Schwangerschaft und Geburt: Selbst verantwortet

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Das ging fix …

Die Geburt eines Babys. Kaum ein Ereignis im Leben ist einschneidender. Ein risikoreiches Ereignis, das der medizinischen Kontrolle und Lenkung bedarf – sagen Ärzte und Klinikpersonal. Ein normaler, natürlicher, freudiger Vorgang – sagen Hausgeburtshebammen und selbstbewusste Frauen.

Wie kann es sein, dass die Wahrnehmung ein und desselben Ereignisses so unterschiedlich ausfällt? Wenn du schon ein Kind hast: Wie war deine Schwangerschaft und Geburt? War es eine Zeit, in der du die Verantwortung für dich und dein Kind in die Hände anderer gelegt hast oder eine Zeit, in der du gut informiert und selbstverantwortlich gehandelt hast? War es ein Ereignis, das dich verletzt an Körper und/oder Seele zurückgelassen hat, oder hat es dich stark gemacht für die Herausforderung des Mutterseins? Wie viel Einfluss hattest du auf das, was mit dir geschah?
Hat man als Frau überhaupt Einfluss darauf, wie die Geburt werden wird? Nur bedingt, versichern uns Schwangerenratgeber. Denn schließlich kommt es anders und zweitens als man denkt. Wir können doch nicht klagen oder um ein verlorenes Geburtserlebnis trauern: Wir halten schließlich ein gesundes Kind im Arm!
So lässt es die Gesellschaft uns Frauen glauben und wir schweigen meist brav – Mädchen sollen brav sein – und ertragen den Schmerz im Stillen. Es war eben so. Die beauftragten Profis mussten uns vor den Unzulänglichkeiten unseres eigenen Körpers retten. Wahrscheinlich wären wir sonst gestorben und unser Kind auch. Frauenärzte und Hebammen sind ja nicht umsonst ausgebildete ExpertInnen der Geburtshilfe. Die werden schon wissen, was sie tun.
Aber wissen sie das wirklich? Diese Frage sollten wir Frauen angesichts einer durchschnittlichen Kaiserschnittquote von über 30% und einer klinischen Interventionsrate von über 90% dringend stellen. Sind die Experten, denen wir unser Leben und das unseres Kindes anvertrauen, wirklich qualifiziert, den fein abgestimmten, intimen Vorgang Geburt so zu begleiten, dass das Ergebnis optimal ausfällt? Ist die Angst, die von Anfang an bei Vorsorgen und der Geburtsüberwachung mitschwingt, berechtigt, oder führt sie zu vorschnellen Interventionen und damit unnötigen Komplikationen?
Tatsache ist, dass eine Mehrzahl der geburtshilflichen Routineeingriffe in Studien entweder als nutzlos oder sogar potentiell schädlich belegt wurde (Routineultraschall in der Schwangerschaft, Routine-CTG (Herztonüberwachung), Rückenlage/Halbsitzen und sogenanntes „Kristellern“, also starkes Drücken auf den Bauch während der Geburt, Einleitungsversuche der Geburt bei rechnerischer Terminüberschreitung).
Was die ExpertInnen machen, beruht – so unglaublich es klingen mag – vorwiegend auf medizinischen Traditionen und Meinungen.
Es ist daher an uns Frauen, zu entscheiden, ob wir eine solche Geburtshilfe wollen, ob wir sie klaglos hinnehmen und die häufig vorgebrachten Scheinbegründungen für Komplikationen tatsächlich glauben („Es hatte die Nabelschnur um den Hals, deshalb konnte es nicht normal geboren werden.“), oder ob wir bereit sind, für unseren Körper und das Wohlergehen unseres Kindes auch in der Schwangerschaft volle Verantwortung zu übernehmen und uns selbst gründlich zu informieren.
Hört man anderen Frauen über ihre Geburten reden, klingt das häufig so: „Ich durfte noch nicht pressen.“ „Ich musste eingeleitet werden.“ „Es musste ein Kaiserschnitt gemacht werden.“

Tatsache ist: Jede mündige Frau muss überhaupt nichts, was sie nicht selbst will. Egal, ob ein Arzt oder eine Hebamme es für nötig erachtet oder nicht. Doch unter Wehen lässt sich schlecht diskutieren und noch schlechter recherchieren, daher ist Information im Vorfeld der Geburt angebracht.

Entspannt schwanger: In Eigenvorsorge oft viel besser möglich.

Sonne auf dem Bauch
Sonne auf dem Bauch

Du musst keine Schwangerenvorsorge machen lassen. Du musst dich nicht einleiten lassen. Du brauchst niemand Fremdes, um dein Baby zu gebären, wenn du lieber allein sein willst. Das einzige, was du tun solltest, ist, dich um dich zu kümmern und dir bewusst zu machen, was du selbst willst.
Wenn wir im restlichen Leben für uns selbst verantwortlich sind, warum lassen wir uns dann von Fremden vorschreiben, wie wir schwanger zu sein und wie wir zu gebären haben? Als Mutter ist man viele Jahre lang für sein Kind verantwortlich. Lassen wir uns vor unserem eigenen Körper so viel Angst einjagen, dass wir die wichtige Zeit der Schwangerschaft und Geburt in anderen Händen sicherer wähnen als in unseren eigenen?
Dabei traut man sogar Diabetikern oder Bluthochdruckpatienten heutzutage zu, sich selbst den Blutzucker oder den Blutdruck zu messen. Menschen mit Herzinsuffizienz werden angehalten, sich regelmäßig zu wiegen, um einem Entgleisen der Erkrankung rechtzeitig gegensteuern zu können. Wie viel mehr sollten gesunde, schwangere Frauen in der Lage sein, sich gut informiert um ihre eigene Schwangerschaft zu kümmern? Ärzte und Hebammen wären dann immer noch wertvolle Ansprechpartner für aufkommende Fragen und bei eventuellen Problemen – aber sie wären nicht mehr die unangetasteten Autoritäten, deren Entscheidungen die Frau sich kommentarlos zu beugen hat.

Eigenverantwortliche Schwangere, die das Vorsorgetamtam und Geburtsmanagement durch die ExpertInnen in Frage stellen und vielleicht sogar ohne dieses einfach schwanger sind und gebären? Dieses Szenario macht Angst. Vor allem den ExpertInnen, die sowieso schon Angst haben, weil sie den weiblichen Körper für störanfällig und potentiell krankhaft halten. Und sicher fürchten nicht wenige auch um ihre Macht. Der Kaiserschnitt als Höhepunkt, ein ultimatives Hochgefühl für den Arzt, der das neue Leben auf die Welt bringt. Ihm gebühren Dank und Bewunderung. Ob Kaiserschnitt oder nicht: Von der Frau wird erwartet, Objekt zu sein und sich entbinden zu lassen.

Viele Frauen wollen nicht mehr hinnehmen, dass man ihnen auf diese Weise die Geburt stiehlt. Sie hinterfragen die Ängste und Geburtsmythen unserer Gesellschaft. Sie entdecken, dass das Wissen um eine schöne, sichere Geburt in ihnen selbst ist, und dass ihr selbst gewählter Weg schön, freudig und alles andere als gefährlich ist.
So wie auch Tiere ohne jede Vorbildung wissen, wie sie gebären müssen, können auch Menschenfrauen auf ein instinktives Wissen zurückgreifen. Sich zurückziehen, dorthin, wo man sich geborgen und von Beobachtern geschützt weiß. Vertrauen haben und loslassen. Das Geburtshormon Oxytocin fließt dann ungehindert und sorgt für einen reibungslosen Geburtsverlauf.
Muttermund tasten? Pressen auf Anleitung? Unnötig. Ein geburtshilfliches Basiswissen hilft, besondere Situationen wie vorzeitigen Blasensprung, grünes Fruchtwasser etc. beurteilen zu können und entsprechend zu handeln. Stress dagegen (ausgelöst durch fremde Umgebung, helles Licht, fremde Menschen und ein Gefühl des Ausgeliefertseins) gehört nicht zum freudigen Gebären. Er lässt Wehen verschwinden und verursacht Probleme – und im Krankenhaus zahlreiche Interventionen.

So kompliziert sind Schwangerschaft und Geburt nicht. Letzten Endes muss das Baby aus dem Bauch und nicht aus dem Gehirn geboren werden. Für eine gute Vorbereitung und damit man von den heutigen Ammenmärchen nicht unnötig eingeschüchtert wird, lohnt sich allerdings die Lektüre guter Bücher wie zum Beispiel „Gebären ohne Aberglauben“ (Rockenschaub),“Die selbstbestimmte Geburt“ (Ina May Gaskin) oder mein Beitrag „Alleingeburt“ (Sarah Schmid). Auch das Internet bietet auf diversen Blogs und youtube-Videos so viel Wissen an, dass eine Geburt für niemanden mehr ein undurchschaubares Mysterium bleiben muss. So kann jede Frau, die das will, ihre Schwangerschaft und Geburt in eigene Hände nehmen. Ganz gleich, wo und mit wem die Entbindung letztlich stattfindet.

8 Gedanken zu „Schwangerschaft und Geburt: Selbst verantwortet“

  1. Wahr gesprochen!
    Die Würfel für den Ausgang der Geburt fallen in der Schwangerschaft, nicht bei der Geburt. Vorbereitung, Information, Ruhe im Vorfeld, gute Gedanken und das Erlernen von Entspannungstechniken (Hypnobirthing, Bauchtanz, Atmen etc.) sind beinahe Garanten für eine Geburt in Freude.
    Du hast so Recht: Heute sagen die meisten Frauen „Tja da steckt man nicht drin, kommt eh immer alles anders:“ In Wahrheit sind wir Frauen in der Lage, die Geburt schon im Vorfeld zu steuern und müssen uns dann nur noch von den Wellen tragen lassen.
    Ich habe bisher drei Kinder selbstbestimmt geboren und dieses Hochgefühl trage ich bis heute in mir, ich wünsche es allen Frauen dieser Welt! Und ihr Männer könnt davon auch zehren, es stärkt die Partnerschaft und die Bindung zum Kind und ihr dürft stolz sein, wenn es euch gelingt, eure Frauen voller Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu begleiten!

  2. Vielen Dank für diesen schönen Artikel! Hinter jeden Satz habe ich innerlich ein „Ja, genau so ist es!“ gesetzt.
    Ich bin derzeit selber das 1. Mal schwanger :-)) und plane eine Hausgeburt. Dein Artikel bestärkt mich in meinem Weg einer selbstbestimmten Schwangerschaft und Geburt und ich ziehe sehr viel Energie daraus.

    Du hast mehrere Bücher zum Thema Geburt empfohlen. Hast du auch eine Empfehlung für Bücher zum Thema (selbstbestimmte) Schwangerschaft (Was passiert wann in der Schwangerschaft bei Mutter und Kind? Auf welche Zeichen kann ich achten? …) ?

    Viele Grüße,
    Judith

  3. Hallo Judith,
    die genannten Bücher (außer „Die selbstbestimmte Geburt“) beschäftigen sich ebenfalls recht ausführlich mit dem Thema Schwangerschaft, sollten für dich also auch in der Hinsicht gewinnbringend zu lesen sein. Rockenschaub geht recht wissenschaftlich an die Sache, erklärt aber dadurch auch sehr schön viele Ursachen und Hintergründe. Wenn du anschaulich wissen willst, was wann in der Schwangerschaft passiert, finde ich das Buch von Sheila Kitzinger „Schwangerschaft und Geburt“ ganz gut. Da gucke ich derzeit jedenfalls immer rein, was da zur jeweiligen Schwangerschaftswoche geschrieben steht. 🙂

    Sarah

    1. Hallo liebe Sarah,

      ich weiß nicht genau ob ich hier die richtige Stelle für meine Frage gefunden habe und ich hoffe sie wird entdeckt, aber ich versuch´s einfach mal 🙂
      Ich bzw. meine Familie und ich planen ebenfalls eine Alleingeburt in mittlerweile etwa 6 Wochen. Es ist unser zweites Kind. Die erste Geburt lief Komplikationslos, und ich war auch nur im Krankenhaus um meinen Mann (der damals noch etwas ängstlich war) zu beruhigen. Im Nachhinein wären wir lieber zuhause gewesen. Ich habe dein Buch gelesen, es war auch nochmal sehr stärkend und freue mich unendlich riesig auf diesen Tag. Ich habe keine Ängste, vertraue auf meine naturgegebenen Kräfte und die des kleinen Wesens in mir und wir stehen dem „gut vorbereitet“ und freudig gegenüber.

      Jedoch gibt es eine Sache die sich mir nicht ganz erschließt. Natürlich ist diese hauptsächlich bürokratischer Herkunft (absolut nervig). Ich konnte aus vorherigen Berichten nicht ganz erkennen wie man denn eigentlich mit den U-Untersuchungen nach der Geburt umgeht? Ich werde ja auch keine Hebamme hier haben, das heißt eine typsische U1 wird nicht gemacht. Das finde ich eigentlich gut, denn ich freue mich (im Gegensatz zu meiner ersten Geburt im Krankenhaus) auf unsere Kuschelzeit danach und das Fernbleiben von Fremden. Doch sind diese U´s nicht Pflicht?
      Ich würde mich wahnsinnig freuen, vielleicht von Dir oder auch anderen die schon in den Genuss einer Alleingeburt gekommen sind, zu erfahren wie ihr damit umgegangen seid.
      Bisher habe ich nur testweise einen Kinderarzt angerufen und der (bzw. seine Sprechstundenhilfe) war recht erschrocken darüber, dass keine U1 stattfindet. Ich hatte quasi den Plan mich erst für die U2 anzumelden…(und auch das eher gezwungenermaßen) doch das war da wohl schon mal nicht bekannt. *war fast witzig die Stille am Telefon plötzlich*

      Vielleicht könnt Du/Ihr mir ja dahingehend ein paar Infos geben, bzw. aus eigener Erfahrung sprechen, würde mich sehr freuen!!!
      So, dann dank ich erstmal im Voraus
      und ganz liebe Grüße!!!
      Madeleine 🙂

      P.S.: Und nochmal ein dickes Lob für deine Hilfestellungen für uns Frauen!!!

      1. Liebe Madeleine,
        die U1 findet ja in den ersten Minuten nach der Geburt statt. Wenn keine Hebamme oder Arzt anwesend ist, kannst du dein Baby natürlich selbst nach Apgar-Schema grob einschätzen. Ansonsten gibt es eben keine offizielle U1. In manchen Bundesländern gelten die Us als verpflichtend. In vielen Bundesländern sind sie das nicht und trotzdem wird den Eltern gegenüber oft behauptet, es ginge nicht ohne. Bei der U1 und U2 (die in der Regel im Krankenhaus stattfinden) wird dir da aber noch keiner Stress machen. Beim Kinderarzt erntest du wahrscheinlich schräge Blicke, wenn es da keinen Eintrag im Heftchen – oder noch gar kein Heftchen – gibt, mehr aber nicht. Habe ich jedenfalls noch von niemandem gehört. Das „Schlimmste“, was dir passieren kann, wenn du auch die spätere Us nicht wahrnimmst, ist, dass das Jugendamt vorbeikommt und sich versichert, dass das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Ich habe auch schon gehört, dass gedroht wurde. Man kann dann getrost verlangen, die rechtliche Grundlage dafür gezeigt zu bekommen. Rein juristisch steht diese Pflicht zu den Us – da, wo sie denn überhaupt existiert – nämlich auf recht wackligen Füßen. Eine schriftliche Erklärung, warum man die Untersuchungen ablehnt, hat in vielen Fällen schon Ruhe vor dem Amt gebracht. Wenn du nur auf die U1 und U2 verzichten willst und nachher brav zur U3 gehst, wird dir aber noch kein Jugendamt zu Leibe rücken. Der Kinderarzt freut sich sicherlich, wenn du ihm die Geburtsmaße (Gewicht, Länge, Kopfumfang) mitbringst, damit er seine Wachstumskurve anlegen kann. Es gibt übrigens auch Kinderärzte, die kommen zur U2 nach Hause. Bei unserer Großen hatten wir das. Diese Ärztin hatte uns unsere damalige Hausgeburtshebamme vermittelt.
        Lass uns gern wissen, wie es gelaufen ist! Jede Erfahrung kann auch für andere hilfreich sein.
        Liebe Grüße und eine schöne Geburt! 🙂
        Sarah

  4. Hallo Sarah,

    ich erwarte gerade mein erstes Kind, welches in acht Wochen auf die Welt kommen soll und habe dein Buch gelesen.
    Ich plane eine Hausgeburt mit Hebamme und bin froh, dein Buch gelesen zu haben. Es hat mich und mein Vorhaben, das Baby zu Hause in meiner gewohnten Umgebung zu bekommen sehr bestärkt.
    Ich hoffe, ich habe auch im Januar noch den Mut und die innere Stärke meinem Kind einen möglichst stressfreien Start ins Leben zu geben.
    Danke für die Offenheit in deinem Buch.

    1. Hallo Resa,
      danke für dein Feedback. Ich freue mich, wenn du das Buch gewinnbringend gelesen hast.
      Unser 5. Kind kommt übrigens fast zur gleichen Zeit, in ca. 9 Wochen.
      Wünsche euch einen entspannten Schlupf! 🙂
      LG, Sarah

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