Die Wehen sind heftig und der Muttermund (so jemand ihn tastet) geht kaum auf? Das Baby will nicht geboren werden trotz stundenlanger Wehen? Kommt immer mal wieder vor und endet häufig im Kaiserschnitt. Oft wäre das nicht nötig – nur leider fehlt den meisten Geburtshelfern das nötige Wissen. Im Folgenden habe ich versucht zusammenzufassen, was ich dazu von Gail Tully (Hebamme in den USA und Expertin in Sachen Kindslageoptimierung) und anderen Experten auf dem Gebiet gelernt habe. Damit die Übersichtlichkeit halbwegs erhalten bleibt, mache ich mehrere Teile. Dieser erste Teil soll dir helfen herauszufinden, warum die Geburt nicht weitergeht.
Wenn eine Geburt nicht voran geht, muss man sich als erstes die Frage stellen: Ist das Baby gut ins Becken eingestellt? Denn um für eine Geburt durch das Becken gehen zu können, muss das Baby erst einmal am Beckeneingang ins Becken eintreten.
Ein Baby, das gut ins Becken eingestellt ist, zeigt einen stetigen Geburtsverlauf mit Wehen, die über die Zeit immer stärker werden und regelmäßig sind. Mehr dazu, wie man die Wehenstärke einschätzen kann, hier.
Wenn das Baby nicht oder nicht gut ins Becken eingestellt ist, erkennt man das an diesen Dingen:
- ermüdende Vorwehen, ohne dass die Geburt richtig losgehen will. Die Gebärmutter versucht damit unermüdlich, das Baby in eine bessere Position zu bringen.
- Möglich sind auch Übertragung, weil die Geburt auf sich warten lässt, solange das Baby noch nicht geburtsbereit liegt.
- Häufig ist auch ein vorzeitiger Blasensprung, nach dem die Wehen nicht oder sehr zögerlich beginnen.
- einen Geburtsverlauf ohne Fortschritt. Der Muttermund mag sich dabei öffnen (durch den Druck der Fruchtblase, aber nicht durch den kindlichen Kopf), oft bleibt der Muttermund mehr oder weniger geschlossen. Das Baby steht in jedem Fall hoch und kommt nicht tiefer. Man kann den Babykopf über der Symphyse tasten. Er kann die Symphyse überlappen, muss das aber nicht zwingend. (Achtung: außerdem fest über der Symphyse lässt sich oft die Schulter tasten. Sie ist aber schmaler als der kindliche Kopf.)
- Verschiedene Wehenmuster sind möglich: Start-Stop-Wehen, ohne dass es einen Zusammenhang mit dem Tag-Nacht-Rhythmus (nachts nehmen die Wehen natürlicherweise zu) oder bestimmten Störfaktoren (Ortwechsel, Personalwechsel, zu wenig getrunken) gibt. stundenlang leichte, regelmäßige oder unregelmäßige unveränderliche Wehen oder starke, unaufhörliche Wehen wie in der Übergangsphase aber ohne Fortschritt (Wehen sind bei 1-3 cm Muttermundseröffnung heftiger als bei 8 cm)
- kann (muss aber nicht in jedem Fall) Schmerzen hoch im Becken machen (über der Symphyse, den Hüften oder im Rücken)
- Die Mutter bleibt kopfgesteuert und kommt nicht in der instiktiven Geburtsblase an, da die für diesen Wechsel zuständige Hormonveränderung bei einem hoch stehenden Baby noch nicht stattgefunden hat.
Mögliche Ursachen, warum das Baby nicht ins Becken kommt (eins oder mehreres kann zutreffen):
- die Bauchmuskeln sind schwach und der Bauch hängt zu weit nach vorn, so dass die Gebärmutter das Baby nicht im richtigen Winkel ins Becken bzw. gegen das Kreuzbein drückt. Dadurch kann es auch zu einer Fehleinstellung des Kopfes kommen, wobei der Kopf kippt und mit einer Schrägseite vorangeht (Asynklitismus).
- Das Baby liegt in der hinteren Hinterhauptslage (Sternengucker) – damit einhergehen häufiger Doppelwehen (eine Wehe geht ohne Pause in eine zweite über) oder auch ein Wehensturm.
- ein abgeflachtes Becken (platypeloid) – Es besitzt einen verkleinerten Beckeneingang, der den Eintritt des kindlichen Kopfes erschwert.
Lösungsansätze und Übungen zur Erweiterung des Beckeneingangs: hier
Geburtsstillstand, wenn Babys Kopf im Becken ist (typisch bei 5-8 cm Muttermunderöffnung):
- kann nach bisher unauffälligem Geburtsverlauf auftreten
- Stillstand bei 5 -8 cm Muttermundseröffnung mit starken Wehen
- Wehen sind oder waren schon kräftig, schwächen nach einer Zeit ab
- Der Kopf des Babys bleibt quer (eine Hebamme kann das vaginal tasten), anstatt sich gerade zu drehen (tiefer Querstand)
- Der gefühlte Druck kann zu Panik führen oder dem Gefühl, dem Geburtsfortschritt nicht nachgeben zu können/wollen. Die Mutter ist aber nicht mehr im rationalen Denken verhaftet wie bei einem Geburtsstillstand am Beckeneingang.
- Wenn ein verspannter Beckenboden die Ursache des Stillstandes ist, wird sich das Baby durch Übungen, die den Beckenboden entspannen und die Beckenmitte öffnen, drehen. Klemmt es zwischen den beiden Sitzbeinstacheln (Spinae ischiadicae) fest, hilft unter Umständen nur eine manuelle Drehung des Kopfes durch einen erfahrenen Geburtshelfer oder ein Kaiserschnitt.
Mögliche Ursachen, warum das Baby auf Beckenmitte stecken bleibt: (eine oder mehr sind möglich)
- Asynklitismus – der Kopf ist ein Stück zur Seite gekippt und kommt deshalb nicht weiter. Meist bei einem Beckenboden, der zu einer Seite hin verspannt ist. Der Beckenboden dient dem Kopf als Führung. Ist die Führung schräg, kippt der Kopf eher schräg.
- Sternenguckerlage (hintere Hinterhauptslage), evt. plus wenn das Baby das Kinn nicht auf die Brust genommen hat, was aus der Sternenguckerlage häufiger mal passiert. Dann ist das Manövrieren durch das Becken u.a. aufgrund des größeren Kopfdurchmessers erschwert.
- verspannte Bänder und Muskeln im Becken durch eine ungünstige Körperhaltung/viel sitzen in der Schwangerschaft
- Unfälle oder andere Ursachen für ein schiefes Becken
- Baby ist sehr groß.
- Das Becken ist schmal (anthropoid) und damit der Abstand zwischen den Sitzbeinstacheln kleiner als normal
Lösungsansätze und Übungen zur Erweiterung der Beckenmitte: hier
Geburtsstillstand wenn das Baby am Beckenausgang und schon (fast) zu sehen ist:
Achtung! Pressdrang oder vollständige Muttermundseröffnung bedeuten nicht zwingend, dass das Baby am Beckenausgang ist. Es kann trotzdem noch weiter oben oder noch gar nicht im Becken sein. Also zuerst bestimmen: Wo ist das Baby?
Bei Geburtsstillstand ist also wichtig herauszufinden: Wie weit ist das Baby schon auf seiner Reise durch’s Becken gekommen?
(nicht: Wie weit ist der Muttermund auf?)
Um zu beschreiben, wie tief das Baby im Becken ist, benutzt man die Höhenstandseinteilung nach Lee. Dabei ist 0 eine gedachte Linie zwischen zwei Knochenvorsprüngen, an denen das Becken am engsten ist (Interspinalebene).
So ganz genau nach Zahlen lässt sich der Höhenstand des Kindes in der Realität kaum bestimmen. Wichtig zu wissen ist eher: Ist das Baby noch weit oben, also im oder über dem Beckeneingang (in der Abbildung rot)? Ist es in der Beckenmitte (gelb)? Oder steht es schon tief, also fast am „Ausgang“ (grün)?
Auf dem Weg durch das Becken muss das Baby mit dem Kopf Drehungen vollziehen um durchzupassen. Wenn man weiß, wo das Baby sich in etwa befindet, kann man bei einem Geburtsstillstand spezielle Übungen machen, um dort mehr Platz zu schaffen, wo es in der Situation notwendig ist.
Wie bekomme ich heraus, wo meine Baby ist?
Ein Baby, dass sehr hoch steht, tastet sich am besten von außen über die Bauchdecke. Über der Symphyse lässt sich der kindliche Kopf tasten. Lässt er sich etwas hochschieben oder bekommt man direkt über der Symphyse die Fingerspitzen drunter, ist er nicht im Becken eingestellt. Wenn der Kopf im Beckeneingang fest steckt, ist das nicht ganz so leicht zu tasten, sollte aber von den oben beschriebenen Symptomen her abzugrenzen sein. Ist der Kopf im Becken, kann man das auch von außen tasten, dann ist der Kopf nur noch – wenn man etwas tiefer reindrückt – von den Seiten zu tasten. Eine Hebamme hat gelernt, den Höhenstand des Kindes vaginal zu tasten und im Verhältnis zur Interspinalebene zu bestimmen.
Mehr zum Geburtsstillstand am Beckeneingang „hängen“ bleibt hier.
Mehr zum Geburtsstillstand auf Beckenmitte hier.
Mehr zum Geburtsstillstand am Beckenausgang hier.
2 Gedanken zu „Warum stockt meine Geburt?“