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Alleingeburt beim zweiten Kind

Der folgende Geburtsbericht stammt von einer Frau, die ihr zweites Kind bekommt. Die Geburt verläuft schön, einzigartig und ganz unspektakulär, wie ungestörte Geburten in der Regel so sind. Ihr erstes Kind kam übrigens als Hausgeburt, also in Hebammenbegleitung. Den Bericht dazu (und mehr) könnt ihr auf ihrer Seite nachlesen. Aber jetzt genug der Vorrede und viel Spaß beim Lesen!

Kurz nach der Geburt meiner Tochter wurde ich erneut schwanger.
Ohweh, dachte ich. Die Erfahrung der ersten Geburt lag mir noch zu gut in Erinnerung. Und mir blieb jetzt eigentlich nicht viel Zeit zu überlegen, wie ich es diesmal besser machen könnte. Gefordert mit meiner kleinen Tochter und der erneuten Schwangerschaft blieb nicht viel Raum für entspannte Momente, so wie in der ersten Schwangerschaft. Der Alltag war geprägt von meiner Tochter und forderte 24 Stunden am Tag meine Energien.
Doch die Idee der Allein-Geburt rückte wieder ins Licht. Diesmal noch stärker als schon in meiner ersten Schwangerschaft. Diesmal – so war ich überzeugt – wusste ich in etwa was auf mich zukommt; ich wusste, wie sich eine Geburt anfühlt und ich fing an, mich immer mehr an den Gedanken des Alleine-Gebärens zu gewöhnen.
Dennoch hatte ich zu viel „Respekt“ (Angst) vor unseren „Gesetzen“, die da ja sagen, dass eine Alleingeburt in Österreich verboten sei. So suchte ich erneut meine Hebamme auf, die uns auch schon bei der ersten Haus-Geburt begleitet hatte.
Da wir jedoch umgezogen waren, war der Weg von meiner Hebamme bis zu unserem neuen Zuhause nun etwas länger. Die Anfahrtszeit betrug in etwa 2,5 Stunden. Meine Hebamme wies mich deshalb darauf hin, dass es diesmal sowieso eine „Alleingeburt“ werden könne, falls sie es nicht schaffen würde, rechtzeitig da zu sein. Mir machte dies überhaupt nichts aus. Ganz im Gegenteil. Ich war sehr freudig mit dieser Tatsache, dass ich offiziell nichts „Verbotenes“ machte (da ich mit der Hebamme abgesichert war), aber dennoch eine Alleingeburt möglich wäre. Jetzt hatte ich ja – in diesem Rahmen – die besten Voraussetzungen.
Die zweite Schwangerschaft verlief wider tadellos und ohne Probleme. Ich machte jedoch diesmal keine geburtsvorbereitenden Kurse, so wie ein Jahr zuvor für die Geburt meiner Tochter den HypnoBirthing-Kurs. Ich ließ einfach alles auf mich zukommen. Ich besorgte auch nicht viele Dinge für die geplante Hausgeburt. Wäre mein Sohn „pünktlich“ gekommen, hätten wir nicht einmal mehr unseren „Geburts-Raum“ mit der Wanne vorbereiten können. Dies taten wir dann vermutlich auch nur aus „Langeweile“, um uns zu beschäftigen. Wir haben diesen Raum schließlich auch gar nicht benutzt/gebraucht. Denn es kam wieder ganz anders.

Los geht’s.
Am 22. September 2014 um circa 2 Uhr morgens wachte ich auf und spürte die ersten Anzeichen der Wehen. Ich freute mich. Endlich ging es los und bald würde ich mein zweites Baby im Arm halten können. Wir lagen im Familienbett – die Tochter in der Mitte gebettet zwischen Mama und Papa. Sie schlief unruhig, denn seit zwei Tagen hatte sie in den Nächten hohes Fieber. Vermutlich spürte sie schon die Ankunft der Veränderung mit dem neuen Baby. Ich schlich mich aus dem Zimmer, ging eine kleine Runde, um mich dann erneut ins Bett zu legen. Diesmal wollte ich so viel Schlaf wie möglich tanken, um genug Energie für die Geburt zu haben.
Um circa 4 Uhr früh wachte ich erneut durch die Wehen auf. Sie waren nun schon recht spürbar und fingen, an mich auf Trab zu halten. Ich konnte nicht mehr ruhig liegen und hatte einen innerlichen Drang aufzustehen. Die Unruhe, die sich breit gemacht hatte, weckte schließlich auch meinen Partner und meine Tochter auf. Ich sagte ihnen, dass sich das Baby gerade auf den Weg macht, wir dachten jedoch, dass es bestimmt (so wie bei der ersten Geburt) noch länger dauern würde.
So verschwand ich im Badezimmer und ließ mir instinktiv ein heißes Bad ein. Dort verblieb ich schätzungsweise 30-50 Minuten. Genauer kann ich es nicht mehr sagen, da mein Zeitgefühl zu diesem Zeitpunkt sehr taub war. In dieser Zeit wurden die Wellen (ich schreibe jetzt auch manchmal Wellen statt Wehen) immer stärker und ich veratmete sie schon recht laut. Doch diese 30-50 Minuten in der Wanne waren sehr angenehm. Ich konnte echt gut entspannen und konzentrierte mich auf meine Atmung, vor allem während den Wellen.
Meine Tochter war inzwischen wieder eingeschlafen.

Ohne jegliches Zeitgefühl.
Nachdem ich es in der Wanne nicht mehr ausgehalten hatte, wechselte ich ins Wohnzimmer. Instinktiv blieb ich aber auf den Beinen und ging die ganze Zeit in schnellem Tempo Kreise auf dem Wohnzimmer-Teppich, veratmete die Wellen und ich wurde dabei immer lauter.
Es tat sehr gut laut zu veratmen und richtig in die Wellen reinzugehen. So ging das eine Weile. Ich hatte kein Zeitgefühl und war ständig im „Jetzt“, ließ mich total auf diesen Prozess ein.
Mein Partner war inzwischen wieder sehr beschäftigt mit unserer Tochter, da sie sehr unruhig schlief, ständig trinken wollte und herumjammerte.

Endspurt.
Um circa 6:20 wusste ich, dass es jetzt eindeutig bald so weit sein würde und befahl meinem Partner, er müsse jetzt unbedingt meine Mutter anrufen. Es war geplant, dass sie auf unsere Tochter aufpassen würde, sobald es losginge – sodass mein Partner mich während der Geburt unterstützen könnte. Ich brauchte jetzt seine volle Unterstützung (dachte ich), die Wellen waren kräftig und es waren kaum noch Abstände zu spüren.

Perfektes Timing.
Doch es kam alles wieder ganz anders. Gerade jetzt musste sich meine Tochter im Bett übergeben und hielt somit meinen Partner auf Trab, der mit der kleinen schreienden Maus und dem Wegwischen nun vollauf beschäftigt war. So griff ich selber zum Hörer und wählte die Nummer meiner Mutter. Das Telefon läutete. Sie hob ab und ich versuchte in meinen sehr kurzen Wellen-Pausen zu sprechen. Mit zitternder und bebender Stimme erklärte ich ihr, dass sie jetzt sofort kommen müsse. Und sie machte sich auf den Weg.

Die nächsten 10 Minuten: Eine halbe Ewigkeit.
Obwohl meine Mutter nur 3-5 Gehminuten von uns wegwohnt, dauerte es eine halbe Ewigkeit bis sie endlich hier war.
„Wo bleibt sie nur?“, dachte ich ständig – fixiert auf den Gedanken, dass ich meinen Partner zur Geburt brauchen würde.
Dieser lief bereits ständig mit unserer fiebrigen Tochter vor die Haustüre, um zu sehen, wo denn die Oma steckte. Ich lief instinktiv die ganze Zeit immer noch meine Kreise im Wohnzimmer und veratmete meine Wellen sehr heftig.

Dann blieb ich stehen. Eine ganz starke Welle war zu spüren. Die erste Presswehe. Ich schrie „Schaaatz“, in der Hoffnung, dass meine Mutter schon da wäre, und er endlich kommen könnte. Doch er kam nicht alleine, sondern mit unserer Tochter auf dem Arm hereingelaufen.

Diesen Moment hatte ich gebraucht, um zu realisieren, dass mir jetzt niemand helfen kann und ich das ganz alleine schaffen werde. Genau diese Situation, dass mein Partner, in den ich alle Hoffnungen gesteckt hatte, keine Zeit für mich hatte und mich jetzt nicht unterstützen konnte. So lief ich an meinem Partner und meiner Tochter vorbei – Hinein in die Toilette.

Die kommenden 5-7 Minuten meines Partners:
Meine Mutter erreichte endlich unser Zuhause und nahm ihm unsere Tochter ab. Da mein Partner jetzt endlich Zeit hatte und merkte, dass es schon sehr heftig für mich war, wählte er die Nummer der Hebamme, um ihr zu sagen, dass es losgehe. Unsere Hebamme machte sich nun auf den Weg.

Die kommenden 5-7 Minuten bei mir:
Hier stand ich also nun. Auf diesen circa 2 Quadratmetern in unserem Toiletten-Raum. Ich wusste bereits von der ersten Geburt, dass die Toilette für mich einfach ein Ort des Los-Lassens war. Die Fliesen waren angenehm kühl und ich konnte mich im Stehen sehr gut an der Wand abstützen. Und alles verlief dann auch ruckizucki.

Ich spürte die nächste Presswehe und presste instinktiv. Nichts passierte. Ich atmete ruhig und wartete auf die nächste. Ich wusste, sie würde nicht lange auf sich warten lassen. Da war sie. Presswehe.
Und plötzlich spürte ich, wie sich der Kopf meines Sohnes ganz einfach aus mir herausdrückte. Und ich sagte zu meinem Kind „Komm!“. Ich griff mit meinen Händen nach unten, ertastete seinen Kopf und hoffte in diesem Moment, dass es auch wirklich sein Kopf war. Ich wartete erneut auf die nächste Presswehe. Sie kam. Und ich hielt meinen Sohn in meinen Armen.
Ganz überwältigt von dem Gefühls-Schwall der auf mich hereinprasselte.
Um 6:50 Uhr am 22. September 2014 war ein gesunder, starker Knabe geboren.

Ich war so stolz. Ich war so glücklich. Ich war so ruhig und in meiner völligen Mitte.

So öffnete ich, mit meinem Kind im Arme, die Türe. Und mein Partner – der gerade daran vorbeilaufen wollte – blieb mit einem göttlich schockierten überraschten Blick stehen und rief zu meiner Mutter „Das Baby ist schon da!“.

Nach der Geburt.
Mein Partner rief die Hebamme an uns sagte ihr, dass sie nicht mehr kommen brauche. Da seine zwei Telefonate mit der Hebamme nur etwa 5-10 Minuten auseinander lagen, war sie auch erst gerade losgefahren und ersparte sich somit den weiten Weg zu uns.

Wir machten alles ganz alleine. Es wurde nichts gemessen, gewogen, ertastet … Ich legte mich einfach mit ihm ins Bett und wir kuschelten. Wir ließen unseren Sohn ganz in Ruhe in meinen Armen – auf meiner Brust – ankommen. Nachdem die Nabelschnur schon lange auspulsiert war, wurde sie erst irgendwann am Nachmittag von meinem Partner durchtrennt. (Er hatte per Telefon die Hebamme gefragt, wie er dies am besten machen könne und es war ganz einfach …)

Ich war voller Energie und hatte keine Wochenbett-Beschwerden. Keine Spur von Erschöpfung oder Müdigkeit.

Rückblickend.
Vielleicht denkt ihr euch nach diesem Bericht: „Naja, so toll war die Geburt auch wieder nicht“.
Da habt ihr Recht. Ich hatte trotzdem Wehen-Schmerzen, und ich hatte trotzdem gewisse Ängste bzw. war die Ausgangssituation mit meiner fiebrigen kleinen Tochter nicht ideal und das war im ersten Moment ein Stress-Faktor für alle.
Aber dies habe ich alles gebraucht – denn nur dadurch, dass mein Partner so mit unserer Tochter gefordert war und keine Zeit für mich hatte, wurde mir während der Geburt plötzlich schlagartig bewusst, dass ich das jetzt alles alleine machen muss und konnte somit endlich in die Eigenverantwortung gehen. Hätte mein Partner Zeit für mich gehabt, wäre alles anders verlaufen und ich hätte mich auf ihn verlassen wollen und somit vermutlich viel mehr Unsicherheiten geschürt, was zu Verspannungen und zum Nicht-Loslassen führen hätte können.

Also ganz wichtig: Mach dich nicht abhängig von einer Hebamme, einem Arzt und auch nicht von deinem Partner! Du musst dir bewusst werden, dass du das alleine schaffst und auch alles ganz alleine machst. Dann kommt die volle Kraft zu dir und du bist stark genug für diese Geburt.
Sei einfach All-Ein. 

(Für die Meisten von uns ist dieser Zustand eben nur ganz alleine zu erfahren.)
Rückblickend ist auch zu sagen, dass da einige Dinge waren, die ich instinktiv gemacht hatte, um die Geburt zu unterstützen:
1. Ich nahm ein heißes Bad und konnte dort sehr gut veratmen und entspannen. Ein heißes Bad ist Wellen-fördernd und das Entspannen und Los-Lassen ist sowieso das Wichtigste bei einer Geburt.
2. Ich lief die ganze Zeit im Kreis. Ständige Bewegung und Schwerkraft waren hier die Helfer für den Geburtsprozess.
3. Ich STAND während der Geburt (die Knie leicht abgewinkelt), sodass auch hier alles durch die Schwerkraft erleichtert wurde.

Das alles habe ich wohl nur so gemacht, da ich „alleine“ (ohne Hebamme und co) war und einfach das machte, was ich gerade spürte und wollte ohne Rücksicht auf jemanden zu nehmen oder mir viele Gedanken zu machen.

Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung und stehe mit voller Überzeugung hinter dieser neuen alten Art zu Gebären. Die Allein-Geburt ist die Zukunft für starke, weibliche Frauen, die sich ihrer Kraft wieder bewusst werden und sich mit der Natur und ihrer eigenen Weiblichkeit wieder verbunden fühlen. Werde auch du so eine starke Frau. 

Geburt ist auch Sex …

Für alle Männer, die Schwierigkeiten haben, sich vorzustellen, warum eine Frau ihr Kind nicht gern im Krankenhaus bekommen will und warum viele Geburten dort nur mittels Kaiserschnitt oder anderen Interventionen beendet werden können. Dieses Video zeigt es anschaulich und auch für den gemeinen Mann nachvollziehbar.

… die Nabelschnur war um den Hals

Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört! Damit werden Geburtsstillstände und Kaiserschnitte am laufenden Band gerechtfertigt. Es wird großzügig ignoriert, dass dieselbe Geburt meist einfach „nur“ von Anfang an gestört wurde. Die Frau konnte während der Eröffnungsphase nicht genug entspannend, ihr wurde Angst gemacht: um schlechte Herztöne, einen vorzeitigen Blasensprung etc. Sie schüttete mehr Stresshormone aus, als für einen reibungslosen Geburtsablauf gut sind. Und zu wenig Geburtshormone, um eine normale Geburt in dem Zeitrahmen, den die Geburtshelfer ihr zugestanden, normal zu gebären.  Folglich fand man dann auch keine Ursache für den Geburtsstillstand … außer eben: die Nabelschnurumschlingung! Die darf dann als Sündenbock herhalten.

Was man den Eltern nicht erzählt: Ein Drittel aller Babys hat bei der Geburt die Nabelschnur um den Hals. Einmal oder mehrmals. Solche Babys werden in der Regel ganz normal geboren. Wer zählt mit, wie oft im folgenden Video die Nabelschnur um den Hals gewickelt war?

Hausgeburt nach Kaiserschnitt

Liebe Leser,

ein Kaiserschnitt ist im wahrsten Sinne des Wortes ein einschneidendes Ereignis im Leben einer Frau. Wenig kann das Vertrauen in die eigenen Gebärkräfte so stark erschüttern. Bei einer weiteren Geburt nagen unterschwellig oder deutlich wahrnehmbar die Zweifel: Werde ich auf normalem Wege gebären können?

Der Frau, die euch folgende Geschichte erzählt, hat es erlebt. Sie verlor durch den unerwünschten Kaiserschnitt auch das Vertrauen in die Geburtshelfer – und plante für das nächste Kind eine Alleingeburt. Doch dann verlief die Geburt anders als geplant. Wie gut, dass sie da doch nicht allein war! 

An dieser Stelle ein Hoch auf alle guten Hebammen, Mütter,  Partner, Schwestern und Freundinnen, die als Unterstützung für die werdende Mutter eine so wichtige Rolle spielen. Ich wünsche jedem so eine Person an die Seite – genau dann, wenn er sie braucht.

Ich will euch an dieser Stelle Mut machen: Es geht nicht darum, auf Gedeih und Verderb allein zu gebären. Andere zu brauchen ist kein Makel und seine Pläne zu ändern auch nicht. Damit die Geburt gut wird, ist es viel wichtiger, sich geborgen und getragen zu wissen. 


In meiner ersten Schwangerschaft wusste ich schon ziemlich schnell, dass ich gerne zu Hause gebären wollte. Wie das dann aber so ist … Ich ging zu den ärztlichen Vorsorgen. Ich war wegen Wehentätigkeit auch mal ein paar Tage stationär im Krankenhaus. Das war am Anfang des zweiten Drittels der Schwangerschaft. Mein Mann und ich entschieden uns für eine Geburt im Geburtshaus – eine gemeinsame Entscheidung.

Auch  noch 10 Tage vor der Geburt versuchte meine innere Stimme das Ruder herumzureißen. Aber mein Verstand blieb hart und traf die Entscheidung mit dem Kopf.

Als es dann los ging fuhren wir ins Geburtshaus. Eigentlich fühlte ich mich nicht wirklich wohl.

In der Badewanne konnte ich entspannen und es hätte dann auch einfach so weitergehen können … Dann sollte ich aber raus. Zu schwache Wehen, Sternengucker, Geburtsstillstand. Beide Hebammen redeten auf mich ein, besser in die Klinik zu fahren: PDA, Entspannung, vielleicht könnte es noch klappen.

In der Klinik: bin ich auf dem Gebär“tisch“ im Vierfüßler abgestellt worden. Keiner kümmerte sich mehr um die Geburt, oder meinen Durst. Es wurde ab und an noch geschaut, ob es weitergegangen ist. Irgendwann stellten sie mir ein Ultimatum: Bis 4:20 Uhr warten wir noch, sonst Kaiserschnitt.

Natürlich ging nichts weiter und unter Tränen und hilflos und genötigt das Beste für mein Baby tun zu müssen unterschrieb ich.

OP mit PDA, kein Bonding im OP. Keine Unterstützung beim Stillen, weil Wochenende. Nach vielem Hin und Her bekamen mein Mann und ich noch ein Familienzimmer. Endlich allein!

Das Stillen hat mit Hilfe meiner Nachsorgehebamme (nicht aus dem Geburtshaus) geklappt. Ich habe meinen Sohn gestillt bis er fast 2 war.  Das hat uns geheilt!

Dann war ich wieder schwanger!

Mir war klar, dass ich das Baby auf jeden Fall zu Hause bekommen wollte. Ich habe viel gelesen. Unter anderem das hilfreiche Buch „Alleingeburt“ von Sarah Schmid. Ich habe die letzte Geburtserfahrung mit körperorientierten Methoden aufgearbeitet. Ich habe mir eine Hausgeburtshebamme gesucht. Ich bin nur zu einer ärztlichen Vorsorge gegangen.

Das Vertrauen in die Geburtshelfer war dennoch sehr erschüttert, sodass ich vorbereitet sein wollte, wenn ich diesmal nur meiner eigenen, inneren, kraftvollen Stimme folgen würde.

Die Wehen gingen los nach einer durchwachten Nacht, weil mein Sohn krank war und ich dachte nur: Bitte heute nicht! Ich bin total müde und auch halb krank. Nach 24 Stunden Wehen war ich dann so erschöpft und deprimiert, dass ich die Hoffnung schon (fast) aufgegeben hatte zu Hause zu gebären. Ich rief meine Freundin (die mich in die Klinik begleiten sollte) und meine Hausgeburtshebamme an.

Ich war mir sicher, dass sie feststellen würde, dass ich in die Klinik müsste … Meine Wehen kamen nur alle 5 Minuten wie bei der Geburt meines Sohnes und wurden nicht mehr stärker …

Meine Freundin kam und massierte mir den Rücken. Meine Hebamme kam und sagte nur: „Es ist alles in Ordnung. Wenn du willst kannst du zwischen den Wehen versuchen zu schlafen.“ Das tat ich noch 2 Stunden, bis der Muttermund dann voll eröffnet war. Es dauerte dann noch 4 Stunden, bis ich meine Tochter nach unten getönt hatte. Wehenabstand war konstant 5 Minuten. Es kam dann auch noch eine zweite Hebamme dazu. Drei Frauen, die alle spontan geboren hatten. Das gab Kraft! Drei Frauen, die an mich glaubten, obwohl ich schon die Hoffnung aufgegeben hatte. Drei Frauen, die einen Schutz- und Kraftkreis um mich herum bildeten! Drei Frauen, die mich in den letzten Stunden hielten, als ich aus dem Stand immer wieder in die tiefe Hocke ging, um meine Tochter zu gebären. Drei Frauen, die mich auch noch 2 Stunden nach der Geburt bei der Plazentageburt stützten und danach vom Bad ins Bett trugen.

Ich bin so dankbar, dass ich meine Tochter aus eigener Kraft gebären durfte! Ohne diese drei Frauen an meiner Seite hätte ich es nicht geschafft!

Liebe Frauen mit einer Bauchgeburtserfahrung! Seid darauf gefasst, dass ihr an einem bestimmten Punk der Geburt von der ersten Geburtserfahrung eingeholt werdet. Organisiert euch Unterstützung für den Fall, den ihr euch jetzt noch nicht vorstellen könnt (Hausgeburtshebamme, Freundin). Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, in Anwesenheit von so vielen Menschen zu gebären. Es kam dann aber so und ich habe viele schöne Erinnerungen an die Stunden mit meinen Geburtshelferinnen.

Danke Sarah, dass du Frauen Mut machst auf sich und ihre innere Stimme zu hören!

Am 25.11. ist Roses Revolution Tag! Legt eine rosa Rose vor die Kreißaaltür, wo ihr Unachtsamkeit oder Gewalt erlebt habt. Mehr dazu unter www.gerechte-geburt.de

 

 

 

Alleingeburt mit 5-Kilo-Baby

Liebe Leser,

bei groß geschätzten Babys wird heutzutage gern eine Einleitung oder ein Kaiserschnitt gemacht. Oft irrt sich der Ultraschall auch und das Baby war gar nicht so groß wie geschätzt. In der folgenden Geschichte, die ich mit euch teilen darf, kommt tatsächlich ein großes Baby auf die Welt. Ohne Einleitung. Ohne Kaiserschnitt. Zu Hause und in Ruhe. Es zeigt wieder: Frauen können viel mehr, als man ihnen gemeinhin zutrauen mag. Es ist das vierte Baby dieser Frau und ihre zweite Alleingeburt. Viel Spaß beim Lesen! 🙂

An Samhain (= irisch-keltisches Fest am 31.10., Anm.) 2015, ET+6, stand ich morgens gegen 4 Uhr auf, weil ich unruhig war und nicht mehr schlafen konnte. Ich machte eine Mandel-Biscuit-Torte mit Marzipan, Kokos-Butter-Creme und Sahnecreme, dazwischen Orangenjus.
Am späten Nachmittag des 31.10. stellte ich fest, dass die Unmengen an Schleim und Schleimpfropf, die ich in den letzten Tagen verloren hatte, sich verändert hatten hin zu einer klaren, dicken Flüssigkeit. Ich hatte wohl da schon einen kleinen Blasenriss.
Mein Mann brachte die Kinder ins Bett. H. war noch wach. Ich stand mit ihr am Fenster ihres Kinderzimmers und öffnete das Fenster, damit wir die Allerheiligenglocken hören konnten. Es wehte ein kühler Wind, es war neblig und nur die Straßenlaternen leuchteten. Es war eine schöne Samhainstimmung. Auf unseren Fensterbänken standen die ausgehöhlten Kürbisse, auf dem Altar Bilder unserer Ahnen.
Ich ging auf Toilette und da machte es KNACK. 19:40. Ein Schwall Fruchtwasser. Ich sagte “Endlich!” und rief meinem Mann zu: “Blasensprung!”. Ich spürte Erleichterung und den gleichen Adrenalinstoß wie beim Blasensprung vor zweieinhalb Jahren. Jetzt endlich hat sich unser Baby entschieden, zu uns zu kommen! Unbändige Freude!
Meinen Mann sah ich am Tisch sitzen und ein gebackenes Tomatenbrötchen verschlingen. Ich sagte ihm, dass er dafür keine Zeit hat, er solle sich mit den Vorbereitungen beeilen. Irgendwie ahnte ich, dass es sehr schnell gehen würde.
Im Bad angelehnt an den Wickeltisch veratmete ich die erste heftige Wehe. 20:07. 2 Stunden später sollte J. geboren sein.
Um 20:12 kam die nächste Wehe angerollt.
Ab dann traten die Wehen in kurzen Abständen auf.
Meine große Tochter H. kam hoch zu uns und war mir mit kleinen Handreichungen behilflich. Sie half auch meinem Mann dabei, den Pool zu befüllen, nachdem ich unter heftigen Wehen selbst versucht hatte, zu helfen. Während der Pool volllief, kniete ich mich neben mein Bett auf die Yogamatte und stützte mich mit den Armen auf dem Bett ab, um so die Wehen zu veratmen. Die Pausen zwischen den Wehen dauerten nur noch 1-2 Minuten. Das Zimmer war in Kerzenlicht getaucht, außerdem brannte eine Salzkristalllampe, es war ein schönes orange-rot-gelbes Licht. Meine Geburtskerzen durften endlich brennen, wie herrlich.
Als meine Freundin N. ankam, war ich gerade in einer Wehe. Danach begrüßte ich sie kurz, doch die nächste Wehe rollte schon an. Ich war froh, als ich dann ins Wasser konnte.
Die Geburt war gerade mal seit etwa einer Stunde in Gange, aber ich spürte, dass sie schon sehr weit war.
Im Wasser fühlte ich den Muttermund, er war um 21:00 bei etwa 4 cm, öffnete sich aber sehr schnell. Das Wasser tat mal wieder unglaublich gut, die Wehen waren noch effektiv, aber viel besser zu ertragen. Ich fühlte mich geborgen und nahm verschiedene Positionen ein. Mal war es in der Hocke am angenehmsten, mal halb sitzend, mal auf der Seite liegend. H. brachte mir mehrmals ein frisches Gästehandtuch fürs Gesicht, denn ich schwitze irre viel.
H. weckte ihre Schwester M. und sagte ihr, dass das Baby kommt. M. meinte verschlafen, “das stimmt nicht”, und wollte weiterschlafen, aber H. schaffte es, sie hochzubringen, wo die beiden abwechselnd im Bett lagen oder neben dem Pool saßen oder standen und dem Geschehen interessiert folgten. Anfänglich schaute M. auch mal verunsichert, H. war aber die Souveränität in Person und erklärte M. alles. Sie kuschelten viel und bald war M. entspannt und ruhig. Sie machte mal, wie es ihre Art ist, den ein oder anderen Scherz, aber verhielt sich die ganze Zeit angepasst und ehrfürchtig. H. war auch sehr angenehm. Ich war froh, dass die beiden dabei waren. Sie brachten mich überhaupt nicht aus meiner Konzentration, im Gegenteil, es tat mir sehr gut, nach jeder Wehe mit ihnen zu lachen und sie anzusehen. Mein Mann und ich erinnerten die Kinder daran, dass sie jederzeit in ihre Zimmer gehen dürfen, wenn es ihnen zu laut oder zu langweilig wird, aber sie wollten dabei sein.
Mein Mann saß die meiste Zeit neben dem Pool auf einem Stuhl, N. fotografierte und schaute mich zuversichtlich an. Einmal küssten mein Mann und ich uns und tatsächlich, wie Ina May schreibt, öffnete sich der Muttermund noch schneller.
Ich empfand die Geburt diesmal als Mischung verschiedenster Gefühle, vor allem als sehr lustvoll, am Ende auch orgiastisch, und zugleich auch einmal wieder als Grenzerfahrung, als zerreißend und transformierend, als gewaltig, als eigentlich unmöglicher Akt, der dennoch gesund und gelingend verläuft, auch wenn man zwischenzeitlich denkt: Lange halte ich das nicht mehr aus.
Der Wechsel in die Übergangsphase war diesmal ganz gut zu erkennen. Bei der letzten Geburt hatte ich ja von Anfang an durch die Sternguckerlage starke Wehen, wie man sie nur aus der Übergangsphase kennt (wo man denkt, das schaffe ich nicht). Diesmal waren die Wehen zwar sehr intensiv, aber ich erkannte dann den Wechsel zu den Übergangswehen deutlich daran, dass sie plötzlich übermächtig wurden. Das war etwa 75 Minuten nach Beginn der Wehen. Sie veränderten sich. Sie machten aus mir ein Wesen, das einer Naturgewalt ausgesetzt ist, in der jegliche Individualität verloren geht, in der es sich einreiht in Millionen von ähnlichen Vorgängen, wie sie in der Menschheitsgeschichte notwendigerweise zu allen Zeiten stattfinden mussten. Ich fühlte mich wie ein Tier, ein Orkan, ein Erdbeben, eine Löwin …
Es war 21:38, als ich mir sicher war, Presswehen zu spüren. Das war auch der Zeitpunkt, wo meine “A”s und “O”s und mein Gestöhne in Schreien übergingen.
Die Presswehen dauerten genau 30 Minuten, was relativ lang war, aber unser kräftiger Junge musste sich ja regelrecht durchkämpfen. Ich weiß noch, dass ich bei den Presswehen an all die Frauen dachte, die viele Kinder bekommen haben, und verneigte mich innerlich vor ihnen. Ob ich das hier noch mal schaffen würde? Nein, so schön eine Geburt ist, das werde ich mir doch auf keinen Fall noch einmal zumuten. Die Kräfte, die hier am Werk sind, zerreißen mich! Es drückt! Das mache ich wirklich nur noch dieses eine Mal. Meine Güte, wie schaffen es die Frauen, im Krankenhaus ein Kind zu bekommen? Hier halte ich es gerade noch aus, aber wenn jetzt fremde Menschen um mich wären oder ich liegen müsste … Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf.
Die halbe Stunde Austreibungsphase erlebte ich als Feuerwerk in den buntesten Farben und Funken, beinahe etwas psychedelisch.
Es gab Momente, wo ich rief “Ja! Jaaaa!” und lachte und lachte und lachte.
Es gab Momente, wo ich brüllte wie eine Löwin und dachte, das Haus müsse erzittern.
Ich vermittelte meinem Körper mit meinen “Ja”s und meinem Stöhnen, dass er einen sexuellen Vorgang begeht und nicht, wie in unserer Gesellschaft üblich, einen ausschließlich schmerzhaften. Dennoch, die Schmerzen spürte ich auch, und wie …
Als ich etwas zweifelte, ob es wirklich Presswehen sind oder ob es nicht doch andere Wehen sind und ich das alles noch stundenlang ertragen muss, versicherten mein Mann und N. mir, dass so nur die Presswehen aussehen. Erleichtert lachte ich auf und machte weiter. Ich presste natürlich nicht. Ich presste meine Kinder niemals heraus. Ich ließ mich einfach fallen und meinen Körper das Ruder übernehmen. Manchmal schob ich mit, angeheizt dadurch, dass ich spürte, wie der Kopf mein Becken weitete. Eine unglaubliche Euphorie mischte sich mit dem Gefühl von unendlichem Druck. Auf Grund der Größe unseres Kindes drückte es überall, ich hatte das Gefühl, es werden alle Knochen verdrängt und mein Hintern muss weichen, um diesem Kind Platz zu machen.
Ich nahm eine seitliche Position ein, getragen vom Wasser und eine Hand immer bei meinem Kind. So war es am angenehmsten und ich konnte am meisten Platz schaffen, da ich das obere Bein über den Poolrand legen konnte.
Unter mehreren dunklen Urschreien und mit aller Willenskraft schaffte ich es, mich so weit zu machen, dass der Kopf unseres Kindes geboren werden konnte. Beim Austritt überlegte ich kurz, es langsam anzugehen, damit das Gewebe sich langsam dehnen kann, aber der Druck war so enorm, dass ich ihm nachgab. Ich dachte, angesichts der Größe dieses Kindes, keine Chance zu haben, unverletzt zu bleiben, und mir war ein Riss tausend mal lieber als in diesem Zustand zu verharren, wo der Kopf schon zum Teil geboren ist und das Gewebe dehnt. Also ließ ich ihn in seiner Geschwindigkeit kommen, ohne anzuhalten. Ich schrie meinen Schmerz weg und lachte so laut und froh, als ich den großen Kopf geboren hatte und streicheln konnte. Das war um kurz nach 22 Uhr. (Ich stellte später fest, dass die Verletzungen unerheblich waren und keinerlei Behandlung bedurften!)
Da ich noch die Sternguckergeburt verinnerlicht hatte, wo ich in das Gesichtchen gefasst hatte, dachte ich, da ich ja nun den Hinterkopf an meiner Hand spürte, es sei eine Steißlage und sagte erheitert zu meinem Mann: “Steißgeburt oder?”. Er schaute nur verwundert. Es war mir dann schnell klar, dass es der Kopf ist. Ich spürte die vielen kurzen Haare und noch Käseschmiere. Das Köpfchen fühlte sich riesig an. Das war eine Art übersinnliches Erleben: Mein taktiler Eindruck stimmte gar nicht mit der Realität überein. Ich streichelte den Kopf minutenlang, ein herrliches Gefühl!
In mir drin strampelte mein Baby wild mit den Beinchen herum. Es drehte sich millimeterweise ins Becken ein. Ich spürte, dass die Schultern in den Beckenknochen festhängen. Kein Anflug von Angst. Volles Vertrauen. Es kam mir vollkommen normal vor, dass es jetzt erst mal nur sehr langsam weiterging. Ich feuerte mein Kind an: “Komm, Baby! Dreh die Schultern ins Becken! Komm!” usw. Wäre ich nicht in einem so ekstatischen Zustand gewesen, hätte ich auf keinen Fall diese Dinge gesagt, gelacht, geschrien und gestöhnt durcheinander. Ein verrückter Zustand.
Einmal hörte ich mich sagen: “Boa, hab ich Hunger!”
Nach langen drei bis vier Minuten waren die Schultern richtig eingestellt. Ich habe dazu noch nicht einmal die Position ändern müssen, mein Kind hat es alleine geschafft. Und dann lösten sie sich von meinem Becken und glitten hindurch. Millimeter für Millimeter arbeitete J. sich voran. Ich spürte, dass er sehr groß sein muss, denn die anderen Kinder waren ziemlich direkt nach der Geburt des Kopfes komplett geboren worden. Der Druck und die Dehnung waren beim Durchtritt der Schultern und später beim Rumpf beinahe so anstrengend und intensiv wie beim Kopf. Ein Kraftakt! Ein unglaublicher Willensakt, über die eigenen Grenzen zu gehen!
Und dann, endlich, waren auch die Schultern geboren, das Gesichtchen zeigte zu meinem linken Oberschenkel, dann der Rumpf, Stückchen für Stückchen, und dann flutschten die Beinchen nur noch hinterher und vor mir im Wasser lag ein kräftiges, strahlendes Baby. Es war 2 Std. nach Geburtsbeginn.
Ich begab mich direkt von der seitlichen Position ins Sitzen und fasste mein Kind unter Kopf und Achseln, um es durch das Wasser zu betrachten und es noch ein wenig das warme Nass genießen zu lassen. Die Augen schauten sich groß um und der Mund lächelte. Ein unglaublicher Moment. Von dem Feuerwerksfeeling in eine Atmosphäre wie “Stille Nacht, heilige Nacht”, die Zeit stand still.
Papa, Geschwister und N. schauten sich unser Wunder an. Ich hob es behutsam aus dem Wasser auf meine Brust und mein Mann sagte: “Ein Bub!” Ich hatte das gar nicht realisiert, es war mir völlig gleich, welches Geschlecht es hat, es war erst einmal nur mein Baby. Und dann war es direkt völlig normal, einen Jungen zu haben.
Ich war erstaunt, wie viel Käseschmiere er noch am Rücken hatte. Die anderen Kinder hatten kaum noch welche, selbst N. nicht, der fast zwei Wochen früher als J. geboren wurde. Er lag mit geschlossenen Augen auf meiner Brust und sah so selig aus. Kein Zeichen von Stress. Eine sehr gute Hautfarbe. Ich streichelte seinen Rücken. Als er den ersten Atemzug nahm, ertönte einmal kurz seine laute Stimme, aber man kann nicht sagen, dass er schrie. Dann war er wieder ruhig und sah aus, als würde er schlafen, sehr entspannt. Er hat auch im Frühwochenbett nicht einmal geschrien. Wir deckten ihn sofort mit einem angewärmten, roten Tuch zu.
Da saß ich nun überglücklich mit meinem Prachtkerl auf dem Bauch im Wasser und lachte und war so stolz, es geschafft zu haben.
Mein Mann ging hinunter, um N. zu holen. Dieser schaute etwas ungläubig in den Pool, wo seine Mama mit einem kleinen Menschlein drin war. Dann legte er seinen Kopf an Papas Schulter und kuschelte.
Nach einigen Minuten begab ich mich auf mein Bett. J. wurde in ein frisches, warmes Handtuch gewickelt und trank sofort aus der Brust. Das tat er dann mit einer kleinen Unterbrechung zur Plazentageburt zwei Stunden lang! Ich konnte nur strahlen und lachen, so wunderschön und speckig und herrlich war mein Sohn.
Da mein Körper noch mit der Plazenta beschäftigt war, hatten die Wehen noch nicht aufgehört. Ich versuchte, das Stillen zu genießen, was mir auch gelang, aber nach über einer Stunde wollte ich die Plazenta endlich gebären. Zwischenzeitlich war meine Mama gekommen und sie kümmerte sich für die Zeit der Plazentageburt auch um die Kinder. Sie schenkte jedem ein Kuscheltier der Lieben Sieben, die Kinder waren glücklich. Ich legte J. aufs Bett und ging auf dem Bett in die Hocke und zog zart, aber stetig an der Nabelschnur. Die Plazenta war ja schon gelöst, aber meine Kraft reichte nicht mehr, sie rauszudrücken. Ich zitterte sehr, also half ich mit dem Ziehen etwas nach. Es dauerte sicherlich einige Minuten, aber dann war sie geboren. Ich empfand die Plazentageburt auch beim vierten Mal als eher angenehm. Vor allem enden danach die Wehen schlagartig und man fühlt sich sehr befreit. Nun sah ich auch zum ersten Mal Blut. Die ganze Geburt war sehr unblutig verlaufen. Wir haben die Plazenta in ein Sieb über eine Schüssel gelegt, um uns die Möglichkeit einer Lotusgeburt offen zu lassen. Dann stillte ich J. weiter.
Die Geburt hatte auf die Minute genau zwei Stunden gedauert, das erste Stillen fand nach ca. 10 Minuten schon statt und die Plazenta kam 75 Minuten nach der Geburt.
Ich genoss den Kreis der Frauen um mich herum, meine Mama, meine beste Freundin, meine Töchter. Und natürlich auch meinen unterstützenden Mann und meinen Sohn, der so süß und schüchtern nach dem Neugeborenen schaute.
Meine Mama bereitete den Plazentashake zu. Ich hatte damit bei der letzten Geburt sehr gute Erfahrungen gemacht und wollte auch diesmal nicht auf das Kraftpaket verzichten.
Da es mittlerweile schon Nacht war, brachte mein Mann die Kinder ins Bett. Sie durften alle bei ihm schlafen. Derweil saß ich mit meiner Mutter in meinem Bett und genoss die Frauenzeit und das Baby.
Die Maße: 5 kg, 57 cm, KU 37 cm.

Abschließend:

Ich danke meinem Mann, dass er immer an mich geglaubt hat, auch wenn in der Schwangerschaft manchmal alles sehr düster ausgesehen hat. Der mir während der Geburt sehr viel Kraft gegeben hat, durch seinen Kuss, seine Blicke und seine Zuversicht. Der immer wusste, dass ich gebären kann und der stets voller Vertrauen war. Der mir ein unvergessliches Wochenbett ermöglicht hat, in dem ich einfach kuscheln konnte und mich wie eine Königin fühlen konnte. Seine Gerichte, die er in dieser Zeit gekocht hat, wären es wert, in ein veganes Kochbuch aufgenommen zu werden. Ich liebe dich.

Eine Sache möchte ich noch erwähnen: Wenn ich regelmäßig zur Vor-Sorge gegangen wäre, hätte man mich evt. gedrängt, Wochen vorm ET einzuleiten oder einen Kaiserschnitt zu machen – bei so einem großen Kind.
Wenn ich eine Hausgeburt mit Hebamme durchgeführt hätte, hätte man mich beim “Steckenbleiben der Schultern” evt. eines geburtshilflichen Manövers unterzogen. Ich hätte nicht so frei gebären können, wie es mir alleine möglich war.
Bereits Ina May Gaskin schrieb, dass sie komplikationslose Hausgeburten von 5 kg schweren Kindern begleitet hat.
Vor Kurzem postete eine Mutter in fb, dass sie nach zwei Kaiserschnitten ein fast 5 kg schweres Kind spontan zu Hause geboren hat.
Frauen wird nicht zugetraut, ein Kind ohne Hilfe zu gebären. Dass es ohne Hilfe geht, beweisen die Alleingeburtsmütter.
Und daher danke ich zuletzt all den Alleingeburtlerinnen und Hausgeburtsmüttern, die mich gestärkt haben, die meine Fragen beantwortet haben und von denen ich lernen durfte. Ich danke all den Frauen, die ich begleiten durfte und denen ich mein Wissen weitergeben durfte. Wir sind eine kleine Gemeinschaft, klein, aber stark.

 

Es ist unglaublich

„Es ist unglaublich, was im Krankenhaus mit einer Gebärenden passiert, wenn sie erst einmal in dieser „Maschinerie“ drin ist. Man muss es wirklich erlebt haben, um es zu glauben. Du als Frau und werdende Mutter hast kein Recht auf Entscheidungen mehr. Sie werden für dich getroffen und du kannst nur zuschaun, was mit dir gemacht wird.“

Das ist der Kommentar einer Mutter, der man wegen vorangegangener Myom-Entfernung einen Kaiserschnitt aufdrängte. Man fürchtete, die Narbe könnte reißen. Unter der OP ließ sich besagte Narbe allerdings nicht wiederfinden.

Ich will euch nicht sagen: Geht nie ins Krankenhaus.  Das ist eine Entscheidung, die gründlich abgewägt werden muss und die jeder für sich treffen muss. Manchmal können Ärzte Leben retten. Manche Krankenhäuser erlauben Frauen relativ selbstbestimmte Geburten. In den meisten Kliniken ist das allerdings nicht der Fall. Eins empfiehlt sich gar nicht: Uninformiert und blauäugig ins Krankenhaus zumarschieren und zu denken: Die Experten werden schon wissen, was sie tun.

Gut zu wissen: Als Patientin bist du keine Gefangene. Du darfst alle vorgeschlagenen Maßnahmen ablehnen und jederzeit gehen. Auch gegen ärztlichen Rat.

Das Hauptmittel, das gegen Frauen mit eigenen Wünschen eingesetzt wird, ist Angstmache.  Zusammengefasst teilt man dir mit: „Tod und Elend werden über dich und dein Kind kommen, wenn du nicht tust, was wir wollen!“ Wenn man das durchschauen kann und gut informiert ist, hat man gute Karten. Leider schützt es nicht immer vor Übergriffen. Gerade während der Geburt, wo man sich öffnet und verletzlich macht.

Schöne Alleingeburt beim dritte Kind

Liebe Leser,

immer mehr Babys kommen in Eigenregie zur Welt. Immer mehr Mamas begreifen und vertrauen den wunderbaren Kräften ihres Körpers. Hier lest ihr den kraftvollen Geburtsbericht einer Mama, die ihr drittes Kind bekommt. Viel Spaß beim Lesen! 🙂

Ich hatte im Vorfeld solche Angst vor meiner dritten Geburt. Einmal, weil die Schwangerschaft so nebenbei verlief, dass ich mich noch nicht bereit fühlte, in die Geburt zu gehen. Und auch, weil ich Geburt so sehr mit Schmerz und Trubel verband. Beim ersten Kind hatte ich eine traumatisierende, gewaltsame Klinikgeburt. Zwar bekam ich meine zweite Tochter schon zuhause, aber so richtig friedlich war das auch nicht. Es war an sich schon eine Urgewalt. Es war mir aber auch viel zu viel los: das Theater mit dem hektischen Pool-Befüllen, dazwischen die Schwiegermutter, die die große Tochter abholt, zwei Hebammen, mein Mann und viel zu viel Reden und Diskutieren …

Als ich mit den Wehen nicht mehr umgehen konnte, habe ich die Geburt gedanklich an die Hebamme abgegeben. Sie sollte mir da durch helfen und ich habe ab diesem Moment sehr gelitten, war total aus meiner Mitte geraten. Zum Glück ging es damals so schnell. Ich war danach irgendwie desillusioniert und mit der Geburt nicht wirklich zufrieden. Ich hatte mir das so anders vorgestellt.

Das wollte ich kein zweites Mal. Meine Wunschvorstellung war, dass ich einfach mal nachts das Kind bekomme, ohne das ganze Drumherum, nur mit meinem Mann, den ich gern teilhaben lassen wollte und der von der Idee einer Alleingeburt so richtig begeistert war. Ich hatte ihm Sarah Schmids „Alleingeburt“ zu lesen gegeben, woraufhin er geradezu euphorisch wurde. So wünschten wir uns diese Geburt.
Die Wirklichkeit war dann aber noch viel schöner als die Wunschvorstellung. Ich habe die Kinder mit Büchern, viel Erzählen und einigen schönen HG-Videos im Vorfeld schon vorbereitet, weil mir klar war, dass ich die Schwiegermutter nur im Notfall zur Kinderbetreuung holen wollte und meine Töchter viel lieber dabei hätte, falls es sich ergibt.

Es war eine Geburt auf Raten. Über etwa eine Woche verlor ich immer wieder etwas Schleim, hatte schöne kräftige Übungswehen. Etwa drei Tage vor der tatsächlichen Geburt, als gerade ein größeres Stück des „Muttermundsiegels“ abgegangen war, legte ich fest: So, ich bin dann mal unter der Geburt. Mir war zwar klar, dass es noch dauert, aber ich sah, wie toll mein Körper (vor-)arbeitete und dass es nun kein Zurück mehr gab. Meine Ängste lösten sich und ich fasste Vertrauen in meinen Körper.
Mein liebstes und hilfreichstes Geburtsmantra war: Mein Körper arbeitet nicht gegen mich. Ich bin mein Körper.
Bei so toller Vorarbeit musste die Geburt ganz bestimmt schnell und leicht sein und so war es dann auch.

Ich hatte am Samstag Abend, 4 Tage nach ET, wieder gute Übungswehen. Schön regelmäßig im 5min-Abstand, nur eben ganz leicht. Wir gingen gegen 23 Uhr zu Bett. Zum Vorschlafen, denn wer weiß, wann man wieder zum Schlafen kommt.
Zwei Stunden später stand ich wieder auf, denn die Wehen blieben. Sie waren zwar immer noch nicht schmerzhaft aber mein überstarker Bewegungsdrang, den ich schon unter den Wehen der letzten Geburt hatte, setzte nun ein. Heute wird jemand Geburtstag haben. Ich war voller Vorfreude und tigerte meine bewährten Wehenrunden, unterbrochen von mehreren Toilettengängen und noch einmal Hübschmachen. Dabei sprach ich mit meinem Muckl und genoss seine letzten Bewegungen in meinem Bauch. Bald würde ich endlich wissen, wer unser drittes Kind eigentlich ist.
Halb drei weckte ich meinen Mann. Er sollte mir ruhig etwas Gesellschaft leisten. Ich kam zwar gut zurecht, aber die Wehenabstände wurden immer kürzer. Wenn ich ihn wecken wollte, ohne die Kinder mit aufzuscheuchen, musste ich jetzt nach oben, wo es die Ruhephasen noch zu ließen.

Wir haben ein bisschen geplaudert und gescherzt, ob wir nebenbei eine Runde Kniffel spielen wollen, denn wirklich schmerzhaft fand ich die doch recht starken Wehen immer noch nicht. Einzig das zwanghafte Rumlaufen strengte mich sehr an. Zum Hinsetzen reichten die Wehenpausen aber nicht mehr aus und ohne zu Laufen konnte ich die Wehen nicht ertragen. Tja, weiter tigern und tönen. Trotzdem hab ich mich dabei großartig gefühlt. Stark, freudig, schön und sicher.

In einer Wehenpause, als ich meinem Mann gerade sage, dass es nun langsam reicht (eher aus Ungeduld, denn Schmerz empfand ich nicht), platzte die Fruchtblase mit einem riesen Schwall Fruchtwasser. Das war 3.55 Uhr. Mein Mann holte was zum Aufwischen und eine neue Einlage für mich. Dann der Schreckmoment: dDa war was Grünes. Klares Fruchtwasser zwar, aber da schwamm etwas dunkles, was mich für den Moment sehr verunsicherte.
Bei Mekoniumabgang im Bauch müsste sich doch eigentlich alles verfärben, hier war das nicht der Fall. An dem Punkt entschloss ich mich, nun doch meine Hebamme dazu zu rufen. Ich fühlte zwar keine Not und spürte auch mein Baby, wie es sich bewegt, aber ich wollte, dass mein Kind direkt nach der Geburt ohne Wartezeit von meiner Hebamme untersucht wird. Wenn sie nun doch bei der Geburt dabei ist, dann ist es eben so. Das grüne Zeug hat mich so erschrocken. Ich wusste aus Sarahs Buch, dass grünes Fruchtwasser kein Grund zur Panik ist. Aber das war so anders …

Um 4 rief mein Mann also die Hebamme an und sie wollte sich auf den Weg machen.
Kaum hatte er aufgelegt, kniete ich mich vors Sofa. Mein Bewegungsdrang war verschwunden und ich beschloss, dass das Baby nun raus kommen soll. Es folgte die vielleicht kürzeste Übergangsphase aller Zeiten. Ich suchte etwas planlos eine geeignete Gebärposition, faselte dabei irgendetwas zusammenhanglos vor mich hin und suchte Halt. Das wars. Ich fand schließlich eine stimmige Position, kniend vorm Sofa, die Unterarme auf die Sitzfläche und ein dickes Kissen gestützt, ich das ich mich reinklammern und während der Wehe reinbrüllen konnte. So spürte ich den ersten Pressdrang und schob sehr vorsichtig mit.
In dem Moment hörte ich hinter mir ein kleines Stimmchen durchs Babyphon: „Mamaa?“
Jackpot. An genau dem Punkt, wo es kein Zurück mehr gibt, werden die Kinder wach. Na gut, was will man machen? Mein Mann holte die zwei verschlafenen Mäuschen runter und setzte sie vor mich aufs Sofa, von wo aus sie gespannt zuschauten. „ Mama, was machst´n du da?“
Ich musste so lachen, das war ein Bild!
Ich hatte so tolle, wirklich entspannende Pausen zwischen den kräftigen Presswehen, so dass ich freudig mit den Kindern sprechen konnte. „Alles gut, ihr Lieben, unser Baby kommt jetzt raus. Achtung, Mama wird gleich laut – WEHE mit Kissenbrüllen – Mama geht’s gut, ich brüll nur ein bisschen mit, weil das gut tut.“ Das haben sie völlig angstfrei so hingenommen, wir hatten das ja vorher oft besprochen und dank Kissen war ich nicht mal besonders laut.
So kam ich mit dem Pressen ganz gut voran, spürte das Baby Zentimeter für Zentimeter tiefer rutschen, bis ich seine Haare direkt vorm Tor zur Welt streicheln konnte. Dann sagte ich seelenruhig zu meinem Mann: „Jetzt oder mit der nächsten kommt es. Du bist bereit zum Auffangen?“ Er dachte ich scherze, weil er durch meine Ruhe nicht gedacht hätte, dass es wirklich gleich geschafft ist.
Während ich presste, musste ich an euch denken, die ihr immer geschrieben habt, wie ihr euer Kind einfach nur sanft raus geatmet habt. IHR LÜGT DOCH ALLE!!! Das geht doch gar nicht. Oder ich tauge vielleicht einfach nicht für sanfte Geburten  😉 Dieser Pressdrang war eine Urgewalt, der ich mich nicht eine Sekunde widersetzen konnte.
Der Ring of Fire – und dann die fieseste Wehenpause überhaupt. Frechheit. Aber so, wie ich da knie, bin ich trotz des Brennens so unglaublich glücklich. Ich schaffe es, ich bekomme dieses Kind auf jeden Fall, noch bevor die Hebamme eintrifft. Ich schaffe das hier gerade wirklich ganz allein. Und das Brennen hab ich von der letzten Geburt auch schlimmer in Erinnerung. Das ist jetzt der durchaus erträgliche Höhepunkt. Schlimmer wird es nicht mehr und in wenigen Sekunden werde ich mein Kind im Arm haben. Ich bin so voller Freude, ich vertraue meinem Mann, dass er das Kind auffängt, denn ich brauche meine Hände zum Abstützen, ich höre, wie meine Mädchen jubeln und mich anfeuern und weiß, dass ich ihnen gerade ein großes Geschenk mache. Abgesehen vom Geschwisterchen schenke ich ihnen ihr Bild, das sie von Geburt haben werden. Sie wissen nun, wie schön, kraftvoll, würdevoll und leicht es sein kann. In diesem Moment präge ich meine Töchter und jubele vor Freude laut mit „Jaa, Baby, komm raus, komm zu uns!“
Der Kopf wurde geboren und ich höre ein deutliches Quietschen und Schmatzen hinter mir. Das war so skurril, da steckt diese Kind zwischen zwei Welten und macht diese lustigen Geräusche. Wieder musste ich lachen.
Mein Mann war etwas zu vorsichtig mit dem Festhalten, es fühlte sich nicht richtig an. Ich sagte: „Lass den Kopf mal los, das Baby muss sich drehen. Nicht halten.“ Er nimmt die Hände weg, ich spüre die Drehung deutlich und sage „Pass auf, jetzt geht es schnell!“ Ich schob mit der nächsten Wehe mit. Mein Mann sagte: „Die Schultern sind da, hör mal kurz mit Pressen auf.“ Wie soll den dass gehen?! Ach, ich erinnerte mich und pustete Kerzen aus. Später sagte er mir, mein Damm sei bei den Schultern an einer Stelle etwas bläulich geworden und er wollte mich bremsen, damit ich mich nicht verletze. Krass, dass er das so gut erkannt und dann noch so besonnen reagiert hat. Er hätte ja auch rufen können „Stopp stopp, du reißt!“ Aber nein, er war die Ruhe selbst und konnte mich mit seiner leisen, sanften Stimme tatsächlich ausbremsen, ohne mich zu verunsichern oder gar verkrampfen zu lassen. So ein großartiger Geburtshelfer, mein Mann. Tja und dann kam das kleine Menschlein mit einem großen Schwall Fruchtwasser aus mir herausgeglitten. Das war es schon. Ich schrie vor Freude, die Mädels jubelten, mein Mann strahlte bis über beide Ohren.

Die Nabelschnur war recht kurz. Wir mussten erst einmal probieren, wie ich mich umdrehen und hinsetzen konnte, wie wir das kleine Menschlein gemeinsam auf meinen Bauch bekommen. Es war ein wenig kompliziert. Es wurde nicht einfacher dadurch, dass ich einfach nicht aufhören konnte zu brüllen „Das Baby ist da, das Baby ist da, ich habs geschafft, es ist daaa!“
Irgendwie haben wir uns dann doch zusammen hinsetzen können. Da huschte mein Blick fast nebenbei zwischen die kleinen Beinchen. Eine dritte Prinzessin. Eine Schönheit, ein perfektes, waches, entspanntes Kind. Was von seiner ganzen Familie so freudig herbeigesehnt, gemeinsam auf die Welt gebracht und unter Applaus und Freudenschreien begrüßt wurde …

Es war erst 4.20 Uhr. Vor einer halben Stunde hatten wir noch gescherzt und allein gewartet. Mein Mann musste sich erstmal setzen und durchatmen. Nach einigen Minuten holte er die Kamera. Ich habe Bilder, wie ich das Baby an mich drücke, wie die großen Schwestern strahlen und mir auf die Schulter klopfen. Herrlich.

Ich saß unbequem, die Nabelschnur war so kurz. Aber sie pulsierte noch so schön, ich ließ meiner Kleinen diese wertvollen Minuten.
Wir hatten noch Zeit zum Besinnen, die Hebamme hörten wir erst etwas später die Tür aufschließen.
Mein Mann begrüßte sie mit „Nur die Ruhe, das Baby ist schon da, die schmusen.“ „Jaja, klar ..“ Sie dachte, er macht Witze. Ich hatte ihr nicht erzählt, dass ich mir eine Alleingeburt wünsche. Ich wollte ihr nicht das Gefühl geben, sie nicht zu brauchen, denn das stimmt nicht. Ohne sie im Hintergrund, der ich so vertraue, die ich rufen konnte und gerufen habe, als ich Angst hatte, wäre es nicht dasselbe gewesen.
Sie hat dann mit meinem Mann abgenabelt und mir bei der Plazentageburt geholfen.
Das „Grüne“ entpuppte sich dann als Eihaut. Das Fruchtwasser selbst war klar, aber die Eihaut und Teile der Plazenta waren grün verfärbt …

Unsere kleine Prinzessin hatte 3880g auf 49cm und ein kleines Köpfchen von 35cm Umfang.
Sie war und ist kerngesund und bis auf diesen einen Schreckmoment nach dem Blasensprung war diese Geburt das stolzeste, schönste und stärkendste, was ich je erleben durfte. Wir alle lieben unsere Kleinste über alle Maßen. Die Schwestern sind so stolz, verliebt und irgendwie ehrfürchtig …
Und wir Eltern sind durch diese gemeinsame Alleingeburt stärker verbunden als je zuvor.

 

Eindrücke von der Midwifery Today Conference 2015

Ende Oktober war ich für einen Samstagnachmittag in Bad Wildbad auf der Midwivery Today Conference. Die Große und der Kleinste begleiteten mich.

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Ich traf die Hebamme Cornelia Enning, die unter vielen anderen Dingen auch mein Buch an ihrem Wasserbaby-Stand für mich verkaufte.

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Ich besuchte den Workshop „Assuring Ideal Positioning“ mit Angelina Martinez Miranda and Gail Tully. Sie zeigten, wie man ein Baby, das zum Beispiel in Beckenendlage oder hinterer Hinterhauptslage liegt, mit sanften Mitteln zum Drehen bewegen kann. Besonders interessant fand ich Angelinas Herangehensweise. Sie ist eine langjährige traditionelle Hebamme aus Mexiko. Dort verwendet man zur Massage der Schwangeren, der Wöchnerin und auch um ein Baby zum Drehen zu bewegen ein Rebozo genanntes Tuch.

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Im Eingangsbereich fanden sich verschiedene Stände. Hier sitze ich gegenüber vom Wasserbabystand. Konstantin sieht etwas matschig aus, da er gerade auf dem Weg zu seiner ersten richtigen Erkältung war.

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Hebammen aus aller Herren Länder waren angereist. Da war meine Anreise von 1,5 Stunden mit dem Auto ein Katzensprung. Hier eine Gruppe aus der Türkei.

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Es war ein spannender, lehrreicher Tag und ich habe mich gefreut, einige bekannte Gesichter wiederzusehen.

Alleingeburt trotz Präeklampsie, mehrfache Nabelschnurumschlingung

Liebe Leser!

Nicht nur bei einer unauffälligen Schwangerschaft ist es möglich, die Verantwortung für sich und das Kind zu übernehmen und seinen eigenen Weg zu gehen. Es ist auch möglich, wenn es Probleme gibt – auch wenn das meist bedeutet, sich mehr informieren und mit mehr Leuten diskutieren zu müssen. Ich darf hier eine spannende Geburtsgeschichte mit euch teilen. Die Mama, deren Geschichte ihr lest, erwartet ihr viertes Kind. Zum Ende der Schwangerschaft hin bekommt sie hohen Blutdruck, Wassereinlagerungen und es geht ihr nicht gut. Wie sie doch noch zu ihrer erträumten Alleingeburt kommt, lest ihr weiter unten.

Noch ein paar kleine Begriffserklärungen vorweg:

SSW steht für Schwangerschaftswoche. Eine Schwangerschaft dauert im Schnitt 40 Wochen. Bei 40+0 liegt der von Frauenarzt, Hebamme oder einem selbst errechnete Entbindungstermin. 36+5 bedeutet zum Beispiel, dass die Schwangerschaft schon 36 Wochen und 5 Tage dauert.

Präeklampsie: Hauptsymptome sind Bluthochdruck und Eiweiß im Urin.  Damit einher gehen in der Regel starke Wassereinlagerungen (Ödeme). Auch Schwindel, Kopfschmerzen, Augenflimmern, Übelkeit und Erbrechen können auftreten. Man befürchtet von ärztlicher Seite den Übergang in die seltene Eklampsie, die mit Krampfanfällen einhergeht.  

Hellp: Das HELLP-Syndrom ist eine schwerwiegendere Form der Präeklampsie. Zu den Symptomen der Präeklampsie (Bluthochdruck und Eiweiß im Urin) kommen eine Leberfunktionsstörung (erhöhte Leberwerte, Schmerzen im rechten Oberbauch), verminderte Zahl der Blutplättchen und eine Blutarmut durch Hämolyse. Weitere mögliche Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen und Sehstörungen.

Gestose ist der Oberbegriff für schwangerschaftsbedingte Erkrankungen zu denen die Präeklampsie gehört.

Eiweiß++ bedeutet, dass der Urinstick deutlich positiv für Eiweiß angezeigt hat. Eiweiß befindet sich normalerweise nicht im Urin und ist eines der Präeklampsie-Symptome.

Ein normaler Blutdruck liegt bei 120/80. Als Info, damit ihr bei den im Text angegeben Werten einen Vergleich habt.

Herzlichen Dank an dieser Stelle der Mama, die diesen Bericht für euch zur Verfügung gestellt hat. 

Und jetzt los:

06.08.15 (SSW 36+0)
Senkwehen … Hab ich zwar schon länger, aber solche wie heute noch nicht. Unregelmäßig, gern nach Belastung, es drückt der Kopf nach unten. Schmerzlos, aber so unangenehm, dass ich mich dabei nur im Zeitlupentempo bewegen mag.

09.08.15 (SSW 36+3)
Gestern war mein Schwager zum Grillen da. Den gesamten Nachmittag bis 23 Uhr. War sehr schön, aber meine Beine sahen aus. Die Ödeme haben sich inzwischen auf die Oberschenkel ausgedehnt. Abends beginnt die Haut an den Knöcheln zu brennen. Blutdruck ist gut, Eiweiß nicht zu finden. Aber ich hab ein Auge auf mich. Ich nörgel zunehmend rum. Es ist einfach anstrengend inzwischen, ich bin nicht mehr belastbar. Mag nicht mehr.

11.08. 15 (SSW 36+5)
Es hat sich nach einer Gewitternacht abgekühlt. Unser Großer ist seit gestern für zwei Nächte bei meinen Eltern, die Mittlere war gestern Nachmittag bei einer Freundin und wird von Freitag auf Samstag dort übernachten. Eigentlich hätte ich die Kinder so gern um mich. Ich fühle mich schlecht, dass ich nervlich so fertig bin momentan, dass es ganz gut ist, sie zu Oma zu bringen. Andererseits freue ich mich über jede Minute mehr, in der ich die Füße hochlegen kann. Ab wann muss man sich eigentlich Sorgen hinsichtlich einer Gestose machen?
Ödeme hab ich, die sind nicht sprunghaft mehr geworden. Hatte ich in allen Schwangerschaften, diesmal witterungsbedingt etwas ausgeprägter. Betroffen sind Beine, Füße, Hände. Im Gesicht oder an den Armen merke ich keine Veränderungen.
Vor dieser Schwangerschaft war ich beim Kardiologen, weil mein Hausarzt ein Herzgeräusch hörte. Dort hatte ich bei 3 von 5 Messungen einen leicht erhöhten Blutdruck. Das sei so aber noch nicht behandlungsbedürftig. Inzwischen ist der Blutdruck bei so ziemlich jeder Fremdmessung zu hoch. Selbst gemessene Werte befanden sich in dieser Schwangerschaft immer bei 130/80 oder 120/80. Seit zwei Tagen messe ich jetzt erhöhte Werte von 150/105. Ich hab keine Kopfschmerzen, keine Sehstörungen, keine Oberbauchschmerzen. Eiweiß im Urin war vorhin ganz wenig, hab aber heute auch ein bisschen wenig getrunken.
Abgesehen davon, dass alles inzwischen beschwerlich ist, fühle ich mich gut. Hebamme fährt am Freitag in den Urlaub und ich möchte jetzt ungern schlafende Hunde wecken. Das jetzt ärztlich abzuklären macht mir Angst – fürchte das komplette Paket an Panikmache. Ich tendiere dazu die Füße hoch zu legen, zu entspannen, alle Messerei sein zu lassen, möchte aber zeitgleich auch kein massives Risiko eingehen.

12.08.15 (SSW 36+6)
Heute gehts etwas besser. Der Blutdruck hat sich bei 150/105 eingependelt ohne, dass ich das Gefühl hätte, dadurch eingeschränkt bzw. belastet zu sein. Ich trinke viel, sehr viel und bin überrascht, dass mir das relativ leicht fällt. Die beiden Mädels sind seit gestern Mittag auch bei Oma, C. bringt sie nachher nach der Arbeit wieder mit nach Hause. Der Große will noch bei Oma bleiben. Evtl. bis Freitag. Ich merke, dass ich, nachdem ich gestern Abend noch heulend meinem Mann in den Armen lag, nervlich etwas runterfahren konnte. Die Nacht war ich sehr unruhig, ständig wach und hab dann um 2 Uhr Infomaterial bei den Gestosefrauen bestellt. Ich spüre, dass ich das sehr neutral lesen werde, gefühlt bin ich selbst nicht betroffen.
In Anbetracht aller Umstände habe ich die letzten Tage auch sehr eine baldige Geburt herbeigesehnt und merkte auch, dass es frustrierend ist, stupide auf etwas zu warten, was ich nicht beschleunigen kann, werde und will und mich damit noch zusätzlich zu stressen. Der stetige Blick auf den Kalender bringt nichts. Ich habe mir vorgenommen, in aller Ruhe noch das ein oder andere zu erledigen und den Fokus etwas zu verändern.

Nachmittags
Eiweiß ++. Rücksprache mit der Hebamme. Es liegt in meiner Hand. Letztlich muss sie mir zur ärztlichen Kontrolle (Hellp Labor) raten. Dass unabhängig vom Ergebnis allein aufgrund der anderen Symptomatik und der Schwangerschaftswoche zur direkten Einleitung gedrängt würde, darüber sind wir uns einig. Aber es besteht auch durchaus noch die Chance, dass all das jetzt einfach zu einem baldigen Geburtsbeginn führt. Wir sollen uns einen schönen Abend machen, dem Baby gut zureden, dass es durchaus sinnig wäre, schon raus zu kommen.
Ich mach mir keine großen Hoffnungen. Morgen ist erst 37+0 …

13.08. 15 (SSW 37+0)
Ich weiß, wie gefährlich das ist und wie schnell sich das Ganze auch verschlechtern kann.
Ich kann mich nicht überwinden. Ich hab solche Angst, das im Krankenhaus überprüfen zu lassen. Selbst wenn es jetzt „nur“ bei ner Gestose bleibt, egal mit welcher offiziellen Diagnose, ist die Hausgeburt gestorben. Ich will keine Einleitung, ich will keine Sectio. Wenn es mir wenigstens schlecht ginge. Aber ich fühle mich gut. Mir tut nichts weh. Ich sehe hohe Werte auf dem Blutdruckmessgerät und ich sehe Eiweißnachweis auf dem Urinstix, aber ich fühle nicht, dass ich ernsthaft erkrankt sein könnte.
Es ist zum Heulen.
Gestern Abend hatte ich über mehrere Stunden Senkwehen bzw. welche, die ich nur im unteren Gebärmutterdrittel ähnlich Mensschmerzen fühlte. Muttermund ist für mich unerreichbar (Bauch zu dick, Finger zu kurz). Männe meinte da sei alles weich, er könne bequem einen Finger einlegen.
Ich hoffe, dass das Baby und mein Körper das Richtige tun. Das Baby ist generell von ruhigem Naturell. Die Vorderwandplazenta fängt auch viel Kindsbewegung ab. Herzfrequenz bei 140bpm im Mittel und eben normal aktiv für die Woche. Ich habe nicht das Gefühl, dass es dem Kind schlecht geht. Ich rechne zwischen dem 20. und 30. mit der Geburt.
Vorhin kam die Lektüre von den Gestosefrauen an. Jetzt ist mir vieles klarer. Ich werde mich an den Ernährungsempfehlungen entlanghangeln und mal sehen, wie sich das hier so fügt.

Kaum, dass mein Mann vorhin zur Tür reinkam, ging das Rumgewehe wieder los. Jetzt grad 5 Minuten Abstände, sehr kurz, nicht schmerzhaft.

14.08.15 (SSW 37+1)
Die Wehen waren dann gegen 23 Uhr wieder weg. Seither Ruhe.

Abends
Ich bin gefrustet, weil ich die schlimmste Mama auf der ganzen Welt bin. Unser Großer hat so frühstpubertäre Anwandlungen und kam vorhin heulend von Oma zurück. Er vermisst Oma. Bei Oma ist alles besser. Bei uns ist es so doof. Bei Oma durfte er dieses und dieses und jenes …
„Ich freue mich, dass du wieder da bist, M., ich hab dich vermisst die letzten 4 Tage.“ Er: „Ich hab nicht einmal an euch gedacht.“ Ich heule erstmal ordentlich.

Sa 15.08.15 (SSW 37+2)
Es ist wieder Ruhe im Bauch. Ich achte auf jedes winzige „Symptom“, es neeeervt und ich merke, dass ich das Vertrauen in meinen Körper verliere. Einerseits denke ich mir, dass ich vielleicht doch den spärlich bepackten Klinikrucksack nochmal optimieren müsste. Die Anmeldeunterlagen für die Klinik ausgefüllt mitnehmen müsste, damit wenigstens die groben Daten bekannt sind. Mache ich doch noch einen Plan, um eine notwendige Sectio so gut als möglich zu gestalten oder ist das letztlich eh egal?
Am liebsten möchte ich das alles verdrängen, um eine Chance zu haben wieder Vertrauen zu finden. Aber ich hab doch drei bzw. vier Kinder und einen Mann. Ich kann doch nicht leichtfertig meine Gesundheit aufs Spiel setzen!
Ich habe mir Internetverbot auferlegt. Kein gockeln mehr, ich werde noch irre sonst.

So 16.05.15 (SSW 37+3)
Schon den ganzen Tag gehts mir nicht gut, es ist Kreislaufwetter. Unsere Freundin K. bringt unsere Mittlere vom Übernachtungsbesuch nach Hause. Ich bin sehr müde und wenig gesprächig. Gegen 22 Uhr beim Zu-Bett-Gehen habe ich eine wirklich heftige Schwindelattacke. Mir geht es elend. C. sieht besorgt aus. Während der Schwindel verschwindet, steigt in mir Panik auf. Ich muss das abklären lassen. C. fragt mich, ob er noch ganz schnell duschen kann. Er soll sich beeilen. Anschliessend ruft er einen RTW, ich mag so nicht mit dem eigenen Auto los. Telefonierend steht er im Schlafzimmer und der Typ von der Rettungsleitstelle verwickelt ihn in ein Gespräch. Ich liege im Bett und will, dass er auflegt und mir hoch hilft und noch Sachen packt. Mir ist klar, dass der RTW längst unterwegs ist, während C. noch telefoniert. Er legt auf. „Die sind gleich da.“ Auf meine Anweisung packt er eilig ein paar Sachen, und hilft mir was anzuziehen. Ich schmeiss noch das in die Tasche, was mir noch so in die Hände kommt. Er ruft meine Mutter an. Die Kinder schlafen fest. Wenig später stehen wir im Flur, der RTW ist da, mit Blaulicht. Zwei Rettungsassis um die 50. Ich gehe alleine raus, einer der beiden geht langsam vor mir und lässt mich nicht aus den Augen. Ich fühle mich komisch. Es ist dunkel und hat angefangen zu regnen, was bis Mittwoch nicht aufhören wird. Als wir einsteigen wollen, kommt grad pünktlich meine Mutter. Sie nimmt mich in den Arm und mir schießen die Tränen in die Augen.
Im RTW wollen mich die beiden Herren flach auf dem Rücken auf die Liege verfrachten. Es dauert ne Weile, bis alles richtig hingefummelt ist und ich sitze. Der Typ war schon einmal losgefahren und sollte dann nochmal halten. Die Fahrt ist holprig, dunkel, es regnet und ich fahre rückwärts, dabei bin ich doch eh schon so ein schlechter Beifahrer. Die Liege ist beweglich gelagert. Um mir ein relatives Sicherheitsgefühl zu vermitteln, hält der Rettungsassisten rechts von mir die Liege etwas fest. C. auf der anderen Seite ebenso – kräftigst – am Tag darauf tut ihm der Arm weh.
Wir sind zum Glück zügig da. Sie schieben mich in den Kreißsaal. Da steige ich von der Liege ab und verabschiede mich dankend für die „angenehme“ Fahrt von den beiden Herren. Man wünscht uns alles Gute. Im Kreißsaal eine sympathische jüngere Hebamme A., die mit dem nicht vorhandenen Mutterpass umgehen kann. Ich gehe in den blauen Kreißsaal und werde ans CTG gestöpselt. Es zeigt keine Auffälligkeiten. Sie lässt mich einen umfassenden Anamnesebogen ausfüllen und fragt mich, was sie wissen muss. Zwischendurch schläft das Kind ein. Sie kommt, um am Bauch zu ruckeln und prophezeit uns einen Jungen. Die seien immer was zickig beim CTG. Aha, denke ich mir… Männe macht Beweisfotos von mir in diesem Kreißsaal. Wir fühlen uns seltsam deplatziert. Urinstix: Eiweiß ++. Ich frage, was denn mit einem Hellp-Labor sei. Ja, die Ärztin würde gleich zur Blutabnahme kommen.
Ärztin 1 kommt mit dem Blutabnahmekram und der Spießrutenlauf beginnt. So ’ne junge, arrogante Schnepfe. „Das ist jetzt natürliche schwierig ohne Mutterpass. Ich weiß ja nichtmal die Blutgruppe.“ „0 positiv .“ „Ganz sicher?“ „Ja, selbstverständlich.“ „Naja, aber einen Nachweis haben Sie ja nicht.“
Versuchte, mir rechts einen Zugang zu legen. Daneben. Autsch. Neuer Versuch linker Handrücken. Sie ist schon voll genervt, bekommt es zum Glück hin. Den schmerzenden, versauten Zugang rechts zieht sie erst in aller Ruhe, als der andere sitzt. Als die Hebamme den Raum betritt, bemerkt sie kurz, dass diese sich nicht wundern solle über das „Chaos“. Dabei blickt sie auf mehrere blutverschmierte Röhrchen und Tupfer, die unkoordiniert neben mir aufs Kreißbett geschmissen wurden.

Wir sollen zum Ultraschall. „Pass auf“, sage ich noch zu Männe. „Jetzt kommt das Märchen vom zu großen Kind.“ An der Art mich zu befragen merke ich deutlich, dass die Schnepfe mich total scheiße findet. Ultraschall unauffällig, ich sehe ja, was sie so misst und passe auf wie ein Schießhund, dass die Kreuze gefälligst auch da landen, wo sie sollen. C. bittet sie, uns nicht das Geschlecht zu sagen, so sie es sehen sollte. „Nee, also das interessiert mich ja so gar nicht, da gucke ich eh nicht nach.“ „Na ja, es soll ja nun auch genetische Auffäligkeiten geben, wo das Geschlecht dann doch von Relevanz ist.“ (Ich kanns mir nicht verkneifen.) Innerlich verleiert sie die Augen. Sie lässt uns deutlich spüren, dass sie uns lästig findet, mitten in der Nacht in ihrem Dienst. Sie verliert sonst kein Wort. C. fragt im Rausgehen, ob denn nun alles okay ist mit dem Kind. „Ja, ja.“ Später lese ich im Arztbrief, dass sie sich um gute 400g vermessen hat und meine Vorderwandplazenta an der Hinterwand gesehen haben will. Ich soll auf Station. Alles Weitere würde dann morgen der Chefarzt entscheiden. Also, ob ich zur Beobachtung bleibe. „38. Woche, das muss dann der Chefarzt entscheiden, ob man nicht zeitnah entbindet.“ So, so denke ich mir. Das entscheidet wohl der Chefarzt. Wenn hier einer entscheidet, dann bin ich das!
Ich werde stationär aufgenommen, komme in ein noch leeres Familienzimmer, alleine. 24 Stunden Sammelurin. Auf dem Pott steht 23:45 -23:45. Ich pinkel das erste Mal rein. Kurz drauf wackelt wohl die Schnepfe auf Station, bespricht sich mit der sehr netten Nachtschwester. Neee, doch nicht. Sammelurin von 6-6 Uhr. Die Schwester besorgt eine passende Blutdruckmanschette, bin ja nicht so ne Elfe. RR 167/116. Senken wollen sie nicht, das müsse morgen der Chefarzt entscheiden. Ohne den darf offenbar garnichts entschieden werden. Ich frage mich, was passiert, wenn manche Entscheidungen sofort getroffen werden müssten. Hellp-Labor dauert zwei Stunden. Bis die Ergebnisse hier auf Station weitergegeben sind unter Umständen noch länger, erzählt uns die Nachtschwester im Vertrauen. Somit fährt C. nach Hause bzw. ist unsere Freundin K. so lieb und holt ihn noch mitten in der Nacht ab. „Wofür sind Freunde da?“
Die sollen mir was zum Blutdrucksenken verschreiben und ein Hellp ausschließen. Dann flüchte ich so schnell ich kann.
Um 1:34 schreibe ich C., dass wohl nochmal ein Arzt antanzen soll, weil der Blutdruck noch immer so hoch ist. Er macht den Fehler und gockelt nach Hellp und kann dann nicht mehr schlafen.
Gegen 2:30, denke ich, kommt Schwester 2 ins Zimmer. Blutdruck noch immer zu hoch, ich super angespannt. Sie teilt mir mit, dass die Laborbefunde da sind. Alles unauffällig. Erste Anspannung fällt ab. Sie geht, um der Diensthabenden den aktuellen Blutdruck mitzuteilen. Ich rufe C. an. Keine 3 Minuten später ist sie wieder da, ich telefoniere gerade. Ich sage C., dass ich mich später nochmal melde. Ich möge mich im Kreißsaal melden, Ärztin möchte mich sehen. Ich kriege Schiss, ziehe mir was über, gehe rüber. Mir ist speiübel, ich bin zittrig, es fühlt sich an wie der Gang zum Schafott. Es ist einer der schlimmsten Augenblick in meinem Leben, ich hab einfach nur Angst, nackte Angst. Ich soll in den gelben Kreißsaal. Eine junge, rotblondgelockte Hebamme W. will mich ans CTG stöpseln und sieht im Kreißsaal-Dämmer-Wohlfühl-Licht wohl meinen fragenden Gesichtsausdruck. „Sie sind aufgeklärt worden, dass wir ggf. einleiten?“
Panik… „Nein, man hat mir grad gesagt, dass das Hellp-Labor unauffällig war – mehr nicht.“ Ich fühle mich wie ein Duracell-Hase. Mir fällt es schwer mich zu unterhalten, dem Ganzen zu folgen. „Ich brauche einen Anfangsbefund“, sagt sie entschuldigend . “ Zittrig will ich auf dem Kreißbett liegend meine Hose runterziehen. „Ein Hosenbein reicht.“, sagt sie mit verständnisvollem, fast traurigem Gesichtsausdruck. Sie untersucht mich. Fingerkuppe einlegbar. Ich ziehe mich wieder an. Sie verschwindet.

Die Tür geht auf, Ärztin 2 kommt quasi reingehechtet mit direkt aggressivem Gesichtsausdruck. Sie steht bestimmt zwei Meter von mir weg, zwischen Tür und Ablage. Jung, so wie die erste Schnepfe auch, total griffig und unsympathisch.“M. ist mein Name. Ich bin die diensthabende Gynäkologin“, sagt sie mit osteuropäischem Akzent. „Ja, B.“, stelle ich mich kurz vor. Sie überfährt mich direkt, spricht laut und schnell. Ich kann ihr kaum folgen mit meinem Blutdruck und der Panik. Der Blutdruck müsse runter, 38. SSW, man würde wohl zeitnah einleiten. Ich sage, dass ich das gern umgehen möchte. Sie wird fuchtig. „Und dann wollen Sie stattdessen einen sofortigen Kaiserschnitt oder was?“ „Nein, eine reelle Chance auf eine interventionsarme Geburt.“ Ich bin froh, dass ich halbwegs abschätzen konnte, was mich erwartet und mir meine Argumente ein wenig vorab zurecht gelegt habe. Es folgt die Leier von toter Mutter und Kind. „Sie könnten einen Krampfanfall haben und infolge dessen versterben.“ Das lässt mich kalt. Sie ist wohl verblüfft, dass ich nicht reagiere wie von ihr erwartet.
Ich frage sie, ob es dann jetzt nicht Sinn macht den Blutdruck medikamentös zu senken. Sie wird etwas milder. Ja, das würde man jetzt mit einem schnellwirkenden Präparat tun wollen. Morgen würde man dann ein anderes Medikament geben. So schnell wie sie da war, entschwindet sie wieder.
Ich bekomme von Hebamme W. eine Pille Adalat. Dass Adalat eigentlich ein Wehenhemmer ist, darüber werde ich nicht aufgeklärt. Ich weiss es aber selbst und spreche das hinsichtlich der drohenden Einleitung an. Nö, das sei nicht so schlimm, man würde mir da ja jetzt nur einmalig eine Pille geben. Innerhalb 15 Minuten wirkt das Zeug. Blutdruck runter, Puls rauf. Ich fühle mich deutlich besser. Bekomme noch Flüssigkeit i.v. und 30 Min. CTG. Gegen 3:30 darf ich zurück auf Station. RR 150/80. Ich schlafe unruhig.

Mo 17.08.15 (SSW 37+4)
Morgens früh
Schwester 3 kommt mit Blutdruckmessgerät. 160/100. Ich bekomme mein L-Thyroxin und zwei Pillen Alphamethyldopa (Dopegyt) zum Senken. Beim Frühstück bekomme ich kaum was runter. C. will so um 10 da sein. Eigentlich müsste er arbeiten, kann das aber organisieren. Meine Mama hat die Nacht auf unserem Sofa verbracht und unterstützt ihn tatkräftig. Die Kinder gehen heute mit zu Oma. Während wir telefonieren, quatscht die Lütte im Hintergrund, mir laufen die Tränen. Ich komm nicht runter, bin furchtbar angespannt.
Werde zum CTG bestellt, roter Kreißsaal, eine ältere Hebamme, die sich bei mir über andere Frauen beschwert. „Ständig lassen die die Türen auf, kommen ohne CTG-Gurt, dann sage ich schon vorher, sie mögen sich hinlegen und wenn ich reinkomme, dann stehen die hier noch rum. Ständig diese offenen Türen – aber wenn sie dann hier liegen und pressen, dann soll die Türe zu sein.“ Himmel, denke ich, was ist denn mit ihr los? Es regnet immernoch, das Fenster ist weit geöffnet, unten Baulärm, mir ist kalt. CTG ist gut. Ich darf gehen. Bei jedem CTG tobt mein eigentlich so ruhiges Kind wie blöd.
Dann Blutdruck (160/100) kurz vor der Visite. Die nächsten zwei sehr jungen Ärztinnen erscheinen in Begleitung der älteren Stationshebamme M.. Wieder kommt der fehlende Mutterpass zur Sprache. Ich fühle mich genötigt klar zu machen, dass kein Mutterpass nicht gleich keine Vorsorge bedeutet. Ich betone, hier nicht die renitente Patientin sein zu wollen und beschwere mich über die Art und Weise der Kollegin heute Nacht. Komme da nachts in den Kreißsaal und muss mich anpampen lassen, sehr förderlich, wenn ein Blutdruck sinken soll. Ich möchte hier nicht als verantwortungslos gelten. Mir gehts nicht gut, ich habe ein Problem und ich möchte fair und gut versorgt werden. Nebenher laufen mir die Tränen. Die Ärztin ist handzahm und verständig, verspricht das nochmal zu thematisieren und streicht mir über den Arm. Hebamme M. redet mir gut zu. „Fr. B., haben Sie keine Bedenken. Sie haben doch schon spontan entbunden. Das wird gut klappen, Sie bekommen doch schon das dritte Kind.“ Ich korrigiere sie. „Das Vierte“, und heule wie ein kleines Kind. Sie geht und holt mir irgendwas Homöopathisches zum Beruhigen. In der Akte steht später: Patientin sah sich wegen des fehlenden Mutterpasses unter Rechtfertigungszwang, im Verlauf des Gesprächs emotional aufgelöst.
Kurze Zeit später soll ich zum Ultraschall. Ich bin grad angekommen, da erscheint C.. Wir warten über eine Stunde. Zwischendurch fällt auf, dass ich noch gar nicht offiziell aufgenommen bin. Ich sitze traurig da und kämpfe immer wieder mit den Tränen. Eine ältere, eher burschikose Schwester, die da in der Ultraschallambulanz tätig ist, versucht, mich ein wenig aufzufangen. Sie ist der Typ Mensch, der einfach so tut, als würde man sich schon 100 Jahre kennen. Komischer Weise passt sie mir ganz gut in den Kram. Der Chefarzt schallt wohl heute Morgen. Wie am Fließband marschieren Paare zu ihm ins Zimmer, man bekommt einiges mit. Weinende Frauen und besorgte Väter. Zu kleine Kinder, zu unreife Kinder, drohende Frühgeburten. Was soll ich denn hier? Ich muss zum Oberarzt Dr. A. rein. Und warte. Schicke C. schon mal los, um diese Anmeldung zu veranlassen, die ja noch nicht offiziell ist. Dr. A. erscheint. Ein halbwegs sympathischer Mann. C. kommt einige Zeit später dazu. Bis dahin hatte er mich längst gefragt, wie denn mein Mann zu der Sache steht und zu hören bekommen, dass dieser den Weg, den ich wähle, mitgeht. Er wird also bemerkt haben, dass er es sich sparen kann, meinem Mann Schauermärchen zu erzählen. Schall ist unauffällig. Es folgt ein langes Gespräch. Allein die Richtlinien erlauben nicht, dass ich nochmal nach Hause gehe, zumal der Blutdruck auch noch immer nicht gut ist. Er spricht von Präeklampsie. 4. Kind, 3×spontan, Kind fit. Sie rechnen sich gute Chancen für ne ordentliche Spontangeburt nach Einleitung aus. Der Doc äußert, dass man es langsam angehen würde. Jetzt seien die Chancen gut. Ehrlicherweise könnten sie das in zwei Wochen auch sein oder aber eben auch richtig schlecht. „Und bei Ihrer Vorgeschichte – Fr. B., wer hat denn heute noch drei tolle Spontangeburten? – wäre eine dann notwendige, eilige Sectio natürlich richtig bescheiden.“ Am Blutdruck jetzt noch länger Symptomkosmetik mittels Senken zu betreiben, gehe eben auch manches Mal nach Hinten los. Ich weiß was der Mann meint. Ich muss den Tatsachen ins Gesicht blicken. Ich habe eine Gestose und es geht mir auch nicht gut. Um in dieser Situation anzukommen, mich auf Intervention einlassen zu können, erbitte ich mir Bedenkzeit. Die Nacht war anstrengend, so fühle ich mich einer Einleitung und ggf. Geburt grad nicht gewachsen. Das Argument zieht, er gibt mir Zeit bis morgen. Ich werde mich schwersten Herzens gegen Pest und für Cholera entscheiden müssen. Eine Alleingeburt (Hebamme hat Urlaub, ist in Dänemark) unter diesen Umständen in meiner Verfassung wäre verantwortungslos.
Ich versuche hier heute noch Kraft zu finden, zu schlafen. Morgen früh wird es ein erneutes Arztgespräch geben.
Zurück auf Station soll ich in ein anderes Zimmer. Packe meinen Krempel und werde mit Bett auf die andere Flurseite in ein 4-Bett-Zimmer geschoben. Ans Fenster. Der Raum ist gut unterteilt, es sind quasi zwei 2-Bett-Zimmer, die mittels Sichtschutz in einem Flur voneinander getrennt sind. Man hört trotzdem den Besuch derjenigen hinterm Vorhang. „Da haben Sie ja Glück gehabt mit dem Bett. Das ist immer ganz nett, wenn man die Bettgitter hochmachen kann, wenn sie dann das Baby haben“, sagt die Schwester. Ich fühle mich erstmal gar nicht angesprochen. „Ich will hier noch gar kein Baby haben.“ Neben mich kommt eine Frau in der 31. SSW. Ihr geht’s richtig schlecht. Gestationsdiabetes mit heftigen Entgleisungen, Präeklampsie, Kind ist schlecht versorgt. Sie hat Kopfschmerzen, ununterbrochen. Was mache ich hier, frage ich mich wieder. C. fährt erstmal nach Hause.

15 Uhr
Immernoch 150/100, trotz weiterer Blutdrucktablette. Ich konnte eben schlafen. C. ist bei den Kindern. Er kommt sofort, wenn ich das will. Ich möchte vorschlafen für was auch immer noch kommt.

18 Uhr
Fluchtgedanken … Ich haue einfach ab. Aber was, wenn der Blutdruck wieder Eskapaden macht?
Ich haue ab und nehme statt dem Alphamethyldopa von hier, eigenmächtig Bisoprolol von meinem Mann. Sehe zu, dass ich das bei ersten Geburtsbestrebungen absetze, um keine Atemproblematik zu riskieren. Aber wenn da was aus dem Ruder läuft?
Ich stimme der Einleitung morgen zu und wenn ich das Glück habe schon während eines Spaziergangs schöne Wehen zu haben, drehe ich den Spieß um, türme mit meinem Mann und fahre nach Hause zur Geburt. C. könnte ja schonmal den Pool aufpusten.
Abends gegen 18:30 kommt C. vorbei. Wir gehen ein bisschen spazieren. Es regnet noch immer ununterbrochen. Wir stehen an der Tür zum Klinikinnenhof, wo es nach abgestandenem Zigarettenrauch riecht und sind beide tottraurig. Es hätte so schön werden sollen. Eine tolle Alleingeburt, so wie die unserer Dritten. Wir hatten uns so sehr darauf gefreut. Wir wollen noch nicht aufgeben. Beim Gedanken daran, morgen am CTG hängend in einem dieser hässlichen Kreißsäle mein Kindchen bekommen zu müssen, könnte ich heulen. Ich versuche den Gedanken auszublenden, dabei sollte ich mich vielleicht eher langsam damit anfreunden. Wir wollen noch nicht aufgeben, alles tun, dass es doch noch von allein losgeht. Wir verschwinden gemeinsam in einer der Kliniktoiletten. Immerhin ist es da sauber. Schön ist anders, aber was tut man nicht alles …
Zurück im Zimmer will ich schnell schlafen, Kraft sammeln. C. fährt. „Hau bloß schnell ab, eh ich wieder heule.“

Di 18.08.15 (SSW 37+5)
6 Uhr
Die Nacht war ganz gut. Meine Bettnachbarin hatte mich gewarnt, dass sie schnarchen würde. Es hat mich nicht gestört. Die Frauen hinterm Vorhang haben noch um 22:30 laut telefoniert, auch das hat mich nicht gestört.
Folgender Plan: Ich hab nachher nochmal ein Arztgespräch. Ich versuche mich zu entlassen, wenigstens bis zum Wochenende. Was erfordert, dass ich das Alphamethyldopa verschrieben bekomme. Sollte sich das im Gespräch als utopisch herausstellen, komme ich mit meiner Liste.
Ich will in die Wanne. Sollte das wegen Blutdruck, fehlender Abstriche o.ä. unmöglich sein, sollen sie die Abstriche machen und ich gehe auf eigene Gefahr da rein. Wer irgendwas an mir rumschneidet wird verklagt. Ich will die Dammschnittschere nichtmal zu Gesicht bekommen.
Ich werde mich zu keinem Zeitpunkt auf dem Kreißbett in Rückenlage befinden und werde darum auch nicht diskutieren. Anleitung zum Pressen brauche ich nicht. Ich bin die erste, die das Kind berührt.
Die Plazentageburt wird abgewartet. Keiner zieht an der Nabelschnur. Abgenabelt wird nach Geburt der Plazenta. Die Plazenta wird uns ausgehändigt. Niemand verkündet das Geschlecht des Kindes bevor ich es selbst gesehen habe.
Das Kind bleibt bei mir in Hautkontakt. Ich selbst oder mein Mann werden es zu gegebener Zeit anziehen. Das Kind wird ausschließlich gestillt und bekommt keinerlei künstliche Sauger.

8:30 Uhr
Ich muss zum CTG, diesmal roter Kreißsaal, wieder eine andere Hebamme, die Kreißsaalleitung. Sie fragt wieder nach dem Mutterpass. „Ja aber, es muss doch irgendeine Dokumentation geben. Wer ist denn Ihre Hebamme?“ Ich antworte wahrheitsgemäß. „Aha, kenn ich nicht“, in abfälligstem Ton.
Sie stöpselt mich ans CTG, 15 Minuten, dann erscheint OA Dr. A. „Guten Tag Frau B., A. mein Name.“ Noch während er spricht bemerkt er wohl, dass wir uns ja schon von gestern kennen, korrigiert sich aber nicht. Er setzt sich mit der Akte vor mich, sein Telefon klingelt. Er bespricht sich wegen mehrerer anstehender Sectiones mit der Anästhesie. Er legt auf. „Fr. B., Ihre Werte sind ja über Nacht minimal besser geworden. Das heißt nun nicht, dass keine zeitige Entbindung mehr angestrebt werden muss. Was halten Sie denn vom Krankenhaus, Fr. B.?“ „Soll ich ehrlich sein?“ „Bitte!“ „Ich find’s furchtbar hier und will nur nach Hause.“ „Dachte ich mir.“
Ich frage, wie konkret sich dann die Einleitung darstellen würde. Er fängt an mit Gel oder, oder, je nach Muttermundsbefund. Das meine ich aber gar nicht. „Wieviel Mitbestimmungsmöglichkeit bliebe mir denn noch? Wenn ich beispielsweise in die Wanne will und Sie mir jetzt sagen, dass das mit dem Blutdruck ausgeschlossen ist, dann fahre ich nämlich nach Hause und gehe in meine eigene Wanne.“ Er guckt mich mit großen Augen an. „Ich wüsste jetzt nicht, was dagegen spricht, Sie in die Wanne zu lassen. Allerdings haben wir hier 5 Kreißsääle – mit 2 Wannen. Heute ist es wahnsinnig voll. Da Ihr Kind ja auch die ganze Zeit super fit ist (er zeigt aufs CTG), könnte man in Anbetracht der Umstände bis morgen weiter beobachten.“
Ich wittere meine Chance, danke innerlich den Wunsch- und Plansectiomüttern, die gleich ihre Kinder geliefert bekommen und denen, die eingeleiteter Weise seit 6 Uhr in den Fluren auf und ab laufen und frage, ob ich denn dann bis zum morgigen Tag nach Hause kann. Ich äussere meine Hoffnung, dass es von alleine losgeht, wenn ich mir nochmal einen schönen Abend mit meinem Mann mache, meine Kinder nochmal sehe, ich es schaffe nochmal loszulassen. Offiziell darf er das natürlich nicht gut heißen. Ich gehöre im Krankenhaus überwacht, aber er versteht sehr genau, was ich meine. „Frau B., wenn da was passiert, bin ich dran. Dann heisst es: Herr Dr. A., wie konnten Sie die Patientin bloß gehen lassen?“ „Ich möchte selbstverständlich nicht, dass man Ihnen daraus einen Strick dreht. Ich unterschreibe Ihnen alles Notwendige.“ Ich muss versprechen, am nächsten Vormittag wiederzukommen. Er veranlasst meine vorübergehende Entlassung gegen ärztlichen Rat. „Ein Kassenrezept kann ich Ihnen jetzt natürlich nicht ausstellen.“ Auf der Station wird mir das Dopegyt bis zum nächsten Abend ausgehändigt. Meine Sachen könne ich im Schrank lassen, man würde das Bett eh bis morgen so stehen lassen.
Ich kann es kaum fassen und bin ganz kribbelig irgendwie. Seit zwei Tagen kann ich endlich wieder aufs Klo und packe danach eilig meine Sachen. Ich lasse nichts im Krankenhaus, packe alles ein. Die Hoffnung, dass das Kind zuhause kommt, stirbt zuletzt. Ich verabschiede mich von der Bettnachbarin, erzähle ihr noch kurz vom Frühchen einer Freundin, was auch in der 31. Woche kam. Sie bedankt sich dafür, endlich mal einen positiven Ausgang gehört zu haben. Ich schleppe sämtliche Taschen und meinen Bauch die Treppe runter. Als C. kommt, warte ich schon im Foyer. Es regnet noch immer. Er hat ’ne Jacke und feste Schuhe dabei, da wir ja eigentlich mit Einleitung rechneten. Ich ziehe die Schuhe nicht an, sondern mag mir lieber mit Latschen im strömenden Regen nasse Füße holen. Meine Hosenbeine sind klatschnass. Wir sind glücklich, dass wir uns wiederhaben. C. hat etwas weiter weg parken müssen. Wir laufen mit dem ganzen Krempel zu zweit unterm Regenschirm.
Mein liebes Kind, bitte komm. Du hast Zeit bis morgen früh. Niemand rechnet ernsthaft damit, 16 Tage vorm Termin. Aber es wäre so schön. Komischerweise verschwende ich zu diesem Zeitpunkt keinen Gedanken daran, morgen wiederkommen zu müssen.

10:30 Uhr
Sind zuhause. Ich erreiche meine Hebamme im Urlaub und frage, ob irgendwas Gravierendes dagegen spricht, eigenmächtig auf Metoprolol umzustellen, der Klinik fern zu bleiben und abzuwarten. Das könne man so machen, ist ihre Aussage. Zudem rät sie uns zur (ggf. mehrfachen) Eipollösung, wenn der Muttermund offen ist, plus Sperma. Dann abwarten, ob Wehen kommen. “Es wäre schön, du würdest dann in Anbetracht der Umstände in den nächsten zwei oder drei Tagen auch zum Kinde kommen“ , sagt sie ganz sanft und ein bisschen sorgenvoll. Wenn sich nichts tut, könne man Rizinus gering dosiert probieren, fügt sie ein bisschen gequält dazu. Sie hält genauso wenig von Einleitungsexperimenten wie ich. Aber es sieht aus wie unsere einzige Chance. Ich erkläre C., was ein Eipol ist und wie man ihn löst. Dann drapiere ich mich möglichst entspannt aufs Sofa. Er fühlt und findet den Muttermund. Von wegen Fingerkuppe einlegbar. Sein Gesicht, als er den Baby den Kopf streichelt und es sich dabei bewegt ist göttlich. „Oh Gott, da tut sich was! Da ist was Hartes. Es bewegt sich!“ Die männlichen Prostaglandine sollen das Übrige bewirken.
Wir fahren mittags los zur Apotheke. Einlauf und Rizinusöl besorgen. Apotheke 1 händigt das nicht aus. Find ich ja an sich gut, in diesem Moment aber nicht. Apotheke 2 hat die Brühe da. Wir fahren zu meinen Eltern zum Mittagessen und Kinder sehen. Die beiden Großen jammern bei meinem Anblick mal wieder, dass sie ja noch gar nicht mit nach Hause wollen. Ja Kinder, ich liebe euch auch. Meine S. ist emotional angeschlagen, das merke ich deutlich. Sie hängt ’ne Stunde kuschelnd auf meinem Schoß. Um 14:30 trinke ich am Küchentisch meiner Eltern einen Tee und merke die erste Wehe. Sie kommen gleich mit 10 Minuten Abständen, sehr mild, aber spürbar. Die Intensität steigerte sich zusehends, nett vom Muttermund nach oben ausgehend. Gegen 15 Uhr merke ich manche schon ordentlich, andere fast gar nicht. Um 15:15 bemerkte ich eine Zeichnungsblutung. Schlaues, tolles Kind, mach weiter so! Um 15:30 fahren wir nach Hause und räumen ein bisschen auf. Ich verpass mir den Einlauf und räume in der Zwischenzeit die Geburtssachen soweit hin. C. baut den Pool auf. Ich bin happy. Zuhause. Wir sind in Partystimmung, scherzen und lachen und freuen uns noch ein bisschen verhalten, dass die mich morgen nicht wiedersehen werden. Es ist soo schön zuhause.

17 Uhr
Wir gehen durchs Dorf spazieren, Wehen kommen in schöner Regelmäßigkeit inzwischen alle 6 Minuten, ich bepuste manche schon. Wieder zuhause sehen wir „Ziemlich beste Freunde“. Bis 19:45 bleiben die Wehen bei etwa 6 Minuten. Ich bin müde und lege mich gegen 20:30 aufs Sofa. Schlafe noch ein bisschen, wobei die Wehen nur mäßig an Intensität verlieren.

23:35 Uhr
Ich bin wieder wach. Bisschen blutiger Schleimabgang. C. füllt den Pool. Wehen tun weh, alle 5 Minuten. Ich wander wehend durchs Wohnzimmer und fühle mich großartig. Wir lachen und freuen uns wie blöde, dass ich dem Krankenhaus entkommen bin und amüsieren uns über den Schmarrn der letzten Tage. Die Kerzen sind an, es sieht sehr feierlich aus im Wohnzimmer
So um 0:10 bin ich im Wasser. Ich komme gut zurecht, ziehe meine Bahnen. Wehenschmerz nimmt stetig zu. „ Um 2 Uhr sind wir fertig“, denke ich sehr optimistisch. Irgendwann ist es 2 Uhr und ich mag nicht mehr. Ich hab mein typisches Übergangsphasensymptom – direkt nach einer Wehe mehrmaliges leichtes Aufstossen. Der Wehenschmerz nervt, ich mag nicht mehr veratmen, hab (wie immer) keinen Pressdrang und schiebe deshalb einfach mal mit um zu gucken was passiert – nichts. Ne Weile fühlt sich das Mitschieben ganz gut an. Dann plötzlich nicht mehr. Sobald ich mitschiebe, ist der Schmerz danach kaum auszuhalten. Es fühlt sich im vorderen Bauchbereich unangenehm an, als würde mit jeder Wehe meine Blase malträtiert. Ich muss pinkeln. C. begleitet mich zum Klo, drei Tropfen. Irgendwie klemm ich mir da was ab. Wider Erwarten finde ich es an Land erstmal nicht so schlecht. Ich stehe im Bademantel im Wohnzimmertürrahmen und veratme. C. massiert mir das Kreuzbein. Als das doof wird, gehe ich ein bisschen hin und her. Stehe kurz an der geöffneten Terrassentür und blicke in den finsteren Garten. Die Luft ist angenehm kühl und es hat aufgehört zu regnen. Ich habe das Gefühl, dass jeder Lage-oder Ortswechsel kurzfristig etwas Linderung verschafft. Zwischendurch höre ich immer mal mit dem Dopton rein, das Kind zeigt sich völlig unbeeindruckt. Ich esse Traubenzucker und hoffe auf etwas Energie. Es hilft nicht wirklich. Über einem Plastikeimer versuche ich im Stehen zu pinkeln, geht auch nicht. Ich bin hundemüde und gefrustet, weil es nicht so recht vorwärts geht und so weh tut und lege mich aufs Sofa. Ich hoffe eine Wehenpause zu kriegen. Nichts da, sie bleiben. Ich schmeiss mich auf dem Sofa von links nach rechts. Auch doof. Was mache ich denn jetzt? Ich jammer und heule rum. C. soll mal tasten. Er hat ja nun eigentlich keine Ahnung, ist sich aber sicher, dass da ein Rand ist. Er sagt was von 8 cm. Okay, dann veratme ich jetzt noch ’ne Stunde, denke ich mir und finde neue Motivation. Gehe zurück in den Pool. Seitenlage. 3 Wehen links, 3 Wehen rechts. C. füllt zwischendurch warmes Wasser nach. In den Wehenpausen schlafe ich ein. Je wärmer das Wasser, umso schwerer fällt es mir wach zu bleiben. Ich bin so wahnsinnig müde. Sobald die nächste Wehe kommt, schrecke ich aus dem Schlaf auf und habe Mühe, mit dem Schmerz umzugehen. Ich finde nicht mehr so richtig rein. Wenns zu krass ist, hänge ich mich wieder über den Poolrand. Meine Stimmung wechselt. Ich bin verzweifelt, ich bin wütend, ich ermahne mich zur Vernunft. C. wischt mir mit ’nem kalten Waschlappen durchs Gesicht, davon werde ich für einige Augenblicke etwas wacher. Er selbst hockt müde auf dem Sofa. Ich sehe, wie ihm die Augen zufallen. Wir sind beide so fertig. Inzwischen muss es ungefähr 4:30 Uhr sein. Seit 2 ½ Stunden hab ich das Gefühl, dass das Ende fast da ist. Aushalten, einfach aushalten, irgendwann kommt das Kind. Ich beginne wieder mitzuschieben. Nichts tut sich. Warum? Was ist da los? Warum tuts im Blasenbereich so weh? Das hängt doch irgendwo da vorne fest das Kind. Ich gehe in die tiefe Hocke und lehne mich nach hinten im Pool, um das Kind irgendwie anders zu positionieren. Das mache ich eine Weile, ohne Erfolg. Dann kommt der absolute Krisenmoment. Ich denke ans Krankenhaus. Nee, da fahr ich nicht hin. Bis wir jetzt im Krankenhaus sind… So lange halte ich nicht durch. Wie soll ich mit diesen Wehen die Fahrt überstehen? Die Vertretungshebamme für den absoluten Notfall braucht ’ne Stunde bis zu uns. Und dann? Was tut die dann? Sie müsste sich auch erstmal einen Überblick verschaffen … Weitere Gedanken sind mir zu anstrengend. Ich taste nach dem Muttermund, komme schlecht hin. Da ist irgendwas Weiches, ich weiss nicht was das ist. Ne Muttermundslippe? Fruchtblase? Keine Ahnung. C. sitzt am anderen Poolende auf dem Schaukelstuhl. Ich hänge mich vor ihm über den Poolrand und jammere völlig verzweifelt. „Was mach ich denn jetzt bloß?“
„Ich kann ja nochmal tasten“, sagt er ruhig. Ich steige aus dem Pool und schmeisse mich im Vierfüßler aufs Sofa. Er tastet. Zieht die Finger raus, ich gucke nach hinten auf seine Finger. Er hält sie hoch und sagt: “Das sind doch 10 cm, das gibt’s doch gar nicht.“
Es kommt ne Wehe, ich brülle und schiebe mit, es knackt, etwas Fruchtwasser tropft aufs Handtuch unter mir. Ich schiebe mich rückwärts vom Sofa. Gucke kurz aufs Handtuch. Das Fruchtwasser ist klar. Irgendwie klettere ich wieder in den Pool und knie vorm Rand. Eine Wehe kommt, es knackt nochmal, jetzt ist die Fruchtblase ganz auf und ich merke den knöchernen Kopf. Ich fische ein Stück Eihaut aus dem Wasser und werfe es in den Eimer vor mir. Ich frage C., ob das Fruchtwasser klar ist. Ist es. Innerhalb der nächsten zwei Wehen schiebt sich das Kind nach unten. „Gleich ist’s geschafft“, höre ich C. Er streichelt meine Schulter, er ist mein Held. Ich knie, Wehe kommt. „Ja, jetzt“, sagt C., obwohl er nichts sehen kann. Bei der 4. miterlebten Geburt hört man(n) offenbar den beginnenden Kopfaustritt. Ich drehe mich um und stelle das linke Bein auf, der Kopf kommt. Ich fasse hin. Er fühlt sich glitschig an. Ich denke, es sind noch Eihäute drumrum. Ich fühle das straff drumrumliegende Gewebe und hab das Bedürfnis, es mit den Fingern über den Kopf zu schieben. Ich schiebe das Kind raus. Da ist es vor mir im Wasser, ganz zusammengewurschtelt hebe ich es raus. „Ein Mädel, ein Mädchen!“, höre ich C. sagen. Ohne es bewusst zu registrieren (hab es erst später im Video gesehen) wickel ich die Nabelschnur zweifach von ihrem Körper und sehe selbst erstmal nur die dicke Nabelschnurumschlingung, 3x liegt sie locker um ihren Hals. Ich wickle das Geschenk aus, C. hält vorsichtig die Hand unter ihren Kopf. C. kuckt auf die Uhr: „5:31.“. Ich hebe die Kleine zu mir und küsse sie. „Hallo Prinzessin.“ Ich lege sie in meinen Arm, sie wird schnell rosig. Die Nabelschnur pulsiert kräftig. Ich bin erleichtert, dass es vorbei ist und wie eine Welle rollt die Freude über unser Kind an. Sie ist wunderschön. Mein schlaues Mädchen. Wieder blickt Mutter Natur auf mich herab und sagt:“Gut gemacht, Tochter.“
C. legt ihr ein Handtuch über. Sofort ist mir klar, warum das so dauerte. Sie hat sich irgendwo da oben verschanzt und abgewartet, bis der Weg geebnet war. Ich hatte quasi kaum zusätzlichen Druck des Kopfes auf den Muttermund. Dann ist sie in einem Rutsch raus, um jeglichen Zug auf die Nabelschnur zu verhindern. Ich sitze noch eine ganze Weile im Wasser, mir kommt es vor wie wenige Minuten. C. ruft unter Tränen meine Mutter an, es fällt ganz viel Anspannung ab. Beim Aufrichten im Pool rutscht die Plazenta ins Wasser. Die hatte sich wohl gleich mit gelöst. Jedenfalls sieht das Wasser so aus.
Wir ziehen um aufs Sofa. Sie legt sich sehr schnell selbst an. C. ruft gegen 8 Uhr unseren Hausarzt an. Er hatte um 7:30 einen Termin, erreichte aber niemanden telefonisch. „Vorhin ist meine Tochter geboren, ich kann jetzt noch nicht kommen.“ Er bekommt wann später einen Termin und lässt sich die letzten beiden Tage rückwirkend krankschreiben. C. schläft völlig erschöpft am Fußende des Sofas ein. Ich sitze hellwach da und bestaune das kleine Wunder im Licht des Spätsommermorgens

H. F. – 19.08.2015 – 5:31 Uhr – 3280g – 52cm – 33,5 KU

Ich bin dankbar, dass am 18.08. so viele offenbar eine Einleitung wollten (nettes Datum) und für mich keine Zeit war. Ich möchte mir nicht ausmalen, was mir und unserer Tochter geblüht hätte, wenn man die Nabelschnurumschlingung im Ultraschall gesehen hätte oder noch schlimmer, die Kleine während der Einleitung mit Wehenmitteln nach unten gezwungen hätte. Ich bin glücklich, dass ich genug Kraft und Nerven hatte, mich dem Klinikgetöse zu entziehen. Es war eine meiner härtesten Prüfungen. Ich bin restlos überzeugt, dass es Dinge gibt, die zur Geburt führen, von denen wir noch absolut nichts wissen und erleichtert, dass ich diese Kräfte mobilisieren konnte, 15 Tage vor ET. Ich bin meiner Hebamme dankbar, auch wenn sie nicht zugegen war. Ihre Hinweise waren es letztlich auch, die mich überzeugten, einfach zuhause zu bleiben. Unfassbar dankbar bin ich meinem Ehemann. Aber dankbar ist das falsche Wort. Es gibt kein Wort für das, was ich ihm gegenüber empfinde. Er hat mich behandelt wie eine Göttin, er hat mich durch diese Zeit getragen, durch diese Geburt begleitet. Es war unsere gemeinsame Geburt, die Geburt unseres 4. Kindes.

Nachspiel:
C . rief morgens in der Klinik an, um Bescheid zu geben, dass mit uns nicht zu rechnen ist. Dabei stellte sich heraus, dass ich zwar den Bogen „gegen ärztlichen Rat entlassen“ unterschrieben habe. Das Ganze dennoch quasi als Beurlaubung gilt. Männe war todmüde, fuhr aber trotzdem gegen Mittag nochmal hin, um das zu unterschreiben. Natürlich kam nochmal die Ansage hinsichtlich Krampfneigung, Mutter tot, Kind gehört überwacht etc. … Nervig. Unterschreiben musste er dann plötzlich doch nicht. Vermutlich wurde bemerkt, dass ich tatsächlich eine Entlassung unterschrieben hatte. Er bekommt lediglich einen Arztbrief in die Hand gedrückt, in dem nachzulesen ist, wie wenig kooperativ ich mich gezeigt habe.

Am gleichen Tag:
Anruf beim zuständigen Standesamt. Aussage des sehr netten Standesbeamten, dass §33 Personenstandsverordnung gilt. Wenn kein Geburtshelfer zugegen war, ist auch keine Bescheinigung zu erbringen. Ihm reicht die mündliche Anmeldung des Vaters. Ich musste am Tag drauf nicht mal mit hin.
Gegen 20 Uhr rief wieder die Klinik an. Nochmal Theater wegen angeblicher Kindeswohlgefährdung. So würden wir das Kind nicht anmelden können. C. erklärte ihr tiefenentspannt, dass das sehr wohl geht, er habe bereits mit dem zuständigen Standesamt diesbezüglich gesprochen. Das Kind würden wir morgen anmelden. Es müsse aber dringend die U1 gemacht werden. Männe erklärte, dass wir in Niedersachsen keine U-Pflicht haben. Ja aber, wer ist denn die Hebamme? C. erklärte, dass sie im Urlaub befindlich sei. Das ginge ja nicht, es müsse eine Hebamme dabei sein. „Wenns nun aber keine gibt?! Sie wissen doch, wie es um die freiberuflichen Hebammen bestellt ist?!“ Sie faselt was von einem deutschen Entbindungsgesetz. Männe bleibt cool, erklärt, dass die Hinzuziehungspflicht für Ärzte gilt und nicht für Privatpersonen.“ Ja aber, wir haben da ja auch eine Verantwortung“, sagt die Dame. „Die haben Sie nicht, meine Frau hat sich gegen ärztlichen Rat entlassen.“ Sie hätten sogar mit Ihren Kinderärzten gesprochen. Wenn ich denn schon nicht wieder aufgenommen würde, dann müsse das Kind aber wenigstens … C. weist sie darauf hin, dass es unser 4. Kind ist und wir uns durchaus in der Lage sehen, eine Notsituation zu erkennen und dann das Kind auch unverzüglich ärztlich vorgestellt würde. Dass sie das anders sieht, ignoriert er. Sie glaubt ganz offensichtlich, dass ich die Nabelschnur durchgebissen habe und völlig unbedarft und blauäugig bin. In ihrer offensichtlichen Verzweiflung droht sie mit dem Jugendamt. C.: „Ja, die sollen mal kommen. Dann muss ich mir hier nicht noch weiter von Ihnen meine elterliche Kompetenz absprechen lassen. Wir rufen morgen beim Kinderarzt, der noch bis heute im Urlaub ist, an wegen der U2.“ Damit ließ sie sich besänftigen. Am Ende des Gesprächs liess sie verlauten, dass sie den Kliniknamen ungern im Zusammenhang mit unschönen Vorfällen in der Zeitung lesen wollen.
Am nächsten Tag hat C. die Kleine völlig unkompliziert in unserem Provinzstandesamt angemeldet. Der sehr junge, kompetente und freundliche Standesbeamte freute sich riesig, mal eine Geburt eintragen zu dürfen und wir bekamen sämtliche Urkunden noch am gleichen Tag. Den Flur des Standesamts wird demnächst ein Bilderrahmen zieren. Unsere beiden hier geborenen Mädels und „Born in P.“

Zwei Wochen nach der Geburt war meine Hebamme aus ihrem Urlaub zurück und kam zu einer „Nachsorge“. Wir haben uns lange über den Verlauf unterhalten. Seltsam ist schon, dass ich erst in der 4. Schwangerschaft eine Gestose entwickelte. In allen anderen Schwangerschaften war das nie ein Thema. Die bisher eingefrorene Plazenta hatte ich aufgetaut. Sehr auffällig war, dass die mütterliche Seite der Plazenta eine sehr glatte Struktur hatte. Normalerweise sieht man dort quasi Inseln und tiefere Furchen. Das war bei unserer Plazenta nur sehr schwach ausgeprägt, was laut Hebamme die zügige Lösung der Plazenta begünstigt haben könnte. Zudem war die Nabelschnur mit über 80cm recht lang. Ob die Erhöhung des Blutdrucks letztlich in unserem Fall sogar notwendig war, um die kindliche Versorgung sicherzustellen, darüber kann man nur mutmaßen. Ich selbst denke, dass da was dran ist an der Theorie.