe so stark ich kann mit und der Kopf meines Kindes ist geboren. Ich bin überwältigt und fasse hin. Das Gesicht zeigt nach rechts, alles ein bisschen schleimig, aber Augen und Nase/Mund sind soweit frei. Mein Kind fängt noch in mir an zu atmen. Es macht Glucksgeräusche und deutlich regelmäßige Schniefer, was mich ungemein
erleichtert und freut! Ich lasse die Hand am Kopf und rede leise mit meinem Baby. Wir warten kurz, ich fühle wie das Kind in meinem Körper zappelt und sich dreht … dann kommt die nächste Presswehe und in einem feuchten Schwall gebäre ich den Körper in meine Arme.
Für einen Moment muss ich das Baby ablegen, umgreifen, hochnehmen und presse es dann mit beiden Armen an meinen Bauch. Ich bin unendlich froh, dass mein Baby da ist, dass diese Wahnsinnsgeburt jetzt geschafft ist. Ich rede weiter beruhigend auf mein quäkendes Kind ein, streichel seinen Kopf und kontrolliere nochmal seine sehr regelmäßige Atmung. Ich will sein Gesicht sehen und da erst stelle ich fest, dass ich ja immer noch im Dunkeln sitze und fast gar nichts sehen kann. Also Licht an und ja, es ist ein richtiges Baby! Genauer gesagt ist es mein Baby und es macht für mich komischerweise gefühlt keinen Unterschied, dass er jetzt „draußen“ ist. Es ist dasselbe Kind, davor war es in mir drin und jetzt ist es an mir dran und es ist meins.
Ich will aufstehen und zu meinem Mann ins Schlafzimmer, ihm sein Kind zeigen! Und dann schüttelt es mich dermaßen, dass ich nur noch mein Kind an mich drücken kann und ich wieder in die Knie gehe. Ich weiß nicht, wie viele Minuten lang ich so zitterte, aber ich bekomme Angst um mein Baby, weil es im kalten Bad schnell an Hauttemperatur verliert. Das erste Mal wünsche ich mir, es wäre jemand da um mir zu helfen.
Dann beruhigt sich mein Körper gut genug vom Schüttelfrost, so dass ich hochkomme und die 7 Meter ins Schlafzimmer laufen kann. Tür auf, Licht an: „Kannst du mir bitte mal helfen? Ich habe gerade unser Kind geboren.“ Mein Bester glotzt mich ungläubig und fassungslos an und denkt wahrscheinlich einen Moment lang, ich will ihn verarschen. Dann steht er senkrecht im Bett, springt raus, wickelt mich und Baby in alle zur Verfügung stehenden Decken und wir gehen rüber ins Wohnzimmer auf die Couch. (Später wird er erzählen, es war sowas wie sein persönlicher, nachträglicher Halloween-Moment: Aus dem Dunkeln plötzlich zu voller Zimmerbeleuchtung wird er geweckt und da steht seine Frau blutverschmiert, kreidebleich und zitternd mit einem Neugeborenen im Arm.)
Im Wohnzimmer bitte ich ihn, eine große Schüssel zu holen, weil ich die Nachwehen spüre und die Plazenta wohl gleich kommen wird. Er holt sie, ich drücke ihm das an der Nabelschnur hängende Baby in die Hände, stelle ein Bein aufs Sofa, halte die Schüssel zwischen meine Beine, drücke kurz mit und platsch, flutscht die gesamte Nachgeburt raus.
Ich will das Kind von dem glibberigen See getrennt haben, der jetzt auf dem Wohnzimmertisch steht. Also kontrolliere ich die Nabelschnur mit den Fingern: kalt, weiß, kein Puls – kann ab. Ich wackel in die Küche und dort muss ich mich erstmal kurz zwischen die Küchenschränke auf den Boden legen, weil mein Kreislauf schlapp macht. Dabei kucke ich auf die Herduhr: 05:26 Uhr (lustig, wie solche Zahlen im Kopf hängen bleiben). Meinem Mann rufe ich zu, dass alles in Ordnung ist, ich steh gleich wieder auf. Geht tatsächlich auch gleich wieder, ich nehme meine superscharfe Küchenschere mit und schnippschnapp Nabelschnur plazentanah ab. Anschließend nehme ich mein Baby wieder zu mir und lege mich in Decken gewickelt mit ihm aufs Sofa. Ab da bin ich nur noch entspannt und glücklich, ich fühle mich wie eine Siegerin!
Mein wunderbarer Mann ruft die Hebamme an und erklärt ihr die Situation, dass wir nicht mehr ins Geburtshaus fahren und dass das Baby bereits geboren ist. Und so macht sich die Hebamme zusammen mit ihrer Zweithebamme auf dem Weg zu uns, um wenigstens eine Nachsorge zu machen. Ich bin heilfroh, als sie 45 Minuten später bei uns eintreffen und sich alle um alles und um mich kümmern.
Meine Plazenta war sehr groß, deswegen war der Blutverlust durch die Lösungsblutung bei der Geburt mit geschätzten 500ml recht hoch. Bis auf Kreislaufprobleme beim Aufstehen und Rumlaufen an diesem Tag hatte ich aber keine weiteren Probleme. Die Gebärmutter hatte sich anschließend gut zusammengezogen und die Blutung auch sofort gestoppt.
Ich habe mir minimale Geburtsverletzungen zugezogen, die mit jeweils einem Stich an 4
unterschiedlichen Stellen repariert wurden. Einmal im Vaginalgang ein kleiner Riss zur
Dammseite hin (hätte man nicht unbedingt machen müssen, aber ein Gefäß hat an der Stelle noch geblutet) und die anderen drei kleinen Risse im Vaginalgang zu den Schamlippen hin wurden mit jeweils einem Stich wieder zugenäht. Der Damm sowie der Rest sind heil geblieben.
Baby-Sohn, geboren am 03.11.2018
Vermutlicher Geburtszeitpunkt: 05:05 Uhr
Geburtsdauer: 4 1/2 h (1. Wehe bis zur Plazenta), ohne Plazenta: 4h 10 Min
Baby-Sohn: 54cm lang, 36,5cm Kopfumfang, 4100g schwer
Nur eine leichte Blaufärbung des Schädels durch Venenstauung während der Geburt, ansonsten knitter- und faltenfrei, minimale Reste Käseschmiere am Rücken und in den Körperfalten
U1 wurde nicht gemacht