In einem Fluss – Alleingeburt beim ersten Kind

Diese Mutter berichtet im Folgenden von ihrer ersten Geburt und wie es dazu kam, dass ihr Baby nur begleitet vom Papa auf die Welt kam.

Ende 2021 spürte ich, dass eine Seele um mich herumschwirrte und zu uns auf die Welt kommen wollte. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich ganz auf Verhütung verzichtet, für meinen Partner hingegen war es noch nicht der richtige Zeitpunkt. Die Seele kam trotzdem.

Der Start der Schwangerschaft forderte mich stark heraus, da mir vier Monate lang ständig übel war. Ich hatte Schwindelanfälle und konnte den Alltag nur knapp bestreiten. Zeitgleich suchte ich fast übermütig nach einer Hausgeburtshebamme. In der Schweiz ist es nicht schwierig, eine zu finden, und doch schien es in meinem Fall nicht klappen zu wollen: Entweder war die Hebamme gerade krank, verletzt, hatte selbst ein Kind bekommen oder die Chemie stimmte nicht. Schon hier gab mir die Seele im Bauch erste Hinweise, die ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu deuten wusste.

Eines Morgens gegen Ende des vierten Monats wachte ich auf und wusste: Heute will ich zum Ultraschall gehen! Ich sah das kleine Wesen auf dem Bild, zeigte es meinem Partner und wir freuten uns sehr. Da war eine tiefere Verbindung zu diesem kleinen Menschlein. Ausserdem bestätigte dieser Termin ganz klar meine Entscheidung für einen natürlichen Weg mit Hausgeburt (damals noch mit Aussicht auf eine Hebamme). Der Arzt hatte mir ein ganzes Dossier mit Gefahren und Risiken für mich und das Baby ausgehändigt und ich spürte, dass ich keine Seite davon lesen würde. Auf dem Nachhauseweg fragte ich mich immer wieder: Warum ist Schwangerschaft und Geburt in unserer Gesellschaft so sehr mit Angst behaftet?

Endlich liess die Übelkeit nach und schon bald kam ich richtig in meine Kraft, machte täglich Yoga, fuhr Fahrrad und meditierte. Ich fand eine Hebamme, die bei unserem ersten Kennenlernen sehr offen eingestellt schien. Beim zweiten Termin war alles anders. Es gab plötzlich Auflagen, die wir – in meiner Wahrnehmung – beim letzten Mal vollkommen anders besprochen hatten. Zudem verlangte sie von mir, dass ich bereits in den kommenden Wochen erneut zum Ultraschall gehen sollte. Als ich aus der Praxis kam, hätte ich weinen können. Ich war so traurig, denn ich spürte, dass ich diesen Weg nicht weitergehen konnte. Es fühlte sich nicht richtig an.

Als ich in den Zug stieg, meldete sich die Seele in meinem Bauch und sagte: Wir machen das alleine. Ich komme einfach auf die Welt. Was das wohl heissen sollte? So ganz verstand ich das (noch) nicht. Ich löste mich von meiner Hebamme und ging meinen eigenen Weg – was auch immer das bedeuten würde. Nun fühlte ich mich frei, weit und voller Vertrauen! Kurz darauf tippte ich „Alleingeburt“ im Spotify ein und landete auf dem Podcast „Skandal Alleingeburt“. Ich hörte die erste und einzige Folge des Podcasts an und war sofort begeistert. Also schrieb ich der Hosterin aus Deutschland eine Mail, in der ich mich bedankte und erzählte, wie toll ich ihr Engagement finde. Sie antwortete mir: Ich bin gerade bei einer Freundin in der Schweiz eingetroffen und sie kennt dich. Magst du zu unserem spontanen Frauenkreis am Freitag kommen? Ich traute meinen Augen nicht und sagte zu. Der Kreis von wunderbaren Frauen – zwei davon hatten alleine zu Hause geboren – gab mir Vertrauen und stärkte mich in meinem Vorhaben. Ich spürte, wie mich das Leben unterstütze. Alles fügte sich. Zudem war ich im ständigen Kontakt mit der Seele in meinem Bauch. Sie zeigte mir innere Bilder, in welchem Raum die Geburt stattfinden und wie ich ihn einrichten würde. Andere Bilder zeigten mich im Vierfüssler und wie ihr Körper in einem Fluss herauskam. Auch das Datum verriet sie uns bereits im Voraus. Ich versuchte aber, mich nicht zu sehr darauf zu versteifen. Meinem Partner erzählte ich immer wieder, wo ich gerade stehe und was ich fühle. Er war nicht gross an „technischen“ Informationen über die Geburt interessiert. Für ihn war Schwangerschaft und Geburt etwas ganz Natürliches, denn: Er kommt aus Afghanistan und seine Mama hatte ihn sowie sieben weitere Kinder ohne jegliche medizinische Begleitung mit einer Frau aus dem Dorf geboren. Unsere Ahnenkarten standen also gut 😉

Und doch war da auch eine Angst in ihm. Ich möchte einfach kein totes Baby, sagte er einmal. Damit spiegelte er mir meine eigene Angst: Was, wenn ich schuld sein würde, dass unser Baby stirbt? Obwohl ich wusste, dass es das Konzept von Schuld gar nicht gab und ich auch nichts „falsch“ machen konnte, strömten diese Gedanken durch meinen Kopf.

Die kommenden Monate waren ruhig und gleichzeitig kraftvoll. Ich entschied mich, im achten Monat an einem sechstägigen Schweigeretreat teilzunehmen. Dort sammelte ich Kraft. Ich fühlte mich bereit. Ab Ende November hatte ich immer wieder stundenlange, teils sehr regelmäßige Wehenphasen und doch wurde die Geburt (noch) nicht eingeläutet. Es war anstrengend und forderte mich körperlich sowie mental heraus – eine Geduldsprobe! Ich versuchte, mich hinzugeben und die Situation anzunehmen, wie sie war. Am 14.12. wachte ich um vier Uhr auf und etwas in mir sagte: Heute ist es so weit! Schon seit einigen Tagen verschwammen alle Daten nach dem 14.12. vor meinem inneren Auge. Ich begann, mit Aquarellfarben ein Bild zu malen und legte mich danach wieder ins Bett. Mein Partner ging normal zur Arbeit. Es fühlte sich richtig an. Um 10 Uhr rann Fruchtwasser aus mir heraus. Ich wurde nervös, machte aber mit meinem Alltag weiter. Eine Stunde später kam nochmals Fruchtwasser, aber dieses Mal war es gelb-grün. Dazu kam, dass ich keine Kindsbewegungen mehr spürten konnte. Ich bekam richtig Angst und fragte mich erneut: Was, wenn dieses Baby stirbt? Die Wehen kamen und ich schrieb meinem Partner, dass es bald losgehen würde. Aufgrund des Schnees hatte er eine Stunde Heimweg. In der Zwischenzeit suchte ich einen Umgang mit meiner Angst. Normalerweise lebe ich ohne Handy und ohne Telefon. In dieser Zeit vor der Geburt hatte mein Partner mir ein Notfallhandy eingerichtet. Damit erreichte ich eine Freundin und erzählte ihr, was ich gerade fühlte. Sie sagte: In mir bleibt alles still. Ich fühlte in mich hinein und merkte: Auch in mir war es still. All das Unruhige waren nur Gedanken in meinem Kopf. Ein weiteres Telefonat mit einer Freundin bestärkte mich zusätzlich und ich wusste: Diese beiden Frauen waren bei mir. In den Pausen zwischen den Wehen richtete ich das Zimmer so ein, wie es mir in meinen Visionen erschienen war und zündete die Kerzen auf meinem Geburtsaltar an.

Als mein Freund zur Tür hereinkam, war ich gerade dabei, eine Wehe zu veratmen. Er lächelte und fragte: Wo ist Sola? Das war unser Spitzname für die kleine Seele im Bauch, den wir aus unseren eigenen Namen gebastelt hatten. Er setzte sich neben mich und in diesem Moment kickte das Baby (endlich) wieder. Ich war so glücklich und weinte vor Freude. Mein Freund legte eine scharfe Schere ins kochende Wasser, brachte mir etwas zu trinken und kam dann neben mich. Ich bat ihn, den Abstand der Wehen zu messen, weil ich kein Zeitgefühl mehr hatte. Es waren 2.5 Minuten. Das gab mir Power, denn ich wusste: Wir sind mittendrin!

Ab diesem Moment blieb mein Partner an meiner Seite. Es fühlte sich an, als wäre er vollkommen in der göttlichen Kraft. Er erinnerte mich an Shiva: meditierend, einfach da und präsent. Während der Wehen strich er mir leicht über die Haut, sodass ich Gänsehaut bekam. Das half mir, mit den Wehen zu sein. Es war alles ruhig und friedlich. Kamen die Wehen, tönte und summte ich leise mit. Als ich die Übergangsphase erreichte, dachte ich während fünf bis zehn Wehen immer wieder: Ich will nicht mehr! Mein Partner spürte das und schlug mir eine neue Position vor. Sie war perfekt und ich konnte weiteratmen. Als die Pressphase begann, war dieses Gefühl von nicht-mehr-wollen wie weggeblasen. Ich spürte, wie der Kopf absank und sagte zu meinem Freund: Bald ist es so weit! Ich atmete weiter und mein Körper presste wie von selbst, wenn es Zeit dafür war. Plötzlich kam unsere kleine Tochter in einem Fluss aus mir heraus. Genauso, wie sie es mir im Voraus gezeigt hatte. Ich nahm sie zu mir und umarmte sie, sprach mit ihr und hiess sie willkommen. Mein Partner war zu Beginn etwas überfordert und sprachlos, tastet sich dann aber langsam zu uns vor und verliebte sich sofort in die Kleine. Er schaute mich an und lachte: Dafür haben wir jetzt wirklich kein Krankenhaus gebraucht.

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