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Schwangerschaft und Geburt: Selbst verantwortet

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Das ging fix …

Die Geburt eines Babys. Kaum ein Ereignis im Leben ist einschneidender. Ein risikoreiches Ereignis, das der medizinischen Kontrolle und Lenkung bedarf – sagen Ärzte und Klinikpersonal. Ein normaler, natürlicher, freudiger Vorgang – sagen Hausgeburtshebammen und selbstbewusste Frauen.

Wie kann es sein, dass die Wahrnehmung ein und desselben Ereignisses so unterschiedlich ausfällt? Wenn du schon ein Kind hast: Wie war deine Schwangerschaft und Geburt? War es eine Zeit, in der du die Verantwortung für dich und dein Kind in die Hände anderer gelegt hast oder eine Zeit, in der du gut informiert und selbstverantwortlich gehandelt hast? War es ein Ereignis, das dich verletzt an Körper und/oder Seele zurückgelassen hat, oder hat es dich stark gemacht für die Herausforderung des Mutterseins? Wie viel Einfluss hattest du auf das, was mit dir geschah?
Hat man als Frau überhaupt Einfluss darauf, wie die Geburt werden wird? Nur bedingt, versichern uns Schwangerenratgeber. Denn schließlich kommt es anders und zweitens als man denkt. Wir können doch nicht klagen oder um ein verlorenes Geburtserlebnis trauern: Wir halten schließlich ein gesundes Kind im Arm!
So lässt es die Gesellschaft uns Frauen glauben und wir schweigen meist brav – Mädchen sollen brav sein – und ertragen den Schmerz im Stillen. Es war eben so. Die beauftragten Profis mussten uns vor den Unzulänglichkeiten unseres eigenen Körpers retten. Wahrscheinlich wären wir sonst gestorben und unser Kind auch. Frauenärzte und Hebammen sind ja nicht umsonst ausgebildete ExpertInnen der Geburtshilfe. Die werden schon wissen, was sie tun.
Aber wissen sie das wirklich? Diese Frage sollten wir Frauen angesichts einer durchschnittlichen Kaiserschnittquote von über 30% und einer klinischen Interventionsrate von über 90% dringend stellen. Sind die Experten, denen wir unser Leben und das unseres Kindes anvertrauen, wirklich qualifiziert, den fein abgestimmten, intimen Vorgang Geburt so zu begleiten, dass das Ergebnis optimal ausfällt? Ist die Angst, die von Anfang an bei Vorsorgen und der Geburtsüberwachung mitschwingt, berechtigt, oder führt sie zu vorschnellen Interventionen und damit unnötigen Komplikationen?
Tatsache ist, dass eine Mehrzahl der geburtshilflichen Routineeingriffe in Studien entweder als nutzlos oder sogar potentiell schädlich belegt wurde (Routineultraschall in der Schwangerschaft, Routine-CTG (Herztonüberwachung), Rückenlage/Halbsitzen und sogenanntes „Kristellern“, also starkes Drücken auf den Bauch während der Geburt, Einleitungsversuche der Geburt bei rechnerischer Terminüberschreitung).
Was die ExpertInnen machen, beruht – so unglaublich es klingen mag – vorwiegend auf medizinischen Traditionen und Meinungen.
Es ist daher an uns Frauen, zu entscheiden, ob wir eine solche Geburtshilfe wollen, ob wir sie klaglos hinnehmen und die häufig vorgebrachten Scheinbegründungen für Komplikationen tatsächlich glauben („Es hatte die Nabelschnur um den Hals, deshalb konnte es nicht normal geboren werden.“), oder ob wir bereit sind, für unseren Körper und das Wohlergehen unseres Kindes auch in der Schwangerschaft volle Verantwortung zu übernehmen und uns selbst gründlich zu informieren.
Hört man anderen Frauen über ihre Geburten reden, klingt das häufig so: „Ich durfte noch nicht pressen.“ „Ich musste eingeleitet werden.“ „Es musste ein Kaiserschnitt gemacht werden.“

Tatsache ist: Jede mündige Frau muss überhaupt nichts, was sie nicht selbst will. Egal, ob ein Arzt oder eine Hebamme es für nötig erachtet oder nicht. Doch unter Wehen lässt sich schlecht diskutieren und noch schlechter recherchieren, daher ist Information im Vorfeld der Geburt angebracht.

Entspannt schwanger: In Eigenvorsorge oft viel besser möglich.

Sonne auf dem Bauch
Sonne auf dem Bauch

Du musst keine Schwangerenvorsorge machen lassen. Du musst dich nicht einleiten lassen. Du brauchst niemand Fremdes, um dein Baby zu gebären, wenn du lieber allein sein willst. Das einzige, was du tun solltest, ist, dich um dich zu kümmern und dir bewusst zu machen, was du selbst willst.
Wenn wir im restlichen Leben für uns selbst verantwortlich sind, warum lassen wir uns dann von Fremden vorschreiben, wie wir schwanger zu sein und wie wir zu gebären haben? Als Mutter ist man viele Jahre lang für sein Kind verantwortlich. Lassen wir uns vor unserem eigenen Körper so viel Angst einjagen, dass wir die wichtige Zeit der Schwangerschaft und Geburt in anderen Händen sicherer wähnen als in unseren eigenen?
Dabei traut man sogar Diabetikern oder Bluthochdruckpatienten heutzutage zu, sich selbst den Blutzucker oder den Blutdruck zu messen. Menschen mit Herzinsuffizienz werden angehalten, sich regelmäßig zu wiegen, um einem Entgleisen der Erkrankung rechtzeitig gegensteuern zu können. Wie viel mehr sollten gesunde, schwangere Frauen in der Lage sein, sich gut informiert um ihre eigene Schwangerschaft zu kümmern? Ärzte und Hebammen wären dann immer noch wertvolle Ansprechpartner für aufkommende Fragen und bei eventuellen Problemen – aber sie wären nicht mehr die unangetasteten Autoritäten, deren Entscheidungen die Frau sich kommentarlos zu beugen hat.

Eigenverantwortliche Schwangere, die das Vorsorgetamtam und Geburtsmanagement durch die ExpertInnen in Frage stellen und vielleicht sogar ohne dieses einfach schwanger sind und gebären? Dieses Szenario macht Angst. Vor allem den ExpertInnen, die sowieso schon Angst haben, weil sie den weiblichen Körper für störanfällig und potentiell krankhaft halten. Und sicher fürchten nicht wenige auch um ihre Macht. Der Kaiserschnitt als Höhepunkt, ein ultimatives Hochgefühl für den Arzt, der das neue Leben auf die Welt bringt. Ihm gebühren Dank und Bewunderung. Ob Kaiserschnitt oder nicht: Von der Frau wird erwartet, Objekt zu sein und sich entbinden zu lassen.

Viele Frauen wollen nicht mehr hinnehmen, dass man ihnen auf diese Weise die Geburt stiehlt. Sie hinterfragen die Ängste und Geburtsmythen unserer Gesellschaft. Sie entdecken, dass das Wissen um eine schöne, sichere Geburt in ihnen selbst ist, und dass ihr selbst gewählter Weg schön, freudig und alles andere als gefährlich ist.
So wie auch Tiere ohne jede Vorbildung wissen, wie sie gebären müssen, können auch Menschenfrauen auf ein instinktives Wissen zurückgreifen. Sich zurückziehen, dorthin, wo man sich geborgen und von Beobachtern geschützt weiß. Vertrauen haben und loslassen. Das Geburtshormon Oxytocin fließt dann ungehindert und sorgt für einen reibungslosen Geburtsverlauf.
Muttermund tasten? Pressen auf Anleitung? Unnötig. Ein geburtshilfliches Basiswissen hilft, besondere Situationen wie vorzeitigen Blasensprung, grünes Fruchtwasser etc. beurteilen zu können und entsprechend zu handeln. Stress dagegen (ausgelöst durch fremde Umgebung, helles Licht, fremde Menschen und ein Gefühl des Ausgeliefertseins) gehört nicht zum freudigen Gebären. Er lässt Wehen verschwinden und verursacht Probleme – und im Krankenhaus zahlreiche Interventionen.

So kompliziert sind Schwangerschaft und Geburt nicht. Letzten Endes muss das Baby aus dem Bauch und nicht aus dem Gehirn geboren werden. Für eine gute Vorbereitung und damit man von den heutigen Ammenmärchen nicht unnötig eingeschüchtert wird, lohnt sich allerdings die Lektüre guter Bücher wie zum Beispiel „Gebären ohne Aberglauben“ (Rockenschaub),“Die selbstbestimmte Geburt“ (Ina May Gaskin) oder mein Beitrag „Alleingeburt“ (Sarah Schmid). Auch das Internet bietet auf diversen Blogs und youtube-Videos so viel Wissen an, dass eine Geburt für niemanden mehr ein undurchschaubares Mysterium bleiben muss. So kann jede Frau, die das will, ihre Schwangerschaft und Geburt in eigene Hände nehmen. Ganz gleich, wo und mit wem die Entbindung letztlich stattfindet.

Produkttest: Schwangerschafts-Rubbelkalender

Zur Abwechslung mal was Spaßiges :):

Ich durfte/darf für euch diesen Schwangerschafts-Kalender testen.

Schwangerschaftskalender verpacktRubbelkalender

Es handelt sich dabei um ein Wandposter mit 236 unterhaltsamen Infos und Tipps für werdende Eltern. Jeder Tag hat ein mit Rubbelfarbe überzogenes Kästchen und man kann jeden Tag ein weiteres Feld freirubbeln. Im Prinzip also eine Art „Adventskalender für die Schwangerschaft“.

Rubbelkalender

Da ich selbst schwanger bin, mache ich also gerade den Praxistest. Ich finde den Kalender ganz hübsch aufgemacht und die Idee gut. Früh denke ich immer an mein Rubbelkästchen, hat wirklich ein gewisses Adventskalenderfeeling. 🙂

Einziger Minuspunkt, der mir auffällt: In der 38. Schwangerschaftswoche ist Schluss. Da die wenigsten Babys dann allerdings geboren sind, verlässt einen der Kalender also kurz vor Schluss. Da wäre es sicher sinnvoll gewesen, noch mindestens zwei Wochen dranzuhängen. Mein „frühestes“ Baby kam schließlich am Termin, alle andere später.

Den Kalender gibt’s bei Produkttest: Schwangerschafts-Rubbelkalender weiterlesen

Lass den Bauch tanzen!

Traditionelle Frauentänze mit vielen Hüftschwüngen finden sich in vielen alten Kulturen. Gewöhnlich stehen sie in Zusammenhang mit Ritualen rund um Fruchtbarkeit und Geburt.
Dass das weibliche Becken mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht wird, weil es menschliches Leben hervorbringt, leuchtet jedem ein. Aber hinter dem uralten Tanz steckt viel mehr praktische Überlegung, als man auf den ersten Blick sieht.
Ein gut geformtes Becken ist eine wichtige Voraussetzung für eine unkomplizierte Geburt. Dessen wurde man sich besonders bewusst, als Frauen im 18. Jahrhundert vorwiegend in England aufgrund von starker Mangelernährung so verformte Becken entwickelten, dass sie ihre Babys nicht mehr normal gebären konnten. Heutzutage sind wir besser ernährt und Rachitis, erst recht in solch ausgeprägter Form, kommt bei uns eigentlich nicht mehr vor. Allerdings ist das menschliche Becken kein starrer Knochenring, sondern setzt sich aus mehreren Knochen zusammen, die über Gelenke oder sogenannte unechte Gelenke wie die Symphyse miteinander verbunden sind. Es spielen also nicht nur die Knochen eine Rolle, sondern auch Gelenke und Knorpel – und somit auch Muskeln und Sehnen.
Ist eine Frau schwanger, bereitet ihr Körper mithilfe von Hormonen auch ihr Becken auf die Geburt vor. Die Gelenkverbindungen werden weicher und lockerer. Das erlaubt dem Becken unter der Geburt, zusätzlichen Raum für das Baby zu schaffen. Unter Umständen, meist bei unbewusster, ungleichmäßiger Belastung des Beckens, macht sich diese Lockerung der Gelenkverbindungen in der Schwangerschaft auch in Schmerzen im Schambein oder rechts und links des Kreuzbeines bemerkbar.
Dabei ist unser moderner Lebensstil nicht gerade vorteilhaft, wenn man sich ein fittes, gebärfreundliches Becken wünscht. Still und in derselben, zurückgelehnten Position sitzend verbringen viele Menschen heute einen großen Teil ihres Tages. Die Popomuskeln schlafen und der Beckenboden hängt schlaff durch. Die ganze Körperhaltung nimmt eine zusammengesackte Form an. Der Raum im Becken wird kleiner, manche Muskeln im und am Becken verspannen oder werden aufgrund der einseitigen Belastung schwach. Dadurch kann das Becken leicht schief gezogen und der Beckenboden unregelmäßig werden. Bei der Geburt kann das dem Baby nicht nur den Durchtritt durch das Becken erschweren, sondern auch eine optimale Geburtshaltung des Kindes und Einstellung des Köpfchens verhindern oder erschweren. Schmerzhaftere und längere Geburten sind oft die Folge. Kommen dann noch eine ungünstige Gebärhaltung in Rückenlage und weitere Interventionen dazu, dann verwundert es nicht, dass viele Frauen heute offenbar nicht mehr „normal“ und ohne Eingriffe gebären können.
Deshalb lohnt es, gerade auch wenn man schwanger ist, auf sein Becken und was man damit macht, zu achten. Lieber stehend, kniend oder auf dem Gymnastikball sitzend am Computer arbeiten, als zusammengesunken auf einem Stuhl sitzend. Lieber viele Pausen mit Bewegung einrichten und immer mal ein Bauchtänzchen einlegen – auch wenn man damit vor Publikum nicht unbedingt einen Blumentopf gewinnen würde. Gartenarbeit, ein Tanzkurs, Spazierengehen, Schwimmen, Yoga … es gibt viele Möglichkeiten, seinen Körper und das Becken mittels vielseitiger Bewegung auf die Geburt vorzubereiten. Unter der Geburt hilft das Kreisen mit den Hüften dem Baby außerdem, seinen Weg zu finden.
Aber ein gut trainiertes Becken ist nicht nur im Hinblick auf die Geburt hilfreich. Reichliche Bewegung wie das Kreisen mit den Hüften entlastet die Beckenvenen, die durch das wachsende Baby komprimiert werden, lässt das Blut besser zum Herzen zurück fließen und beugt so Krampfadern und Hämorrhoiden vor.
Und wenn wir gerade bei traditionellen Bräuchen sind, die das Becken gebärfreunlich machen, kann ich euch auch das tiefe Hocken ans Herz legen, das kleine Kinder und Menschen in der Dritten Welt noch so wunderbar beherrschen. Der ganze Fuß ruht dabei auf dem Boden. Dabei ganz entspannt und gerade im Rücken bleiben. Und die Hacken auf dem Boden lassen! Nicht einfach, oder? Dieses Hocken trainiert ebenfalls die Popomuskeln, die für ein weites Becken notwendig sind, und dazu noch den Beckenboden. Anfangs für uns stuhlgewohnte Westler sicherlich nicht bequem. Aber es macht nichts, wenn man nicht gleich ganz runterkommt. Festhalten ist durchaus erlaubt. Auch wenn der Popo einen halben Meter über dem Boden schwebt – so trainierst du die wichtigen Muskeln, die ein ausbalanciertes, gebärfreudiges Becken braucht.

Die Geburt eines Buchbabys!

Hallo liebe BlogleserInnen,

ich darf Euch eine weitere Geburt kundtun. Lange hat’s gedauert, viel Spaß hatte ich beim Schreiben und Zeichnen, einige Nachtstunden habe ich durchwacht, aber jetzt ist es da und die Anstrengung schon fast vergessen:
Das Buch

„Alleingeburt – Schwangerschaft und Geburt in Eigenregie“

ist ab jetzt auf der Welt und im Handel erhältlich.
Ich wünsche Euch viel Freude damit und hoffe, dass es ganz Frauen vielen Mut macht, die Geburt ihres Kindes selbstbewusst, gut informiert und angstfrei in die eigenen Hände zu nehmen! 🙂

Für Fragen, Verbesserungsvorschläge und gefundene Fehler dürft ihr euch gern an mich wenden.
(Kontakt-Email-Adresse: siehe Impressum)

So kam es zur Alleingeburt im Wald

Ich habe meine Geschichte an verschiedenen Stellen zwar schon erzählt (und alle, die sie kennen, können hier einfach drüber springen), aber auf meinem Blog findet sie sich noch nicht, worauf ich von einer Leserin berechtigter Weise hingewiesen wurde. Hier also noch mal von Anfang an:

Alles begann noch bevor ich das erste Mal schwanger wurde. Im Medizinstudium galt es, diverse Famulaturen und später das Praktische Jahr zu absolvieren. Da ich später einmal Kinder wollte, nutzte ich die Gelegenheit, und famulierte vier Wochen lang in der Gynäkologie/Geburtshilfe eines kirchlichen Krankenhauses. Ich war unvoreingenommen und neugierig. Wartete mit Spannung auf jede Geburt, bei der ich dabei sein durfte. Einmal sogar eine Zwillingsgeburt! Und einmal, aber auch nur einmal, war ich bei einer Geburt dabei, die aufrecht und nicht in Rückenlage stattfand. Ich sah mir an, wie die Säuglingsstation organisiert ist und assistierte bei ein paar Kaiserschnitten. Das waren Highlights! Ich musste mit dem Sauger das Fruchtwasser auffangen, wenn die Fruchtblase kaputtgemacht wurde. Die Ärzte waren nett. Unter den Hebammen gab es ganz unterschiedliche Typen. Eine junge ist mir bis heute im Gedächtnis (bei ihr fand übrigens auch die Geburt im Knien statt, bei der ich dabei sein durfte!). Sie bekam immer ganz rote Wangen, wenn die Geburt kurz bevorstand. Sie musste quasi gar nicht den Muttermund tasten, um zu wissen, dass die Frau vollständig eröffnet war. Das hat mir inmitten aller Technik und Überwachung imponiert.

Meine nächste Begegnung mit der Geburtshilfe bekam ich im Praktischen Jahr. Ich war inzwischen verheiratet und frisch schwanger mit unserem ersten Kind. Ich durfte jetzt so ziemlich nichts Praktisches mehr machen (wie Blut abnehmen etc.), sondern war aus Sicherheit vorwiegend zum Zugucken und Papier hüten verdammt. Aber zugeguckt habe ich dafür um so genauer. Diesmal war ich im größten Krankenhaus der Stadt zwei Monate lang auf der Geburtsstation, auf der ich selbst einmal geboren worden war. Die Hebammen waren solche vom alten DDR-Schlag. Im Kreißsaal herrschte nicht selten Feldwebelton. Die Frauen wurden angeschrien und beleidigt, wenn sie nicht so taten, wie die Hebammen verlangten. Ein ordentlicher Dammschnitt war Routine und oft sehr wohl schmerzhaft, obwohl den Frauen vorher was anders erzählt wurde. Die Hebammenschülerinnen ubertrumpften sich damit, wer von ihnen schon die meisten Dammschnitte gemacht hatte. Ich habe vergessen, wie viele sie gemacht haben mussten, aber es waren nicht wenige. Es gab einige Szenen, die ich ganz schrecklich fand. Als hätte ich ein Verbrechen beobachtete, ohne etwas tun zu können, um das Opfer zu schützen. Die Entscheidung zur Hausgeburt fiel mir da nicht mehr schwer. Das Risiko, so gebären zu müssen, wollte ich nicht eingehen. Und mein Mann war mit meiner Entscheidung zufrieden, da besagte Klinik von unserem Haus nur fünf Minuten mit den Auto entfernt lag. Im Notfall war der „sichere“ Hafen ja nicht weit.

Ich fand auf Empfehlung eine ältere, erfahrene Hebamme. Ich hatte mit ihr ein gutes Gefühl und dachte, dass nun ja nichts mehr schief gehen könne. In dieser Zeit wohnten wir am Waldrand. Das PJ war stressig. Mein erstes Tertial (das PJ ist in drei Abschnitte a 4 Monate unterteilt, die Tertiale genannt werden) absolvierte ich in der Notaufnahme. Es verlief zwar spannend und lehrreich … aber ich konnte kaum aufs Klo gehen. Es gab dafür zum Glück ein wunderbares Heilmittel und das wirkte zuverlässig und oft schon nach einer Viertelstunde: Der Wald. Sobald ich dort spazieren ging, kam sozusagen alles in Bewegung. Und während ich durch den Wald streifte und sich in mir Entspannung breit machte, dachte ich immer wieder: Hier müsstest du gebären. Du verkriechst dich einfach, ohne dass einer weiß wo du bist, und dann kommst du mit dem Baby zurück. Kein Trubel, kein Stress, keiner, der etwas von dir erwartet, verlangt oder auf die Uhr guckt. Das muss doch herrlich sein! Wenn ich hier so schön meine Verstopfung lösen kann, muss das doch ein hervorrangender Ort sein, um auch die ganz große Verstopfung, also das Baby, herauszubekommen.
In diesem Wald war das allerdings nicht machbar. Zu viele Jogger und Hundegänger. Es gab da kein mit Sicherheit ruhiges, ungestörtes Örtchen. Trotzdem war der Gedanke so schön, dass ich ihm gern nachhing.

Unser erstes Kind kam dann in unserer Mietswohnung zur Welt. Ich dachte, ich hätte alles für eine sichere Geburt getan und war guter Dinge. Als ich über Termin ging, weigerte ich mich standhaft, alle zwei Tage zum CTG aufzukreuzen. Meine Hebamme meinte, ich wär der Typ, dem sie zutraut, die Geburt auch allein durchzuziehen und sie spät zu rufen. Und ich hatte mir insgeheim auch offen gehalten, genau das zu tun. Aber weil wir nett sein wollten, riefen wir am Morgen, als die Wehen begannen, schon mal an, um Bescheid zu sagen, dass es heute was werden würde. Dann trafen zwei Dinge ein, die sich nicht im Voraus hatten berechnen lassen: Meine Hebamme war just zu diesem Moment bei einer anderen Geburt. Und: Eine Vertretungshebamme aus dem Geburtshaus kam vorbei, obwohl wir gesagt hatten, dass noch keiner zu kommen bräuchte, sondern wir nur Bescheid sagen. Da war sie also, die Vertretungshebamme. Ich fühlte mich nicht wohl mit ihr und wollte eigentlich, dass sie so schnell wie möglich wieder verschwindet. Sie war schon auf dem Weg nach draußen, wir hatten ihre Nummer, unter der wir sie erreichen konnten und … plötzlich setzten bei mir die Wehen heftig ein. Sie blieb. Ich hatte nicht den Mut und die Nerven, sie herauszuschmeißen. Ich dachte: Augen zu und durch. Aber diese Rechnung ging nicht auf, wie sich schnell herausstellte. Ich war zwar bald vollständig eröffnet, eine zweite Hebamme wurde dazu gerufen, wie das so üblich ist, wenn die Geburt kurz bevorsteht. Aber dann ging stundenlang nichts vorwärts. Nur Wehen und Schmerzen. SCHMERZEN! Dann irgendwann die Erkenntnis: hoher Geradstand!
Nun schwebte also auch noch das Damoklesschwert Krankenkenhaus und Kaiserschnitt über mir. Dabei hatte ich die Geburt innerlich an die Hebammen abgegeben. Erst als ich merkte, dass sie auch nicht weiterwussten und ICH hier was tun muss, wenn ich nicht im Krankenhaus auf dem OP-Tisch landen wollte, nahm ich die Geburt wieder an mich. Wenn mein Körper wusste, wie er das Kind herausbekommen kann, dann musste ich auf ihn hören und nicht auf die Hebammen mit ihren sich so wirkungslos anfühlenden Schaukellagerungen. Das tat ich und fand es ganz angenehm, stehend das Becken hin und her zu bewegen und dabei meine Tochter aufzufordern, dich zu drehen. Glücklicherweise kam dann auch endlich MEINE Hebamme. Sie massierte eine angeschwollene Muttermundskante weg (sehr schmerzhaft, aber effektiv). Der Kopf des Babys hatte sich nun gedreht und kurze Zeit später hielt ich sie im Arm. Völlig fertig aber sehr sehr froh!

Nach dem ersten Glücksrausch begann ich, die Geburt zu analysieren. Was war schief gelaufen? Wie hätte ich die vielen schmerzhaften Stunden vemeiden können? Woran lag es, dass das, was bis zum Eintreffen der Hebamme so unspektakulär verlaufen war, danach so kompliziert wurde?

Ich las mich durch das Internet, las über Alleingeburt und das Aha ließ nicht lange auf sich warten. Ich war nicht die einzige, die sich von der Anwesenheit bestimmter Leute so aus dem Takt bringen ließ. Fremde Leute zu seiner Geburt einzuladen ist nicht selten ein Risiko an sich. Aber wenn ich noch ein Kind bekäme, wie konnte ich meine Geburt wirklich sicher machen? Wie konnte ich sicher sein, niemanden einzuladen, der mich hemmte, der meinem Körper nicht vertraute und mir mit seiner Angst die emotionale Kraft aussaugte, die ich zum Gebären brauchte? So wuchs in mir der Entschluss, dass das nächste Kind nur in Anwesenheit von Menschen kommen sollte, die keine Angst vor dem Ereignis Geburt hatten. Ob ich so jemanden finden würde?

Kurz nach der Geburt der Großen zogen wir nach Schweden um. Der Wald begann nun direkt hinter unserem Haus. Ich brauchte nur aus der Haustür zu fallen. Ein kurzer Weg, um jede Verstopfung aufzulösen. Und eines Tages, bei einem meiner Spaziergänge quer waldein, fand ich ihn, den Platz, an dem unser Sohn später geboren wurde. Weiches Moos, das von umgefallenen Fichten wie mit Wänden umgeben wurde. Daneben ein plätscherndes Bächlein. Hier war der Wald wild, ungepflegt und kein Wanderer, kein Pilzsammler oder Jogger würde sich jemals hierher verirren. Ich war begeistert. Von nun an pilgerte ich immer öfter zu diesem Platz. Plante, malte mir aus, wie es sein würde, hier zu gebären … und als mein Mann endlich überzeugt war, weihte ich auch ihn ein. Na klar, es war verrückt. Oder war es das? Betrachtet man die Menschheitsgeschichte, ist diese Art zu gebären durchaus üblich gewesen. Nur, weil etwas anderes heute Mode ist, muss das andere ja nicht gleich undenkbar sein.
Wie anders war diese Schwangerschaft als meine erste! Ich war einfach nur schwanger. Die Vorsorgeuntersuchungen bei der Großen hatten mich immer verunsichert und irritiert. Jetzt war ich frei. Ein unglaubliches, wenn auch manchmal beängstigendes Gefühl. Aber mir ging es gut, mein Baby bewegte sich in mir … alles war gut. Zuerst dachte ich: Gehst du ab der und der Woche zur Vorsorge. Das reicht auch noch. Aber dann kam die besagte Woche und in mir sträubte sich alles. Ich hatte das Gefühl, es würde meine selige Blase der guten Hoffnung zerstören, wenn ich mich von jemandem Frenden vermessen und beurteilen lassen würde. Irgendwann ließ ich den Plan fallen und war glücklich, dass ich den Vorsorgestress einfach boykotierte. Eine Hebamme zu suchen hatte ich noch früher aufgegeben. Erstens gibt es in Schweden fast keine Hausgeburtshebammen. Aus diesem Grund hätte sie sehr weit anreisen müssen. Zweitens hätte ich die 2000 Euro als Kosten für die Geburt selbst tragen müssen. Aber das auf die Gefahr hin, dass die Hebamme es zur Geburt gar nicht rechtzeitig schaffte. Das schien mir das viele Geld dann doch nicht wert zu sein. Und drittens: wie hätte ich die Hebamme von meinen Waldplänen überzeugen sollen?

Natürlich hätte es sein können, dass es regnet oder ein anderer Umstand mir den Wald vegrault. Ich war nicht stur darauf festgelegt, dass es unter allen Umständen der Wald werden musste. Aber alles passte am Schluss und der Rest ist Geschichte. Seitdem habe ich noch zwei weiteren Kindern im Alleingang auf die Welt geholfen. Der Wald hat sich aus verschiedenen Gründen nicht noch einmal als Geburtsort ergeben. Dafür einmal die Wiese und einmal das Wohnzimmer. So hat jedes Kind seinen ganz eigenen, besonderen Geburtsplatz.

Meine Ausbildung hat bei meiner Entscheidung eine untergeordnete Rolle gespielt. Vorallem hat sie mir geholfen, die Geburtsmedizin in ihren Begrenzungen zu sehen und keine falschen oder überhöhten Erwartungen an sie zu haben. Sicher, ein Arzt kann ein Baby auf die Welt holen. Das geschieht heute ja immer öfter, am liebsten per Bauchschnitt. Aber ein Kind zu gebären, über sich selbst hinauswachsen und im hormonalen Freudenfeuer das Fest des Lebens feiern, das kann nur die Frau selbst. Und dafür verdient sie die beste und demütigste Behandlung durch alle, denen sie die Ehre erweist, sie dabei begleiten zu dürfen. Wir Menschen mit all unsere angehäuften Wissen sind viel weniger schlau als wir denken. Wir haben viel weniger in der Hand, als wir uns gern vormachen. So vieles wird verkompliziert, nicht weil es gefährlich ist, sondern weil wir Angst haben und mit unserem Einmischen den natürlichen Prozess erschweren oder verhindern. Es erscheint mir sicherer, mich zuerst auf mich selbst, meinen Körper und meinen Schöpfer zu verlassen. Ich will nicht, dass Fremde für mich zweitklassige Entscheidungen treffen, wenn ich selbst eine bessere Entscheidung treffen kann.

Diese Jahr wird unser Waldvöglein schon fünf. Sich für die Geburt zu entscheiden, die zu einem passt, ist nur eine von vielen Entscheidungen, die man im Leben mit Kindern treffen muss. In einem Monat ziehen wir ins Elsass (Frankreich) um, weil Kinder dort die Freiheit haben zu lernen, ohne dafür jeden Tag in ein Schulgebäude eingesperrt zu werden.

Eine ganz gewöhnliche Geburt…?

Eine Frau kommt ins Krankenhaus. Sie ist hochschwanger mit ihrem ersten Kind und hat nun regelmäßige Wehen alle 5 Minuten. Die 9 Monate ihrer Schwangerschaft sind bilderbuchmäßig verlaufen, abgesehen von ein bißchen Übelkeit am Anfang, ein bißchen Wasser in den Beinen zum Schluß und dem einen oder anderen Wehwehchen, die Schwangere so plagen. Nun sieht sie mit freudiger Erwartung dem Moment entgegen, in dem sie ihr Baby in die Arme schließen kann. Sie wird von der Hebamme aufgenommen, liegt eine halbe Stunde am Wehenschreiber, der schöne Wehen zeigt und rege kindliche Herztöne. Alles ist in Ordnung, die Untersuchung der Ärztin zeigt, daß der Muttermund bei 4 Zentimetern ist. Jetzt darf Frau spazieren gehen und zusammen mit ihrem aufgeregten und ein bißchen eingeschüchterten Ehemann spaziert sie wehend durch die Korridore und im kleinen Park des Krankenhauses herum. Nach einer Weile kommt sie wieder, die Wehen sind stärker geworden. Kontrolle des Muttermundes: 4 Zentimeter. Frau begibt sich wieder auf Wanderschaft, kehrt wenig später mit starken Wehen zurück. Eine weitere halbe Stunde am CTG zeigt kräftige Wehen und gute kindliche Herztöne. Da der Muttermund immer noch bei 4 Zentimetern ist, schlägt man der Schwangeren eine PDA vor, die sie dankend annimmt. Auch wenn sie sich vorgenommen hatte, es ohne zu versuchen, jetzt ist sie sicher, daß ihr das helfen wird. Es dauert ein bißchen, aber dann kommt der Anästhesist, sie muß den Rücken krumm machen, was bei den schmerzhaften Wehen nicht so einfach ist, er versticht sich einmal, aber dann klappt es. Der Wehenschmerz verschwindet und die Frau ist erleichtert und froh um ein bißchen Erholung. Es macht ihr auch nicht so viel aus, von nun an die ganze Zeit am CTG zu liegen. Eine Wehe nach der anderen kommt, aber sie spürt nur das regelmäßige Hartwerden des Bauches. Der Muttermund öffnet sich nun. 6 Zentimeter, 8 Zentimeter, 9 Zentimeter. Nur die Wehen werden schwach. Man beschließt, die Sache mit einem wehenbeschleunigenden Tropf anzuschieben. Es wirkt, die Wehen werden wieder stärker. Die Frau ist nun fast vollständig eröffnet, sie beginnt die Wehen wieder zu spüren und atmet schwer. Der Schmerz ist kaum auszuhalten, sie schreit und bettelt, daß man etwas tut. Die Hebamme bemerkt, daß die Herztöne des Kindes absacken. Der Wehentropf wird höher gedreht. Die Herztöne werden schlechter. Die Fruchtblase wird gesprengt. Grünes Fruchtwasser ergießt sich. Der Arzt entnimmt eine Blutprobe aus dem Kopf des Kindes, die sofort ausgewertet wird. Der ph-Wert ist schlecht, das Kind also mit Sauerstoff unterversorgt. Hektik beginnt. Der Arzt erklärt der Frau, daß man einen Kaiserschnitt machen muß, wenn das Kind nicht in den nächsten Minuten kommt. Das OP-Team wird zusammengerufen, die Frau willigt in den Eingriff ein. Sie wollte eigentlich auf normalem Weg entbinden, aber sie will auch das Leben ihres Kindes nicht gefährden. Die Herztöne sind weiter schlecht, aber die Wehen ineffektiv. Steckt das Kind fest? Und schon ist sie auf dem Weg in den OP. Jetzt verläuft wieder alles nach Plan. Wenige Minuten später heben die Ärzte ein blutverschmiertes, schreiendes Bündel aus ihrem Bauch. Sie darf es kurz sehen, bevor es verschwindet, um von den Kinderärzten untersucht zu werden. Ein paar Stunden später liegt die Frischentbundene auf der Wöchnerinnenstation, ihr Baby im Arm. Vielleicht schafft sie es zu stillen, trotz der Schmerzen von der Operation. Alles ist noch einmal gut gegangen.
Oder?
Hat der Körper der Frau 9 Monate alles richtig gemacht, um in den letzten Stunden zu versagen?
Im Gespräch mit den Ärzten erfährt sie, daß ihr Kleines die Nabelschnur zweimal um den Hals hatte. Warum mußte ein Kaiserschnitt gemacht werden? Wehenschwäche. Das kommt vor. Eine knappe Woche später wird sie entlassen und ist sicher: Wäre sie nicht im Krankenhaus gewesen, wäre ihr Kind sicherlich gestorben oder ernsthaft zu Schaden gekommen. Sie hat zwar das Gefühl, versagt zu haben, aber sie tröstet sich damit, daß das Wichtigste ein gesundes Kind ist. Und das nächste Mal wird sie sich um so bereitwilliger in die Arme der Ärzte begeben, die ihr bewiesen haben, daß sie es nicht allein kann.
Solche und ähnliche Geschichten passieren jeden Tag. Sie sind heutzutage ganz gewöhnlich. Was wäre passiert, wenn diese Frau zu Hause geblieben wäre? Wäre ihr Kind gestorben oder ernsthaft geschädigt? Kaum.
Ich glaube, ihr Körper hätte mit Bravour beendet, was er angefangen hat, sie hätte mit großer Wahrscheinlichkeit auf ganz normalem Weg ein gesundes Kind bekommen. Aber ob sie das je erfahren wird?