Die Mutter, die im Folgenden ausführlich von ihrer Alleingeburt berichtet, wollte ihr Kind eigentlich abtreiben. Ihre erste Geburt war so traumatisch gewesen, dass sie sich nicht vorstellen konnte, noch mal ein Kind zu bekommen. Aber dann erfuhr sie von der Möglichkeit einer freien Geburt. Sie sagte den Abtreibungstermin ab und plante ihre Alleingeburt.
Als ich im Dezember 2016, kurz vor Weihnachten, von meiner Schwangerschaft erfuhr, brach für mich eine Welt zusammen. Nach alledem, was um die Geburt meines Sohnes passiert ist, wollte ich – trotz bestehendem Kinderwunsch, keine weiteren Kinder mehr bekommen. Ich war seitdem in Traumatherapie und war psychisch mal mehr, mal weniger stabil. Zum Wohl meines Sohnes konnte ich es nicht riskieren, meine relative Stabilität wieder zu verlieren. So entschied ich mich schweren Herzens gegen weitere Kinder. Jedoch meinte das Schicksal mir einen Streich spielen zu müssen. Mein Mann und ich verhüteten mit Kupferkette (ähnlich der Kupferspirale). Im August war ich noch zur Kontrolle (unauffällig) und Anfang Dezember blieb dann meine Periode aus. Der erste Schwangerschaftstest war negativ. Kurz vor Weihnachten wollte ich aber Gewissheit und machte einen Termin bei meiner Frauenärztin. Befund: Kette weg, 7. Schwangerschaftswoche.
Mir war direkt klar, dass ich keine Hebamme mehr an mich ran lasse. Eine Geburt ohne Hebamme? Das geht doch nicht! Viel zu gefährlich! Dann komme ich/kommen wir ins Gefängnis! Dann habe ich zwei Kinder, die ohne Mama aufwachsen müssen und vielleicht auch ohne Papa … Abtreibung erschien mir als einzige Lösung. Erst als mein Mann begann, sich mit dem Thema Alleingeburt zu beschäftigen – er wollte das Baby auch so gern wie ich – wurde mir nach und nach bewusst, dass wir sehr wohl eine Handlungsalternative haben und ich nur konditioniert war auf das, was uns von der Gesellschaft und den Medien vorgemacht wird. Wir hatten nicht viel Zeit, der Termin für den Schwangerschaftsabbruch stand für Mitte Januar fest. So konnte ich mich nur oberflächlich mit dem Thema auseinandersetzten. Ganz schnell wurde jedoch folgendes deutlich:
- Wir machen uns definitiv NICHT strafbar – weder mein Mann noch ich.
- Das Risiko für das Baby schien überschaubar zu sein.
Mit diesem Wissen entschieden wir uns für das Baby. Ich sagte den Abtreibungstermin einen Tag vorher ab und wir bereiteten uns auf eine Alleingeburt vor. Am Anfang war ich noch bei der Vorsorge bei meiner Frauenärztin. Die war froh, dass ich das Baby nun doch bekommen würde, aber war zunächst nicht so begeistert von der Wahl meines Geburtsortes und der „fehlenden“ fachlichen Begleitung. Zunehmend wurde mir klar, was Sarah Schmid damit meint, dass die Vorsorgeuntersuchungen überwiegend Ängste schüren. In der 22. Woche war ich noch zum Feinultraschall, um große Fehlbildungen, die eine sofortige Behandlungsbedürftigkeit des Babys erfordern würden, auszuschließen. Danach verzichtete ich auf VorSORGEN, zumal ich mit Haushalt, Kind, Umzug, Uni und Schwangerschaft auch so alle Hände voll zu tun hatte.
Laut Mutterpass wäre am 18.08.2017 errechneter Termin (ET) gewesen, aber ich habe immer mit dem 21.08.2017 gerechnet, weil meine Frauenärztin den Termin in der 12. Woche nochmal 3 Tage nach vorn korrigiert hat, ich aber grundsätzlich nichts von einer Nachkorrektur des ET halte. Da aber der ET der Frauenärztin (FÄ) näher am tatsächlichen Geburtstermin liegt, gehe ich im Folgenden vom 18.08.2017 als ET aus.
Mittwoch, der 16.08.2017 (ET-2)
An diesem Tag hatte ich „nur“ einen Gesprächstermin bei meiner Frauenärztin, nachdem die Praxis mich in der Woche zuvor noch mal angerufen hatte (sie dachten, dass ich zwischenzeitlich zur Vorsorge bei einem Frauenarzt in meiner Uni-Stadt war) um zu fragen, ob ich noch mal kommen würde. Ich erklärte jedoch, dass ich seither nicht mehr in gynäkologischer Behandlung war und auch jetzt darin wenig Sinn sehe, da ich kein CTG, kein Ultraschall und auch keine vaginale Untersuchung machen lassen wollte. Damit waren die Arzthelferinnen völlig überfordert und verbanden mich direkt mit meiner Ärztin, der ich nochmal das gleiche erzählte. Sie fragte, ob wir weiterhin ein Alleingeburt planen und erklärte, dass sie sich damit unwohl fühle und ob ich nicht noch mal zu einem Gespräch kommen würde. Ich schätze meine Ärztin sehr und dachte, dass ich von dem Gespräch nur profitieren kann. Mich zu verunsichernd braucht einiges an Überzeugungskraft und ich fühlte mich sehr gut informiert, was die bevorstehende Geburt anging. Somit erklärte ich mich einverstanden zu kommen, jedoch ohne meinen Mann. Seine Firma kam uns bereits für die Geburt total entgegen, da er ab Einsetzten der Wehen sich in den Urlaub verabschieden durfte und er jetzt nicht noch einen Tag zusätzlich frei machen konnte. So kam es, dass ich an diesem Morgen doch wieder in der Praxis meiner Frauenärztin saß.
Gesprächsinhalt war, wie mein Mann und ich uns auf die Alleingeburt vorbereitet hatten, auf was wir noch achten sollen, wann wir einen Rettungswagen rufen sollten usw. Ich habe ihr dann erzählt, das das Baby regelrecht in Schädellage liegen würde (wobei ich ehrlich gesagt nicht ganz sicher war, ob es nicht doch noch in Sterngucker-Position war) und dass mein Mann einen Notfallkurs für Säuglinge und Kleinkinder inkl. Reanimation gemacht hat. Sie meinte dann, dass sie sich gar keine Sorgen um das Baby mache. Wenn es in Schädellage läge, käme es schon problemlos raus. Sie mache sich eher Sorgen um mich. Sie meinte, dass es wahrscheinlich ist, dass die alte Dammschnittnarbe reißt und hatte Bedenken, dass mein Mann im Notfall umkippen könnte und mir dann nicht mehr helfen könnte oder dass ich verbluten könnte (gut, dass ich ihr nichts von meinem Pool erzählt habe). Da ich aber bei der ersten Geburt stark geblutet habe und mein Mann auch ganz taff war, machte ich mir darum überhaupt keine Sorgen. Was die Gefahr für mein Leben angeht, war mir das ohnehin von Anfang an relativ gleich und außerdem kann ich sehr gut einschätzen, wann ich einen Arzt brauche und wann ich mir noch selbst Hilfe holen kann.
Überdies sagte sie, dass sie mich ja verstehen könne, da sie ja wisse, wie es teilweise in Kreißsälen so zugehe (sie war früher Oberärztin im Kreissaal). Ebenso meinte sie, dass sie überlegt hatte, mich bei der Geburt zu begleiten. Damit würde sie sich aber rechtlich in ziemlich große Schwierigkeiten bringen. Mal davon abgesehen, dass ich das ohnehin nicht gewollt hätte, sind Ärzte dazu verpflichtet, zu jeder Geburt eine Hebamme hinzuzuziehen. Sie hat mir aber noch ihre private Handynummer gegeben, dass ich bzw. mein Mann sie bei Fragen oder Unsicherheiten auch unter der Geburt anrufen könnten. Dann ging es noch darum, wo mein Sohn während der Geburt sein würde. Ich meinte, wenn er schläft, dann schläft er und wenn er stören würde, könnte ich ihn von einer Freundin abholen lassen. Dass mein Sohn eigentlich dabei sein wollte und ich damit auch kein Problem habe, habe ich nicht erwähnt. Ich habe einige Videos gesehen, bei denen Kinder verschiedenen Alters bei der Geburt dabei waren und aus dem, was ich dabei beobachten konnte, habe ich die Erkenntnis gezogen, dass Kinder sich da sehr gut selbst regulieren können und selbst entscheiden können, wie viel sie ertragen können. Demnach haben mein Mann und ich beschlossen, dass unser Sohn bei der Geburt dabei sein darf, solange er das möchte und solange ich mich durch ihn nicht gestört fühle.
Zum Schluss fragte sie, ob ich denn schon Wehen hätte und meinte noch, dass ich es nicht so übertreiben solle mit dem Übertragen, da ich ja schon ET-2 sei. Bis zu dieser Zeit hatte ich auch noch absolut keine Wehen, auch keine Senkwehen. Das kannte ich jedoch so bereits von der ersten Schwangerschaft. Sehr toll fand ich, dass ich überhaupt nicht diskutieren oder mich für irgendetwas rechtfertigen musste. Meine Ärztin hat auch absolut nicht versucht mich umzustimmen oder mir irgendwelche Vorwürfe gemacht. Es war einfach nur ein Beratungs- und Informationsgespräch – sehr netter Austausch. Ich muss echt sagen, dass sie eine wirklich tolle Ärztin ist.
Nachmittags hatte ich dann die Eingebung, dass ich so langsam mal die restlichen Babysachen aus der Garage kramen sollte und dass mein Mann die Babywiege zusammenbauen soll. Am gleichen Abend hatte ich dann etwas durchsichtigen unblutigen Schleim am Toilettenpapier von der Menge her etwa ein Teelöffel voll und ich war mir unsicher, ob das der Schleimpfropf sein könnte, da ich bei der ersten Geburt den Abgang nicht mitbekommen habe. Danach hatte ich langsam zunehmend einen Druck nach unten. Als ich kurz nach 23:00 Uhr im Bett war, habe ich die ersten richtigen Mini-Wehechen gespürt. Ich habe mir noch nichts dabei gedacht. Ich wollte erst mal schlafen und schauen, wie sich das Ganze so weiterentwickelt. Zwar ging die letzte Geburt ähnlich los, aber jede Geburt ist anders und ich wollte mich einfach nicht verrückt machen.
Donnerstag, 17.08.2017 (ET-1)
Für diesen Tag hatte ich mit den Mädels aus der Uni eigentlich einen gemeinsamen Friseurtermin. Aber da ich schon mit leichten, nichtschmerzhaften Wehen morgens um 6:00 Uhr wach wurde, bin ich nicht mit. Ich habe zwar die ganze Nacht ruhig geschlafen, aber da ich nicht wusste, wie schnell sich die Wehen aufbauen würden, wollte ich nicht mehr mit dem Auto weg. Zum einen fand ich das zu gefährlich, zum anderen war bei der letzten Geburt die Autofahrt unter Wehen ins KH einfach nur die Hölle. Das wollte ich diesmal vermeiden.
Ich war total aufgeregt, konnte nicht mehr schlafen und lag dann bis etwa 7:00 Uhr wach im Bett. Ich wollte aber nicht aufstehen, weil ich eigentlich noch sehr müde war und bin auch nochmal eingeschlafen, bis der Große mich gegen 9:00 Uhr geweckt hat. Wir haben dann erst einmal in Ruhe gefrühstückt. Ich wollte mich nicht verrückt machen und dachte, ich nutze den Tag, um weiter Umzugskisten auszupacken. Ich wehte währenddessen weiter immer wieder mal vor mich hin, war bis zum Mittag dreimal Groß auf der Toilette und es ging weiter unblutiger Schleim ab. Es fühlte sich alles doch schon irgendwie nach Geburtsbeginn an. Aber ich hatte auch das Gefühl, ich bin in einem Zustand, der noch Tage so anhalten oder auch jeder Zeit umschlagen könnte.
So langsam wurde ich träge und müde, deshalb beschloss ich, ein Mittagsschläfchen zu machen. Ich wusste ja nicht, ob ich die kommende Nacht noch würde schlafen können. Der Große hat das iPad bekommen – eigentlich nur 30 Minuten. Aber ich hatte die Timerfunktion nicht richtig eingestellt, sodass ich erst nach 2h wieder wach wurde, weil mein Sohn die ganze Zeit ruhig in seinem Zimmer gespielt hatte.
Ich wollte nach dem Mittagsschlaf eigentlich mal nach dem Muttermund tasten, aber ich wollte mich nicht demotivieren, falls sich nichts seit dem Tasten am Vortag morgens getan hätte. Ich hatte dann noch mal kurz Besuch von einer Freundin und war abgelenkt. Als mein Mann dann kam, war ich auch noch beschäftigt, sodass ich da nicht weiter drüber nachdachte. Aber bevor wir ins Bett sind, wollte ich doch noch wissen woran ich bin. Wie ich bereits befürchtet hatte, hatte sich am Muttermund nichts verändert – weiterhin noch eine kleine Wulst, Finger durchgängig, wie bereits die letzten Tage. Na ja so war es aber auch bei der ersten Geburt. Also fing ich doch an, wie mein Mann schon ein paar Tage zuvor gesagt hatte, mit einer Geburt von 65 Stunden ab der ersten Wehe zu rechnen. Demnach würde das Baby am 19.08.2017 gegen 16:00 Uhr geboren werden. Für uns wäre das eigentlich total doof gewesen, da an dem Tag der Vater von meiner Freundin kommen wollte um das Parkett abzuschleifen. Deshalb hoffte ich darauf, dass die Geburt schneller oder noch besser langsamer vorangehen würde. Schließlich wollte ich eigentlich das Kinderzimmer (in dem auch Parkett liegt) fertig haben, bevor das Baby geboren wird. Wir hatten das Haus gerade erst gekauft, sodass wir mit der Renovierung des Kinderzimmers nicht früher beginnen konnten.
Trotzdem habe ich mit meinem Mann noch alles vorbereitet, falls es wider Erwarten in der Nacht doch richtig losgehen sollte. Den Geburts- bzw. Entspannungspool (ich wollte nicht im Wasser gebären) wollte ich auch sicherheitshalber schon aufgebaut haben. Dies erwies sich aber als etwas umständlich. Wir hatten den Pool vorher nicht ausgepackt und wollten eigentlich die Luftpumpe, die wir noch vom Vorbesitzer in unserer Gartenhütte gefunden haben, zum aufpumpen verwenden. Als wir den Pool ausgepackt haben, mussten wir jedoch feststellen, dass der Aufsatz der Pumpe nur für den Boden passte und wir für die Wände einen größeren Aufsatz gebraucht hätten. Mein Mann ist dann noch mal in die Hütte um zu schauen, ob da evtl. noch irgendwo der richtige Aufsatz rumliegt. Er kam zurück mit einem ungebrauchten Einfüllstutzen von einem Benzinkanister. Damit konnten wir den Pool, zwar etwas umständlich, aber für unsere Zwecke entsprechend, aufpumpen. Anschließend sind wir ins Bett und ich hoffte auf eine ruhige Nacht.
Freitag, 18.08.217
Ich wurde morgens vom Wecker meines Mannes wach. Die Nacht war relativ erholsam, ich wurde zwar immer wieder von einer Wehe geweckt, aber konnte immer wieder einschlafen. Ich habe meinen Mann trotzdem erst mal auf Arbeit geschickt. Es war sein letzter Arbeitstag vor seinem regulären dreiwöchigen Urlaub, den er sich wegen der bevorstehenden Geburt bereits genommen hatte. Ich war mir sicher, dass es locker für einen halben Arbeitstag noch reichen würde und von der Arbeit nach Hause braucht er nur 20-30 Minuten. Ich sagte ihm, bevor er los ist, dass ich es für möglich halte, dass er nicht den ganzen Tag arbeiten kann und er sich doch bitte abrufbereit halten solle.
Dann döste ich noch etwas, bis mein Sohn mich gegen 7:30 Uhr geweckt hatte. Wir haben dann erst mal in Ruhe gefrühstückt und anschließend habe ich die Küche aufgeräumt. Danach habe ich noch mal getastet – wieder keine Veränderungen. Ich habe dann erst einmal eine schön lange und ausgiebige heiße Dusche genommen und weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass das Baby nicht optimal liegen könnte – weil es sehr lange ein kleines Sternenguckerchen war und ich immer noch unsicher über die genaue Lage war – beschloss ich zumindest prophylaktisch ein paar Übungen zur Optimierung der Kindslage aus Sarahs Buch zu machen. Schaden konnte es ja zumindest nicht. Außerdem habe ich eine Freundin in Whatsapp angeschrieben. Mit ihr hatte ich während der letzten Geburt den ganzen Tag in der Wanne telefoniert und ca. 5h nachdem wir aufgelegt hatten, wurde mein Sohn geboren. Demnach dachte ich, wenn ich ihr zumindest mal schreibe, muss das einen positiven Einfluss haben.
Mein Sohn, dem ich immer wieder erklärt habe, dass das Baby jetzt langsam geboren werden möchte, hat seine Rolle als Geburtshelfer sehr ernst genommen – zumindest hat er mich mit klugen Sprüchen wie „Mama, also ich kann jetzt wirklich auch nichts dafür, dass das Baby in deinem Bauch wächst“ oder „Mama, jetzt musst du nur einmal ganz laut schreien, so laut du kannst, dann kommt das Baby schon raus“ bei Laune gehalten. Trotzdem war ich ziemlich genervt von ihm. Er musste sich wegen Umzug und Kindergartenferien schon seit Tagen sehr viel alleine beschäftigen. Zudem war an diesem Morgen auch das Wetter nicht so toll und die meisten seiner Spielsachen waren noch in Umzugskartons und er wollte unbedingt, dass ich was mit ihm spiele. Eine andere Freundin, mit der ich nebenher auch schrieb, bot mir an ihn abzuholen. Ich brauchte aber auch etwas Ablenkung, deshalb lud ich sie ein, mit ihrem Sohn zum Spielen und Kaffeetrinken zu kommen unter der Einschränkung, dass ich sie wieder heimschicken dürfte, wenn es mir zu viel werden sollte.
So verbrachte ich den Vormittag mit quatschen und ab und an mal bin ich bei einer Wehe aufgestanden um herumzulaufen. Aber im Großen und Ganzen wurden die Wehen deutlich weniger. Ich hatte dann etwa 2 Std. keine Wehen mehr und meine Freundin war auch wieder gegangen, deshalb beschloss ich die Gunst der Stunde zu nutzen um noch ein Mittagsschläfchen zu halten und Kraft zu tanken. Kaum lag ich im Bett, kamen die Wehen zurück und waren relativ heftig, zumindest so, dass ich immer wieder wach wurde, wenn ich grad am weg dösen war. Also stand ich wieder auf, ging zu meinem Sohn, der schön brav in seinem Zimmer gespielt hatte, um zu besprechen, was wir denn jetzt noch machen könnten. Es war so kurz nach 15:00 Uhr. Er wollte unbedingt die Lasagne mit mir kochen, die ich ihm schon am Tag zuvor versprochen hatte. Versprochen ist versprochen und ich dachte, das wäre kein Problem. Aber zuvor habe ich noch meinen Mann angerufen, ihm gesagt, dass er noch in Ruhe zu Ende arbeiten kann und dann noch mal in der alten Wohnung vorbeischauen soll, um noch die letzten Sachen zu holen.
Dann ging ich mit meinem Sohn in die Küche, die Wehen kamen wieder regelmäßig und wurden nach unten stärker. Ich konnte während der Wehen nicht mehr ruhig stehen bleiben. Als wir unsere Zutaten schnippelten, war das auch noch kein Problem. Aber kaum hatte ich den Herd an, kamen die Wehen etwa alle 3-5 Minuten und zwischendurch musste ich noch auf Toilette. Ich fing auch an, die Wehen zu veratmen und leicht zu tönen. Meinem Sohn erklärte ich, dass er sich keine Sorgen machen braucht, dass es Mama gut geht und dass jetzt seine Aufgabe sei, auf das Essen aufzupassen, wenn ich eine Runde laufen musste. Wir kochen schon zusammen, seit er 3 Jahre alt ist und ich wusste, dass ich ihn ohne Sorgen alleine am Herd stehen lassen konnte. Jetzt bereute ich, dass ich meinen Mann noch mal in die alte Wohnung geschickt habe, weil ich eigentlich nicht mehr in der Lage war zu kochen.
Gegen 17:45 Uhr, ich war gerade am Herd fertig, hatte ich das Gefühl, dass ich einen Blasenriss haben könnte – es tröpfelte immer so ein bisschen was aus mir raus, das ich nicht wirklich halten konnte. Ich konnte aber auch nicht einordnen, ob das jetzt Urin oder Fruchtwasser war. In Whatsapp und in der FB-Gruppe verkündetet ich „Ich glaube, ich bin nicht mehr ganz dicht!“. Zur gleichen Zeit kam auch mein Mann endlich nach Hause – er hatte der ehemaligen Nachbarin, die jetzt in unsere alte Wohnung zog, noch etwas geholfen.
Ich brachte ihn auf den Stand, dass ich versucht habe mit unserem Sohn Lasagne zu kochen, dass die Soßen fertig sind und nur noch mit den Nudeln in die Auflaufform geschichtet werden müssten (und in welcher Reihenfolge), dass ich etwa alle 3 Min. Wehen hatte und kaum noch ruhig stehen konnte. Zwischen den Wehen stand ich zuletzt popowackelnd am Herd. Dann wollte ich noch, dass er mir Wasser in den Pool lässt, wenn die Lasagne im Ofen ist. Ich bin durch die Wohnung gelaufen und stand mit einigen Freundinnen, die auf dem Laufenden gehalten werden wollten, im Whatsapp-Kontakt. Mittlerweile schickte ich überwiegend Sprachnachrichten mit Unterbrechung bei jeder Wehe. Zu der Zeit fragte ich mich, ob wohl zuerst das Baby geboren werden würde oder die Lasagne zuerst fertig wäre. Wobei mein Muttermund inzwischen „erst“ bei 2 cm war.
Gegen 18:15 fingen meine beiden Männer an, Wasser in den Pool zu lassen. Kurz nach 19:00 saß ich mit meinem Sohn drin. Schlagartig hörten die Wehen nahezu komplett auf und weil das Wasser doch recht heiß war und ich kein kaltes dazu füllen wollte, bin ich noch mal raus und habe noch etwas von der Lasagne mitgegessen. Der Große wünschte sich zum Nachttisch noch Milchreis. Deshalb kochte mein Mann Milchreis, während unser Sohn und ich auf dem Sofa saßen und einen Film angeschaut haben. Zum Milchreis gab es ganz viel Zimt – ich wollt einfach nicht mehr ins Bett. Ich wollte, dass die Geburt wieder weiter vorangeht. Ich hatte Angst, die halbe Nacht wach zu sein und mir am Ende die Kraft ausgehen würde.
Gegen 21:30 Uhr, nach unserem Nachtisch, haben wir den Großen ins Bett gebracht und ich bin wieder in meinen Pool. Die Wehen wurden auch wieder regelmäßiger und die Abstände kürzer. Ich war total entspannt und fand es so unglaublich, dass ich die Bewegungen des Babys spüren konnte. Inzwischen war aber das Wasser relativ kalt, sodass ich meinen Mann bat, auf dem Herd Wasser zu kochen. Meine Freundinnen fieberten mit mir, ob das Baby wohl noch vor oder erst nach Mitternacht geboren werden würde – den 19.08.17 fand ich als Geburtsdatum am schönsten. Mein Mann fragte, wann ich endlich anfangen würde zu pressen und ob er mich bei der Geburt „pro-aktiv mit Sex“ unterstützen solle. Wir hatten echt Spaß und mussten total lachen. Darauf hatte ich meinen Mann vor der Geburt getrimmt: „Sarah sagt, lachen entspannt den Beckenboden, also bring mich bei der Geburt zum Lachen.“ Deshalb hatten wir nebenher auch „Türkisch für Anfänger“ laufen. Ich hab lange bei einer Serie nicht mehr so gelacht.
Die Wehen wurden zunehmend stärker und um kurz vor Mitternacht schickte ich meinen Mann nach oben, um unseren Sohn zu wecken. Da es aber sehr spät war, als er ins Bett ging, wurde er nicht wach. Mein Mann brachte ihn schlafend runter und setzte ihn zu uns auf die Couch, wo er weiterschlief.
Samstag, 19.08.2017
Kurz nach Mitternacht wurden die Wehen so heftig, dass ich nicht mehr sitzen konnte und stand auf. Ich verspürte einen Drang zu drücken, aber ich war mir sehr sicher, dass es noch nicht das Baby war.
Also sagte ich zu meinem Mann „Ich muss kacken.“
Er: „Nein, das sind Presswehen.“
Ich: „Nein, ich muss kacken.“
Er: „Dann geh auf Toilette.“
Ich: „Nein, wenn ich mich irre, fällt unser Baby ins Klo – ich will nicht, dass unser Baby ins Klo fällt.“
Er: „Was willst du dann?“
Ich: „Keine Ahnung. Aber ich will auch nicht unser Baby ankacken und ich will nicht in den Pool machen, dann kann ich da nicht mehr rein.“
Nach kurzer Überlegung ließ ich mir Zewa und eine Mülltüte bringen. Ich gab dem Drang zu drücken nach – ich musste tatsächlich nur Groß und das nicht gerade wenig.
Auf einmal hatte ich unerträgliche Schmerzen. Ich konnte nicht mehr stehen, also lief ich im Pool herum und als der nicht mehr ausreichte, bin ich raus. Ich lief zuerst durch die Wohnung, dann in den Hausflur. Ich sagte ständig „Schatz, irgendwas stimmt nicht.“ Dann rannte ich im Wechsel die Treppe hoch und runter und quer durch die Wohnung. Überall wo ich stehen blieb, legte mein Mann mir eine Unterlage unter die Füße und es kam noch mehr Stuhlgang, den ich weiter mit Zewa auffing. Ich fragte, wie ein Mensch denn nur so viel scheißen könnte und jammerte: „Schatz, ich will nicht, dass unser Baby in der Küche/auf der Treppe geboren wird.“ Mein Mann erzählte mir im Nachhinein, dass ich auch Sätze gesagt habe wie: „Wie kann man nur so doof sein und sein Baby alleine zu Hause bekommen?“ und „Ich bin einfach nicht dazu geschaffen, um Kinder zu gebären.“
Ich war einfach nur verzweifelt und wusste nicht, was ich machen soll, also fragte ich meinen Mann. Er fragte, ob er den RTW rufen solle. Aber Krankenhaus war keine Option. Ich konzentrierte mich auf das Baby um zu spüren, ob es sich noch bewegt. Dem Baby ging es gut. Ich sagte, dass ich nicht ins Krankenhaus möchte. Mein Mann sagte dann: „Hast du nicht gesagt, wenn du nicht mehr kannst und aufgeben willst, wäre es fast geschafft?“ – Ich so: „Ja, aber ich kann schon seit einer Stunde nicht mehr.“ Tatsächlich hatte ich längst jegliches Zeitgefühl völlig verloren.
Ich überlegte, was ich tun kann, dass dieses höllische Brennen und der starke Druck auf den Muttermund nachlassen würden. Ich ging zurück ins Wohnzimmer zu meinem Pool. Da sah ich unseren Großen, der immer noch friedlich auf der Couch schlief und sagte meinem Mann, dass er ihn doch bitte wieder nach oben bringen soll. Er würde sonst den Schock seines Lebens bekommen, wenn er plötzlich aufwachte und seine Mama so furchtbar schreien und leiden sehen müsste. Mein Mann brachte ihn nach oben in sein Bett.
Jetzt saß ich wieder auf den Knien in meinem Pool, aber die Schmerzen waren immer noch nicht auszuhalten. Dann fiel mir ein, dass meine Blase noch nicht (richtig) gesprungen war. Kurzerhand eröffnete ich in meiner Verzweiflung mit meinem Fingernagel die Fruchtblase. Ich spürte, wie ein Schwall aus mir herausströmte und das Köpfchen nun direkt auf den Muttermund drückte. Der Druck war nun erträglicher, aber das Brennen machte mir immer noch zu schaffen. Ich konnte die Stelle fühlen, die mir weh tat. Ich drückte bei jeder Wehe dagegen und versuchte die Stelle instinktiv beiseite zu schieben, denn sie lag über dem Köpfchen des Babys. Parallel massierte mein Mann mir den Rücken.
Nach 2-3 Wehen versuchte ich vorsichtig mitzuschieben, denn ich merkte, dass meine Kräfte langsam dem Ende nahe waren. Ich wollte es einfach nur noch hinter mich bringen. Kurz darauf verspürte ich auch einen Pressdrang. Ich merkte, wie das Baby mit jeder Wehe Stück für Stück weiter nach vorn Richtung Scheidenausgang rutschte. Die Pausen zwischen den Wehen waren ziemlich lange – ca. 5 Minuten (nach den Videos, die mein Mann mit dem Handy zwischendurch machte). Schließlich drückte das Köpfchen gegen den Scheidenausgang und auf den Damm. Doch in den Wehenpausen rutsche es immer wieder zurück – 3, 4, 5 Wehen lang. Es ging nicht voran. Ich schrie zu meinem Mann „Die haben mich beim letzten Mal viel zu eng zusammengenäht (Dammschnitt bei KH-Geburt). Was soll ich denn jetzt bloß machen? Die haben mich viel zu eng genäht.“ Mir war klar, dass es definitiv für jeden B-Plan zu spät war. Ich musste da jetzt irgendwie alleine durch und mir war klar, dass mein Baby langsam raus musste, weil die Austreibungsphase schon ziemlich lange ging. Ich war verzweifelt und weinte: „Schatz, ich werde reißen und zwar ganz furchtbar. Ich werde ganz sicher, ganz schlimm reißen.“ Und mit der nächsten Wehe nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und schob so fest ich konnte mit. Ich hatte das Gefühl, ich wäre mehrere Zentimeter jeweils nach oben und unten gerissen und dann war der Kopf da. „Schatz, der Kopf ist da“, sagte ich erleichtert. Mein Mann ging hinter mich um zu schauen, aber noch bevor er richtig hinter mir war, flutschte mit der nächsten Wehe das ganze Baby hinterher.
Mit einem „Wir haben es geschafft!“ und Tränen in den Augen nahm ich mein Baby auf den Arm und ließ mich in den Pool sacken. Unser Baby fing sofort an zu weinen und mein Mann legte uns ein Handtuch über. Ich fragte, ob er denn schon ein Geschlecht gesehen hatte – er verneinte. Deshalb beschlossen wir, den Großen noch mal zu holen und gemeinsam zu schauen, falls er denn wach werden würde.
Als der Papa und der große Bruder runter kamen, haben wir gemeinsam nach dem Geschlecht geschaut – ein kleines Bübchen.
Das Wasser war inzwischen doch sehr kalt, sodass wir auf die Couch umsiedelten. Als ich aufstand machte es bei mir innerlich so eine Art kleinen „Blob“. Mir lief ein Schwall Blut die Beine hinunter und färbte das Wasser innerhalb von Sekunden tief rot. Ich gehe inzwischen davon aus, dass sich zu dieser Zeit die Plazenta bereits gelöst hatte, aber noch in der Gebärmutter „lag“ und somit den Ausgang versperrte, sodass ich die Blutung in der Gebärmutter staute. Als ich aufstand, muss es Platz gegeben haben und das angestaute Blut floss auf einmal ab. Wir kuschelten kurz auf dem Sofa, aber das war alles sehr umständlich mit der Plazenta, die noch nicht da war. Da ich zwischen den Beinen ein leichtes Druckgefühl hatte – ähnlich, wie ein Tampon, dass nicht richtig sitzt, bloß größer – hatte ich die Vermutung, das könnte die Plazenta sein. Ich zog vorsichtig an der Nabelschnur, wodurch die Plazenta einfach rausfiel. Aber es brannte wie Feuer, deshalb war ich mir sicher, dass ich sehr stark gerissen sein musste. Da ich jedoch keine verstärkten Blutungen hatte, wollte ich erstmal schlafen und mich später zur Versorgung ins Krankenhaus fahren lassen. Wir wickelten die Plazenta in eine Einmalunterlage.
Jetzt wollte ich erstmal duschen und hab meine 3 Männer alleine gelassen.
Als ich geduscht war, wollten wir unser Baby noch erstversorgen. Das Abnabeln durfte spontan der frischgebackene große Bruder übernehmen. Darauf ist er heute noch sehr stolz. Da noch etwas Blut aus dem Nabelrest suppte, nahmen wir kurzerhand ein Stück Nähgarn zum Abbinden. Anschließend haben wir unser Würmchen noch vermessen, gewogen und angezogen. Dann habe ich ihn zum ersten Mal angelegt. Aufgrund der langen Austreibungsphase haben wir ihm noch 2 Tropfen Konakion gegeben.
Inzwischen war es schon kurz vor 5:00 Uhr am Morgen und wir alle wollten nur noch schlafen. Mein Mann nahm unser Baby und wir gingen nach oben. Als ich die Treppe hoch musste, bemerkte ich zum ersten Mal, dass mein Kreislauf Probleme machte. Ich bekam schlecht Luft, zog mich am Geländer entlang und quälte mich ins Bett.
Gegen 6 wurde ich wach und musste auf Toilette. Beim Aufstehen wurde mir schwindelig, ich bekam sehr schlecht Luft. Trotzdem schleppte ich mich zur Toilette und wieder zurück. Dann bat ich meinen Mann mir den Blutdruck zu messen – der war richtig im Keller. Ich überlegte kurz, ob ich ins Krankenhaus fahren sollte oder nicht. Mein Mann war über 24h wach, bevor wir ins Bett sind und er hatte jetzt nicht mal eine Stunde Schlaf. Er lag zwar neben mir, aber ich war mir sicher, dass er es nicht mitbekommen würde, falls sich mein Zustand verschlechtert hätte. Aus diesem Grund beschloss ich mit dem RTW ins Krankenhaus zu fahren. So konnten direkt auch meine Geburtsverletzungen versorgt werden.
Der RTW war schnell da. Die Rettungssanitäter waren sehr freundlich. Zwar hatte sich mein Blutdruck inzwischen verbessert, aber da ich immer noch schlecht Luft bekam, fuhr ich mit. Ich wurde gefragt, ob ich das Baby mitnehmen wolle. Dies verneinte ich jedoch, da es dem Baby gut ging und ich nicht in der Lage war mich um ihn zu kümmern. Da war er doch zu Hause bei Papa sehr viel besser aufgehoben.
Auf dem Weg ins Krankenhaus bekam ich etwas Flüssigkeit als Infusion und ich bekam mit, dass die Sanitäter etwas überfordert mit meiner Situation waren, da sie nicht wussten, ob sie mich in die Notaufnahme, die gynäkologische Ambulanz oder den Kreissaal bringen sollten. Am Ende landete ich im Kreissaal. Dort wusste das Personal bereits Bescheid. Als ich ankam, stand da schon eine Hebamme mit einem Oxitocin-Tropf, den ich direkt angehängt bekam ohne jegliche vorherige Untersuchung. Dass es Oxitocin war erfuhr ich erst später, aber selbst, wenn ich es gewusst hätte, wäre ich viel zu schwach gewesen, um mich dagegen zu wehren. Die Hebamme fragte, ob es geplant war, das Baby alleine zu bekommen. Ich nickte. Sie fragte, ob ich eine Krankenhausphobie hätte und ich nickte wieder – wollte keine Diskussionen führen. Dann fragte sie noch, wo mein Baby wäre. Daraufhin erklärte der Sanitäter, dass ich ihn nicht mitbringen wollte. Das konnte sie überhaupt nicht verstehen, weil man hier ja hätte das Baby untersuchen können, ob es ihm gut gehe. Ich sagte ihr, dass es ihm gut gehe und ich ihn deshalb zu Hause gelassen habe. Sie fragte nach der Plazenta. Ich erklärte, dass die bei mir zu Hause ist, ich aber noch nicht geschaut habe, ob sie vollständig ist. Dann fragte sie nach der Geburtszeit. Ich sagte gegen 3:00 Uhr – hatte nicht im Kopf, was mir mein Mann als Geburtszeit gesagt hatte.
Anschließend hat sie nach Geburtsverletzungen gesehen. Ich autschte und jammerte dabei ziemlich viel rum. Sie meinte, es wäre alles sehr geschwollen und ein kleiner Riss, der genäht werden müsse und sie würde die Ärztin informieren. Ich lag etwa 30 Minuten da und mir ging es allmählich etwas besser. Als die Ärztin kam, machte sie zuerst einen Schall wegen Plazentaresten. Auch dabei jammerte ich ganz schön rum und die Ärztin war sichtlich genervt davon. Meinte was in die Richtung, das wäre ja kein Wunder 4 Stunden nach der Geburt. Sie stellte fest, dass meine Blase sehr voll war – wen wundert´s? Ich hatte in den letzten 1,5 Std. über 2 l Flüssigkeit i.v. bekommen. Sie meinte: „Wir machen einen Einmalkatheter.“ Ich sagte, dass ich das nicht möchte. Ärztin und Hebamme meinten, es wäre nötig. Ich erklärte, dass ich auf Toilette gehen werde. Dies wurde wegen meinem Kreislauf verneint. Ich sagte, dass sie mir dann ein Toilettenstuhl geben sollten – auch das wurde verneint. Ehe ich noch irgendetwas sagen konnte, hatte ich schon den Katheter drin. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich hier (das war auch mein Notfall-Krankenhaus) niemals hätte selbstbestimmt und interventionsfrei/-arm mein Baby hätte gebären dürfen. Nebenbei bekam ich mit, dass es kurz vor Arztübergabe war. Als sie fertig waren, schaute die Ärztin noch nach der Geburtsverletzung und meinte, das müsse nicht genäht werden. Dann machte sie Sprühpflaster drauf und ging zu ihrer Übergabe. Meine ambulante Frauenärztin meinte später, dass es eine Verletzung sei, die man hätte nähen können aber nicht müssen. Auch wenn ich mich dafür entschieden hätte, das nicht nähen zulassen, wurde ich hier wieder übergangen.
Als die Hebamme das nächste Mal zu mir kam, fragte sie, ob mein Mann nachher mit dem Baby kommen würde. Aber ich erklärte ihr, dass ich schon organisiert habe, wie ich wieder nach Hause komme und dass ich zur Not unterschreibe, dass ich mich gegen ärztlichen Rat entlasse. Sie meinte nur, dass ich bedenken sollte, dass ich ja sehr viel Blut bei der Geburt verloren habe. Ich fragte mich, wie sie das wissen könnte. Selbst wenn mein HB zu der Zeit sehr niedrig gewesen war, hatte sie keinen Ausgangswert, von dem sie diese Aussage hätte ableiten können. Da ich in meiner Krankenschwesterausbildung schon bei einigen Geburten dabei war und Wöchnerinnen im Krankenhaus versorgt habe, kann ich ungefähr einschätzen, was die normale Menge an Blutverlust angeht und ich hatte nicht den Eindruck, dass ich viel Blut verloren habe. Ich sagte nur, dass ich nach Hause zu meinem Baby möchte, da es für mich nicht in Frage kommt, dass mein gesundes Baby ins Krankenhaus gebracht wird.
So ließ ich mich abholen. Ich unterschrieb, dass ich gegen ärztlichen Rat gehe. Einen Arztbrief bekam ich jedoch nicht, der würde direkt an meine Gynäkologin geschickt werden.
Da ich jedoch weiter Probleme mit der Atmung hatte, war ich einen Tag später noch mal in der Notaufnahme wegen Verdacht auf Lungenembolie. Was Gott sei Dank nicht bestätigt wurde.
Erst am 3. Tag bekam unser kleines Wunder einen Namen:
Milan Raphael Robert geboren am 19.08.2017 um 3:04 Uhr, 3750g schwer, 56cm lang und 36 cm Kopfumfang.
So denke ich heute (6 Monate später) über die Geburt
Im Gegensatz zu anderen Berichten von Alleingeburten war diese Geburt alles andere als ruhig und friedvoll. Ich hatte unendliche Schmerzen und wurde davon völlig überrumpelt. Aber meine Angst vor dem Krankenhaus war größer und somit denke ich, dass ich mehr bereit war an Schmerzen auszuhalten, als einige andere Frauen, die an meiner Stelle die Alleingeburt abgebrochen hätten. Vielleicht fehlt aber einigen Frauen, so wie mir auch, einfach nur ein Geburtsbegleiter, der in der Lage ist so einen Zustand, der aus Schmerzen und Panik besteht zu unterbrechen. Ich möchte damit nicht sagen, dass mein Mann ein schlechter Geburtsbegleiter ist, aber er war leider – ebenso wenig wie ich – auf eine Paniksituation vorbereitet.
Was ist unter der Geburt passiert?
Ich weiß es zwar nicht genau, aber ich habe eine Theorie dazu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich eine „Vordere Muttermundslippe“ gebildet hatte. Ich gehe davon aus, dass dies passiert ist, weil mein Darm so voll war und ich somit während der Geburt zu einem Zeitpunkt pressen musste, zu der es eigentlich noch zu früh war. Zumindest passt das mit dem überein, was im Buch „Alleingeburt“ von Sarah Schmid zu dem Thema steht. Leider hatte ich ausgerechnet dieses Kapitel als einziges vor der Geburt nicht noch einmal gelesen, sodass ich die Situation nicht erkannte und somit auch nicht wissen konnte, wie ich damit umgehen sollte. Wobei ich ja instinktiv die brennende Stelle vor dem Köpfchen des Babys beiseitegeschoben habe.
Ob ich wieder eine Alleingeburt planen würde?
Hätte mich jemand direkt nach der Geburt gefragt, wäre meine Antwort wahrscheinlich gewesen, dass ich ganz sicher nie wieder ein Kind gebären werde.
Inzwischen würde ich aber sagten:
Trotz der anstrengenden Geburt, würde ich, wenn ich wirklich noch ein Baby bekommen sollte, wieder eine Alleingeburt anstreben. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen hat mir die Behandlung im Kreissaal gezeigt, dass ich als Frau nicht respektiert werde – weder in meiner Selbstbestimmtheit, welche Gegenstände in meinen Körper eingeführt werden, noch in der Frage, ob ich es vorziehe, mit einem kleinen Riss zu leben oder die Verletzung nähen zu lassen. Zudem ist der Kreissaal kein geeigneter Ort für mich – ich brauche zum Gebären sehr viel Platz (das war schon bei meiner ersten Geburt so) – ich bin halbnackt durch unser ganzes Haus gerannt. Das wäre im Kreissaal so sicher nicht möglich gewesen und die drei Treppenstufen, die zwar liebgemeint im Kreissaal extra für Gebärende eingebaut wurden, hätten mir bei weitem nicht gereicht.
Schließlich und das ist der wichtigste Punkt, bin ich trotz der schweren Umstände, mit mir und der Geburt im Reinen. Denn im Gegensatz zu meiner ersten Geburt im Krankenhaus habe ich nicht diese ständigen „Was-wäre-wenn-Fragen“ im Kopf. Jede Entscheidung, die ich getroffen habe, kam von mir und ich muss mich nicht fragen, wie es wäre, wenn ich so gedurft hätte, wie ich gewollt hätte. Alles ist so gekommen, wie es gekommen ist, weil ich es so entschieden habe und ich kann und muss nicht sagen, dass jemand etwas mit mir gemacht hat, das ich nicht gewollt hätte. Deshalb ist es auch für mich okay, dass ich die Fruchtblase eröffnet habe, weil es sich für mich in dem Moment auch richtig anfühlte und das kann ich so annehme und akzeptieren, obwohl ich mir eigentlich einen natürliches Platzen der Fruchtblase gewünscht hätte.
Trotzdem würde ich einiges anders machen:
Das fängt schon damit an, dass ich mir einfach mehr Zeit für meine Schwangerschaft eingestehen würde – Umzug, Uni, Haushalt mit Kind und Schwangerschaft waren einfach zu viel. Außerdem würde ich definitiv einen Hypnobirthingkurs machen (hat leider diesmal nicht in meinen vollen Terminkalender gepasst). Dann würde ich noch meinem Mann besser darauf vorbereiten, wie er mir helfen kann, wenn ich selbst nicht mehr klar denken kann. Außerdem würde ich das Handy komplett weglegen, um mich besser auf mich, meinen Körper und mein Baby konzentrieren zu können.
Letztlich würde ich noch einen Fotografen organisieren, der uns das alles in schönen Bildern festhält.