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Wie der kleine Bruder geboren wurde – Alleingeburt beim zweiten Kind

Ich darf euch wieder an einem wunderschönen Geburtsbericht teilhaben lassen. Es ist nicht mein eigener, sondern der einer Frau, die bereit ist, ihn mit euch zu teilen. Viel Spaß beim Lesen! 🙂

„Ach, vor dem 1. Juli wird das eh nichts, vorher passt es mir nicht.“ Diesen Satz habe ich gefühlte Hundertmal zu allen möglichen Leuten gesagt. Insbesondere, als sich mein Kindchen getraute, über den Termin(!) zu bummeln. Hätte ich mir echt aufs T-Shirt drucken können …
Der Donnerstag passte mir tatsächlich gar nicht ins Konzept. Der Mann hatte von acht Uhr an bis open end Prüfungsbeisitz an der Uni und ich hatte mir meinen Tag mit allerlei Erledigungen vollgepackt. Außerdem hatte ich meinem Körper befohlen, dass mir Anfang Juli zum Gebären besser passt als Ende Juni. Ich hätte es ahnen sollen, schon die Nacht war irgendwie komisch. Der Bauch wurde ständig hart und nervte mich, weil ich weder bequem liegen, geschweige denn schlafen konnte. Zudem grübelte ich mal wieder über unangenehm Aufgeschobenes nach. Da konnte ich doch froh sein, dass mich meine Tochter um fünf in der Früh mit dem Schlachtruf „Mama, mein Bauch tut weh, ich glaub ich muss kotzen.“ aus dem Bett riss. Na prima. Pullern, trinken und eine Banane später, schlief das Kind wieder. Keine Stunde danach kam alles wieder raus und in 30 weiteren Minuten folgte der Rest. Das war es heute also mit Kindergarten. Ob das Nervosität war oder eine Vorahnung – man weiß es nicht! Sie war danach wieder ganz die Alte. Aber das Szenario: Kind-ist-während-des-Tages-daheim, hatte keiner von uns eingeplant. Naja, ist sie eben dabei. Vormittags hummelte ich wie ein aufgescheuchtes Huhn in der Wohnung umher und bemerkte blutigen Ausfluss. War das jetzt der Schleimpfropf?! Egal, heute gebäre ich ja eh nicht und bei E. kam er auch einige Tage vorher. Trotzdem befand ich mich in einer Art nervöser Unruhe. Ich beschloss, doch mal lieber einkaufen zu gehen, so hatte ich wenigstens alles da. Noch schnell Wäsche ansetzen und los. Da war es gegen 10 Uhr. Ich radelte mit E. zum Konsum, ließ mich von der Tochter zu Pommes bequatschen und ging noch schnell in die Apotheke. Mein Geburtsöl traf gerade rechtzeitig ein, prima! Beim Bezahlen merkte ich einen Druck nach unten und ich drückte – warum auch immer – mit.
PLATSCH! Och nee.
Ich kam mir vor wie in so einem billigen Ami-Kitschfilm, wo die Frauen an den ungelegensten Orten sofort nach Blasensprung ihre Kinder unter lauten Schmerzensschreien (und genug Panik) in drei Wehen zur Welt brachten. Ich tat Wahrheit kund: „Ähm, mir ist gerade die Fruchtblase geplatzt.“ Stille. Danach rannten und riefen alle durcheinander. „BrauchenSieetwas?EineToilette?HabenSieSchmerzen?Sollenwirjemandenrufen?“ Es war kein weiterer Kunde da, aber bestimmt sechs Mitarbeiter. Ich: „Eine Toilette und Vorlagen sind gut und bleiben Sie doch bitte ruhig, mir geht es gut!“ Auf dem Klo bemerkte ich dreckige grüne Brühe. Mist, ist das jetzt ok oder gefährlich? Aber wie soll das Kind Mekonium einatmen, wenn es doch noch gar nicht atmen kann?! Ich beruhigte mich und versuchte mich so gut wie möglich abzuputzen. Der meiste Schladder wurde durch meine schwarze Leggings und meinen Rock aufgefangen. Man sah gar nicht mal so viel von außen, obwohl es im Rinnsal lief. Draußen ging die Panik indes weiter. Ich konnte die Damen und den Herr beruhigen, ja, ich rufe gleich meinen Mann und die Hebamme an, ich habe keine Schmerzen und mir geht es wirklich und echt gut! Selbstverständlich lag mein Handy zuhause. Ich zahlte und eilte unter Glückwunschbekundungen, mit Kind und Fahrradkörbchen im Schlepptau, zum Rad. Also doch heute ein Kind! Jetzt war ich sogar ein bisschen aufgeregt. Es war kurz vor halb zwölf mittags.
„Mama beeile dich, es läuft!“ „Ich kann nicht schneller.“ Schon am Fahrradschuppen fingen leichte Wehen an. Ich wuchtete mich mit dem schweren Korb ins dritte Obergeschoss und hinterließ eine verräterische Tröpfelspur auf der Treppe. Auf dem Klo reinigte ich mich ausgiebig und zog so einen sexy Netzschlüpfer mit Surfbrett an. Es lief und lief und lief. Die Wehen wurden stärker und kamen schneller hintereinander. Der Mann war nicht gleich zu erreichen, rief mich aber zurück. „Es geht los, halt dich bereit!“ Die Amme war auf keinem Kanal zu empfangen, so hinterließ ich SMS und WhatsApp-Nachrichten. Ich wollte sie zumindest informieren, dass die Blase gesprungen war. Brauchen konnte ich sie noch nicht. Die Wehen wurden intensiver und ich konnte mich kaum auf meine Hausarbeit konzentrieren. Die Große malte, spielte und tönte mit.
Ich orderte den Ehemann heim. Kurz nach zwölf Uhr war er dann da und ließ gleich Wasser in den Pool und fotodokumentierte mein Leiden. Die Amme meldete sich auf unsere zahlreichen Anrufe nicht. „Warum zahl ich der eigentlich 450 Euro Rufbereitschaft, wenn die nicht ans Telefon geht?!“ Aber noch brauchte ich sie ja nicht.
Das Warmwasser war schnell alle. Kacke, ich will doch in diesen Pool rein! Also haben wir alle großen Töpfe mit Wasser befüllt und auf dem Herd kochen lassen. Wie im Film! Um meine Würde wenigstens etwas zu wahren, zog ich mir ein Shirt und einen Rock über den Netzschlüppi, hängte mein Tragetuch in die Klimmstange und räumte in der Wohnung umher. Die Hebamme rief endlich zurück und entschuldigte sich vielmals. Wir hatten nicht die Rufbereitschaftsnummer angerufen, sondern Privathandy. Alles gut. Wehen aller 5-7 Minuten. Brauchst noch nicht zu kommen. Ah, diese blöden Wehen kamen aber verdammt schnell und schmerzhaft hintereinander. Das waren doch keine fünf Minuten mehr?! Sie waren intensiv aber sehr kurz. Ich stöhnte und röhrte wie ein Tier. Ich schaffte es aber noch, die Pommes mit den Nuggets in den Ofen zu schieben, denn das große Kind war hungrig.
Beim Saugen des Schlafzimmers gab ich aber auf. Das ging nicht mehr, ohne viele Wehen dazwischen. Ich hechtete immer wieder zum Tuch und hing mich rein. „Hör auf mit dem blöden Geknipse, das nervt mich jetzt.“ Zwischenzeitlich überredete ich den Mann dazu, dass Ding aus der Hand zu legen und das Schlafzimmer zu Ende zu saugen, weil mich die Wollmaus unterm Schrank störte. In der Stube stand alles bereit, der Pool war zu einem Drittel voll und wunderbar temperiert. Gut! Schnell noch das Öl in die Duftlampe, das Kind will bald raus. Ich hinterließ eine Nachricht im Forum und die Amme rief nochmal an. Ach, das ist noch gut auszuhalten, Wehen aller 2-3 Minuten. „Was stinkt und raucht denn hier so?!“ „Hast du das Duftöl mit Wasser vermischt?“ „Nö.“ „Das musst du doch mit Wasser vermischen!!!“ „Weiß ich doch nicht! Mach das aus, das stinkt ja furchtbar!“ Ich stieg in mein neues Luxusbadebecken. Herrlich!!! Aber nur ganz kurz, denn jetzt ging es Schlag auf Schlag. Die Wehen (und ja, ich sage nicht Wellen, weil es einfach scheiße weh tat) kamen ohne Pause hintereinander. Ich konnte nicht in einer Position bleiben und bewegte mich in einem fort, um diesen furchtbaren Schmerz zu umgehen. Ich ließ mich völlig gehen, war animalisch, laut, scham- und hemmungslos. Mann und Tochter standen fasziniert am Beckenrand und beobachteten eine Frau, die sie so noch nicht kannten.
13.25 Uhr. Es drückte. Ich drückte mit und sofort setzten die Presswehen ein. Was?! Jetzt schon? Bin ich denn überhaupt soweit? „Ruf die an, ruf K. an, das Kind kommt jetzt!!!“ Ich wühlte in mir rum und alles war matschig. Ei verbibbsch! Keine Ahnung wie sich ein völlig geöffneter Muttermund anfühlt. A. brachte mir auf mein Verlangen einen Handspiegel. Haare! Dunkle nasse Haare. Ich kann weitermachen! Die Amme war mir eigentlich völlig schnurz, die brauchte ich nicht. Und sie würde es jetzt auch nicht mehr schaffen. Mein Körper stellte auf Automatik und funktionierte einfach von selbst. Ich war laut und mein Mann schloss schnell die Stubenfenster. Was sollen denn sonst die Leute denken?! Ich schob mein jüngstes Kind mit aller Kraft zum Ausgang und nutzte die zwei Sekunden Pause zum Jammern. Das Wasser war in der Zwischenzeit recht unappetitlich geworden. Der Kopf war nun von außen sichtbar und wurde von der Fankurve freudig kommentiert. „Mama, da ist der Kopf, ich seh‘ den Kopf!“ „Die Schädelplatten überlappen sich!!!“ Es brannte, ich merkte wie ich innen reiße und es tat so weh. Mit einer Hand versuchte ich, meine Scheide zu retten, mit der anderen Hand meinen Hintern. Den Kopf drückte ich händisch nach oben und er kam nach einem kraftvollen Schub heraus. Pause. Erleichterung. Die knochigen Schultern wollten hinterher und ich gebar mein Kind in meine Hände. 13.40 Uhr am 26. Juni 2014.
Oh mein Gott, ein Junge, ich habe einen Sohn!!! Ich war ganz und gar überwältigt. Ein Junge. Mein Junge. Mein Ruben. Ich hab geheult und war froh, dass diese Geburt vorbei war. Es war so viel schmerzhafter als bei E. damals. Er schrie, als ich ihn aus dem Wasser hob und wurde langsam rosig. A. hatte etwas Angst, weil er so lila-grau aussah. Ich wusste, dass es ihm gut ging. Spürte seine Mimik und sah seinen ersten Atemzug. Die Schnur hing ihm locker über eine Schulter. Ihn an mich drückend machte ich es mir im Becken bequem und konnte wieder lachen. Jetzt klingelte auch meine liebe Amme. E. war furchtbar aufgedreht! 20 Minuten später zog ich die gelöste Plazenta aus mir raus und wandelte den Pool in ein wunderbares Prinzessinnen-Pink um. Wir bestaunten uns noch eine Weile und der Mutterkuchen schwamm in seinem Tupper-Boot umher. Langsam zogen wir ins Schlafzimmer um. Ich duschte mich fix. Im Bett wurde mein Riss in der Schamlippe bestätigt. Jetzt ist sie also vorbei, meine Schwangerschaft, meine Geburt und an deren Stelle ein ganz wunderbar duftendes brandneues Menschlein und eine ganz neue Familie.
Zusammen banden wir die Nabelschnur mit einem dunkelgrünen Satinbändchen ab, die die große Schwester mit der Schere durchschneiden durfte. Wireless wie er nun war, hat sich der kleine Kerl das Wiegen und Messen anstandslos gefallen lassen, danach gab es auch ausgiebigste Kuscheleinheiten von Papa und Schwester. Mutters Busen fand er aber doch am besten. Erst sehr viel später haben wir ihn angezogen. Zur Krönung des Tages saßen wir alle im Bett und haben ein ganz wunderbares Vanilleeis mit frischen Erdbeeren genossen, dazu eine Tasse Haselnusscappuccino. Lecker! Der Tag hat sich doch gelohnt, so schnell kommt man zu einem zweiten Kind. Und die gewünschten Himalaya-Gesänge, die ich mir so schön als Geburtsmusik ausmalte, wurden – wie so viele andere Kleinigkeiten – auf einmal ganz unwichtig.
„Kleiner Bruder“, sagt E., Ruben „Rübchen“ sagen wir.
13.40 Uhr
3430g
50cm und ein bisschen
36cm Kopfumfang
Perfekt.

Eine geplante Alleingeburt im Pool

Ich darf wieder einen ganz unspektakulären, dennoch oder gerade deswegen sehr schönen Geburtsbericht mit euch teilen. Die Geburt fand dieses Jahr im April statt. Es ist nicht meine Geburt, sondern die einer Frau, die dieses Erlebnis gern mit euch teilen möchte. Viel Spaß beim Lesen! 🙂

Die Schwangerschaft dauerte länger als erwartet. Die jeweils 4 Geburten meiner Mutter und Großmutter und
auch die Geburt meiner ersten Tochter fanden allesamt vor dem errechneten Termin statt. Eine
Terminüberschreitung kam mir völlig seltsam vor und ich rechnete ca. eine Woche vor dem offiziellen Termin
mit der Geburt.
Doch der Termin kam und ging vorüber und ich wurde allmählich immer ungeduldiger und gereizter. Auch fing
ich schon bei ET+6 an mir ernsthaft Gedanken über die weitere Vorsorge und mögliche Einleitungsversuche zu
machen. Ich hatte mich doch nicht die ganze Schwangerschaft von allem medizinischen fern gehalten, um die Geburt
hinterher mit Einleitung oder gar Sectio im KH zu beenden?
Selbst einer sehr zurückhaltenden Hebamme hatte ich mich nur zögerlich geöffnet, um sie für den Notfall in
Rufbereitschaft zu haben. Das war auch meinem Mann R sehr wichtig. Ansonsten hatte er sich schon lange
immer mehr mit dem Gedanken an eine Haus- und Alleingeburt angefreundet.
Die Hebamme kam bei ET+7 und wir besprachen die Möglichkeiten für die nächsten Tage. Sie hätte gerne
spätestens bei ET+14 einen Ultraschall gehabt und vorher noch 2 mal selbst Herztöne gehört und den Bauch
abgetastet. Auch hatte sie verschiedene Möglichkeiten im Angebot mit Akupunktur, Homöopathie oder Tee
nochmal selbst einen Anstoß für die Geburt zu geben.
Das klang für mich alles sehr vernünftig und nach einem echten Minimalprogramm.
Am nächsten Morgen wachte ich auf, meine große Kleine wollte Aufwach-Stillen und ich spürte dabei mal
wieder ein leicht schmerzhaftes Ziehen im Bauch. Soweit nichts Ungewöhnliches oder war es diesmal doch
unangenehmer als sonst? Schon seit Wochen hatte ich beim Stillen immer mal wieder ein paar Wehchen
gehabt. Auf der Toilette wieder ein nettes aber uneindeutiges Zeichen: Etwas Schleim mit braunem Blut drin.
Aber Schleim hatte ich auch schon vor einer Woche ein wenig gesehen und zum Glück niemandem etwas
verraten.
Als aber beim Frühstück um 9:30 Uhr gleich 3 Wehen in 15 Minuten Abständen zu spüren waren, da war ich mir
sicher: Jetzt kommt die Geburt wirklich in Gang. Ich freute mich heimlich ein bisschen und weihte dann sehr
bald Mann R. und Tochter M. ein. Wir frühstückten in Ruhe fertig. Danach begann R den Pool zu füllen und sonst
alles vorzubereiten. Ich blieb mit M oben in der Wohnküche und legte mir eine Matte vor unser Sofa.
Inzwischen musste ich mich tatsächlich etwas konzentrieren, wenn eine Wehe kam. Ich kniete vor dem Sofa
und legte meinen Kopf in ein Kissen. Die Schmerzen waren vor allem hinten am Kreuzbein zu spüren. Mit
einem heißen Körnerkissen am Rücken waren sie aber gut auszuhalten. Zwischendurch hörte ich mir noch an,
was M so beim Spielen zu erzählen hatte und sie ließ mir meine Pausen und meinen Platz auf dem Sofa, wenn
die Wehen kamen.
Gegen 11 Uhr hatte R den Pool fertig. Ich war mir nicht sicher, ob mir die Zeit im Wasser nicht lang werden
würde, wollte aber zumindest mal probieren. So zogen wir um ins EG. Mein Töchterchen plantschte ein wenig
mit den Händen im Wasser und spielte Hebamme, die den Pool putzt. Mein Mann erleichterte mir die
Schmerzen im Rücken mit Gegendruck.
Um 12 Uhr – die Wehen kamen etwa alle 10 Min. – riefen wir eine liebe Freundin N an, die sich während der
Geburt um unsere Große kümmern wollte und – je nach spontanem Gefühl – auch dabei sein
konnte/sollte/wollte.
Auch mit der Hebamme hat mein Mann dann irgendwann telefoniert und Bescheid gegeben, dass es wohl
heute etwas wird und sie nicht noch weit weg fahren soll, falls wir sie dann doch dazu holen möchten.
Etwa um 13 Uhr kam N dazu. Ich hatte zwischen den Wehen noch Zeit ihr ein wenig zu erklären, was es mit
den Rückenschmerzen auf sich hat. R zeigte ihr wie sie mir helfen konnte und nun wechselten sich die beiden
ab mit Tee kochen und ähnlichem drum herum und der direkten Hilfe an meinem Rücken. Ich hätte keine Wehe
mehr darauf verzichten wollen, dass mir jemand den Rücken drückt, es linderte die Schmerzen wirklich ganz
enorm.
Auch im Pool fühlte ich mich unglaublich wohl. Ich werde nur noch im absoluten Notfall jemals wieder ohne
Pool gebären! Während der Wehen kniete ich, lehnte meine Stirn auf den Rand und schaute vor mir ins Wasser.
Die Wasserhöhe reichte grade, dass mein Kreuzbein noch gut bedeckt war. Zwischendurch rutschte ich ins
Wasser und lag auf dem Rücken, möglichst weit drin im warmen Wasser. Ich fühlte mich total wohl dort.
M wurde dann sehr aufgeregt und hüpfte um den Pool herum und wackelte am Poolrand. Weil ich auf keinen
meiner Helfer verzichten wollte, schlug ich ihr vor mit der Oma draußen Laufrad zu fahren. Sie nahm die Idee
an und ich dachte sogar noch an „in der Nähe bleiben und Handy mitnehmen“ und äußerte das kurz und
knapp.
Als mich R gegen 13:40 Uhr fragte, ob ich mal auf Toilette wolle (stand so in meinem Geburtsplan), da war mir
klar: Nein, ich gehe nirgendwo mehr hin! Er meinte es wäre dann auch mal Zeit zu lüften. Ich bat ihn vorher
noch heißes Wasser nachzufüllen. Ich wollte es warm genug haben, falls das Kind plötzlich da ist. Zum Wasser
austauschen kamen wir noch, zum Lüften blieb schon keine Zeit mehr…
Mir fiel außerdem ein: 1. Wie gut, dass ich nirgendwo hin muss während der Geburt und 2. Wie locker ich alles
öffnen kann, wenn ich ganz sicher bin, dass niemand da am Geburtsweg herum untersuchen will! Jede andere
Möglichkeit fand ich gradezu absurd.
Kurz darauf um 13:50 Uhr wurden die Wehen intensiver und die Pausen kürzer. Einmal nahm ich ein leichtes Zittern in meinen Beinen wahr und dachte mir: „Aha, Übergangs-Phase!“. Das gab mir neuen Mut. Die Wehen
waren jetzt doch sehr schmerzhaft. Ich klammerte mich in den Pausen an die Uhr und setzte mir 14 Uhr als
„Zwischenziel“, keine Ahnung warum. Dann begannen auch schon die Presswehen. Das war mir gar nicht
richtig klar, aber ich nahm eine etwas veränderte Haltung ein. Ich rundete meinen Rücken soweit es ging ohne
das Gesicht ins Wasser zu tauchen.
Ein paar Wehen später richtete ich mich auf und fühlte mit der Hand schon den Kopf. Ich behielt die Hand
während der Wehen dort. Bei der nächsten Wehe sprang die Fruchtblase, zwei oder drei Wehen später kam der
Kopf und ich wusste: Jetzt ist das Schlimmste überstanden. R und N saßen vor dem Pool und konnten durch die
durchsichtigen Wände sogar schon das Gesicht sehen. Ich hielt den Kopf in meinen Händen und wartete auf die
nächste Wehe. Gleichzeitig kam mir schon der Verdacht, dass wohl die alte Naht wieder aufgegangen sei. Als
die Wehe kam, drehte sich das Kind (ein ziemlich merkwürdiges Gefühl) und – schwupp – kam der Körper
heraus.
Unter Wasser nahm ich mein Kind sicher in die Hände und hob es dann heraus. Ich setzte mich hin und legte
es mir auf die Brust. Zuerst war es noch ganz bläulich, aber man konnte zuschauen wie schnell es rosiger
wurde. Ich ließ mir eine Mullwindel geben und deckte es zu, wo es aus dem Wasser schaute. Das Kindlein
atmete schnaufend und röchelnd, aber doch schön regelmäßig. Die Nabelschnur pulsierte weiter. Wir saßen
einige Minuten staunend da und schauten es uns an.
R hat als Geburtszeit 14:13 Uhr rekonstruiert. Dann riefen wir die große Schwester M an. Etwa 15 Min. nach der
Geburt kam sie herein und schaute sich ihr Geschwister vorsichtig an. Erst jetzt guckten wir nach und stellten
fest: Es ist ein Junge. Er machte einen kleinen Still-Versuch und blinzelte vorsichtig in die neue Welt.
Nach ca. 40 Min. kam die Plazenta und nun wollte ich auch aus dem Pool heraus, auch um die Blutung besser
sehen zu können. Das Wasser im Pool war seit dem Blasensprung trüb und inzwischen schon deutlich rot
gefärbt. Ich fühlte, dass die alte Narbe wieder gerissen war und wir riefen die Hebamme an. Sie fragte, ob es
eilig sei. Nein, sie könne ruhig noch ihren Kaffee austrinken und sich dann langsam auf den Weg machen.
Wir nabelten ab und ich gab den Kleinen zu seinem Papa auf den Arm in ein warmes rotes Handtuch. Dann
nahm ich im Pool noch eine kurze Schlauch-Dusche. Ich fischte noch die Plazenta heraus und legte sie in einen
Eimer. Mit Ns Hilfe stieg ich über den Poolrand auf eine Einwegunterlage. Ich trocknete mich ab und zog mich
an. Dann wagte ich den Aufstieg ins erste Stockwerk, um mich dort ins Bett zu legen. Ganz langsam und
vorsichtig, Stufe für Stufe, kam ich ohne Schwierigkeiten im Bett an.
Nun durften auch die Schwiegereltern ihren neuen Enkel begrüßen. Sie standen ganz ergriffen am Bett. Der
Opa brachte seine Kamera mit, um ein paar schöne Fotos vom frisch geborenen Kind zu machen. Es dauerte
nicht lange, da fiel meiner Schwiegermutter die Abwesenheit der Hebamme auf… Wir beruhigten sie, sagten
die Hebamme sei „schon“ auf dem Weg und es ginge uns ja auch offensichtlich allen gut. Ich gab dann auch in
den nächsten Stunden zu, dass wir das durchaus so geplant hätten und ich ihr nur den Gedanken nicht vorher
zumuten wollte. So im Nachhinein kann sie das sogar akzeptieren. Interessant wird es dann möglicherweise,
wenn die nächste Geburt bevor steht? Aber schon toll, dass es jetzt kein Problem ist!
Die Hebamme kam dann zu uns als unser Kleiner etwa 2 Stunden alt war. Ich bat sie um ihre Einschätzung
wegen der Verletzung. Sie empfahl mir einen Stich zu nähen, aus dem dann während der Arbeit nach
Absprache doch 3 wurden. Als Betäubung reichte ein Tupfer mit Gel. Ich schaute mir vorher im Spiegel die
Wunde an und auch beim Nähen wollte ich zusehen. Wenn ich es schon nicht selbst machen kann, dann muss
ich zumindest genau wissen was da passiert und mich auf die Piekser einstellen. Sie gab mir noch ein Arnikagel
und Kompressen für die Wunde.
Wir baten sie einen Blick auf die Plazenta zu werfen, einmal die Blutung und die Gebärmutter zu beurteilen und
besprachen die weitere Betreuung. Das Tasten der Gebärmutter übernahm ich selbst – wieder ein Beispiel für
ihre angenehm zurückhaltende Arbeitsweise. Sie füllte uns eine Geburtsanzeige für’s Standesamt aus und ließ
uns ihre Babywaage da. Damit war der Besuch auch schon beendet und wir verabredeten uns für den nächsten
Mittag, um dann noch etwas U1 nachzuholen und weitere Fragen zu besprechen. Unser Baby war inzwischen
eingeschlafen und wir wollten ihn nicht stören.
Den Rest des Tages verbrachten wir mit Essen, Baby bestaunen und ein paar Anrufen.
Ich bin total dankbar, dass wir so eine Geburt erleben durften. Alle Beteiligten haben ihre Sache ganz ganz toll
gemacht und uns genau so geholfen, wie es für uns gut und richtig war. Überhaupt gab es so viele Helfer drum
herum: Mein Mann R, meine Tochter M, unsere Freundin N, Hebamme T, Schwiegermutter K und
Schwiegervater U (der doch tatsächlich den Pool entleerte).
Die ersten Tage:
Schon die erste Nacht war ein wenig anstrengend. Der Kleine war noch bis 3:30 Uhr damit beschäftigt sein
Mekonium los zu werden. Er lässt sich auch furchtbar leicht gleich wieder wecken, wenn er eingeschlafen ist.
Einmal hatte er beim Einschlafen seinen Kopf unter meiner Brust vergraben. Da reichte es schon, dass ich ihm
die Atmung erleichtern wollte und schon war er wieder wach. Wir schafften es dann aber doch zumindest 4-5
Stunden zu schlafen, er lag dabei natürlich in meinem Arm.
Am nächsten Mittag kam meine Schwester zu einem 24-Std-Besuch angereist. Das war schön und vor allem für
M richtig gut. Die ist nämlich weiterhin sehr aufgekratzt und zappelig, braucht außerdem sowieso jeden Tag
mehrere Stunden Bewegung. Es stört nur leider den Kleinen und mich, wenn sie dann durchs Bett hüpft und
dabei quietscht…
Der Papa ist ausgelastet mit Aufräumarbeiten und Haushalt. Natürlich will und soll R auch immer wieder Zeit haben für seinen neuen Sohn. Das Abhalten auf dem Töpfchen macht z.B. hauptsächlich er, denn sitzen ist ja
nicht so vorteilhaft im Wochenbett und mit Verletzung.
Windelfrei klappt auch schon super. Von den 5 Portionen Mekonium ist eine im Pool, eine im Handtuch, eine in
der Windel und zwei im Töpfchen gelandet. Seitdem erwischen wir ungefähr die Hälfte aller Pipis und die
meisten Kakas, was uns viel ungeliebtes Liegen auf dem Wickeltisch erspart. Natürlich gibt es auch immer
wieder Missverständnisse, wenn er eigentlich doch Weiter-Stillen möchte und wir denken er muss mal. Oder
umgekehrt, wenn er mal muss und ich es mit Stillen oder Tragen versuchen bis dann die Windel nass ist.
Ich bin eine anspruchsvolle Wöchnerin, vor allem was die Versorgung mit viel gutem Essen angeht. Immer
muss der Mann Obst und Gemüse nachliefern und dann lege ich auch noch Wert darauf nichts Stopfendes zu
essen. Er hat es wirklich nicht leicht, kennt sich im Supermarkt und in der Küche nur halb aus, usw.
Das Stillen hat der Kleine nach den ersten paar Versuchen ganz schnell gelernt. Jetzt möchte er meistens im 20
Min. Takt für etwa 2 Stunden immer wieder an die Brust. Dann kommt dazwischen wieder eine 3-5-stündige
Schlafpause. Die Milch ist nach 2 Tagen auch schon voll da gewesen. Nur meine Brustwarzen sind jetzt sehr
empfindlich. Stillen im Liegen ist zwar toll für die Rückbildung und zum Ausruhen, für die Brustwarzen ist es
aber nicht so der Hit. Ich hoffe es wird einfach wieder besser und lasse immer mal Luft dran. Wenn sie noch
richtig wund werden, probiere ich es mal mit schwarzem Tee.
Die Große möchte gerne ihr gewohntes Einschlaf- und Aufwach-Stillen und ich möchte ihr das auch unbedingt
und sehr gerne ermöglichen. Es ist allerdings schon mehrmals schwierig gewesen, wenn dann der Kleine
gleichzeitig beim Papa weint und auch an die Brust möchte. Da müssen wir unseren Weg noch finden … Beide
gleichzeitig im Liegen Stillen wäre eigentlich schön, kriegen wir aber bisher nicht hin, erst recht nicht mit so
empfindlichen Brüsten und dem extrem wichtigen Ellbogen-Gepuhle, das untrennbar mit dem Einschlaf-Stillen
verbunden ist.
M ist wirklich sehr lieb und so rücksichtsvoll, wie sie nur kann. Dennoch ist sie eine sehr mama-bedürftige 4-
Jährige und von der Situation natürlich verunsichert. Da tut sie mir manchmal sooo leid und ich muss wirklich
gut auf sie achten, grade weil sie sich so viel Mühe gibt und sich eher zurück zieht. Was sehr schön läuft: Seit
Geburtsbeginn bin ich wieder ganz interessiert an den Dingen die sie mir erzählen und zeigen mag. Vorher war
ich wirklich nörgelig und ungeduldig mit ihr. Jetzt kann ich ihr oft ganz ruhig sagen, wenn mich etwas stört oder
sie aufrichtig um etwas bitten ohne Anspruchshaltung. Das finde ich sehr sehr schön.
Ab nächste Woche darf sie dann endlich mit dem Papa zur Eingewöhnung in den KiGa. Ich denke es wird ihr
gefallen und vielleicht bekommt sie dort dann auch gleich genug Bewegung.
Der Hebammenbesuch verzögerte sich dann noch um einen Tag. Sie rief an, sie habe die ganze Nacht
gearbeitet, ob es in uns Recht wäre das zu verschieben. Als sie dann am übernächsten Tag nach der Geburt
kam, hatte sie allerdings die nächste Nacht auch nicht mehr Schlaf bekommen …
Wir holten noch das Abhören und Messen von der U1 nach: Lunge und Herz klingen normal, Kopfumfang 35cm,
Länge 50cm. Gewogen hatte ich 12 Stunden nach der Geburt: 3400g (mit kl. Korrektur für Mekonium und Pipi).
Ich bat sie noch einen Blick auf die Naht zu werfen: Alles in Ordnung. Dann wünschte ich ihr einen erholsamen
Schlaf nach zwei durchgearbeiteten Nächten. Nachdem sie nun alle anstehenden Geburten geschafft hat,
möchte sie nach Ostern gerne verreisen und so werden wir uns evtl. gar nicht mehr sehen.
Vielleicht lasse ich nächste Woche noch eine andere Hebamme nach der Naht und der Rückbildung sehen,
denn ich bin noch nicht ganz entschlossen, ob ich 2 Wochen nach Geburt verreise … Der Stillkongress lockt. Im
Moment traue ich es mir eher zu als meinem Baby. Ob er sich dann immernoch so leicht stören lässt? Naja,
noch muss ich mich ja nicht entscheiden.

Vorzeitiger Blasensprung? – Nur die Ruhe!

Ich darf einen ganz frischen Bericht einer Alleingeburt (2. Kind, 2. Alleingeburt) mit euch teilen. Es ist nicht meine Geburt, sondern der Bericht einer Frau, die bereit ist, dieses Ereignis mit euch zu teilen. Viel Spaß beim Lesen! 🙂

Unser Baby ist da, ein Junge, am 8.5. um 13:28 Uhr.
Irgendwie war mir am 7.5. abends schon so, dass die Blase springen könnte, deswegen legte ich das Bett mit Moltonunterlagen aus. Um 3 Uhr nachts wachte ich von so einem warmen Gesicker zwischen den Beinen auf, und stellte fest, dass die Blase tatsächlich gesprungen war. Das war ja eigentlich die Situation, die ich überhaupt nicht wollte, der Druck, Wehen produzieren zu müssen.
Nach dem Gang ins Badezimmer legte ich mich erstmal wieder hin und sagte meinem inzwischen aufgewachten Mann, wir werden heute oder morgen Eltern (danach konnte er nicht mehr einschlafen ;-),
Um 8 Uhr morgens rief ich die Hebamme an. Sie kam zum Bauch abtasten und Herztöne abhören. Außerdem schlug sie vor nachzusehen, wie reif der Muttermund sei, aber das wollte ich auf keinen Fall, was für sie ok war. Immerhin hat mich ihr Kommentar, nach der Muttermundreifung zu schauen, daran erinnert, dass ich einige Zeit zuvor in dem Buch „Adventures in Tandem Nursing“ (Hilary Flower) gelesen hatte, Stillen unter der Geburt trüge zur Muttermundreifung bei. Das machte ich, nachdem die Hebamme wieder gefahren war, mit meiner Tochter ausgiebig an dem Morgen. Trotzdem tat sich praktisch gar nichts, manchmal ein kaum wahrnehmbares Ziehen im Bauch, sonst nichts.
Beim Essen kochen um 12 Uhr war mir aber plötzlich so, als würde ich nicht mehr dazu kommen, zu essen. Ich war stark verlangsamt mit allem, meinen Bewegungen, ging langsam durch die Wohnung, so leicht vorgebeugt (wozu mein Mann bemerkte, so bist du bei der letzten Geburt auch gegangen), und da war dann klar, dass es bald losgehen würde.
Eine Kartoffel habe ich um 13 Uhr noch geschafft zu essen, ganz langsam, und dann kam plötzlich eine heftigere Wehe, bei der ich schon etwas bewusster atmen und mich irgendwo festhalten musste.
Ich fing an, Sachen vorzubereiten, Duschvorhang über den Teppich, Unterlagen hinlegen, etc., aber die zweite heftigere Wehe kam erst nach mehreren Minuten. Mein Mann telefonierte noch in aller Ruhe und bekam nichts mit. Ich merkte nach der dritten Wehe plötzlich, dass mein Unterleib anfing zu zucken, und sich unglaublicherweise schon das Kind durchschob (also praktisch nach drei Wehen). Als mein Mann aufgelegt hatte, sagte ich ihm, er solle mir schnell aus der Hose helfen, das hätte ich alleine nicht mehr geschafft, weil ich mich vornüber gebeugt festhalten musste und das Baby schon so tief saß, dass ich kein Bein mehr heben konnte.
Für meine Tochter, die noch die ganze Zeit um mich herum wuselte, war es plötzlich zuviel, dass ich mich so festhielt, atmete, meinem Mann sagte: schnell, zieh mir die Hose aus – jedenfalls fing sie an zu weinen. Mein Mann schickte sie eine Etage tiefer zur Oma. Zu dem Zeitpunkt saß der kindliche Kopf schon vor meinem Damm. Ich hielt ihn mit einer Hand zurück, weil ich nicht wollte, dass er so schnell durchschießt, aber nach ein paar Sekunden war klar, dass es kein Halten mehr gab, also hab ich einmal gedrückt, und das ganze Baby glitschte mir in einem Zug entgegen.
Ohne irgendwelche Presswehen, nur mit diesem Unterleibszucken.
Als mein Mann daran dachte, auf die Uhr zu schauen, war es 13:28 Uhr, die komplette Geburt hatte also etwas mehr als zwanzig Minuten gedauert.
Wir hielten das Baby warm und mein Mann meinte, es ist ein Junge, worauf ich noch gar nicht geachtet hatte, dann habe ich mich aufs Bett gesetzt, und nach einer Stunde oder so haben wir die Hebamme angerufen.
Direkt nachdem das Baby draußen war habe ich mir ein bisschen mehr Gedanken gemacht als bei der Alleingeburt unserer Tochter. Sie hörte ich nämlich schon schreien, bevor sie mir in einem Rutsch in die Hände geflutscht kam, er schrie nicht, sondern meckerte ein bisschen angestrengt herum, viel zurückhaltender als sie.
Das ist er wohl allgemein. Auch wenn er jetzt Stillen will, maunzt er ein bisschen und wedelt mit den Armen, unsere Tochter hat, wenn sie stillen wollte, Wände zum Einstürzen gebracht.
So hatte ich nun zwei völlig problemlose Alleingeburten, die erste zweieinhalb Stunden, die zweite zwanzig Minuten.
Obwohl ich über den Blasensprung nicht begeistert war, denke ich im Nachhinein, dass er vielleicht gut war, weil ich deswegen an dem Morgen zu Hause geblieben bin. Wäre ich Einkaufen gefahren, wie eigentlich geplant, und wäre die Geburt dann auch so schnell gegangen, hätte ich ihn im Einkaufszentrum bekommen.
Ich bin wirklich dankbar, dass ich zwei so schöne, ruhige, problemlose und schnelle Alleingeburten hatte, die einfach ganz natürlich passiert sind, ohne dass jemand um mich herum Unruhe gemacht oder eingegriffen hätte. Solche Geburten sind ein Geschenk, finde ich. Aber sie sind auch so normal. Wahrscheinlich wäre das die Art, wie Geburten meistens ablaufen würden, wenn die Frauen nicht so auf Drama und Angstmacherei gepolt wären.
Mein Mann ist auch froh, dass er mit mir solche Geburten erleben konnte, obwohl er etwas, sagen wir mal, weniger begeistert davon war, als ich der Hebamme bei der Vorsorge gesagt habe: Ich rufe dich unter der Geburt nur an, wenn ich das Gefühl habe, ich brauche dich, wenn nicht, mache ich es alleine.

Ein Baby zum 11. Jahrestag

Im Folgenden habe ich die Ehre, euch den Bericht einer weiteren schönen, unspekatulären Geburt zu präsentieren. (Es ist nicht mein Geburtsbericht, sondern der einer Frau, die bereit ist, ihn mit euch zu teilen.) Viel Spaß beim Lesen! 🙂

Die Haus-Wasser-Alleingeburt unseres dritten Kindes

Dienstag, 30.04.2013 (SSW. 38+5)

Hebamme A. kommt zur Vorsorge. Baby hat guten Bezug zum Becken, wohl aber noch abschiebbar. Herztöne sind bilderbuchmäßig, nichts deutet auf baldige Geburt hin, was mich nicht wundert. Ich hatte eh immer geglaubt, es bis in den Mai zu schaffen. Zu einer Gewichtsprognose lässt sie sich nicht hinreißen. „Wenn 4,5kg drin sind, dann müssen 4,5kg raus.“, sage ich. Das Wissen übers Gewicht würde ja an der Situation nichts ändern. Weiter brüten und abwarten.
Nachmittags kommen mein Bruder und Freundin vorbei, zeigen ein US-Bild auf dem Handy. Ich werde Tante, wie geil. ET ist der 20.12. – der gleiche Tag, wie damals in meiner ersten Schwangerschaft, die in der 7. Woche endete. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, denke ich.
Abends ab 21 Uhr hab ich wieder Senkwehen, oder doch Wehen? 10-Minuten Abstände. Schmerzloses Rumgewehe bis 0 Uhr. Ich gehe schlafen, wer weiß, was kommt. Wenn, dann möchte ich wenigstens ausgeruht sein.

Mittwoch, 01.05.2013 (SSW. 38+6)

Um 4:41 die erste spürbare Wehe, wie kräftige Regelschmerzen. Ich gehe aufs Klo und finde keine Ruhe mehr. Putze oben das Badezimmer. Leichte Wehen, noch unregelmäßig, aber nicht mehr zu missachten. Ich glaube, es kommt in Gang. Inzwischen ist es 5:45. C. (mein Mann) und die Kinder pennen.
Nach einem Toilettengang kommt mir Sohni entgegen. Er fragt, warum heute kein Kindergarten ist. „Weil heute der 01. Mai ist und da ist der Kindergarten zu.“
M.: „Mai? Dann kommt heute unser Baby.“
Ich hatte immer gesagt, dass im Mai das Baby kommt. „Ja, vielleicht kommt heute unser Baby – also wahrscheinlich kommt heute unser Baby! Die Chancen stehen gut.“
„Heut kommt unser Baby, darum feiern wir, alle meine Freunde freuen sich mit mir“, singt er und auch unsere Mittlere freut sich diebisch.
Ich schicke C. runter, um meine Eltern anzurufen. So können sie in Ruhe die Kinder holen und gemeinsam frühstücken. Um halb 8 sind sie da. Ich wehe unregelmäßig in unterschiedlicher Intensität, kann mich dabei unterhalten und auch noch sitzen.

Wir frühstücken. Es ist so leise ohne Kinder. Heute ist unser 11. Jahrestag. Wir beginnen den Pool aufzubauen, räumen noch ein bisschen auf. Ich stelle eine gefüllte gelbe Tulpe in Sichtweite auf die Fensterbank und denke an Ina May Gaskin und den Strauss sich öffnender Blumen.
Ich gehe noch kurz durch den Garten und staune, dass dieses Jahr wirklich alles zur gleichen Zeit blüht. Alle Nachbarn schlafen offenbar noch ihren Rausch vom Tanz in den Mai aus. Es ist so still. Dann wird mir die Frühlingsluft zu kühl. Wir haben Zeit und beschließen, dass wir auf natürlichem Wege etwas zur Zervixreifung unternehmen könnten – Sperma enthält doch Prostaglandine.
Jetzt ist es 9:15, ich wehe mit mal kürzeren, mal längeren Abständen, aber sie tun weh.
10:30: Ich lege mich aufs Sofa, schlafe auch noch mal ein und hab dabei eine größere Wehenpause bzw. nur 3 mäßig schmerzhafte Wehen, bis etwa 12 Uhr.
Ich koche schnell Nudeln mit Tomatensauce. Wir essen auf der Terrasse – bei Sonnenschein und leichter Brise. Jetzt fehlt nur noch der Meerblick.
Wir beschließen, spazieren zu gehen, um wieder Bewegung in die Sache zu bringen. Eine Runde durchs Dorf, Nachbars Magnolie blüht traumhaft schön. Einige Dörfler wundern sich, dass wir ohne Kinder unterwegs sind. Die Sonne scheint und wir überlegen uns, den Spaziergang noch auszudehnen. In den Wald.
Dort kommen die Wehen dann in Gang, regelmäßig, alle 5-6 Minuten. Ich kann noch gut laufen, aber bepusten muss ich die Wehen schon.

Um 14:30 kommen wir zurück nach Hause, mit 5-Minuten Abständen. Ich bin guter Dinge. Kaum drinnen, wieder längere Pausen. Ich frage mich, woran es liegt, befinde den Gedanken dann aber für blöd und verwerfe ihn. Ich schmiere meinen Bauch mit Geburtsöl ein, der Geruch erinnert mich an irgendwas aus der Veterinärmedizin oder doch eher Straßenbau?
Um 14:50 ne fiese Wehe – wir lassen Wasser in den Pool.
Um 15:15 bin ich im Wasser und beobachte, wie sich das Meersalz im Kissenbezug flott auflöst und bereue es, mir vor kurzem die Achseln rasiert zu haben.
Ich schaff es, in keiner Position auch nur ansatzweise, den Muttermund zu tasten. Ich kann mich verrenken wie ich will, ich komm nicht ran. Genauso wenig hab ich den Schleimpfropf zu Gesicht bekommen bzw. ne Zeichnungsblutung gehabt. Ich hab den Gedanken, dass da noch nicht viel Eröffnung geschafft sein könnte. Obwohl ich nicht recht dran glauben mag und denke trotzdem, dass es eine gute Idee ist, sich im warmen Wasser zu entspannen.
C. reicht mir ein Handtuch, was ich über die Körperstellen lege, die nicht von Wasser bedeckt sind.
Ich bin etwa 2 Stunden drin und „ziehe meine Bahnen“. Linke Seite, rechte Seite, Hocke, Vierfüßler, immer im Wechsel. Die Wehen kommen regelmäßig mit gut aushaltbarer Intensität. C. sitzt einen halben Meter vor mir, im Schaukelstuhl, strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Zwischendrin fallen ihm die Augen zu, er legt sich auf das Sofa, schläft auch noch mal. Eine Zeit lang läuft noch eine Doku über Wildtierschutz in Afrika im TV, was ganz gut ablenkt. Die Duftlampe beduftet das Wohnzimmer angenehm mit Entbindungsduft, die Tulpe auf der Fensterbank zeigt sich in voller Pracht. Was mein Muttermund macht, weiß ich immer noch nicht, auch jetzt komm ich nicht ran. Das einzige was passiert, ist, dass ich mit der Fummelei die nächste Wehe auslöse. Ich hab die Uhr im Blick, 4 Minuten, 4 Minuten, 5 Minuten, 3 Minuten, 8 Minuten,…
Das Telefon klingelt, Sohni ist dran. Er ist nervös, hat so oft gefragt, ob das Baby schon da ist. C. kann ihn beruhigen. Abends wird er noch Fieber bekommen und früh ins Bett gehen. Ich merke ein bisschen Anspannung, weil alle mit einem schnelleren Fortschritt zu rechnen scheinen, ich selbst nehme mich da nicht raus.
Um 16 Uhr marschiert Frau K., unsere Nachbarin, durch ihren Garten und sieht meinen aus dem Geburtspool ragenden Kopf hinterm Wohnzimmerfenster. Den Blick werde ich nicht vergessen. Ihr Kopf blieb quasi stehen, während ihr Körper weiter lief und man ihr ansah, wie sie sich fragte, was wir dort tun. Großartig.
C. massiert meinen Rücken, was mir sehr gut tut. Die Intensität der Wehen nimmt zu, ich bitte Männe, A. anzurufen. Sie hört mich im Hintergrund eine Wehe veratmen. Fragt, ob ich Kindsbewegungen fühle, was ich bejahe. Wir bleiben entspannt, beschließen, dass wir uns melden, wenn mir danach ist.
Das eigentlich für nachmittags bei Schwiegers geplante Waffelessen hat C. morgens abgesagt. Somit waren die informiert und prompt klingelt um 17:23 das Telefon. Schwiemu dran. Sie wolle mal hören, weil sie ja so nervös sei, ob die Hebamme schon da sei etc. C. teilt ihr, wie schon morgens, mit, dass ich Wehen hab und er sich wie bereits vereinbart melden wird, sobald es was zu vermelden gibt und ist stinksauer, dass man nicht mal mehr in Ruhe gebären darf. Ich hab daraufhin eine 20-minütige Wehenpause.
C. kippt mit dem Wasserkocher zwischendurch heißes Wasser nach.
Die nächste Wehe gegen 17:45 ist heftig. Ich will einen Muttermundsbefund – jetzt. Männe soll A. anrufen. Sie muss noch schnell was organisieren und will sich dann auf den Weg machen.
Ich bin ganz klar in der Übergangsphase angekommen. Es zieht bis zu den Knien, im Rücken, im Bauch. Ich muss ständig aufstoßen, was ich bei allen Kindern so hatte, und ich bin irgendwie in einer anderen Welt, weiß nicht mehr so recht, wohin mit mir.
Es kommt eine Hammerwehe. Ich liege gerade auf der rechten Seite im Pool. Ich jammere nicht, ich schreie auch nicht, aber ich atme so laut, dass C. sich beeindruckt zeigt. Eigentlich will ich: „Oh weia, die Wehen tun echt weh und ich weiß nicht, ob der Muttermund vollständig ist und ich weiß auch nicht, warum ich keinen Pressdrang habe und ich will auch nicht sinnlos gegen einen unvollständigen Muttermund pressen und überhaupt, ich will jetzt einen Muttermundsbefund“, sagen. Ein Bruchteil dessen kommt mit leichtem Unterton der Verzweiflung raus. In C. Gesicht sehe ich einen Hauch Hilflosigkeit.
Ich knie, liege, und mache und tue im Pool, die Wehen sind heftig. Ich spüre nach jeder Wehe Kindsbewegungen, merke, wie die Maus sich hin- und her dreht und versucht, sich richtig einzustellen. Ich stehe auf, weil ich wissen will, was passiert, wenn die Schwerkraft mehr wirken kann, hocke mich aber ganz schnell wieder hin. Im Wasser ist’s angenehmer. Ich knie im Wasser, lehne mich mit dem Oberkörper über den Rand, und beschließe, dass ich jetzt das tue, wonach mir ist, dass ich jetzt mitdrücke und bin mir in meinem Entschluss unheimlich sicher und völlig ohne Angst.
Nächste Wehe. „Jetzt rutsch endlich rein!“ Ich kann diese Wehen nicht mehr veratmen und tolerieren. Nächste Wehe, ich drücke mit. Vorsichtig, nur ein oder zwei Mal je Wehe. Der Kopf überwindet irgendwas im oberen Beckenbereich. C. guckt im Flur rum, ob A. kommt…
Nächste Wehe, ich veratme, will ihr Zeit lassen. Nächste Wehe, ich bin in halbaufrechter Rückenlage, C. ist im Flur, ich drücke, die Fruchtblase springt. Es fühlt sich an, als würde sich ein kleiner Wasserballon innerlich vorwölben und dann aufplatzen. „C., ich glaub die Fruchtblase ist gesprungen.“ Er kommt und guckt. Käseschmiereflöckchen im Poolwasser, er sieht das Fruchtwasser auch noch ausströmen. „Ja, das war die Fruchtblase.“
Nächste Wehe, ich drücke. Ich merke, wie sich mein Becken mit Kind füllt. Sie rutscht quasi von allein rein. „C., das Baby kommt. Kamera an und Handtuch her!“
Mein armes Männlein muss springen. Jetzt geht alles ganz schnell. Nächste Wehe, ich sitze halb aufrecht im Pool. Der Kopf kommt, ich merke ein minimales Brennen innerlich. Ich fasse hin. So weich! Der Kopf ist so wahnsinnig weich, ich fühle weiche Babyhaare.
Als C. am Poolrand steht und auch fühlt, ist der Kopf zur Hälfte geboren. Ich versuche langsam zu machen, lege meinen Kopf nach hinten auf den Poolrand, aber mein Körper macht ganz von alleine. Der Kopf kommt. Nächste Wehe. Ich drücke ein bisschen mit, die Schultern drehen sich und J. taucht auf. Mit offenen Augen und Mund sehe ich sie der Wasseroberfläche entgegen schwimmen. Die Welt steht still und es ist, als würde Mutter Natur auf uns herab blicken, wohlwollend mit dem Kopf nicken und „Gut gemacht, Tochter“, sagen. Ich hebe J. zügig aus dem Wasser. Sie ist bildhübsch und irgendwie ist mir klar, dass sie ein Mädchen ist, ein absolutes Mädchengesicht. „Hallo Baby, hey Baby.“ Wir heulen und reden wirres Zeug und staunen und freuen uns. C. guckt auf die Uhr: 18:33 Uhr. Wir decken sie mit Handtüchern zu, ich hebe ein Beinchen an, um nachzugucken. Tatsächlich ein Mädchen! Wir freuen uns riesig, unser Gefühl hat uns nicht getrügt. Sie schrie sofort, wurde schnell rosig und guckt mich mit großen Augen an. Willkommen in unserer Mitte J.! Interessehalber fühle ich an der Nabelschnur. Sie pulsiert kräftig.
C. ruft A. an. Sie kann sich Zeit lassen. Nach einer Weile wird’s dann doch etwas kalt im Pool. Ich steige aus, C. drapiert einige Handtücher aufs Sofa und ich setze mich mit der Maus hin. Nach ner Weile wird’s aber doch ungemütlich, wir legen uns. Die Nabelschnur reicht gerade so, dass sie an die Brust kommt. Sie saugt kräftig und beschert mir die ersten Nachwehen. Jede Bewegung an der Nabelschnur löst ebenfalls eine Nachwehe aus. Eine ganze Stunde nach der Geburt merke ich, dass die Plazenta raus möchte. C. holt eine Schüssel. Hintern hoch, sie kommt quasi von selbst. Wir stellen die Schüssel neben mir ab und C. guckt, ob ich irgendwelche Rissverletzungen habe. Nichts zu sehen. 5 Minuten später trifft A. ein. Sie hört sich erstmal unsere Story an und lässt sich anstecken von unserer Begeisterung. Sie beguckt J. und wir sind uns einig, dass sie etwas mehr wiegen wird, als ihre Geschwister. Wir entscheiden uns, die Nabelschnur am Kind möglichst lang zu lassen, damit Sohni am Tag drauf noch mal abnabeln kann. Er hatte sich das so gewünscht. C. nabelt ab. Wir begutachten die Plazenta. Etwas über 60cm lange Nabelschnur, die Plazenta hat einen Durchmesser von 17-18 cm und ist relativ dick. Keine Verkalkungen, keine Fetteinlagerungen, aber eine recht große Einblutung zwischen Chorion- und Amnionhülle. A. vermutet erst eine Nebenplazenta, unter Umständen vielleicht eine frühere Zwillingsschwangerschaft. Wir schneiden rein, aber es ist lediglich Blut drin zu finden, was auch recht frisch zu sein scheint. Also entweder kurz vor oder aber während der Geburt entstanden. Gefährlich hätte die wohl nicht werden können, weil es zwischen die Fruchthüllen blutete und nicht hinter die Plazenta, also keine Ablösegefahr. Mein Blutverlust ist so gering, dass A. nicht so recht weiß, was sie da überhaupt dokumentieren soll. Sie zupft ein winziges Stück von der Plazenta ab, was ich mit einem großen Schluck Wasser zu mir nehme.
Auch A. findet an mir keine Geburtsverletzungen. Ich ziehe mir was an, währenddessen kuschelt die Maus auf Papas Brust. Wir wiegen und messen sie. 3730g, 52cm, 34,5 KU.
Wir schauen uns gemeinsam das Geburtsvideo an. A. verkündet, dass sie eh nur dagestanden und „Machst du gut.“ gesagt hätte, wäre sie denn da gewesen und schenkt mir spontan den Geburtsort unserer J. – den Geburtspool.
So um 22 Uhr fährt A. nach Hause und wir gehen ins Bett. Die Kleine hat noch ein bisschen Mühe mit der Temperatur und ich ziehe ihr entgegen meiner Planungen was an. Die Nacht verbringt sie auf mir schlafend.

Vergleiche ich meine Geburten, kann ich nicht sagen, welche die einfachste war. Diese Geburt war nicht einfacher, als die anderen zwei, aber ganz anders. Ich bin daran gewachsen. Ich habe keine Verantwortung abgegeben, ich war die ganze Zeit voll da und konzentriert. Nie wieder würde ich freiwillig einen Teil der Geburt in die Hände anderer legen.
C. hat mich sehr überrascht. Er war total souverän und ruhig. Ich wusste, dass ich mich zu jeder Zeit auf ihn verlassen kann und so haben wir 11 Jahre nach dem ersten Kuss zusammen ein Kind geboren.

Mikas Geburt oder : Wie ein Traum zum Albtraum wurde… Teil 3

Im Folgenden der dritte und letzte Teil von Nancys Geburtsbericht:

Da liegt er: grün und blau gestochen, angeschlossen an Geräte, zig Schläuche an seinem kleinen Körper, 4 Tröpfe, die alle in mein Kind führen. Und eine MAGENSONDE! Ich bin schockiert. Ich fühle mich hintergangen und betrogen. Ich frage Sven, ob er irgendetwas unterschrieben hat. „Nein! Nur, dass sie ihn mitnehmen dürfen!“ Ich habe Schmerzen, muss mich setzen. Die Schwester bringt 2 Stühle. Dann kommt die Ärztin. Sie erklärt uns, dass Mika Blut abgenommen bekommen hätte und dass sie auf die Werte wartet, dass er vorsorglich Antibiotika bekommt. („Er ist ja sehr kalt geworden und außerdem sind bei so Hausgeburten ja immer sehr viele Keime im Spiel. Das wird solange gemacht, bis bewiesen ist, das keine Infektion vorliegt.“) Dass er Kochsalz und Zuckerlösung bekomme, um seinen Kreislauf zu stabilisieren und dass viele Babys das brauchen, um „einen Anschubs“ zu kriegen und in Gang zu kommen. Die Magensonde kann sie nicht wirklich erklären. Sie sagt, dass es zur Kontrolle ist, ob er Fruchtwasser geschluckt habe. Wenn das sehr viel wäre, müsste man es raussaugen. Ich sitze da und nicke. Ich bin bestürzt, lasse mir das aber nicht anmerken. Dann frage ich, warum mein Kind denn nun so blau ist, denn das ist der einzige Grund, warum er hier ist. „Das ist nur eine Stauung, harmlos und ungefährlich. Man muss das nur überwachen, um Hirnblutungen auszuschließen.“

Die Ärztin fragt mich, ob ich schon ein Zimmer hätte. Ich verneine und sage ihr, dass ich den Kleinen gern mit nach Hause nehmen möchte. Sie sieht mich entgeistert an, sagt erstmal nichts und meint dann, dass sie jetzt aber erstmal zutun hätte und erst später Zeit hätte für die Untersuchungen, die noch gemacht werden müssen. „Wir müssen ja noch den Ultraschall vom Kopf machen, das ist sehr wichtig. Und auf die Blutwerte müssen Sie eh erstmal warten.“

Ich stimme zu und frage meinen Mann, ob er Mittag essen gehen will. Er bejaht und wir beschließen, gemeinsam etwas essen zu gehen. Es muss etwa 14 oder 15 Uhr gewesen sein. Der Weg von der Station zur Kantine ist weit. Wir essen Mittag, essen Eis und sitzen in der Sonne. Es sind heiße 37° an diesem Tag. Ich merke, wie das ganze Gerenne mir zu schaffen macht. Ich habe Schmerzen … Aber ich muss zu meinem Kind. In der Lobby fällt mir ein, dass Sven die Babyschale holen muss. Er geht zum Auto und holt die Klamotten und den Sitz. Ich bleibe währenddessen in der Lobby und warte. Ich setze mich auf eine Bank, als es mich wie ein Blitz durchfährt. SCHMERZ! Aua … ich krümme mich, stehe auf, setze mich wieder. Aua aua aua… Wo bleibt nur Sven? Stechende Schmerzen. Ich versuche, mich zusammen zu reißen.

Endlich kommt Sven wieder. Ich lasse mir nichts anmerken. Er hat Babyschale und Sachen. Wir gehen zurück auf die Station. Ich suche eine Toilette, beeile mich. Ich will zu Mika. Im Bad nehme ich die Riesen-Vorlage bei Seite. Alles ist dunkelrot, voller Blut. Ich setze mich und versuche, während des Schmerzes loszulassen. Eine riesen Lache Blut fließt aus mir ins Toilettenbecken. Es tut weh. Ich bleibe mit geschlossenen Augen sitzen und versuche, den Schmerz zu veratmen. Es gelingt mir nur bedingt. Endlich ist es vorbei. Ich will aufstehen, blute dabei das ganze Bad voll. Meine Vorlage ist dunkelrot. Ich werfe sie eingepackt in den Müll und lege meinen Slip mit dicken Lagen Toilettenpapier aus. Wir hatten ja an alles gedacht, nur nicht an mich, nicht an Vorlagen für die frisch entbundene Mutter. Traurig eigentlich …

Zurück auf der Station gehen wir zu Mika. Es ist niemand im Zimmer. Ich streichle mein Baby durch die Klappe des Inkubators und rede mit ihm. Ich sage ihm, dass ich ihn mit nach Hause nehmen werde. Doch nach einer Weile muss ich mich wieder setzen. Die Schmerzen kommen wieder. Es vergehen Stunden. Bei Mika im Zimmer liegt ein sehr sehr kleines Frühchen, um das sich die Schwester sehr engagiert kümmert. Es weint und es zerreißt mich, das zu hören. Mika will in der Zeit, in der wir einfach sitzen und warten, mehrmals anfangen zu weinen. Jedes Mal stehe ich schnell auf, streichle über seine Wange und rede mit ihm. Er lauscht und schläft jedes Mal rasch wieder ein. Das war für mich der Beweis, dass er sehr genau gemerkt hat, dass ich da bin, dass es sehr wohl hilft, mit seinem Baby zu sprechen und es zu liebkosen, auch wenn die Ärzte meinen, dass Ruhe am besten wäre.

Als die Schwester aus dem Zimmer geht, lese ich Mika’s Kranken-Kurve. Alles normal. Super Temperatur, keinerlei Krankheitszeichen. Wieso auch? Dann sehe ich seine Werte! WOW! 57cm, 4698g, Kopfumfang 37cm … Ich kann es nicht fassen! So groß kam er mir gar nicht vor! Ich zeige es Sven, der stolz wie Bolle die Brust schwellt und sagt, dass der kleine große Mann ganz der Papa ist. Er bekommt das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht.

Mika - gesund und verkabelt

Ich sage nun auch Sven, dass ich Mika mitnehmen werde. Er schaut mich an und sagt: „Du wirst das Richtige tun! Wäre es gefährlich, würdest du es ja bestimmt nicht riskieren, ihn dieser Gefahr auszusetzen. Außerdem hat die Ärztin ja ganz locker reagiert, also wird es nicht so schlimm sein.“ Er vertraute mir. Er wusste, dass ich viel gelesen hab und er weiß auch, dass ich nicht auf den Kopf gefallen bin. Ich würde unser Kind nie absichtlich in Gefahr bringen. Gutes Gefühl! Ich erklärte ihm, dass uns die Ärztin ganz sicher noch über möglich Komplikationen aufklären wird und dass er darauf gefasst sein soll. Ich werde Mika trotzdem mitnehmen, auch wenn sie die Horror-Geschichten auspacken. Ich hoffte sehr, dass Sven mir beisteht, wenn das Gespräch mit der Ärztin losginge …

Wir warten. Es kommt mir ewig vor. Zwischendurch versuchen Sanitäter und Pfleger, eine Fledermaus zu fangen, die auf der Station umher fliegt. Sie lachen und sind froh. Wir warten. Irgendwann, etwa gegen 16Uhr, kommt die Ärztin. Sie fragt: „Und sie wollen ihren Sohn wirklich mitnehmen, ja?“ Ich nicke: „Sie haben gesagt, die Stauung ist nicht gefährlich und die Verfärbung ist harmlos. Deswegen sollte er kontrolliert werden.“ Sie beginnt, wie ich es ahnte, mit den Horrorgeschichten. Wiederholt fällt das Wort Hirnblutung. „Auch eine Infektion ist seeeeehr wahrscheinlich. Bis Sie das als Mutter merken, kann es zu spät sein! Was machen Sie, wenn es ihm schlechter geht?“ Ich antworte, dass eine Hebamme zur Kontrolle kommen wird und dass ich, sollte irgendetwas sein, sofort wieder in die Klinik gehen werde. „Ja, aber Sie wissen ja, das Schwedt keine Kinderklinik hat und wir sind nun schon einmal wegen Ihnen diesen Weg gefahren! Erwarten Sie wirklich, dass wir wegen ihres Leichtsinns nochmals kommen? Ich finde, dass Sie äußerst unverantwortlich sind, wenn sie ihr Kind jetzt mitnehmen.“ Ich schaue zu Boden … ich fühle mich elend. Sven sagt kein Wort. Ich sehe die Ärztin wieder an und betone, dass ich Mika trotzdem mitnehmen werde. „Und dann dieses Wetter! Es ist so warm da draußen und da wollen sie mit einem frisch geborenem Säugling in der Hitze Auto fahren?“ Sie schüttelt mit dem Kopf. Ich kann nicht klar denken, bekomme ein schlechtes Gewissen. Erst Wochen später fällt mir auf, dass Mika auf der Station in einem Wärmebettchen lag, dass auf konstant 37° gehalten wurde. Als wir losfuhren, waren es noch 30° …
Eine Horror-Geschichte verfolgt die nächste. „So dicke Kinder bekommen auch schnell mal eine Gelbsucht! Das muss kontrolliert werden!“ Ich wiederhole, dass ich eine Hebamme habe und auch zur U2 den Arzt aufsuchen werde. „Da kann es schon zu spät sein! Ich weiß ja, dass Sie sich wohl alles etwas anders vorgestellt haben, aber jetzt ihren Kopf hier durchzudrücken, ist sehr verantwortungslos!“ Da war es wieder, dieses Wort. Sven muss gedacht haben, ich bin bescheuert, aber er sagt nichts. Hört sich nur alles an.

Irgendwann sagt die Ärztin: „Gut, ich muss noch mal kurz weg. Ich komme aber wieder, dann machen wir den Ultraschall am Kopf. Ich sage Ihnen aber gleich, dass wir, wenn wir Sie gehen lassen, noch einen Bluttest machen müssen! Ohne den darf ich Sie hier nicht rauslassen! Der wird zwar eigentlich nach 3 Tagen erst gemacht, aber da Sie ja gehen wollen, machen wir ihn gleich. Auswertbar wird er dann nicht sein und die Hebamme muss ihn nach 3 Tagen wiederholen.“ Ich bin verwundert, aber eingeschüchtert und wie gelähmt. Sie hält mir einen Zettel vor: „Das müssen Sie unterschreiben, wenn Sie gehen wollen.“ Ich unterschreibe. „Warum wollen Sie ihn denn unbedingt mitnehmen?“ Ich antworte mit gesenktem Kopf: „Weil ich finde, das ein Baby zur Mama gehört und nicht allein in einen Brutkasten!“

Die Ärztin geht. Wir sind allein. Ich beruhige Sven. „Sie müssen das alles sagen, um sich abzusichern.“ Er vertraut mir. Kurze Zeit später kommt die Schwester mit einer Milchflasche ins Zimmer und geht zu Mika. Sie geht an die Magensonde, zieht mit einer Spritze daran. Es erscheint klare Flüssigkeit. Sie erklärt mir, dass das ok sei und spritzt die Flüssigkeit zurück. Ich sitze wie gelähmt, als sie zu Mika geht und ihm die Flasche in den Mund steckt. Ich sehe Sven an und sage: „Nein, oh nein…“ Mehr schaffe ich nicht. Ich wehre mich nicht mehr. Ich lasse es geschehen. Ich kann nicht mehr kämpfen. Das Gespräch mit der Ärztin hat viel Kraft gekostet. Ich bin kein Mensch, der gut gegenhalten kann. Ich bin eher wie ein angeschossenes Reh und gehe Diskussionen aus dem Weg. Erstaunlich, dass ich es bei der Ärztin geschafft habe, standhaft zu bleiben.
So bekommt Mika als erste Nahrung in seinem Leben nicht meine gute Muttermilch, sondern Flaschenmilch. Ich bin traurig, halte aber die Tränen zurück. Die Schwester freut sich. „Er hat alles ausgetrunken! Die ganzen 70ml!“ Ich bin fassungslos! 70ml? In den kleinen Magen? Wie soll er dann demnächst von meiner Vormilch satt werden? Ich drehe den Kopf zu Seite, als sie mich ansieht. Warum tut man so etwas? Die Mutter sitzt stundenlang neben ihrem Baby, voll gefüllt mit Hormonen. Nichts hätte ich lieber getan, als Mika zu stillen. Meine Brüste waren prall gefüllt. Ich hatte schon seit Wochen Vormilch, das so wertvolle Kolostrum. Stattdessen muss ich mit ansehen, wie mein Kind eine Flasche bekommt. Aber er hatte noch die Schläuche überall. Es wäre wohl zuviel Aufwand gewesen, ihn mir zu geben. Sein Hunger nach Nahrung war gestillt, der nach Nähe noch immer nicht. Die Schwester fragt, wo unser Zimmer ist. Ich antworte, dass wir nur noch auf die Ärztin warten und Mika dann mitnehmen. Sie ist erstaunt, aber weiterhin freundlich und freut sich sogar irgendwie für uns. Zumindest fühlt es sich so an. Sie geht kurz, kommt dann wieder und sagt, dass sie ihm dann schon mal die Magensonde zieht und die Zugänge entfernt. Das freut mich. Endlich geht es vorwärts.

Sie zieht die Nadeln, zieht die Sonde. Mika weint, lässt sich aber schnell beruhigen. Die Schwester ist sehr liebevoll mit ihm, streichelt über die Fontanelle. Die Ärztin kommt und ordnet die Schwester an, den besagten Bluttest zu machen. Die Schwester ist verdutzt. „Den kann man erst nach 3 Tagen machen. Sonst ist er eh nicht auswertbar und wir bekommen nur den roten Zettel!“ „Der Test wird trotzdem gemacht. Ich muss mich hier auch ein wenig absichern!“, entgegnet die Ärztin und geht wieder. Die Schwester schaut traurig und schüttelt den Kopf. „Tja, kleiner Mann … dann muss ich dich jetzt noch mal stechen..“ Ich gehe näher heran und rede mit meinem Kind. Sie sticht in den bereits lila-blauen Fuß. Mika schreit. Die Schwester drückt und drückt. Es will nichts kommen. Mika’s Stimme beginnt zu zittern. Er schreit aus voller Kraft und die Tränen laufen sein Gesicht herunter. Ich fange wieder an zu weinen, gehe zu Mika und streichle ihn, sage immer: „Ist gut, mein Schatz, gleich ist es vorbei.“ Meine Tränen fallen auf den Wickeltisch und auch auf mein Kind. Ich sehe nichts mehr, höre ihn nur schreien, verzweifelt schreien. Es kommt nicht genug Blut. „Die Schwester schaut traurig, sagt leise: „So ein Schwachsinn…“ und sticht in den anderen kleinen Fuß. Mika versucht zu zappeln, er schreit verzweifelt. Es bringt mich fast um. Mein Herz tut mir weh! Im wahrsten Sinne. Ich kann kaum Luft holen. Mein armes Baby schreit um Hilfe –
laut, wimmernd, verzweifelt – und ich darf ihm nicht helfen. Einer der vielen Momente, die mir als die schrecklichsten in Erinnerung bleiben.

Irgendwann ist sie endlich fertig. „Sie können ihn jetzt anziehen.“ Ich hole seine Sachen, kann kaum etwas sehen. Mika weint noch immer, während ich ihn behutsam anziehe und mit ihm rede. Ich überlege, ob ich ihm einen Body unterziehe oder nur den dünnen Pullover+Strampler. Die Schwester meint richtiger Weise, dass ein Body nicht nötig wäre. Ich stimme zu und ziehe Mika langsam an, während ich ihn immer wieder liebkose und sage: „Mama ist ja da.“ Er wimmert. Als ich fertig bin, schlägt die Schwester vor, ihn zu stillen. Eine phantastische Idee. Ich gehe zum Stuhl und stille, zwischen all diesen Geräten, zum ersten Mal mein Baby. Er saugt sofort kräftig, beruhigt sich endlich und schläft sanft auf meinem Arm ein.

Die Ärztin kommt wieder, als die meisten Tränen getrocknet sind. Sie will den Ultraschall machen. Ich setze mich mit Mika auf die Liege. Sie schickt mich weg und beginnt zu schallen. Große Stille und Angespanntheit füllen den Raum. Nach etwa 10 Minuten beginnt sie zu reden. „Ja, also ich hab hier was gefunden. Das KÖNNTE eine Blutung sein.“ Ich bitte sie, mir diese „Blutung“ zu zeigen. In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass sich Flüssigkeiten im Ultraschall immer als schwarze Flächen darstellen. Was sie mir zeigt, sieht anders aus. „Ich zeige ihnen mal die eine Seite des Hirns. Da sehen sie diese weiße Linie. Auf dieser Seite ist die Aussackung dieser Linie so, wie sie sein muss. Wenn ich nun auf der anderen Seite schaue, sehe sie, dass die Linie weiter ausgestülpt ist. Sie geht also etwas weiter nach außen. Sehen Sie das?“ Ich sehe es. Es ist minimal, was sie mir auch bestätigt. Sofort geht mir durch den Kopf, das 2 Hälften eines Menschen NIE gleich groß sind. Seien es Arme, Beine, Brüste oder Augen – es ist immer unterschiedlich. Wieso sollte das beim Hirn anders sein? Ich frage, was denn getan wird, wenn es eine Blutung wäre. Sie druckst umher, antwortet schließlich, dass es engmaschig überwacht würde. Ich höre heraus, dass aktiv nichts getan werden würde, bis sich Komplikationen äußern. Sie fragt, ob wir immer noch gehen wollen. Ich bejahe das. Sie weißt mich nochmals darauf hin, dass Krampfanfälle, schnell steigendes Fieber, schlimme Gelbsucht usw. zu erwarten wären und dass ich reagieren müsse, wenn mir etwas davon auffällt. Ich nicke.

Sie geht, um endlich die Entlassungspapiere fertig zu machen. Wir warten – wieder einmal! Nach etwa einer 3/4h kommt sie wieder, gibt uns den Brief und wünscht uns „trotzdem“ alles Gute. Die Schwester kommt auch, um sich zu verabschieden, und wünscht ebenfalls alles Gute „für den kleinen Dicken“.

Ich packe Mika behutsam in die Babyschale. Er schläft friedlich. Wir verlassen die Station. Ich fühle mich, als würde ich einen Krieg hinter mir lassen. Es fällt eine Last und so viel Anspannung von mir ab, dass ich mich einfach nur erleichtert fühle, als wir beim Auto ankommen. Wir schnallen Mika an. Ich bleibe hinten bei ihm sitzen. Wir fahren nach Hause. Endlich! Unterwegs rufe ich meine Hebamme an. Es meldet sich der Anrufbeantworter. Ich schildere kurz, was geschehen ist und bitte um Rückruf. Sven telefoniert danach noch mit meinen und seinen Eltern. Sie möchten den Kleinen noch kurz sehen und fragen, ob sie, nur ganz kurz, gucken kommen dürfen. Ich stimme zu. Mir ist alles egal! Ich bin einfach nur froh, wenn wir zuhause sind – in Sicherheit!

Zuhause angekommen, gehe ich mit Mika auf die Couch. Hier, wo am Morgen der Horror begann, erinnert nur ein kleiner Blutfleck auf der Decke daran, welch psychische Folter hier für mich stattgefunden hat. Sven ist wie von Sinnen. Kaum zuhause angekommen, räumt er alle Kerzen, alle Unterlagen, alles, was an die Geburt erinnert, sofort weg. Das Bad, der Ort an dem ich mein Kind bekommen hab, ich hätte es gern in Ruhe nochmals betrachtet, so wie es war. Doch Sven war wie fremdgesteuert. Alle Unterlagen, jeder kleine Blutfleck, alles wurde sofort, zusammen mit meinem rosa Krankenhaus-Leibchen entsorgt. Sogar die Bad-Matte mit den kleinen, ausgestanzten Löchern flog umgehend nach draußen. „Die ist auch schmutzig, die kann weg!“ Ich verneine. „Die wird sauber gemacht und kommt wieder hier ins Bad!“ „Ja??“ – „JA!!!“ So zieht die Matte dann doch nach ein paar Tagen wieder ins Bad. Grundgereinigt. Was mir bleibt, ist ein winzig kleiner Blut-Fleck am Rande des Teppichs, der an den magischen Moment der Geburt erinnert.

Svens Eltern treffen mit der großen Schwester ein. Ich sitze im Wohnzimmer. Felia ist stolz wie verrückt. Sie küsst und streichelt ihren kleinen Bruder. Die Eltern meines Mannes schießen Fotos und freuen sich, dass es uns „gut“ geht. Die erste Freude, die erste Regung von ihrer Seite seit der gesamten Schwangerschaft. Ich freue mich darüber sehr. Dann treffen auch meine Eltern ein. Meine Mutter fällt mir um den Hals und weint. „Ich bin so stolz auf dich, Nancy! Das hast du gut gemacht!“ Ich erzähle, dass die Krankenhausnummer nicht hätte sein müssen. Doch alle sind einstimmig der Meinung: „Ist doch gut, dass alles kontrolliert wurde und er gesund ist!“ Ich sage nichts weiter, bin nur traurig. Erst später, als sie alle Teile der Geschichte kennt, ändert meine Mutter ihre Meinung und kann es, wie ich, überhaupt nicht verstehen, warum all das mit uns gemacht wurde. Am Abend ruft meine Hebamme an. Ich erzähle ihr alles. Sie fragt, warum nicht angerufen wurde. Mir fehlt die Erklärung. Ich weiß es nicht. Sie meint, dass sie soweit für Nachbetreuungen nicht fährt – eigentlich. Ich sage ihr, dass ich hier niemand anderes mehr haben will und biete an, einen Teil der Fahrtkosten zu übernehmen. Sie stimmt erstmal für den nächsten Tag zu … und betreut mich dann doch, bis das frühe Wochenbett vorüber ist.

Der Tag neigt sich dem Ende. Ich stille Mika und wir gehen geschafft ins Bett. Als es zuhause still wird, wird Mika unruhig. Die ersten Nächte waren furchtbar. Er schrie aus dem Schlaf heraus sehr oft auf und weinte fürchterlich. Er muss schlimme Albträume gehabt haben. Auch entwickelte er sich nach einigen Wochen zum Schrei-Baby. Ich telefonierte mit der Vorsitzenden von Greenbirth.e.V., die mir erklärte, dass auch er, der noch nicht sprechen kann, seine Gefühle und Ängste mitteilen will. Das leuchtete ein. Ich solle ihm sagen, dass es mir leid tut, dass er alleine solche Dinge durchstehen musste und dann solle ich es zulassen, dass er schreit, ihm zuhören. Das tat ich und jedes Mal versicherte ich ihm, dass ich ihn nie wieder so allein lassen werde. Es wurde besser bei ihm, bei mir wurde es schlimmer! Jeden Abend, wenn er schlief und ich ihn ansah, bekam ich das große Heulen. Ich konnte nicht an mich halten! Jeden, wirklich jeden Abend lag ich weinend im Bett neben meinem Kind und flüsterte ihm zu, wie leid mir alles tut.
Bis er 4 Monate alt war, schlief Mika nur auf meinem Arm ein. Bis heute, 9 Monate später, ist er sehr viel anhänglicher, als meine beiden Töchter es waren. Ich darf den Raum nicht ohne ihn verlassen, sonst weint er sofort dicke Tränen. Ich stille ihn jeden Abend in den Schlaf. Er braucht das.

Wäre er ein anderes Kind, wenn alles etwas anders verlaufen wäre? Ich weiß es nicht! Ich weiß aber, dass es mich verändert hat! Als meine Hebamme ihn zum ersten Mal sah, sagte sie sofort, dass er ein gesundes Kind ist. Er bekam weder Gelbsucht, noch Krampfanfälle oder eine Infektion. Hätte er eine bekommen, dann ganz sicher nicht durch die „Hausgeburts-Keime“, sondern weil man ihn auskühlen lassen hat und alle 4 Gliedmaßen zerstochen hat, bis sie grün-blau-lila leuchteten.

Folgend noch der versprochene Entlassungsbrief, mit dem ich nach Hause fuhr. Er lässt nur erahnen, was für eine egoistische Rabenmutter ich war und bin. Die U2 war ein Spießrutenlauf sondergleichen und nochmals schwer und sehr erniedrigend für mich. Danach waren wir nicht mehr beim Arzt und es geht uns blendend … endlich geht es uns blendend!

Hauptdiagnose: Hypertrophes, reifes Neugeborenes
Respiratorische Anpassungsstörung
V.a. (Verdacht auf) NG-Infektion
V.a. IVH I-II rechts (intraventrikuläre Hirnblutung rechts)

Anamnese:

Um 7 Uhr Ungeplante Hausgeburt (LÜGE!!). Rasche Entwicklung des hypertrophen Kindes in 20 Min. FW klar. Kind postnatal wenig geschrien und schlaff, Schaum vorm Mund (??? Ich erzählte, das Fruchtwasser schaumig aus dem Mund trat) Nach Stimulation unregelmäßiges Schreien und livide Verfärbung. Ruf des Notarztes. Abnabelung nach 20 Minuten durch den Sanitäter. Bei Eintreffen des Notarztes schlappes, livide verfärbtes Kind, nach Stimulation jedoch kräftiges Schreien bei weiter anhaltender zyanotischer Hautverfärbung. Sättigung nicht ableitbar wegen mangelndem Kindersensor. Unbefriedigende Beatmung mit Beutel (???) mit O2 Zufuhr. Kontaktaufnahme mit unserem neonatologischen Team. Vereinbarung Anlage eines Rachen-CPAP und ggf. Bebeutelung über CPAP, Transport ins naheliegende Krankenhaus Schwedt zur weiteren Versorgung, sowie dortige Übernahme durch uns.
Bei Aufnahme in der Klinik gestresstes Kind mit kühler Peripherie. Temperatur 35,4° ( :'( ) Blutentnahme, dabei pH 7,13, pCO2 82,7, BE – 7,3 , BZ 4,1, Sao2

Mikas Geburt oder : Wie ein Traum zum Albtraum wurde… Teil 2

Im Folgenden Teil 2 von Nancys Geburtsbericht:

Keiner sieht nach mir … alle sind bereits im Rettungswagen. Ich eile hinterher, soweit mir das eben möglich ist. Ich bin blutverschmiert an den Beinen und ich blute natürlich noch immer. Ich greife mir eine Unterlage und benutze sie als Vorlage. Die Nabelschnur hängt aus mir heraus … sie hängt zwischen meinen Beinen. Ich gehe vor die Tür. Wie ich in meinen Bademantel gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Ich wollte nur noch meinem Baby hinterher. Also schleppte ich mich mit aus mir hängender Nabelschnur allein zum Rettungswagen. Die Nachbarn standen am Fenster. Das Blut lief meine Beine runter und ich versuchte krampfhaft, meine Vorlage festzuhalten, den Bademantel zuzuhalten. Es war so demütigend, mich so da hinterher hinken zu lassen. Endlich komme ich an. Ich steige mühsam ein, keiner hilft mir, und erhalte die Anweisung, mich auf die Trage zu legen. Ich brülle Sven zu, dass er zusehen soll, dass er in den Rettungswagen kommt, damit er mitfahren kann. Dann versuche ich, auf die Trage zu kommen. Der Fahrer hilft mir dann – kein Sani oder Arzt – der Fahrer!

Sie schnallen mich fest. Der Arzt hantiert mit meinem nackten Mika umher. Ich erlebe alles, als würde ein ganz schlechter Film vor mir ablaufen. Ich versuche, mein immer kälter werdendes Baby mit dem Moltontuch, das an seinem Rücken liegt, zuzudecken. Der Arzt dreht sich weiter weg. Ich komme nicht mehr dran. Wir fahren los. Im Fenster des Sani-Wagens sehe ich meine gesamte Nachbarschaft an den Fenstern und Türen stehen. Meine Gedanken spielen verrückt: „Wie demütigend … sie haben mich halbnackt … mit Nabelschnur zwischen den Beinen … egal! Hauptsache Mika geht’s gut … Sie werden dafür sorgen, dass es ihm gut geht!“ Ich versuche, mir das einzureden. Wieder und wieder versuche ich, an mein Kind zu kommen. Der Arzt telefoniert mit dem Kinderarzt aus Eberswalde. In Schwedt hatte die Kinderklinik gerade geschlossen, so musste ein „Spezialist“ von woanders anrücken. Der Arzt ordert also Hilfe an. Ich bekomme mit, dass sich die Ärztin auf den Weg macht.

Der Arzt benötigt dann wohl beide Hände. Endlich gibt er mir meinen Sohn. Er ist erschreckend kalt! Ich lege ihn auf meine Brust unter meinen Bademantel und umfasse seine eiskalten Füße mit meinen Händen. Er liegt ganz ruhig … kein Mucks, nur seine Füße kreisen in meinen Händen. Der Arzt telefoniert noch immer. Die Sanitäterin deckt uns endlich mit der Silber-Decke zu. Mein armes Kind … ich will ihn wärmen. Der Arzt sagt mir, ich müsse ihn ruckeln und animieren. Ich sage ihm, dass ich doch die Bewegungen spüre und dass ich merke, das mein Sohn da ist. Er sieht mich an und ermahnt mich, sofort Bescheid zu geben, wenn er sich nicht mehr rührt. Dann telefoniert er weiter. Ich soll Mika Sauerstoff vor die Nase halten. Ich tue es … in meinem Kopf rattert es. Sauerstoff – das ist doch eigentlich nicht gut, wenn jemand selbstständig atmet?! Aber mein Kopf schaltet erneut ab. Ich tue, was mir gesagt wird – mit einem miserablen Gefühl, verurteilt zu werden, wenn ich es nicht tue. Es wird weiter telefoniert. Ich konzentriere mich aber auf Mika. Nur beiläufig höre ich Worte wie „levide Verfärbungen im Gesicht und an den Gliedmaßen“ und plötzlich fällt das Wort TUBUS! Ich erschrecke, sehe den Arzt an. Er sucht den von der Ärztin beschriebenen Kindertubus. Ich halte Mika fest … ganz fest! Der Arzt sieht mich an und sagt: „Ich werde ihr Kind NICHT intubieren! Der Tubus ist aber kleiner und wir können ihn direkter in die Nase halten. Hören Sie, ich werde ihr Kind nicht intubieren!“ Ich bin erleichtert … wenn mir auch dieser Sauerstoff nicht geheuer ist.

Wir fahren eine Strecke von 20km. Ich habe Schmerzen, immer mal wieder. Es werden die Nachwehen sein. Keiner fragt nach mir. Kurz vor Schwedt werden die Schmerzen sehr sehr heftig. Ich muss mich zusammen reißen! Ich darf nicht jammern! Ich will doch nicht, dass sie mir Mika wieder weg nehmen. Ich versuche, mich unauffällig zu krümmen, presse die Lippen zusammen. Es tut so weh. Ich kann nicht anders, ich muss es rauslassen. Mein leises, unterdrücktes Schmerzstöhnen überhört der Arzt (zum Glück?!). Er ist mit dem Telefon beschäftigt.

Wir kommen in der Klinik an. Der Rettungswagen öffnet sich. Wir werden mit der Trage rausgezogen und in die Rettungsstelle gefahren. Ich sehe viele Gesichter. Haufenweise Klinikpersonal hat sich versammelt. Sie entreißen mir mein Baby. Ich versuche, ihn festzuhalten, aber sie nehmen ihn mit Gewalt an sich. Sofort werde ich weiter geschoben, erhalte während dessen die Info, dass ich auf die Gyn muss und mein Baby gleich hier unten versorgt würde. Auch die Eberswalder werden gleich da sein. Ich suche Sven in den Menschenmassen. Ich brülle ihm zu, dass er bei Mika bleiben soll! „Egal, was passiert – du bleibt bei ihm! Pass auf ihn auf!“ Dann fahren sie mich weg. Ich höre beim Wegschieben „Och, der is doch nur’n bissl gestaut!“ Und die Kinderärztin, die brüllt, dass sie einen Inkubator haben will … SOFORT!

Twei männliche Ärzte schieben mich auf die Gyn in den Kreißsaal. Sie reißen die Decke weg und fummeln zwischen meinen Beinen umher. „Wann war die Geburt?“ „Um Sieben“, antworte ich. „Legen sie sich bitte auf das Bett.“ Ich tue, was sie sagen. Das Liegen ist sehr unangenehm. Ich möchte nicht liegen, ich möchte aufstehen, hocken … irgendwas. Ich darf nicht. Ein Arzt drückt auf meinen Bauch, der andere zieht an der Nabelschnur. Sie entreißen mir die Plazenta. Es tut höllisch weh! Ich weine. So kannte ich das nicht … das war doch immer schmerzlos?! Anschließend stecken beide Ärzte ihre Finger in mich. Ich weine, schreie laut „AUUAAA!“ Es interessiert keinen. Ich fühle mich ausgeliefert, hilflos.

Plötzlich habe ich eine Spritze im Arm. „Was ist das?“, frage ich. „Das ist, damit sich die Gebärmutter ordentlich zurückbildet.“ Ich sehe auf den Boden und sage: „Das tut sie aber auch ohne das Zeug…“ Nochmals werde ich, ohne Einwilligung, vaginal untersucht. Sie wischen an meiner Scheide umher. Es brennt, es tut höllisch weh. Dann, nochmals, stecken sie Finger und „Werkzeuge“ in mich. Ich kneife die Augen zu … es hilft nicht. Ich schreie. „Auuuuahahahaha…“ „Wir müssen schauen, ob Sie Verletzungen haben!“ Ich weine, drehe den Kopf zur Seite. Resignation. Ich merke, wie mein Körper versucht, dem zu entgehen, er „schaltet ab“. Ich bekomme nicht mehr viel mit bis es vorbei ist. Sie geben mir ein rosa Krankenhaushemdchen. Ich ziehe es über und falle zurück ins Bett.

Die Hebamme, die mit bei Mika war als wir ankamen, kommt in den Kreißsaal. Ich frage, wie es dem Kleinen geht. Sie sieht mich an und sagt: „Wie soll’s ihm schon gehen? Soweit erstmal ganz gut.“ Sie sagt mir, dass sie jetzt mit mir den Papierkram ausfüllen muss. Sie stellt mir Fragen, viele Fragen. Ich antworte. Dann fragt sie, ob ich eine Hebamme hätte. Ich sage ihr den Namen. Da sieht sie mich vorwurfsvoll an und sagte: „Eine geplante Hausgeburt?“ „Ja!“ „Na ja … ich sag dazu nichts! Das hätte die Kollegin ja wissen müssen, dass bei einer Drittgebährenden die Sache schneller gehen kann!“ Ich erwidere: „Ja, das wusste sie auch! Deswegen gab sie mir gute Anweisungen, was wann zutun ist und wie ich mein Kind sicher bekommen kann. Wir hätten nur nicht den Notarzt rufen dürfen…“ Sie schüttelte den Kopf.

Einer der Ärzte kommt wieder. Er sagt mir, dass ich nun einen Zugang gelegt bekomme, weil die Plazenta „so lange“ nicht gekommen ist. Ich lehne ab. „Sie möchten das also nicht?“ Ich schüttele den Kopf. „Gut, dann notiere ich das so!“ Er geht zu der Hebamme und sagt: „Sie möchte das nicht – notieren Sie das bitte. Ich übernehme dafür keine Verantwortung!“ Der andere Arzt rennt umher. Ich sage ihm, dass ich die Plazenta mitnehmen möchte. Er schaut mich verdutzt an. Dann sieht er zur Hebamme. Die nickt und sagt in abwertendem Ton: „Ja, kann se mitnehmen!“

Dann werde ich allein gelassen. Lange kümmert sich keiner um mich. Ich bin allein – gefühlt eine Ewigkeit. Ich will zu meinem Baby! Ich weine und sehe auf die Uhr. Es ist fast Neun! Ich fange an, wie ein Kind zu heulen und wiederhole immer wieder den Satz: „Das ist nur ein Traum, Nancy, das ist nur ein Traum. Ein ganz schrecklicher Traum!“ Doch es ist keiner. Eine Schwesternschülerin, die auch bei meiner Aufnahme dabei war, kommt herein und fragt, wie es mir geht. „Ich will zu meinem Baby!“ Sie sagt nichts, versichert mir nur, dass sich um Mika gekümmert wird und geht wieder.

Ich sitze auf dem Kreisbett. Ich kann nicht liegen. Ich sehe meine Beine an. All das Blut ist fest angetrocknet. Ich sehe aus, wie einer dieser Zombies aus den Hollywood-Filmen. Tränen laufen, es folgt weiteres Warten … allein.

Die Kinderärztin kommt! Ich kenne Sie. Gott sei Dank, ein vertrautes Gesicht. Ich frage sie, wie es Mika geht. Sie sagt, dass er erstmal wohlauf ist. Sie fragt mich nach der Geburt. Ich schildere ihr alles und sie notiert. Kurzer Smalltalk, weil wir uns von früher kennen. Dann zurück zum Thema. Sie sagt, dass die Werte erstmal stabil sind und dass nun das Team aus Eberwalde da ist und übernommen hat. Sie wollen den Kleinen mitnehmen und seine Werte kontrollieren. Ich löchere sie, wie denn die Werte sind. Sie druckst umher: „Na ja, eigentlich ganz gut, aber eine Überwachung wäre wohl angebracht!“ Dann erzählt sie mir, dass der Kleine, bevor er nach Eberswalde gebracht wird, noch mal hoch kommt zu mir. Die Ärztin aus EW wolle das so. Ich bin überglücklich und warte ab da sehnsüchtig darauf, dass man mir mein Baby bringt.

Dann kommt Sven. Er wirkt erleichtert. Er erzählt mir, dass die Ärztin aus Eberswalde gleich gesagt hat, dass er sich keine Sorgen machen braucht. Das der Kleine nur gestaut sei und das sie ihn nur zu Überwachung und Kontrolle mitnehmen wollen. Ich verstumme. Ich will das nicht! Mir ist übel und mein Mund ist so trocken. Ich bitte Sven, mir Wasser zu holen. Er schaut erstaunt, als ich ihm mitteile, dass ich noch keines bekommen habe. Also holt er Wasser, erzählt mir, dass der Kleine ganz kräftig geschrien hat und das ihn das sehr beruhigte. Mich beruhigt das überhaupt nicht. In meinem Kopf versuche ich, mir nicht vorzustellen, was sie mit ihm gemacht haben, dass er so losgebrüllt hat. Dann regt sich Sven über andere Patienten in der Rettungsstelle auf, die sich beschwerten, dass sie nicht vor uns dran gekommen sind … und er erzählt freudestrahlend, dass er die Nabelschnur noch mal ordentlich abschneiden durfte. Ich kann mich kaum konzentrieren, will zu meinem Kind.

Die Hebamme kommt und fragt, wie wir es machen wollen. Es wäre kein Platz, mich gleich mitzunehmen. Ich müsste entweder warten, bis die nächste Fahrt geht, oder ich entlasse mich selbst und fahre privat hinterher. Ich entscheide mich selbstverständlich für Zweiteres!

Sven telefoniert mit meinem Dad. Er erklärt kurz, was passiert ist. Er müsse ihn abholen, damit Sven ein Auto holen kann. Er ist ja schließlich mit dem Rettungswagen mitgefahren. „Alles geklärt, Dirk kommt und holt mich ab!“

Wir warten. Die Hebamme kommt mit der Plazenta – eingepackt in mein Moltontuch, in dem Mika eingewickelt war. Sie knallt sie vor uns auf den Tisch. „Hier! Das ist dann noch Eure!“, sagt sie und geht wieder. Ich frage, wann meine Entlassungspapiere fertig sind. „Tja, das kann dauern!“

Es klingelt am Kreißsaal. Die Hebi kommt und fragt: “ Da steht ein Mann und will zu dir! Kennst du den?“ Ich antworte, dass es wohl mein Papa sein wird, der uns ja abholen muss. Dann lässt sie ihn rein. Als er mich sieht, wirkt er sichtlich schockiert. Wen wundert’s, bin ich doch blutverschmiert. Er versucht aber, es mit Lockerheit zu überspielen.

Wir beschließen, dass wir alle zusammen nach Hause fahren und Sven und ich dann eben von dort aus nach Eberswalde starten. So sagen wir es auch der Hebamme. Ich sage meinem Dad, dass der Kleine gleich noch hochgeschoben wird. Er freut sich und ist gespannt.

Endlich ist es soweit! Es ist mittlerweile nach 10Uhr. Sie schieben mein Baby im Inkubator in den Kreißsaal. Ich beginne lauthals zu weinen. „Mein Baby! Es tut mir so leid … es tut mir sooo leid“, sage ich und schaue ihn durch die Glasscheiben an. Er ist gewaschen, ganz sauber! Er öffnet sein linkes Auge und sieht mich an – es ist rot um die Pupille – dann schließt er es wieder. Ich weine und heule und schluchze vor mich in. Die Sanitäter haben mitleid mit mir, öffnen den Deckel vom Inkubator und erlauben mir, mein Baby zu streicheln. Ich sehe nichts mehr. Tränen trüben meine Sicht. Sie tropfen auf dieses schreckliche Krankenhaus-Hemdchen. Es ist ein Albtraum!

Mein Dad und Sven schießen Fotos und geben Schätzungen ab, wie groß der Kleine wohl ist. „Der hat aber bestimmt 54cm!“ Mir ist alles egal. Ich höre nur beiläufig zu und betrachte mein Kind. Er liegt ganz ruhig, angeschlossen an die Überwachung. Sonst aber nichts weiter. Die Kinderärztin kommt, erklärt mir, dass sie nur noch mal kontrollieren wollen, ob es ihm auch wirklich gut geht, aber dass ich mir keine Sorgen machen muss.

Dann fahren sie mit meinem Kind los. Ich bleibe zurück. Noch immer keine fertigen Entlassungspapiere. Ich realisiere gar nicht, dass die kein Mensch braucht. Die Schwester meint, wenn ich in Eberswalde bei Mika bleiben möchte, dann brauche ich den Papierkram. Ich höre es, ich nicke, ich grübel, warum er da bleiben müsse … reagieren tue ich nicht! Warum nicht? Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich hatte „dicht“ gemacht.

Irgendwann ist es dann doch soweit und ich kann entlassen werden. Keiner kümmert sich um mich. Mein Dad fragt, ob ich denn nicht gewaschen werde. Ich sage, ich könne es selbst und will zum Waschbecken. Plötzlich werde ich angeschrien. Die Hebamme fährt mich an: „Du bleibst da! Du saust mir hier sonst alles voll!!!“ Ich bin perplex. Dann sagt sie, ich müsse mich nochmals hinlegen. Ich tue es. Dann drückt sie, mit wirklich all ihrer Kraft, auf meine Gebärmutter! Ich schreie, sage, dass sie weggehen soll. Sie hört nicht auf mich. Stattdessen bekomme ich gesagt, ich solle mich nicht so haben. „Vertraust du mir gar nicht?“ Nein, das tue ich nicht! Sie will nochmals drücken. Ich schreie „Nein!“, halte ihren Arm fest und versuche, sie beiseite zu drücken. Es gelingt mir nicht. Sie stemmt sich auf mich und ich erleide die schlimmsten Schmerzen, die ich je in meinem Leben erlebt habe. Meine Tränen habe ich nicht mehr unter Kontrolle. Sie laufen von allein. Ich schreie und schaue zu meinem Mann und meinem Vater, die an der Tür standen und alles mit ansahen. Ich weine, fühle mich hilflos … erniedrigt … vergewaltigt! (Warum mir keiner geholfen hat, ist mir bis heute unerklärlich. Ich schätze aber, dass meine Männer dem Fachpersonal vertrauten und dachten, dass es so sein müsse.)

Als ich mich davon erholt habe, schleppe ich mich zum Waschbecken. Mein Papa kommt, um mich zu stützen. Am Waschbecken angekommen, versuche ich mich zu waschen. Es geht schwer, das Blut ist schon so angetrocknet. Ich muss schrubben. Erst als mein Dad ihm die Anweisung gibt, kommt mein Mann, um mir zu helfen. Er probiert, so gut er kann, mich sauber zu bekommen. Die Hebamme fragt, ob ich Sachen dabei habe. Außer meinem Bademantel habe ich nichts. Ich erbettele mir das Krankenhaus-Hemdchen, eine Fleece-Unterlage und ziehe den Bademantel über. Dann laufen wir zum Auto. Die Nachwehen lasse ich mir nicht anmerken. Im Auto breiten wir das Fleece aus und fahren nach Hause.

Dort angekommen schlägt Sven vor, ich solle schnell duschen und essen, dann fahren wir. Mittlerweile muss es wohl gegen 12 gewesen sein. Hunger habe ich kaum, aber ich schlinge eine Banane herunter. Dann ziehe ich mich um und gehe wieder heraus zu Sven. Er fragt erstaunt, ob ich schon fertig sei. „Ja, ich will jetzt los! Waschen tu ich mich heute Abend!“
Ich packe Babysachen, die Papiere und die Babyschale ins Auto. Sven sieht mich verdutzt an. Ich sage ihm, dass ich den Kleinen mitnehme, wenn alles in Ordnung ist. Da dachte ich tatsächlich noch, dass mein Kind nur Kontrollen per Ultraschall bekommen würde, um Blutungen im Kopf auszuschließen.
Wir fahren los. Die Fahrt kommt mir ewig vor. Wie genau wir fuhren und über was wir redeten – ich weiß es nicht mehr. Als wir endlich da sind, folgt ein Marsch durch einen Irrgarten von langen Fluren, Treppen und Fahrstühlen. Auf der Neo angekommen, erkläre ich, wer ich bin, und werde zu dem Zimmer gebracht, in dem mein Sohn liegt.

Was ich dann sah, zog mir den Boden komplett unter den Füssen weg…

Mikas Geburt oder : Wie ein Traum zum Albtraum wurde… Teil 1

Auch Alleingeburten sind nicht ohne Risiken, wenn auch Risiken ganz anderer Art, als die meisten ahnen. Im Folgenden möchte ich einen Geburtsbericht mit euch teilen, der es in sich hat. Er ist aufgrund der Ereignisse recht lang, weshalb ich ihn euch in drei Teilen zu lesen gebe. Trotzdem lohnt es sich ganz besonders, ihn zu lesen und aus ihm zu lernen. Dabei möchte ich, um Missverständnisse zu umgehen, klarstellen, dass es sich nicht um meine Geburt handelt, sondern die einer Frau, die den Mut hat, dieses Erlebnis mit euch zu teilen. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Nancy!

Endlich habe ich es geschafft. Nach über 9 Monaten habe ich den Geburtsbericht von Mika geschrieben. Es hat 4 Tage gedauert. Ich brauchte mehrere Pausen und es hat mich erneut viele Tränen gekostet. Aber: Es hat mir wieder ein Stück mehr geholfen, unser Trauma zu verarbeiten. Das Niederschreiben, während es in meinem Kopf ablief, war absolut therapeutisch wertvoll und eine Wohltat für meine Seele. Lange wollte ich es tun … lange konnte ich es einfach nicht. Zu schmerzvoll sind die Erinnerungen, zu hart die nochmalige Auseinandersetzung mit all den Fehlern, die geschehen sind. Heute ist es geschafft.

Gleich voran will ich sagen, dass es ein äußerst langer, sehr detaillierter Bericht ist. Vielleicht für manch Einen zu detailliert. Für mich war es wichtig, jedes Detail festzuhalten, es mir von der Seele zu schreiben. Schreibfehler bitte ich, zu entschuldigen. Am Ende hänge ich noch den Entlassungsbrief, der noch heute wie Hohn für mich klingt, mit an. So, dann wollen wir mal:

Am Abend des 18.08.2012 war alles normal. Laut erratenem Geburtstermin bin ich 40+1. Alles ist super. Mein Baby bewegt sich, ich fühle mich den Umständen entsprechend wohl. Wie die Abende vorher wehe ich leicht vor mich hin. Teilweise schon stärker, aber nichts, was mich nervös machen würde. Meine kleine Tochter schläft diese Nacht bei mir im Schlafzimmer, weil die große Schwester bei Oma schläft. Sie mag nicht allein sein. Irgendwann gegen 22 Uhr gehe ich ins Bett. Alle Wehen sind verschwunden. Mein Mann liegt wegen seiner nächtlichen Hustenanfälle im Wohnzimmer.

19.08.2012

04.28Uhr – Ich werde wach … Wow, was war denn das jetzt? Nicht wie üblich reißt mich der nächtliche Harndrang aus dem Schlaf, sondern eine Wehe. Und was für eine!!! Ich denke mir, dass es vielleicht ja nur eine der üblichen, kräftigeren Übungswehen war und versuche wieder einzuschlafen. Ich wage nicht zu hoffen, dass es doch losgehen könnte. Zu oft hat mein Körper mir mit Übungswehen Streiche gespielt. Ich versuche zu schlafen. Meine Tochter schläft seelenruhig neben mir. 4.35 Uhr … die nächste Wehe rollt an. Sie ist mächtig! Ich gehe aus meiner liegenden Position in den Vierfüßler. Liegend ist die Wehe schon jetzt nicht auszuhalten. Da meine Tochter neben mir schlummert, versuche ich, das tönen zu unterdrücken. Es fällt mir sehr schwer, doch ich schaffe es. Die Wehe ist vorüber. Langsam dämmert mir, dass es ernst werden könnte. Trotzdem lege ich mich aus dem Vierfüßler wieder hin. Ich will keinen falschen Alarm. Also bleibe ich misstrauisch. 4.40 Uhr … WOW! Schnell wieder in den Vierfüßler. Die Wehe ist kräftig, lang und ich schaffe es kaum noch, leise zu bleiben. Ich stöhne deutlich hörbar. Mein Mäuschen bekommt nichts mit … schlummert friedlich weiter. Nach dieser Wehe beschließe ich aufzustehen.

Ich gehe ins Wohnzimmer, habe mir bereits mein rotes Geburts-Shirt /Kleid übergeworfen. Mein Mann schläft im Halbsitzen auf der Couch. Als ich die Türe schließe, wird er wach. Er schaut mich zerknautscht an. „Watt denn nu?“ fragt er. Ich antworte: „Es geht los!“ Sofort ist er hellwach und freut sich wie ein Schneekönig. 40+2 – Mein Baby möchte zu uns kommen. Ich rede mit ihm, sage ihm, als ich allein im Zimmer bin, dass er ruhig kommen kann. „Wir freuen uns auf dich, kleiner Mann! Endlich können wir dich bekuscheln…“ Wie sehr ich bereuen werde, ihm das gesagt zu haben, wird sich erst später zeigen.

Sven ist wieder im Zimmer. Er glaubt noch nicht so recht, dass es losgeht. Die nächste Wehe kommt. Ich kann nicht mehr leise sein … muss tönen … schon ziemlich laut. Sven versucht mit mir zu Scherzen und sagt: „Ey, sei nich so laut! Kiara wird wach!“ Mir ist nicht nach dieser Art von Spaß! Ich will mich auf mich und mein Baby konzentrieren und kann diese Art Scherz nicht vertragen. Ich sage ihm, er soll seine Klappe halten. Ich muss mich ziemlich biestig angehört haben, denn nach einem kurzen Grinsen sagt er: „Ok, ich wollte nur wissen, obs ernst is diesmal…und es IST ernst!“

Ich habe eine „To-Do-List“ für die Geburt vorbereitet. Alles soll perfekt werden! Sven sucht sie sich sofort, während ich am Schrank stehend im Wohnzimmer meine Wehen veratme. Er legt meine Entspannungsmusik auf und zündet Kerzen an. Er legt die Moltontücher, Handtücher und Stoffwindeln bei 60Grad in den Ofen, damit sie für unser Würmchen schön vorgewärmt sind. Mein Baby soll es warm und kuschelig haben, wenn er da ist. Sven legt die ausgezogene Couch und den Boden davor mit Vorlagen aus Fleece aus. Diese hatte ich in ausreichender Menge extra besorgt. Er legt die Kuscheldecken und die weichen Kissen auf der Couch aus. Er bereitet uns ein warmes Nest vor. Zum Schluss zieht er die Rollläden zu. Es ist wunderschön … im Kerzenschein und Kuschelatmosphäre hat unser Wohnzimmer etwas Magisches an sich.

Ich habe schon sehr mit den Wehen zutun. Meine Tochter ist noch immer nicht aufgewacht. Da ich irgendwie nichts mehr an meinem Körper haben will, ziehe ich mein Kleid aus. Die Wehen sind heftig. Ich bin ganz bei mir. Ich versuche, mich etwas hinzulegen, in der Hoffnung, die Wehen ließen sich so besser aushalten. Dem ist nicht so! Schnell wieder hoch…am besten geht’s mir im Stehen. Plötzlich Toilettendrang. Oh Gott, wie soll ich den Weg ins Bad bloß schaffen? Es tut sooo weh … Dennoch mache ich mich in halbgebückter Haltung, meinen Bauch festhaltend, auf den Weg. Eine Pause in der Küche … dann schnell weiter. Mein Mann ist derweil auf dem Hof und raucht. Er ist wahnsinnig nervös … läuft auf und ab. Ich kann mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Auf der Toilette angekommen, habe ich das Gefühl, dass es mich zerreißen würde. Mein Darm entleert sich … ganz auf natürlichem Wege. Wo ich schon mal im Bad bin, lasse ich mir Wasser in die Wanne. Ich will probieren, ob es hilft. Es ist so angenehm kühl im Bad … hier will ich erstmal bleiben. Die Wärme der Kerzen im Wohnzimmer halte ich nur schlecht aus.

Das Wasser plätschert. Ich glaube, Sven ist wieder im Haus. Genau mitbekommen habe ich jedoch nichts. Ich stehe auf den Wannenrand gestützt im Bad. Ich taste meinen Muttermund. Genau identifizieren kann ich nicht, wie weit ich wohl eröffnet bin. Aber es fühlt sich anders an als die letzten Tage … und: Das Köpfchen liegt ganz tief! Ich berühre ihn … bald ist er da. Es hat begonnen … die letzten Zweifel sind verflogen. An meinen Fingern hängt viel zäher Schleim – der Rest vom Schleimpfropf. Ich freue mich …

Ich steige in die Wanne. Es ist, entgegen meiner Erwartungen, sehr angenehm im Wasser. Ich beriesele meinen Bauch mit dem warmen Wasser, veratme Wehen – wie viele weiß ich nicht. Plötzlich wieder der Drang, auf Toilette zu gehen. Zu Spät! Das Maleur ist ohne Kontrolle meinerseits ins Wasser gegangen. Peinlich! Ich beschließe, die Wanne zu verlassen und das Missgeschick zu beseitigen. Es war nicht viel … nur minimal. Dennoch wollte ich raus.

Ich bekomme beiläufig mit, dass meine Tochter aufgewacht ist und mich verschlafen und misstrauisch anschaut. Sven kommt und sagt zu mir, dass er sie nun schnell zu meinen Eltern bringt. Zum Antworten bin ich nicht in der Lage. Es tropft aus mir heraus, schleimig … zähflüssig. Der Rest vom Schleimpfropf verabschiedet sich gerade. Die Wehen werden heftig. Ich gehe in den Vierfüßler auf den Boden und starre auf die kleinen, viereckigen Löcher, die in unserer Badmatte eingestanzt sind. Ich bin wie in Trance … bei jeder Wehe töne ich laut. Wie befreiend es sich anfühlte, dass nun gerade NIEMAND da war. Ich ließ mich vollends gehen. War laut, ungehemmt, ganz bei mir! Der Schmerz war da … aber es war auszuhalten, dadurch, dass ich mich mit dieser Badmatte selbst in Trance versetzte.

Einige Wehen später war Sven wieder da. Ich sah seine Füße und dachte noch: Bitte, quatsch mich jetzt nicht an!!! Aber er tat es! „Ich bin wieder da, Nancy … soll ich irgendwas machen?“ Ich war zum sprechen nicht in der Lage. Ich reagierte einfach gar nicht. „Willst du nicht lieber ins Wohnzimmer?“ Wieder reagierte ich nicht, schüttelte den Kopf nur leicht und dachte: „Ich gehe nirgends mehr hin! Hier bleib ich, hier ist es so schön kühl!“ Es funktionierte. Er ließ mich in Ruhe. Aber er blieb bei mir. Irgendwann stand ich wieder auf … der Schmerz war unerträglich und ich hoffte, dass nun bald die Übergangsphase einsetzt. Ich ahnte nicht, dass ich bereits mittendrin war! Zwischen Waschbecken und Badewanne stützte ich mich ab. Bei jeder Wehe stand ich auf den äußersten Zehenspitzen und drückte mich hoch. In den Wehenpausen instinktives Beckenkreisen. Es tropft immer mehr aus mir heraus. Sven legt das Bad mit Unterlagen aus. Braver Kerl! Und angenehm unter den Füßen. Die nächste Wehe … ich drücke mich hoch … aua… Und plötzlich am Ende der Wehe: PRESSDRANG! Nur leicht, aber doch spürbar! Nein, das kann nicht sein! Noch nicht!!!

Pause … diesmal gefühlt etwas länger. Ich kann Sven ansehen. Hatte ich doch sonst nur den Fußboden fixiert! Die nächste Wehe … oh man. Ich drücke mich hoch … Gut, das ein Waschbecken keinen Schmerz empfinden kann!!! Und da kommt er wieder der Pressrang am Ende der Wehe: leichtes Mitdrücken … PLATSCH!!!!! Die Fruchtblase springt. Erleichtert und erschöpft schaue ich Sven an. Dem steht der Schreck ins Gesicht geschrieben. „Soll ich jetzt die Hebamme rufen?“ Ich bin nicht in der Lage zu sprechen, denke nur: „Is der blöd? Ich hab ihm doch gesagt, wir rufen sie spät dazu!“ Keine Reaktion meinerseits. Er ruft auch nicht an. Hätte er es nur getan! Hätte er es doch nur getan…!!!

Zwei weitere Wehen vergehen. Beide mit dem Gefühl, etwas mitschieben zu müssen. Aber immer erst eher zum Ende der Wehe hin. Plötzlich ein urgewaltiges Gefühl! Ich spüre klar und deutlich, wie mein Körper sich öffnet. Ich werde weit untenherum. Sven steht im Flur und meint ganz erschrocken: „Er kommt, Nancy, er kommt!“ Ich sage erschöpft und vielleicht etwas schnippisch: „Ja Sven … ich merke es!“ Die nächste Wehe … das Köpfchen drückt enorm, aber ich schiebe, ganz instinktiv, nur leicht mit. Ich bin ganz ruhig! Während ich in den Eröffnungswehen laut tönen musste, war ich nun ganz still. Auch in den Pausen … kein lautes Stöhnen oder Hecheln mehr so wie bisher. Alles war still. Ich gehe in die Hocke und fasse mit der rechten Hand zwischen meine Beine. Der Kopf will nun raus. Ich stoße einen lauten, langen, kraftvollen Schrei aus und gebäre das Köpfchen. Dann folgt eine gefühlt etwas länger Pause. Ich atme ruhig. Meine Hebi hatte mir erklärt, dass nach der Geburt des Kopfes eine Pause normal ist. Auch dass diese dann etwas länger ist. Ich spüre deutlich, wie sich die Schultern einstellen. Die nächste Wehe. Ich gehe in die Knie. Ruhig und fast ohne Laut gebäre ich meinen Sohn in meine Hände.

Ich halte ihn. Er hat die Nabelschnur einmal um den Körper und halb um den Hals. Ich entwirre ihn und schließe ihn in meine Arme. Während dessen steht mein Mann im Flur, filmt und sagt die ganze Zeit: „Schrei Kleiner! Komm, schrei … schrei … schrei…!“ Ich versuche, dieses kleine Menschlein irgendwie in meine Arme zu legen, aber er ist so glitschig. Ich halte ihn vor mir. Er versucht, den ersten Schrei von sich zu geben. Dabei höre ich, dass er viel Fruchtwasser in den Atemwegen haben muss. Ich sauge ihm, ohne zu überlegen, die Nase frei. Ich freue mich kurz über meinen Sohn … sage, das er doch gar nicht groß ist. Mein Mann widerspricht mir. Mika wirkt komisch. Am Körper bläulich-blass. Ein paar mal streckt er die Arme wild in die Luft und reißt dabei die Augen weit auf. Er ist blau … sehr blau! Wirklich fast Lila im Gesicht. Plötzlich sackt er in sich zusammen, die Augen verdrehen sich nach hinten. Keinerlei Spannung oder Muskeltonus mehr in dem kleinen Körper. Ich sage zu meinem Mann, dass er anrufen soll. Ich meine die Hebamme. Er ruft den Rettungsdienst!

Während er telefoniert (anfangs ruft er die Polizei an, weil er die 110 wählt) folge ich meinem Instinkt. Ich rubbele Mika die Käseschmiere aus dem Gesicht, animiere ihn um Mund und Nase. Ich fühle die Nabelschnur. Sie pulsiert noch! Sehr gut … kein Grund zu Panik! Dennoch öffne ich den Wasserhahn, nehme einen Schluck kaltes Wasser und gieße es über seinen Rücken. Da ist er wieder!!! Die Spannung kehrt zurück in den kleinen Körper, jedoch nicht lange. Ich beginne erneut ihn abzusaugen. Auch durch den Mund. Es kommt nicht viel. Mein Mann kommt ins Bad, sieht das reglose Wesen in meinem Arm, das so lila-blau verfärbt ist. Er bricht in Tränen aus, heult wie ein kleines Kind und übergibt sich ins Waschbecken in der Küche. Er bricht zusammen. Ich bekomme das alles nur in Trance mit, kümmere mich um mein Kind. Ich beginne mit der Beatmung. Mika immer noch schlaff … Es tritt weißer Schaum aus der Nase aus. Sehr gut! Das Fruchtwasser wird von meiner Beatmung verdrängt und tritt durch die Nase aus. 2 weitere Mal beatme ich den Kleinen … Und da ist er! Endlich! Und diesmal bleibt er bei mir. Das Telefon klingelt. Der Rettungsdienst gibt Anweisungen, was ich mit dem Kind machen soll. Ich reagiere nicht. Mein Kind ist da! Sven heult noch immer. Ich schleppe mich, das Kind immer noch mit der Nabelschnur verbunden, mit Mika ins Wohnzimmer auf unsere Kuschelcouch. Ich decke uns zu. Sven holt die vorgewärmten Tücher. Ich wickle Mika ein und halte ihn dicht bei mir. Er weint nicht, er bewegt sich nicht, aber er ist da! Sein Körper wird rosig, der Kopf ist noch immer dunkelblau. Ich merke die Muskelspannung. Ich halte ihn in Wiegenhaltung auf meinem Arm, bis die Sanitäter eintreffen. Meine Unruhe ist völlig verschwunden. Ich bin ganz ruhig, ganz bei mir und meinem Kind.

Der Rettungswagen ist da. Es sind gerade 10 Minuten seit der Geburt vergangen … 10 Minuten! Sven eilt zur Tür. Ein Mann und eine Frau kommen mit großem Koffer bepackt ins Wohnzimmer. Sie fragen, was passiert sei. Ich schildere kurz die Lage. Die erste Frage: „Wurde schon abgenabelt?“ Ich antworte ruhig und mit leichtem Lächeln: „Nein, ich möchte gern warten, bis die Plazenta geboren ist.“ Verdutzte Blicke auf mich und mein Baby. „Na, wir nabeln jetzt erstmal ab!“ Und das taten sie … mit einem Skalpell wurde unser Band lieblos durchtrennt.

(Warum? Das wüsste ich heute noch gern! Sie gehen von Sauerstoffmangel-Situation aus und durchtrennen das, was das Baby noch mitversorgen würde, als Erstes! Das lässt doch schon die Unfähigkeit erahnen!)

Ich war sehr traurig, spürte aber, dass die Nabelschnur bereits auspulsiert war. Das nahm mir in dem ersten Moment die Enttäuschung ein wenig, auch wenn der Wunsch, selbst abzunabeln zerstört war. Ich konnte ja nicht ahnen, dass das meine geringste Sorge sein würde! Nachdem abgenabelt war, nahm ich Mika wieder zu mir. Sein Körper war schön rosig, sein Kopf noch immer blau.

Ich teilte mit, dass ich auf meine Hebamme warten will und nicht mitfahren möchte. Wieder schauten mich die Beiden ganz verdutzt an. Sie fragten, ob sie ihn denn mal absaugen sollen. Ich bejahte dies und dachte mir, dass es ja nicht schaden kann. So versuchten sie, etwas abzusaugen. Es gab jedoch nichts mehr. Die Atemwege waren schön frei. Ich wiederholte meinen Wunsch, zu warten. Die Sanitäter warteten auf den Notarzt, der auch sogleich eintraf und teilten ihm mit, dass ich nicht mit in die Klinik möchte.

Er sah mich entgeistert und vorwurfsvoll an. Er wirkt sehr sehr nervös, dennoch bevormundend. Ich kannte ihn noch aus meiner Ausbildung. Ich habe Krankenschwester gelernt. Er ist Chirurg … hat also ganz bestimmt keine große Ahnung von Geburten, Geburtskomplikationen, und von dem, was eben normal ist oder nicht. Sicher hatte ich in den vergangenen Monaten/Jahren mehr Bücher über Geburten gelesen, Filme gesehen, Clips studiert, als er in seiner gesamten Ausbildung … Er fragte mich, ob dies mein erstes Kind wäre. Ich verneinte. Er sah Mika an, dann mich und sagte, dass ich doch wissen müsse, dass das gefährlich ist! „Sie sind doch Krankenschwester!! Das ist verantwortungslos! Ich warte hier auf Niemanden!!“ Dieses Wort … verantwortungslos … sollte an diesem Tag nicht zum letzten Mal gefallen sein! Er fragte, wer meine Hebamme ist und von wo sie kommt. Ich beantworte seine Frage. Er wird laut, fragt warum nicht Frau P. meine Hebi ist. Ich bin verdutzt … und erstmals eingeschüchtert vom Tonfall des Arztes. Ich erkläre ihm, dass Frau P. nicht mehr als Hebamme arbeitet. Er wiederholt, dass ER hier auf Niemanden warten wird!

Der Notarzt versucht, Mika nochmals abzusaugen. Es kommt nichts. Danach reibt er den kleinen Babyrücken feste … sehr feste. Mika schreit … zum ersten Mal richtig laut! Ich freue mich und will mein armes, nacktes Baby wieder haben. Er gibt es mir nicht. Ich betone nochmals, dass ich auf meine Hebamme warten werde. Der Arzt zottelt an Mika umher … er gibt ihn mir nicht. Mika ist nackt … und mittlerweile beginnt er auszukühlen. Seine Hände und Füße werden blau. Er hält ihm aus einem Gerät Sauerstoff vor die Nase und versucht, mit einem Oximeter für Erwachsene! (Kinderkoffer nicht dabei!) Mikas Sauerstoffsättigung zu messen. Das funktioniert natürlich nicht. Er brubbelt etwas von 88% O2-Sättigung und das ihm das zu wenig sei! (Man beachte: Mika war vor knapp 20 Minuten geboren und das Oximeter saß nicht richtig! Es war ja für Erwachsene!) „ICH NEHME IHR BABY JETZT MIT!“

Ich schaue Sven verzweifelt an und wiederhole immer wieder, dass er bloß nicht hätte anrufen dürfen. Tränen füllen meine Augen … Ich merke, dass ich aus dieser Situation nicht mehr heraus komme und es beginnt der Albtraum. Ich resigniere … nicht zum letzten Mal an diesem Tag! Ab da lief alles wie ein schlechter Film ab und ich sah die Situationen, als stünde ich neben mir.

Arzt und Sanitäter beraten sich, meinen einstimmig, dass der Kleine sehr schlecht aussieht, dass da bestimmt bleibende Schäden entstanden sind. Die Sanitäterin schlägt vor, Mika doch mal an den Füßen kopfüber zu halten. Ich bin schockiert, beginne zu zittern. Der Arzt verneint. So viel Unwissen!! Ich war fassungslos! Ich kann es nicht glauben. Wie im Film läuft alles vor mir ab und ich fühle mich völlig unfähig, zu handeln … ich fühle mich gelähmt. Hilfesuchend sehe ich meinen Mann an, der in der Ecke des Zimmers steht, wie ein Haufen Elend. Sven kommt zu mir und meint: „Er sieht doch wirklich sehr blau aus! Willst du nicht zur Sicherheit mitfahren?“ Ich verneine … schüttele den Kopf.

Der Arzt ruft die Leitstelle an und sagt Ihnen, dass ich unkooperativ bin und nicht mit möchte. „Die Mutter weigert sich mitzugehen. Sie will auf die Hebamme warten!“ Die Leitstelle erwidert, dass der Arzt sich mal „durchsetzen“ müsse und dass ich keine Wahl habe.

Darauf hin wiederholt der Arzt seinen berühmten Satz: „Ich warte hier auf Niemanden und ich nehme ihr Kind jetzt mit!“

Ich war perplex! Darf er das denn überhaupt? (Heute weiß ich, er hätte es nicht gedurft.) Ich werde gemeinsam von Arzt und Sanitäter als verantwortungslos beschimpft. Sie nehmen mein Baby und verschwinden zur Tür raus. Mich lassen sie liegen!

Alfreds Geburt

Und hier noch eine sehr schöne Alleingeburt (nicht meine eigene, sondern die einer anderen Frau), die ich mit euch teilen darf.

Unser Viertes kündigte sich an. Ein Mädchen. Bestimmt.
Senkwehen hatte ich, aber gesenkt hatte sich nichts! Auch meine drei Großen hatten sich erst während der Geburt eingestellt. Neugierig, ob sich schon etwas tut, untersuchte ich meinen Muttermund alle paar Tage. „Lass mal lieber“, meinte E., meine Hebamme, „schiebst nur Keime hoch.“
Meine drei Großen kamen nach dem errechneten Termin, also stellte ich mich wieder darauf ein. Umso erstaunlicher, anderthalb Wochen vor errechnetem Termin, schien es loszugehen. Gegen Mitternacht. Vorfreude breitete sich aus. Ich wollte mich schlafend stellen, solange es geht. Wie bei den anderen Geburten auch, wehte ich von Anfang an 5 min. Die Intensität nahm nur langsam zu, an Schlaf war aber nicht mehr zu denken. Der nächste Gang zur Toilette bestätigte meine Vorahnung: Geburtszeichen. Gegen 3 Uhr, flaute es ab. „Wie jetzt?“ Ich war zu aufgewühlt um wieder einzuschlafen und döste so in den Sonntagmorgen.
Übermüdet und ungeduldig schlendere ich in den 1. warmen Frühlingsmorgen des Jahres. E. ruft an. Sie sei zu einem Picknick eingeladen, das sei aber eine dreiviertel Stunde Autofahrt entfernt.
Ich berichte vom Geburtsbeginn und dränge E. ihren Ausflug trotzdem zu machen. Ein selbst ertasteter Mm- Befund („erst 1 cm offen“ und „noch gar nix verstrichen“) überzeugt sie.
Doch das schöne Wetter schlägt mir aufs Gemüt. Ich will mich bewegen. Mein Mann sägt und schraubt auf dem Hof mit den Kindern um einen Verschlag für unsere Zwerghühner zu bauen. Er ist die Ruhe selbst und verbringt den Tag ohne „Kursänderung“. Leichte und unregelmäßige Wehen kommen und gehen, die Zeit zieht sich wie Kaugummi. Ich muss raus hier! Weg von neugierigen Nachbarsblicken. Raus ins Grüne. Ans kühle Wasser. Gegen Mittag ist der Stall fertig und ich verkünde: Wir fahren zum Opa. Der wohnt eine Stunde entfernt, auf halber Strecke picknickt E.
Mein Vater freut sich über den unangekündeten Besuch und macht, nichts ahnend, ein Boot flott mit dem wir sieben samt meinem Bruder auf den See fahren. Ich weihe meinen Vater in mein Geheimnis ein, er freut sich riesig und bleibt entspannt. Ich veratme ganz ruhig, was da immer wieder aufkommt und bin voll freudiger Erregung. Heute Abend wird es richtig losgehen, da bin ich sicher. Die Kinder haben ihr Tun. Sie steuern und plaudern und wir genießen das Wasser um uns. Am späten Nachmittag sind wir zurück an Land. Mein Vater erwartet ein Polizeiboot, dessen Wassertank befüllt werden muss. Die Kinder lassen sich an Bord alles genauestens beschreiben. Auf der Stelle zu stehen bekommt mir nicht, mein Vater stellt mir einige Bekannte vor. Ich bleibe einsilbig. Nun merkt es auch mein Bruder. „Ist das so anstrengend mit dem Bauch? Du schnaufst ja so.“ Zwischenzeitlich schreibe ich E. ein paar belanglose Zeilen, damit auch sie ruhig bleibt.
Die Wehen legen an Intensität zu. Am Wasser wird es gegen Abend feuchtkühl und ungemütlich. Schade, aber wir müssen aufbrechen. Ich gehe noch ein halbes Stündchen spazieren um „in Gang“ zu kommen, dann brechen wir auf. Zu Hause angekommen, mag ich weder reden noch sitzen und bin froh, dass K. mit den Kindern isst und sie zu Bett bringt. „Was hat Mama?“ Dass die Geburt begonnen hat, nehmen sie gleichgültig auf.
K. legt für mich ein paar Sachen bereit. Dann gehen wir gemeinsam in die Wanne. Als nun wirklich nichts mehr für ihn zu tun ist, schicke ich ihn zu Bett mit der Bitte mich alleine zu lassen bis ich rufe. Das Telefon legt er neben das Bett.
Ich weiß nicht so recht, wie ich sitzen, hocken oder stehen soll und laufe herum und verschnaufe die Wehen, die immer kräftiger werden. Ich habe das Haus für mich. Alles ist still, alles dunkel. Nun spüre ich auch die Müdigkeit zurückkommen. Von einer Wehe im Minutenschlaf überrascht zu werden ist grausam. Ich konzentriere mich auf innere Bilder, irgendwann geht es nicht mehr. Ich nehme mir kleine Dinge für die Wehenpausen vor: nach der nächsten Wehe hole ich mir Wasser, nach der nächsten zünde ich die Kerze an.
Es ist sooo intensiv, ich töne mit jeder Wehe, wechsle die Zimmer und hoffe, dass alles um mich schlafend bleibt. Ich hänge mir ein Tuch über die Balken im Bad und röhre wie ein Hirsch. So intensiv habe ich die anderen Geburten nicht in Erinnerung. Ich bin froh alleine zu sein, glaube allerdings dass K. mit seinem Ohr an der Wand hängt. Zumindest bleibt er dort.
Da mir in jeder Position nach ein paar Wehen die Kraft schwindet, wechsle ich wieder ins Wohnzimmer. Ob das Wasser mich stützt? Ich starte den Rechner. Wie war das noch bei einer Wassergeburt? Das Wasser muss warm bleiben um nicht den Atemreflex auszulösen und einmal an der Oberfläche muss der Kopf des Kleinen auch dort bleiben. Gut, das für alle Fälle zu wissen. Dann geht’s in die Wanne. Hier lässt es sich aushalten. Das Wasser trägt mich. Die Wehen bleiben enorm, die Pausen recht kurz. Ich schaue auf die Uhr, schon nach 2 Uhr morgens. Ich hoffe, ich schaffe es, bevor die Kinder wach werden. „Kann man das nicht irgendwie beschleunigen?“ In Gedanken sporne ich mich an. „Nun aber raus damit!“ Es wirkt.
Es geht also noch heftiger. Ich knie quer in der schmalen Wanne und lege meine Unterarme auf den Wannenrand. Es ist kaum auszuhalten. Ich spüre dumpfen Druck nach unten. Das Kleine stellt sich ein und löst strampelnd eine Wehe nach der anderen aus. Ich fühle die pralle Fruchtblase und drücke mit dem Finger dagegen. Das löst prompt die nächste Wehe aus. „Die Blase, die doofe Blase.“ Die ist im Weg. Die drückt und will nicht aufgehen. „Die muss doch aufzukriegen sein“. Ich beiße mir den Fingernagel auf und versuche in der nächsten Wehe sie aufzuratschen. Nix da. Ist die fest! Beim nächsten Mal greife ich mit den Fingern unter den Muttermundrand in die Vorwölbung der Blase. Endlich. Ein Schwall Fruchtwasser verschafft Erleichterung. Und Pressdrang, endlich! Ich bin hellwach. Greife zum Telefon und drücke die Wahlwiederholung. Verschlafen steht mein Mann in der Badtür. Wie weit es sei? „Weit. Kannst E. anrufen“. „Gut. Sie ist dran. Ich soll mal einen Lagebericht geben, wie weit Du bist.“ „Ich presse!“ Jetzt hat er verstanden und ist wach. Ich scheuche ihn raus, er soll warten bis ich rufe.
Das war zuviel Ablenkung aber jetzt bin ich wieder bei mir. Der Kopf kommt tiefer. Ich spüre lange weiche Wuschelhaare und eine so weiche Kopfhaut. Schön, das Köpfchen so in der Hand zu halten. Dafür hatte ich bei den Großen keine Kraft. Ich spüre die Dehnung, kann es geschehen lassen ohne zu schieben. Der Kopf ist da. Mein erster Gedanke: „Das will ich sehen.“ Ich rufe K. Er soll ein Foto machen. Jetzt könnte ich auf dem Marktplatz stehen. Alles ist egal. Ich fühle, wie das Köpfchen meinen rechten Schenkel anschaut und sich unter der nächsten Wehe ganz mühelos dreht. Gleich wird es da sein. Ich bitte K., das Kind unter meinen Beinen durchzutauchen. „Ich hab`s. Oh, der Fuß ist noch drin.“ Eine kleine Drehung und er lässt es in meine Arme gleiten. Ganz ruhig. Nun sitzt es auf meinem Schenkel. An mich geschmiegt. Ich fühle etwas Weiches auf meinem Bein. Ein Junge? Nein, es sitzt nur auf der Nabelschnur. Oh, doch ein Junge! Ein Junge. „Nanu? Wo kommst Du denn her?“ Und so blonde Haare. Ich nehme ihn auf meinen Unterarm um ihn mir anzuschauen. Er ist ganz rosig und ruhig und schaut: „Wo bin ich?“
Atmet er? Ein leises Anpusten lässt ihn zusammenfahren. „Ist schon gut, kleiner Mann“, denke ich und drücke ihn wieder an mich. Wir lassen warmes Wasser nach. „Sieht aus wie Alfred, oder?“, sage ich. „Ja“, meint K. So einfach war die Namenswahl noch nie.
Nach einigen Minuten trifft die Hebamme ein. Ganz außer Atem. „Mensch, Edda!“ Sie sagt immer nur das eine und: „Der Taxifahrer!“
Tja, der hat noch auf sich warten lassen und dafür bin ich ihm auch dankbar.
Ich steige aus der Wanne, beide helfen. Wir werden abgenabelt, ein Baumwollband dient als Klemme. Ich blase die Plazenta heraus und E. streicht das angesammelte Blut aus. K. hat inzwischen das Sofa bezogen. Wir ziehen ins Wohnzimmer um, wo wir uns in den Morgen schwatzen und den Kleinen bewundern. Gegen 6 Uhr weckt K. die Kinder, die überrascht und freudestrahlend vor uns stehen. Nur unser Vierjähriger meint verschlafen. „Das ist eine Puppe!“ „Schau doch, er bewegt sich!“ „Mit Batterie.“

Vom Papa aufgefangen – eine ungeplante Alleingeburt

Hallo ihr Lieben! Ich habe wieder einen schönen Geburtsbericht für Euch! Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es ist nicht meine Geburt, sondern die einer anderen Frau, die bereit ist, die spannende Geburtsreise ihres zweiten Kindes mit Euch zu teilen. Viel Spaß beim Lesen!

Samstag Nacht, 06.04.2013, 37+0

Ich wache auf und bin munter. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, es ist exakt 02:30 Uhr. Ich seufze und stehe resigniert mit dem Gedanken an eine weitere schlaflose Nacht auf. Ich gehe ins Wohnzimmer und schalte den Rechner an. Wie in den zahllosen vorangegangenen Nächten will ich mir die schlaflose Zeit mit Surfen im Netz vertreiben.
Ich trinke ein Glas Wasser und merke, dass ich zur Toilette muss. Auf dem Weg dorthin beginnt mein Unterleib zu schmerzen. Als ich auf der Toilette sitze, werden die Schmerzen stärker und ich merke, dass ich weder Harndrang noch Stuhlgang verspüre. Statt dessen tröpfelt Blut in die Toilette und ich werde laut, um die Schmerzen ertragen zu können. Es ist eine Wehe, die sich nicht mehr veratmen lässt, ich muss sie bereits vertönen.
Ich bin erschrocken – sollte es jetzt wirklich losgehen? So plötzlich? So stark? Beim ersten Kind hat die Geburt anderthalb Stunden gedauert – geht es jetzt wieder so schnell? Ich fühle mich überrumpelt und völlig unvorbereitet.
Ich gehe schnell ins Wohnzimmer, um die wichtigsten Vorkehrungen zu treffen.
Im Wohnzimmer werden die Schmerzen noch stärker und ich muss mich am Tisch festhalten und vertöne, während neues Blut auf den Boden läuft.
In meinem Kopf kreiselt es und ich realisiere, dass die Geburt nicht beginnt, sondern ich bereits mittendrin bin.
So schnell wie möglich gehe ich zurück ins Schlafzimmer, hole frische Spannbettlaken für das Sofa und wecke meinen Freund. „Es ist soweit!“, sage ich und laufe zurück ins Wohnzimmer, um die nächste Wehe zu vertönen. Er steht völlig verdattert hinter mir: „Was soll ich machen? Soll ich die Hebamme anrufen?“ Die Hebamme will ich selbst anrufen, er soll das Sofa ausklappen und beziehen und eine alte Decke davor legen.
Nach der nächsten Wehe schnappe ich mir mein Handy und wähle die Nummer von S., unserer Hebamme. Es ist genau 02:45 Uhr. Nach dem zweiten Klingeln geht sie ran. „S., ich glaube, es geht los!“ – „Gut, treffen wir uns im Geburtshaus? Ach nein, ich war grad bei der anderen Frau… Okay, wie sind die Wehen?“ – „Ich weiß nicht, schnell und heftig. Ich blute.“ – „Wie ist die Blutung?“ – „Frisch und hell.“ – „Mensartig?“ – „JA!“ – „Hm, schnelle Muttermundseröffnung. Ich fahre sofort los.“
Ich kann gerade noch auflegen, als mich die nächste Wehe auf die Knie zwingt. Den Vierfüßlerstand werde ich in der nächsten halben Stunde, die die intensivste meines Lebens werden sollte, nicht mehr verlassen.
Inzwischen hat mein Freund alles vorbereitet und sitzt bei der nächsten Wehe vor mir auf dem Couchtisch. Ich kralle mich an ihm fest und rutsche an seinen schweißnassen Armen ab. Ich öffne die Augen und sehe ihm das erste Mal in dieser Nacht ins Gesicht – der Schweiß rinnt ihm von der Stirn. Er tut mir leid; ich denke daran, dass er nur wenige Stunden zuvor mit Fieber, Schüttelfrost und Durchfall von der Arbeit nach Hause kam und ich mich um ihn gekümmert habe. Nun geht es ihm immer noch nicht besser, doch jetzt muss er mir beistehen.
Die Wehen werden unerträglich, ich visualisiere die blauen Satinbänder und die sich öffnenden Blüten. Doch alles wird gnadenlos von einem sich durch die Eingeweide schiebenden Nilpferd verdrängt. „Verdammt, uuuaaaahhhhhh, ich muss pressen… aaahhhhhhh… Ich glaube, ich kack gleich…uuuhhhhhhhh“ – „Mach ruhig, es ist alles gut.“
Er sitzt hinter mir auf dem Sofa, hält meine Hüften, massiert meinen Rücken und redet beruhigend auf mich ein. Seine Worte helfen mir, mich zu konzentrieren. Später wird die Hebamme die vollständige Muttermundseröffnung auf etwa 02:55 Uhr datieren.
Ich hangele mich von Wehe zu Wehe, bis ich dem Pressdrang nicht mehr widerstehen kann. Ich schiebe und brülle ein tiefes „uuuuhhhhhooooohhhh“ vor Schmerzen, als ich ein lautes „Platsch“ höre und alles unter mir nass wird. Ich spüre etwas zwischen meinen Beinen baumeln. Es ist ein Teil der Fruchtblase, die rosig aus mir raus hängt. Mein Freund schaut auf die Uhr, es ist 3:10 Uhr. Er ruft die Hebamme an, die gerade von der Autobahn runter fährt.
Der Pressdrang und die Schmerzen nehmen noch mehr an Intensität zu. „Ich platze gleich!“ – „Ruhig atmen, du machst das prima.“ Ich will ihm sagen, dass ich ihm unendlich dankbar bin, dass seine Worte und seine Hände mir helfen, am Boden zu bleiben, doch ich bekomme nur ein „Uuuuoooooohhhh…. huuuuu…. huuuuuu…“ heraus.
Ich kralle meine Hände an der Kante des Couchtisches fest und presse meine Stirn dagegen, während die nächste Wehe mich zu zerreißen droht. „Hilf mir, mich zerreißt es. Der Kopf muss doch schon da sein!“ – „Ich kann die Haare sehen!“
Er hält mit seinen Händen leicht dagegen, was mir wahre Linderung verschafft. Die folgende Wehe bringt mich an den Rand meiner Kräfte und ich muss weinen. „Der Kopf ist da! Die Nabelschnur ist um den Hals gewickelt. Ich rufe die Hebamme an!“ Später werde ich bedauern, dass ich in diesem Moment unseren Sohn nicht angesehen habe, aber in dem Augenblick bin ich mit geschlossenen Augen ganz bei mir und sammle mich. Ich weiß, die nächste Wehe wird uns unseren Sohn bringen. Es ist 03:20 Uhr und die Hebamme parkt gerade vor unserem Haus ein. Mein Freund kniet hinter mir, während eine letzte kräftige Wehe das Baby aus mir herausschiebt und es in seine Hände fällt.
Ich bin erleichtert und kann es noch nicht fassen. „Unser Baby … unser Baby…“, stammle ich.
Ich lehne mich an das Sofa, mein Freund holt ein Handtuch, gibt mir das Baby und deckt es mit dem Handtuch ab. Wir lachen und umarmen uns, unser neugeborener Sohn beginnt leise zu schreien. Ich sage meinem Freund, wie unendlich stolz ich auf ihn bin, wie sehr er mir geholfen hat. Er hat unser Kind zur Welt gebracht!
Die Hebamme klingelt und ist erstaunt, wie fit wir alle sind. Sie umarmt mich und begrüßt unseren Sohn. Wir bleiben alle eine Weile am Boden sitzen, bis ich nicht mehr so zittrig bin und auf das Sofa umziehen kann.
Dort schaut sie nach, ob ich Geburtsverletzungen habe und ob sich die Plazenta bereits löst. Bis auf einige Labienrisse beidseits bin ich unverletzt. Die Nabelschnur ist auspulsiert, die Hebamme und mein Freund nabeln unseren Sohn ab. Um 03:42 Uhr wird die Plazenta geboren.
Gegen 04:00 Uhr hören wir ein Weinen aus dem Flur. Unser großer Sohn Justus ist aufgewacht und irritiert, weil wir nicht im Schlafzimmer sind. Mein Freund geht hin und sagt „Dein Bruder ist da! Dein Bruder ist da!“ Sofort beginnt Justus zu lachen und kommt zu uns ins Wohnzimmer gerannt. „Schau, das ist dein Bruder Konrad!“ Justus lacht und sagt „Aaahhh nein, der heißt doch nicht Konrad!“
Wir genießen die erste Zeit zu viert, während die Hebamme den Papierkram erledigt. Konrad schaut sich um und Justus beginnt, herumzuturnen und mit einem Igelball zu spielen.
Gemeinsam schauen wir zu, wie S. die U1 macht. Konrad ist auf der Suche nach der Brust und als er sie findet, dockt er an und beginnt kräftig zu saugen. Die Nachwehen werden immens stark und ein Schwall Blut läuft aus mir heraus. S. kontrolliert den Fundusstand: „Deine Gebärmutter ist toll. Die zieht sich so schnell zusammen! Ganz wunderbar!“
Um 05:50 Uhr verabschiedet sie sich von uns und will am Nachmittag noch einmal nach uns schauen. Wir gehen zu viert ins Schlafzimmer. Justus Ist noch völlig aufgedreht und will, dass ich ihm ein paar Märchen erzähle. Es ist 06:44 Uhr, als endlich alle Männer schlafen. Es wird hell draußen und eine Amsel singt vor unserem Fenster. Ich schaue meine Männer an, wie sie wie die Orgelpfeifen nebeneinander liegen und könnte platzen vor lauter Stolz und Liebe.