Nachts allein im dunklen Klo 2

In diesem Beitrag berichtet eine Mutter von ihrer zweiten Alleingeburt (zweites Kind). Den Bericht ihrer ersten Geburt könnt ihr hier lesen.

Ich wache mitten in der Nacht auf, weil mir plötzlich ein Schluck warme Flüssigkeit zwischen die Beinen läuft. Ich bin so schwanger, dass ich im ersten Moment glaube, meine Blase hat den Geist aufgegeben und bei meinem monströsen Umfang wäre es nicht verwunderlich, wenn mich die Blasenschwäche zum Ende hin doch noch ereilt. Das Kind strampelt, stößt und dreht sich nach diesem Schwaps auch einmal kurz und heftig im Bauch, dann ist es wieder ruhig. Zuerst bleibe ich noch liegen, dann kommt es mir aber doch komisch vor. Ich gucke auf die Uhr: 3:20 Uhr und stehe auf, um aufs Klo zu gehen. Ich komme bis ins Bad und dann läuft mir Fruchtwasser fröhlich-plätschernd die Beine runter. Oh nein! Doch nicht jetzt schon! Ich bin bei 37+2, hab aber bei den Angaben zum Eisprung für die Berechnung des ET etwas geschummelt und ein paar Tage drauf geschlagen – so dass ich offiziell bei 36+6 bin. Die Rufbereitschaft der Hebamme beginnt erst morgen. Die Geburt geht für meinen Geschmack viel zu früh los, habe ich doch fest damit gerechnet, wieder über ET zu gehen (1. Kind bei 41+0 geboren). Außerdem ist nichts fertig! Ich muss noch soviel erledigen, bis das Baby kommen kann. Kurz überlege ich mir sogar, ob nicht meine Harnblase kaputt gegangen sein könnte und es Pippi ist, das mir die Beine runter läuft. Tja, leider tut mir nichts weh und das schmierige Wasser auf dem Boden riecht auch nicht nach Urin sondern Fruchtwasser. Mir dämmert, dass es kein Zurück mehr gibt. Mist.

Ich gehe zu meinem Mann ins Schlafzimmer und wecke ihn freundlich. Ich teile ihm mit, dass ich Fruchtwasser verloren habe, aber erstmal wieder ins Bett zum schon vorhandenen Kind gehe und abwarte, was passiert. Da ist es 3:40 Uhr. 3:58 Uhr kommt die erste Wehe. Ich schicke meinem Mann eine Nachricht aufs Handy und bitte ihn, herzukommen. Als er bei mir und dem Kind ist, bitte ich ihn, meinen Platz im Bett einzunehmen und falls das Kind aufwacht, es zu beruhigen. Ich will ins Bad. Er fragt mich, ob er die Hebamme anrufen soll, ich sage nein, weil die Rufbereitschaft noch nicht begonnen hat. Ich vermute, die Hebamme müsste uns aus rechtlichen Gründen ans Krankenhaus verweisen (hätte sie nicht getan, habe ich später erfahren) und deswegen kann ich das Kind auch allein zur Welt bringen. Falls was sein sollte, können wir auch selber ins nächstgelegene Krankenhaus düsen (9 Minuten Fahrzeit mit dem Auto). Ich gehe aber davon aus, dass alles gut ist und sage zu ihm, dass ich in spätestens vier Stunden mit der Geburt fertig bin. Der Mann willigt ein. Er bringt mir auf meine Anweisung noch einen Stapel Handtücher, eine Flasche Wasser zum Trinken, kippt das Badfenster ein wenig, damit ich Luft bekomme und stellt die Heizung auf mittlere Temperatur. Dann legt er sich ins Bett zum Kind.

Ich nehme mein Handy mit ins Bad, mach es mir auf den Knien vor dem Klo gemütlich und mache Screenshots von der Uhrzeit, wenn eine Wehe kommt. Die gehen auch gut los. Die ersten paar in Abständen von 6 bis 7 Minuten, bald bin ich schon zwischen 4 und 5 Minuten. Dazwischen gehe ich aufs Klo und werde Urin und Stuhlgang los.

Als ich schön dabei bin, mich so richtig einzuwehen, fängt mein Hund an Theater zu machen. Meine Hündin ist fast 11 Jahre alt und hält meinen Mann für den schlimmsten Menschen auf Erden, eine echte Bedrohung für ihr Hundewohl (er hat ihr nie was getan). Jetzt, wo er bei uns im Zimmer liegt, hält sie es dort nicht mehr aus und fängt an, winselnd durch die Wohnung zu tigern. Es macht mich wahnsinnig! Ich hab noch von Silvester letzten Jahres Rektaltuben mit Valium für den Hund übrig … natürlich finde ich sie jetzt nicht. Den Hund schimpfen bringt auch nichts und ich bin so sauer, dass ich mir kurz ernsthaft wünschte, ich hätte sie umgebracht, als noch Zeit dazu war (vergib mir Lola, ich hab dich lieb). Die Abstände der Wehen vergrößern sich wieder auf 6 bis 7 Minuten und da wird mir klar – der Hund muss weg. Ich versuche meine Schwester auf dem Handy zu erreichen (5:30 Uhr), die geht aber nicht ran. Nützt nix, der Mann muss aufstehen, den Hund einpacken und zur Schwester rüber bringen, sie notfalls aus dem Bett klingeln. Das macht er auch brav (meine Schwester wohnt nur eine Hausnummer weiter), kurz vor 6 Uhr ist er ohne Hund wieder da und es kehrt Ruhe ein. Die Wehen nehmen wieder Fahrt auf.

Am Rande nehme ich wahr, dass irgendwann das Kind aufwacht, sich vom Mann aber gut beruhigen lässt. (Halleluja!) Ich wehe vor mich hin und muss ab und zu in meine alte Freundin und
Geburtsbegleiterin Kloschüssel kotzen (insgesamt 4 Mal während der Geburt, Wehen drehen mir den Magen um).

Um 6:30 Uhr schicke ich meinem Mann ne kurze Nachricht, dass mit mir alles gut ist, die Geburt geht voran. Er ist inzwischen mit dem Kind aufgestanden und zusammen kucken sie Fernsehen. Jetzt werden die Wehen immer heftiger und ich hab echt zu tun.

Das Kind sucht mich, der Papa will es davon abhalten, zu mir ins Bad zu kommen. Ich lasse beide kurz zu mir reinkommen, beruhige das Kind (am Ende wollte es nur wissen wo ich bin), anschließend gehen sie wieder Fernsehngucken.

Die Wehen werden so heftig, dass ich nur noch „Übergangsphase“ denke. Ich fühle am Muttermund und der ist zu! Das kann doch nicht sein! Er ist zwar gewölbt und verstrichen durch den Kindskopf, aber er ist zu. Nicht mal ne kleine Öffnung, ich bin fassungslos. Vier bis fünf heftige Wehen später beginnen plötzlich die Presswehen (rückblickend muss ich an dieser Stelle
immer schmunzeln … mein Muttermund ist innerhalb von höchstens 15 – 20 Minuten von geschlossen zu komplett auf gegangen, soviel zu dem Sinn oder Unsinn, ihn als Indikator für das Fortschreiten der Geburt zu benutzen). Die 1. Presswehe ist der Wahnsinn, ich habe Angst, ehrlich. Der Kindskopf zwängt sich gewaltsam wie eine Kanonenkugel mit einem Rutsch vom Muttermund bis zum Vaginalausgang und dort stoppt er nur, weil ich die Wehe abbremse. Die zweite Presswehe und der Kopf ist geboren. Es schaut nach hinten. Kurz verschnaufen, inne halten, dann dreht sich das Kind; Kopf und Körper kommen in die richtige Position.
Anders als das erste Kind beginnt dieses Kind nach der Kopfgeburt noch nicht gleich zu atmen aber das ist ja auch völlig in Ordnung. Ich rufe den Mann und als er in der Badtür steht, sage ich sinngemäß sowas wie: Falls du noch was von der Geburt deines zweiten Kindes mitbekommen möchtest, bleib da, falls nicht kannst du wieder gehen.
Er bleibt respektvoll im Türrahmen stehen.
Die 3. Presswehe kommt und es passiert … nichts. Das Kind hängt mit der Schulter fest.
Die 4. Presswehe kommt, ich fasse das Baby vorsichtig mit beiden Händen am Kopf und ziehe bei der Wehe gefühlvoll mit – die Schulter löst sich, es schießt aus mir heraus und flutscht auf die Handtücher unter mir. So ein Schreck! Mit einem Schrei beginnt es sein Leben außerhalb meines Körpers. 7:33 Uhr sagt der Mann, er hat auf die Uhr geguckt.

Sofort ist mein Mann bei mir und hilft mir, das Baby in Handtücher einzuwickeln. Dann holt er die scharfe Schere aus der Küche. Ich ruhe mich noch kurz auf dem Boden aus, dann geb ich dem Mann das Baby zum Halten, kontrolliere die Nabelschnur (kalt, weiß, kein Puls) und schneide sie so ab, dass viel Nabelschnur am Kind bleibt. Handtuch zwischen meine Beine geklemmt, Baby auf dem Arm, vom Mann gestützt ins Bett gewackelt. Das große Kind guckt immer noch Fernsehen.

Mein Mann ruft die Hebamme an, die dann auch bald mit ihrer Zweithebamme erscheint. Wir sind alle ganz heiterer Stimmung, jetzt warten wir nur noch auf die Plazenta.
Ich lege das Baby an der Brust an, was mir auch sofort feine Nachwehen beschert … nur die Plazenta kommt nicht. Ich finde das nicht besonders dramatisch und genieße meinen Geburtsrausch. Eine Stunde nach der Geburt des Kindes bittet mich die Hebamme, mich im Bett über eine Schüssel zu knien, damit
die Plazenta besser rausrutschen kann, außerdem soll ich mal selber an der Nabelschnur vorsichtig ziehen um zu gucken, ob sie sich vielleicht schon gelöst hat. Die Plazenta hängt noch fest, ich fühle ganz deutlich, wo sie sich noch nicht gelöst hat. Wir sitzen weiterhin im Bett, quatschen, die Hebammen machen mit dem Baby die U1, es kommt wieder eine Nachwehe und ich bekomme den Drang mitzudrücken. Plumps ist die Plazenta auch geboren (1,5 Stunden nach Kindsgeburt) und vollständig. Ich habe einen Riss im Vaginalgang und nachdem mir die Hebamme einen Spiegel zwischen die Beine gehalten hat, damit ich es selbst beurteilen kann, wollte ich lieber mit drei Stichen genäht werden. Plazenta normal (zeigt leichte Verkalkungen am Rand, war also „alt“), Blutverlust normal. Mein Kind hat noch viel Käseschmiere am Kopf und in den Körperfalten, ist aber fit, sieht reif aus und hat einen Apgar Wert 10/10 – 55cm groß, 4320g schwer, KU 37cm.

Ich war übrigens, wie bei meiner ersten Geburt, wieder ziemlich leise – sagt jedenfalls der Mann.

Ein Gedanke zu „Nachts allein im dunklen Klo 2“

  1. Wow, wie kann man denn fühlen, wo die Plazenta noch nicht gelöst ist? Als Laie? Von außen?

    Ich bin ja auch immer beeindruckt, wenn Frauen so genau beschreiben können wann der Kopf wo zu spüren war. Bei mir war bei beiden Geburten in der Pressphase nur noch Schmerz zu spüren. Das Baby selbst auffangen wollte ich auch gerne, aber auch das war mir vor Schmerzen nicht möglich. Vielleicht wenn ich alleine gewesen wäre und es eben nicht anders gegangen wäre. Leise war ich auch nicht 😀

    Das klingt auf jeden Fall nach einer schönen Geburt.

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