Das Arbeiten hab ich hinter mich gebracht. Seit ein paar Tagen ist auch hier richtig Frühling mit Sonnenschein und Wärme. Wir haben uns gerade alle von einer ordentlichen Erkältung erholt, so ziemlich jedenfalls. Bei mir setzt es sich immer noch so schnell in die Nebenhöhle und dann schleppe ich mich allein wegen einer blöden, kleinen Höhle völlig kraftlos durch die Gegend. Aber jetzt geht es schon wieder.
Vorgestern waren wir alle vier am Geburtsplatz im Wald, den ich auch diesmal wieder als Wunschgeburtsort oben auf meiner Liste habe. Nirgends kann ich so entspannen wie hier. Geht natürlich nur, wenn das Wetter mitmacht, worauf ich hoffe.
Dem kleinen Bauchbewohner geht es gut, ich genieße das Rappeln, Krabbeln und Treten da drinnen.
Mir geht es gut, bis auf zwei kleine Krampfadern keine der üblichen Schwangerschaftsbeschwerden. Allerdings fühle ich mich wie ein Wal. Obwohl mein Bauch eigentlich klein ist wie bei den letzten Schwangerschaften auch. Den Lego-Bausteinen hinterherzujagen, die Jonathan derzeit mit Wonne in Küche und Wohnzimmer verteilt, ist eine Herausforderung, die ich nicht mehr so oft annehme.
Knapp 5 Wochen noch bis zum Termin. Kopf ist unten, seit letzter Woche gelegentliche Vorwehen und ein bißchen tiefer sitzt der Bauch auch schon. Die Wochen vor der Geburt sind für mich vor allem seelisch-emotional herausfordernd. (Wissenschaftlich betrachtet ist daran die sich verändernde hormonelle Lage zum Ende der Schwangerschaft schuld, tröstlich zu wissen.) Jedenfalls, ich muß aufpassen, womit ich meine Gedanken füttere, u.a. was für Geburtsberichte ich lese. Auch unter den Alleingeburtsberichten bzw. Geburtsberichten, die als Alleingeburt geplant waren, gibt es ein paar wenige, die nicht so gut ausgehen, die mit Kaiserschnitt oder im seltensten und schlimmsten Fall mit einem toten Baby enden. Was zum Beispiel, wenn das Baby ein paar Tage vor der geplanten Alleingeburt im Mutterleib stirbt? Über einen solche Fall las ich neulich. Einer Frau der das passiert, die aber den gewünschten Weg geht, wird man sagen, daß es Schicksal war und gelegentlich passiert. (Möglicherweise wird man bei ihr beim nächsten Kind aus psychischer Indikation kurz vor oder am Termin einen Kaierschnitt machen.) Einer Frau, die die Verantwortung nicht abgibt und das Baby ohne Kontrollen, Ärzte und Hebammen zur Welt bringt, gibt man automatisch die Schuld am Tod ihres Kindes.
Oder was, wenn das Kind so behindert ist, daß es nach der Geburt stirbt? Auch das passiert gelegentlich. Im Krankenhaus sagen die Ärzte, es konnte aufgrund der Fehlbildungen nicht überleben. Bei einer freien Geburt zu Hause wird dasselbe zwar später auch eine Obduktion zeigen, aber der Schuldvorwurf wird trotzdem in der Luft bleiben.
Krankenhaus bedeutet für die Leute automatisch, daß das Maximale und Beste zum Überleben getan wird. Wenn Frau nur alle Verantwortung den Experten überträgt, lastet ihr im Fall des Falles keiner was an, selbst wenn ihre Entscheidung in ein Krankenhaus zu gehen möglicherweise erst das Drama heraufbeschworen hat. Wenn Frau aber entscheidet, selbstverantwortlich zu gebären, dann wird sie gnadenlos auf dem (virtuellen) Scheiterhaufen verbrannt, egal ob sie in irgendeiner Form am schlechten Ausgang Schuld war oder nicht.
Könnte ich also zu der Trauer auch noch die Schuldzuweisungen der Gesellschaft ertragen?
Geburt ist schon eine sichere Sache, aber eben nicht zu 100%. Nichts im Leben ist zu 100% sicher und vorhersehbar. Durch welche Maßnahmen auch immer diese 100% hergestellt werden sollen, es bleibt eine Illusion. Es braucht Mut und Glaube, um in diesem Leben nicht im eigenen Gefängnis aus Angst gefangen zu bleiben, um frei zu sein seinem Herzen zu folgen.
Ich habe mich entschieden, dieses Leben zu leben: frei, ungeschminkt, mit einem gesunden Maß Vernunft, mit Entscheidungen, die auf Wahrheit und nicht Angst basieren und bei allem meinem Herzen treu zu bleiben.
Also streichle ich zuversichtlich meinen Bauch, freue mich auf das kleine Wesen darin und vertraue Gott, der alles in seiner Hand hat und mich nicht fallen läßt.