Die Mutter im folgenden Bericht erzählt von ihrer dritten Geburt – ihre erste natürliche Geburt nach zwei Kaiserschnitten.
Vorgeschichte
Für unseren Geburtsbericht werde ich etwas ausholen, damit Ihr auch die Hintergründe verstehen könnt. Zu meiner Geschichte: ich bin Jahrgang 1981, habe meinen Freund, mittlerweile Mann, erst spät (mit 26) kennengelernt. Als wir dann versuchten, schwanger zu werden, hat man uns gesagt, es käme einem 6er im Lotto gleich, wenn wir ein Kind bekämen. Mein Mann hat schlechte Spermien aufgrund eines Hodenhochstandes in der Kindheit und ich hormonelle Probleme durch eine überstandene Anorexie und Hashimoto. Kurz vor der künstlichen Befruchtung waren wir im Frühjahr 2013 dann endlich schwanger, ohne Zutun von außen. Um die 22.SSW hieß es dann: Das wird ein Kaiserschnitt wegen Beckenendlage. Mit wenig Selbstbewusstsein und Angst vor einem behinderten Kind wollte ich mich da auch nicht gegen entscheiden. Akkupunktur, indische Brücke etc. haben nicht genützt … Der Schnitt war ok für mich, da drei Wochen vor ET beim CTG zufällig Wehen festgestellt wurden. Muttermund war 4cm auf, aber ich hatte nur unangenehme Rückenschmerzen … So wurde unsere Große am 14.11.2013 um 21 yUhr geholt und wir waren überglücklich. Ich denke, die Plazenta war durch, denn sie hat nur 2450g gewogen und war 49 cm groß. Stillen und Tragen war unser Ding. Stillen bis in die nächste Schwangerschaft (also 2,5 Jahre). Dann 2015 im Dezember eine leere Eihülle mit anschließender Ausschabung. (Würde ich auch nie wieder machen lassen!) Und ohne Unterbrechung direkt wieder schwanger … Von wegen, wir sind unfruchtbar. Wieder um die 20.SSW wurde mir gesagt, dass das Kind wohl wieder in BEL liegen bleiben wird, da zu wenig Platz für die Drehung da sei, weil ich klein und zierlich bin. Und nun? Ich wollte unbedingt eine spontane Geburt, habe aber hier in der Gegend niemanden gefunden, der nach einer Sectio eine BEL-Geburt begleitet. Die Hoffnung, dass unsere 2te Tochter sich dreht, war riesig, die Anspannung dementsprechend hoch und die Enttäuschung noch größer, als ich am Morgen des geplanten Kaiserschnittes in der 40. SSW ins Krankenhaus ging, es war der 04.10.2016. Ich kam mir vor, als würde ich zur Schlachtbank gehen. Und wie ging es weiter? Im OP wurde mir die Spinale gesetzt und hat ewig gebraucht, bis sie gewirkt hat. Mein Widerwille war einfach zu groß. Der operierende Gynäkologe hatte scheinbar keine Zeit und fing an zu schneiden, obwohl ich noch Gefühl hatte. Ende vom Lied war, dass ich eine Vollnarkose bekam und nichts von meinem Kind wusste, bis ich von der Hebamme aus dem Aufwachraum abgeholt wurde. Unsere Zweite hat sich nur tragen lassen, nie mehr als 20min geschlafen und sich trotz Tragen und Stillen nur schwer regulieren können. Auch heute noch ist sie ein unruhiger Geist, was ich teilweise auf die Entbindung zurückführe. Gestillt wurde sie 2 Jahre und 10 Monate. Dann wollte ich nicht mehr …
Die Schwangerschaft
Lange wollte ich noch ein drittes Kind, weil mir die Erfahrung einer Spontangeburt so sehr fehlte und ich mich nicht als „vollwertige“ Frau fühlte. Aber mein Mann hatte mit den zwei Kindern genug. So habe ich die Verhütung auch ihm überlassen und er hat sie „unterlassen“. Nach 5 Jahren, meinem 40. Geburtstag und begonnener Abendschule war auch mein Wunsch auf Nummer 3 erloschen. Aber da wir so lange auch ohne Verhütung nicht schwanger geworden sind, hätte ich nie damit gerechnet, dass wir doch nocht ein Kind bekommen würden. Und Schwups, hielt ich ein gutes halbes Jahr später, Ende November 2021, einen positiven Test in der Hand. Erst mal brauchte ich zwei Wochen, um die Schwangerschaft überhaupt so richtig zu akzeptieren … Dann, als die Vorfeude auf unser drittes Kind plötzlich überwog, merkte ich, dass eine Spontangeburt nahezu unmöglich wird. Krankenhäuser hier in der Gegend greifen nach 2x Sectio bei der kleinsten Verzögerung ein, wenn überhaupt eine natürliche Geburt zugelassen wird. Außerklinische Geburt mit Hausgeburtshebamme oder im Geburtshaus ist nach 2x Sectio rechtlich nicht drin. Eine Nachsorgehebamme mit Geburtstermin kurz vor den Sommerferien war auch nur schwer zu finden. Eine Traumatherapeutin mit Schwerpunkt Hypno-Birthing, mit der ich die zweite Geburt aufarbeiten wollte, hat mich wegen einer Erkältung versetzt. Eine Hausgeburtshebamme, die die letzten Vorsorgen machen sollte, konnte dann plötzlich nicht, weil vor ihrem Urlaub so ultra viel zu tun war. Es war der Wurm drin. Ständig gab es Absagen, die mich kurz frusteten und aber immer mehr zur Alleingeburt führten. Irgendwann dachte ich: „Wenn mir niemand helfen will, dann soll es wohl ein Zeichen sind, dass wir es auch alleine schaffen!!!“ So habe ich mich dann auch die letzten 10 Wochen von den Vorsorgen distanziert. Ich hatte privat genug um die Ohren (Umbau zu Hause, Klausuren für die Abendschule, Tod der Schwiegermutter, kranke Kinder zu Hause, Vorbereitungen auf unser Baby…) und habe ja durch die regen Bewegungen von unserem Baby gemerkt. So war ich mir immer sicher, dass es ihr gut geht und konnte auf CTGs ohne schlechtes Gewissen verzichten. Auf der Seite von Jobina Schenk bin ich dann zum ersten Mal auf das Thema Alleingeburt und auf Sarahs Arbeit aufmerksam geworden und sah damit irgendwann meine einzige Möglichkeit, mir meinen Wunsch nach einer spontanen Geburt zu erfüllen. Ich habe mit Bensberg telefoniert und mich telefonisch angemeldet, weil mir die Klinik mehrfach empfohlen wurde. Da gäbe es wohl am ehesten die Möglichkeit einer selbstbestimmten Geburt. Würde aber auch heißen: die beiden Großen unterbringen, 2.5 Stunden Fahrt unter Wehen … und dann hatte mir eine Frau aus der Birth-Support-Gruppe ja noch gesagt, dass es auch Ärzte in Bensberg gäbe, die schnell intervenieren. So besuchte ich noch einen Osteopathen, der meine Muskulatur im Beckenboden und Kiefer lockerte. Danach lag unsere Maus dann auch kotinuierlich in Schädellage. Und ich entschied mich letztlich für den Versuch der Alleingeburt, denn ein Krankenhaus mit Kreißsaal ist hier im Notfall in 10 min zu erreichen. Dennoch habe ich mich für alle Fälle in dem Krankenhaus angemeldet, auch weil ich das Gespräch mit dem Arzt suchen wollte, der den zweiten Kaiserschnitt gemacht hat. Aber er hatte wenig Interesse an der Aufarbeitung der OP. Dennoch hat mir der Termin viel gebracht, da auf meine Ansage, dass ich keinen dritten Kaiserschnittt möchte, noch einmal genau untersucht wurde: Kind in Schädellage, Narbe gut verheilt, Vorderwandplazenta nicht in der Narbe eingewachsen, Kind eher klein). Alle Voraussetzungen standen gut!!! Die Zweifel meines Mannes konnten wir mit Sarahs Buch „Alleingeburt“ und den aufgeführten Lösungen für sämtliche möglichen Probleme aufösen. Durch den Film „Die sichere Geburt“ ist auch noch mal mehr deutlich geworden, was ich ihm vorher versucht habe zu erklären: Je mehr Intervention, desto eher gibt es Probleme bei der Geburt. Anfang Juni habe ich Sarah kontaktiert, die mich dann auch in die Birth- Support-Gruppe aufgenommen hat. Durch die Fragen, Antworten und unterstützende Mitteilungen dort konnte ich mich weiter auf unsere Geburtsreise vorbereiten und mir ist immer mehr klar geworden, wie gewinnbringend dieses Mitlesen war!!! Danke hierfür.
Die Geburt
Dann verstrich unser Termin am 17.07.22 und ich wurde immer nervöser, obwohl ich dachte tiefenentspannt zu sein. Seit fünf Wochen hatte ich immer wieder ein Ziehen in der Leiste, ab und an auch Schmerzen im Kreuz, Stich vom Rücken bis in die Leiste. Es schien, als würde mein Körper sich auf die Geburt vorbereiten. Aber ich konnte keine Änderung am Gebärmutterhals ertasten. Unser Baby war die ganze Zeit über sehr mobil im Bauch. Und immer wieder kam Angst hoch, dass ich keine Wehen bekomme oder mein Baby sich doch aus der Schädellage rausgedreht hat. Nachhelfen wollte ich nur ungern, aus Angst dass meine Narbe es nicht toleriert. Zum Frauenarzt o.ä. mochte ich nicht gehen, weil die in mir nur noch mehr Angst geschürt hätten. Ich wusste, dass Terminüberschreitung bis 3 Wochen harmlos sind, aber dieses Warten macht mich kirre, beonders weil ich mehrmals täglich gefragt wurde, ob sich noch immer nichts tut. Am 22.07.22 habe ich dann voller Unruhe in die Birth-Support-Gruppe geschrieben. Nach dem Jammern und dem guten Zureden dort ist dann gegen 22:45 Uhr die Fruchtblase geplatzt. Aus dem anfänglichen Ziehen im Rücken wurden innerhalb von 30 Minuten kräftige Wehen, direkt mit 7 bis 8 Minuten Abständen. Anfangs kam ich noch ganz gut klar damit, und bin oft zum Wasserlassen auf die Toilette gewechselt, konnte mir aber kaum vorstellen, dass das alles irgendwie noch an mehr Fahrt aufnehmen könnte … Nach zwei Stunden war ich dann völlig ausgelaugt (es war der 23.07.22 gegen 1 Uhr), ultra müde, Schweißausbrüche während der Wehe und ich fing an zu zittern in den Wehenpausen. Mein Mann hat mich mit allem unterstützt, was ging. Er hat mich trocken gerieben, wenn mir der Schweiß am Rücken stand. Er hat mich zugedeckt, wenn ich anfing zu zittern. Er hat mir ein Seil zum Dranhängen und Petzi-Ball besorgt, nasse Handtücher mit frischen gewechselt. Die heiße 7 hat er mir gemacht, als ich plötzlich kein Wasser mehr trinken konnte und wenn ich mich recht erinnere, ging es mir mit dem Magnesium-Schub auch etwas besser unter den Wehen. Mein Mann hat unsere Große beruhigt, die irgendwann wach wurde. Ich weiß gar nicht, was noch alles. Eben sagte er mir, dass die Wehen irgendwann im 2 Minuten Rhythmus kamen, also Wehentracker war er auch noch. Er hat sich von mir anfahren lassen, wenn ich gerade nicht anders konnte … Ich hätte so gerne geschlafen, aber die Wehen haben mir keine Chance gelassen. Die meiste Zeit habe ich im Vierfüßlerstand im Bett verbracht oder auch mal zwischen Waschbecken und Heizung abgestützt. Aber wenn ich im Bett lag um zu dösen, kam ich meist nicht schnell genug in den Vierfüßlerstand zurück und die Wehen im Liegen waren für mich unerträglich. So dass ich dann irgendwann verzweifelt in die Gruppe geschrieben habe. Ich habe Aua gejammert, Nein, Nein geschrieen… Die motivierenden Worte dort, plus die Angst vorm dritten Kaiserschnitt, sollte ich aufgeben, haben mich weiter kämpfen lassen. Zum Glück!!! Denn wieder 1,5 – 2 Stunden später (denke es war 2:30 / 3 Uhr früh) ging dann auch der Schleimpropf ab, auch wenn ich nie das Gefühl hatte, dass sich mein Baby gesenkt hat. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich meinen Darm entlerren müsste, womit ich jedoch keinen Erfolg hatte. Aber nun wusste ich, dass die Presswehen los gingen und anfangs kam dabei auch immer Stuhl mit, den ich auf der Toilette leider nicht losgeworden war. Mein Mann wischte mich ständig ab, wofür ich ihm wirklich dankbar bin. Erst nach der Geburt sagte er mir zum ersten Mal, dass es für ihn unmöglich schien, dass der „GROSSE“ Kopf, den er irgendwann erblickte, rauskommen könnte. Aber ich fühlte, wie sich alles in mir weitete und auch mein Ziel mir immer näher kam. Jetzt hieß es ran zum Endspurt!!! … und meine Motivation kam zurück! Trotz aller Zweifel hat meine große Stütze mich angespornt und immer wieder gesagt: „Weiter, Du schaffst das!!!“ Dann bei der x-ten Presswehe gegen 4:15 Uhr spürte ich dieses viel umschriebene Brennen und wusste, dass der Kopf gleich geboren wird. Mein Mann wollte den Kopf halten und ich hatte das Gefühl, dass er unser Kind immer wieder zurückschiebt, was sehr unangenehm war. Dabei war sie es selbst oder auch mein Körper, der das Baby in meiner Scheide immer wieder mit rein und raus schob. Aber das erste Quäken gab sie schon in dieser für uns beide wohl ungemütlichen Stellung von sich. Naja, dann blieb die erwartete Drehung um die eigene Achse aus, aber irgendwie hat unsere Lisa es auch mit voller Breitseite aus mir geschafft. Und wir waren überglücklich, erleichtert, dankbar … Ich war so voller Adrenalin, dass ich bis 12 Stunden nach der Geburt gar nicht schlafen konnte, obwohl die Nacht zuvor ja ausgefallen war. Lisa hat direkt das Dauernuckeln angefangen und somit setzten auch die Nachwehen schnell ein, aber die Plazenta lies sich nicht blicken. Nachdem die Nabelschnur dann auspulsiert war, hat meine bessere Hälfte dann sein „Opinel“ gezückt und abgenabelt. Nach 2-2,5 Stunden habe ich ihm dann auch unser Neugeborenes übergeben, weil ich mich durch sie nicht auf die Geburt der Plazenta konzentrieren konnte. Meine Mann ist ziemlich bald mit der Kleinen an seiner Seite eingeschlafen, nachdem er 24 Stunden am Stück auf war und unzählige Male für mich treppauf und treppab gelaufen war. Und in seinem Arm brauchte die Kleine auch nichts zum Nuckeln … Als wir dann die Nachsorgehebamme kontaktiert hatten, kam so langsam Panik auf. Denn nach vier Stunden war die Plazenta noch immer nicht geboren. Und sie hat mir empfohlen, mich ins Krankenhaus zu begeben. Nein, das konnte doch nicht sein nach diesem kraftvollen Akt. Jetzt aufgeben? Sie rief mich um 9:35 Uhr an, dass sie jetzt kommen könne, aber einen Rettungswagen mitbestellen müsste. Sollten wir es dann zusammen schaffen, die Plazenta zu gebären, dürften die Sanitäter wieder fahren, aber ansonsten müssten sie mich mitnehmen (damit sie abgesichert sei). Ich muss es ihr hoch anrechnen, denn ich bat sie, uns noch 30 Minuten Zeit zu geben und sie hat sich drauf eingelassen. Zuvor hatte ich Sarah geschrieben, um auf Nummer sicher zu gehen, denn ich hatte in der Birth-Support-Gruppe erst mitgelesen, wie eine andere Frau auch lange mit der Plazenta zu kämpfen hatte. Also beschlossen wir schnell, dass mein Mann an der Nabelschnur ziehen sollte und ich mitschiebe, denn nachdem unsere Kleine ewig an mir genuckelt hatte und ich auch Nachwehen spürte, war ich mir fast sicher, dass die Plazenta sich schon gelöst hatte und sich selbst den Ausgang versperrte. Und wir haben es wieder geschafft. Auch die Plazenta wurde ohne Unterstützung von außen geboren und wird gerade unter unserem Spitzahorn vergraben. Also alles in allem eine Grenzerfahrung, anstrengend, zusammenschweißend, Mut und Selbstvertrauen gebend. Eine Erfahrung, für die wir sehr dankbar sind, auch dass es allen gut geht!!! Lisa kam mit 51 cm, 3290g, KU von 35 cm… Sie hatte 1,5 Tage noch viel mit der Verdauung zu kämpfen, aber Fliegergriff und vor allem Tragetuch haben schon nach 30 Stunden geholfen und endlich kam sie zu ihrem wohlverdienten Schlaf. Die Nachsorgehebamme hat bei mir lediglich eine Schürfung und ein Hämatom in der Scheide festgestellt.