Unsere Liese wird demnächst ein halbes Jahr alt. Pünktlich wie immer flattern (dank hier in Schweden fehlendem Datenschutz) Probetütchen für Babybreie diverser Hersteller ins Haus. Ich darf wählen zwischen Haferbrei mit Banane und Himbeere oder Haferbrei mit Mango und Banane (echte Früchte drin!) oder Vollkorn- bzw. Gute-Nacht-Trinkbrei (Trinkbreie sind für schwedische Eltern unverzichtbar, weil man sie so schön mit der Flasche füttern kann).
Was ist denn da eigentlich drin im Trockenfutter für Babys, frage ich mich erst einmal. Unser Bananen-Himbeer-Haferbrei ab 6 Monaten enthält: „25% Hafermehl, Magermilchpulver, Weizenmehl (teilweise gemälzt), 8,5% Bananenflocken (das sind bei 30g Gesamtinhalt weniger als 3 g Banane, immerhin), Pflanzenfett, Stärke, 1,5% getrocknete Himbeeren, Mineralstoffe (Kalzium, Eisen, Zink, Jod), Vitamine (A, D, E, C, Thiamin, Niacin, B6, Folsäure, Biotin, Pantotensäure)“.
Das Erste, was ich denke, ist: Kann ein Lebensmittel gesund sein, wenn man so viele Mineralstoffe und Vitamine künstlich zusetzen muss?
Ganz zu schweigen davon, dass mich das Produkt geschmacklich gar nicht überzeugt.
Gestillt wird die Liese noch lange, bzw. so lange sie will. Das ist keine Frage. Aber was gebe ich ihr, wenn sie demnächst Interesse am Essen zeigt? Laut beiliegendem Werbeheftchen habe ich offiziell die Wahl zwischen Getreidebreien (als Tüte oder Glas), Gemüsebreien (Glas) und Obstmus (Glas). Ich finde diese Art Babyfutter zu teuer und will selber kochen. Aber wie kriege ich dann die ganzen Mineralstoffe und Vitamine ins Essen? Schließlich sind Gemüse, Getreide und Obst nicht gerade für eine hohe Nährstoffdichte bekannt. Vitamin D und A oder Eisen kommen da zum Beispiel praktisch nicht vor.
Wann ein Baby festes Essen bekommen soll und was, ist kulturell sehr verschieden. Die öffentlichen Empfehlungen ändern sich bei uns laufend und mit immer neuen Erkenntnissen ist nicht zu erwarten, dass dieses Hin und Her so bald aufhört. Vielleicht gibt es etwas, das schon ein paar Jahre mehr Erprobung auf dem Buckel hat. Immerhin haben Menschen auf der ganzen Welt seit Jahrtausenden ihre Babys irgendwie groß gekriegt, lange bevor es öffentliche Empfehlungen und industriell hergestelltes Trockenfutter gab.
Also, was lässt sich finden? Tiermilch ist/war oft das erste neue Nahrungsmittel neben der Muttermilch. Weit verbreitet war es außerdem, Essen vorzukauen. Babys bekamen vorgekautes Erwachsenenessen. Das erscheint uns zwar eklig, ist aber wohl schlauer, als man denkt. Die Enzyme im Speichel dauen das Essen an und machen es für das Baby leichter verdaulich. Das kann ein Mixer nicht. (Die Angst vor den Kariesbakterien, die man dem Kind dabei überträgt, wie uns die Experten unserer bakteriophobischen Kultur gern weismachen wollen, halte ich für hinfällig. Dazu vielleicht ein andermal mehr.)
Getreide (Mehlsuppe, Brotsuppe) als Babyessen wurde in Europa schon im Mittelalter dokumentiert. Allerdings ist das Mittelalter auch eine Zeit, die man nicht unbedingt mit sehr gesunden Menschen verknüpft, weshalb nicht sicher ist, ob man sich die damalige Ernährung wirklich zum Vorbild nehmen soll. Schauen wir über den europäischen Tellerrand und suchen Kulturen mit in der Vergangenheit oder Gegenwart dokumentiert sehr gesunden Menschen. Denn das will ich, dass mein Kind gesund ist und bleibt und sich optimal entwickelt.
Der Zahnarzt und Forscher Weston Price fand bei seinen Feldstudien vor allem die Nomadenvölkern Afrikas bei hervorragender Gesundheit vor. Ihre Gesichtsschädel waren gut entwickelt mit breiten Zahnbögen, die allen Zähnen Platz boten, was auf eine ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen während der Kindheit hinweist. Diese Menschen waren zu 100 % frei von Karies und die modernen Wohlstandkrankheiten waren ihnen unbekannt. Im Gegensatz zu den sesshaften Völkern ernährten sich die Nomaden vorwiegend von den Produkten ihrer Tiere.6) Dort bekamen Babys zum Beispiel von ihren Müttern vorgekaute Leber1), Butter, Schmalz, Fett, Tiermilch und mit etwas über einem Jahr auch Blut.5)
Bevor die Indianer in Nordamerika die westliche Lebens- und Ernährungsweise übernahmen, waren sie weder kurzsichtig noch übergewichtig. In ihrer Sprache gibt es kein Wort für Arthritis. Weston Price bereiste Kanada in den 30er Jahren, als es noch ursprünglich lebende Indianergruppe dort gab. Er dokumentierte, dass man als erstes Babyessen Knochenmark verwendete, außerdem Elchmagen bzw. bestimmte Meeresfische zu einem Brei zerstieß.2)
Die Inuit sind eine weiteres Volk, denen es gelang, trotz ihres kargen Wohnraumes ein hohes Maß an Gesundheit aufrecht zu erhalten – zumindest, bis die Weißen mit Weißbrot, Marmelade und allen anderen modernen Segnungen vorbeikamen. Weston Price dokumentierte unter anderem, dass die Inuit dem Fischrogen einen besonders großen Wert zusprachen, den man als besonderes Nahrungsmittel für Babys, Kinder und Mütter verwendete.3)
Traditionell sind die Chinesen ein sehr gesundes Volk. Obwohl sich ihre Lebensweise langsam auf unsere zubewegt, sind zum Beispiel die Allergie- und Asthma-, sowie Krebsraten dort noch ziemlich niedrig. In China gibt man Babys traditionell als erste Beikost Eier oder Fleischbrühe mit Reis.4)
Okay, das klingt nach ziemlich viel Tierischem und so gar nicht groß nach Getreide, Gemüse oder Obst. Die Vegetarier und Veganer habe ich wahrscheinlich schon längst vergrault. Natürlich lassen sich viele Kulturen finden, wo Getreidebreie als erste Beikost üblich sind, und wie man sieht, werden auch aus Babys, die nur Getreide und Gemüse bekommen, erwachsene Menschen. Und ich meine auch nicht, dass Gemüse und Co. nicht auch ihre Berechtigung haben.
Getreide ist an sich nicht verkehrt, es enthält viele wichtige Vitamine und Mineralstoffe, wenn auch längst nicht alle. Allerdings muss es richtig zubereitet werden, damit es verdaut werden kann. Die traditionell übliche, aber heute nicht mehr selbstverständliche Aussiebung der Kleie und Säuerung dient dazu, ungesunde Bestandteile des Getreidekorns zu entfernen, die sonst Enzyme hemmen oder Mineralstoffe binden und dadurch für den Körper nicht verfügbar machen (Lektine, Phytinsäure u.a.). Aber auch dann noch ist es für ein Baby im ersten Lebensjahr nicht so leicht, Getreide zu verdauen. Getreide scheint also nur bedingt geeignet.
Ich möchte aber wissen, wie man die körperliche Perfektion und das hohe Maß an Gesundheit erreichen kann, zu dem einige Völker offenbar fähig waren/sind. Dabei interessiert mich nicht primär, ob man dafür nun Pflanzen oder Tiere essen muss, sondern wie wir unseren Babys von Anfang an durch ausreichende Nährstoffe ein optimales Wachstum und somit einen optimal entwickelten Körper ermöglichen können. Ein Körper, der bis ins Alter (gute Pflege vorrausgesetzt) frei von Krankheiten bleibt und Freude macht, weil er ganz natürlich stark und widerstandfähig ist. Ganz ohne künstliche Vitamine und Mineralstoffe, ohne Antibiotika, Impfungen, Asthmasprays und Fiebersenker, ohne Mittelohrentzündungen, Polypen-OPs, Zahnspangen und Brillen. Wenn es dazu obengenannte Lebensmittel braucht, dann werde ich das gern berücksichtigen.
Allgemein fällt auf, dass Leber, Knochenmark, Fischrogen und die anderen oben erwähnten Lebensmittel (bis auf Reis) eine hohe Nährstoffdichte haben. Sie enthalten also große Mengen (fast) aller essentiellen Mineralstoffe und Vitamine auf engstem Raum, besonders auch der fettlöslichen Vitamine, die für die Zahn- und Knochenentwicklung so wichtig sind. Ohne künstliche Zusätze. Vielleicht gar nicht so dumm. Wie ist es nun mit der Nährstoffzusammensetzung von Hafer, Möhren oder Äpfeln, wie sie als Babybrei hierzulande üblich sind, und zum Beispiel Leber, wie sie afrikanische Nomadenmütter als erste Beikost verfüttern?
Pro 100g Apfel Möhre Hafer rotes Fleisch Leber
Phosphat 6 mg 31 mg 523 mg* 140 mg 475 mg
Eisen 0,1 mg 0,6 mg 4,72 mg* 3,3 mg 8,8 mg
Zink 0,05 mg 0,3 mg 3,97 mg* 4,4 mg 4,0 mg
Kupfer 0,04 mg 0,08 mg 0,63 mg* 0,2 mg 12 mg
Vitamin B2 0,02 mg 0,05 mg 0,14 mg 0,2 mg 4,2 mg
Vitamin A 0 0 0 40 IE 53400 IE
Vitamin C 7 mg 6 mg 0 mg 0 mg 27 mg
Vitamin B6 0,03 mg 0,1 mg 0,16 mg 0,07 mg 0,73 mg
Vitamin B12 0 mg 0 mg 0 mg 1,84 mg 111,3 mg
*) Die in Getreide wie Hafer enthaltenen Mineralstoffe sind vom Körper nur bedingt aufnehmbar, da sie zum größten Teil an Phytinsäure gebunden vorliegen.
Versteht mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen Hafer oder Äpfel und Möhren. Äpfel und Möhren sind zum Beispiel sehr lecker als Rohkost. Aber als Babys erste und ausschließliche Kost scheinen diese Lebensmittel wohl nicht so richtig geeignet.
Was ich unserer Liese also demnächst zu essen geben? Trockenfutter aus der Tüte schon mal nicht. Ich habe hier gerade ein Stück Elchleber herumliegen, da diese Woche hier die Elchjagd angefangen hat. Schmeckt gar nicht so übel.
1) Sally Fallon, Nourishing Traditions
2)Weston Price, „Why Dental Caries With Modern Civilisations? IX. Field Studies Among Primitive Indians in Northern Canada“, Dental Digest, April 1934
3) Weston Price, „Light From Primitve Races on Modern Degeneration: 2. How Primitive Races Have Prevented Tooth Decay“, 7 Teaching Lessons La Mesa; Price-Pottenger Nutrition Foundation 2006: Slide 19
4) forums.egullet.org/topic/92849-babys-first-food-in-china/
5) wikipedia.org/wiki/Babynahrung
6) Weston Price, Nutrition and Physical Degeneration