Gastbeitrag von Hebamme Ann-Kathrin Gnutzmann
Es war wieder ein langer Tag im Büro. Der Bauch wächst und wächst und das lange sitzen fällt mir zunehmend schwerer. Ich könnte zwar häufigere Pausen machen, doch es gibt einfach noch so viel zu tun bis zu meinem Mutterschutz in 5 Wochen.
Eigentlich wollte ich heute endlich einen Spaziergang machen, das nehme ich mir schon seit Tagen vor. Doch vollkommen erschöpft mache ich mir zu Hause nur noch schnell etwas zu essen und setze mich dann auf´s Sofa und schalte den Fernseher ein. Gerade hingesetzt meldet sich schon wieder die Blase. Also wieder aufstehen, das Essen muss warten.
Da durchfährt mich plötzlich ein stechender Schmerz. Mir schießen die Tränen in die Augen. Ein Schmerz, der vom Rücken über den Po bis ins Bein hineinzieht. Ein unfassbarer Schmerz – ich fühle mich einen Moment lang bewegungsunfähig.
„Atmen, tief einatmen“, sage ich mir selbst und sinke auf`s Sofa zurück.
Da höre ich den Schlüssel in der Haustür und mein Mann kommt herein.
Er kümmert sich gleich liebevoll um mich und macht mir eine Wärmflasche für meinen Rücken.
Ich fühle mich so hilflos. Ich rufe meine Hebamme an. Sie hat gerade Feierabend und fährt nochmal einen kleinen Umweg für mich, um mich zu tapen.
Zwei Stunden später:
Ich bin erstaunt, wie gut das Tapen hilft. Für eine Woche soll ich es auf der Haut belassen und ich spüre schon jetzt eine deutliche Verbesserung meiner Schmerzen.
Nun soll ich mich erstmal etwas schonen und in ein paar Tagen zeigt sie mir dann noch vorbeugende Übungen.
So wie der Schwangeren in der Geschichte ergeht es vielen Frauen, wenn zwei Herzen in ihrem Körper schlagen.
Hauptursache von Rückenschmerzen ist unser bewegungsarmer Lebensstil.
Wir sitzen fast den ganzen Tag, sei es beim Essen, beim Autofahren, beim Arbeiten, beim Lesen oder abends vor dem Fernseher.
Das bedeutet, unsere Hüfte ist fast ausschließlich in einer Beugung und der Körper erfährt keine abwechslungsreichen Bewegungsmuster, auf die er ursprünglich ausgelegt war, um zum Beispiel auf die Jagd zu gehen oder vor wilden Tieren zu fliehen.
Doch gerade in der Schwangerschaft, in der der Körper noch zusätzlich den veränderten Körperschwerpunkt kompensieren muss, ist ein gesunder Körper mit kräftigen Muskeln von elementarer Bedeutung für unser Wohlbefinden.
Unser Körper funktioniert äußerst komplex und die Schmerzursache befindet sich somit nicht zwangsläufig in unmittelbarer Näher der Schmerzzone.
So ist eine häufige Ursache bei Rückenschmerzen ein zu schwacher oder verkürzter Hüftbeugermuskel, der M. Iliopsoas (=Lenden-Darmbeinmuskel).
Dieser ist einerseits an unseren Oberschenkelknochen, andererseits an unserer Lendenwirbelsäule befestigt und zieht sich im inneren unseres Beckens entlang. Er ist der kräftigste Beuger des Hüftgelenks und kann zusätzlich unser Bein nach außen rotieren.
Durch seinen Ursprung an der Lendenwirbelsäule lässt sich nun schon der Zusammenhang mit möglichen Rückenschmerzen vermuten, denn der untere Rücken stellt die erste kompensatorische Einheit bei einer Dysfunktion des Lenden-Darmbeinmuskels dar.
Um Schmerzen entgegenzuwirken oder am besten direkt vorzubeugen, kann man auch in der Schwangerschaft einiges tun.
Als erstes und einfachstes empfiehlt es sich natürlich, weniger zu sitzen.
Wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann kann auch schon ein Wechsel der Sitzpositionen (also bestenfalls auf dem Boden), eine Verbesserung herbeiführen.
Hier sollte unbedingt auch die tiefe Hocke in der Schwangerschaft Beachtung finden.
Die tiefe Hocke ist ein menschliches Grundbewegungsmuster, die wir vor allem bei Kleinkindern noch sehr gut beobachten können, die aber auch in anderen Kulturen und bei Urvölkern die Hauptposition zum Sitzen darstellt. Hier wird in dieser Position gekocht, gegessen usw.
Die tiefe Hocke mobilisiert die Hüft- und die Sprunggelenke und aktiviert die gesamte hintere Muskelkette, stellt also korrekt ausgeführt sogar ein Ganzkörpertraining dar, denn die wenigsten Westeuropäer können wohl noch bequem die Position der tiefen Hocke einnehmen ohne dass die Fersen von dem Boden abheben.
Daher empfiehlt sich ein regelmäßiges Training dieser Position schon so früh wie möglich in der Schwangerschaft.
Denn fühlt sich die tiefe Hocke erst einmal nicht mehr fremd und schwer, sondern leicht und natürlich an, stellt sie auch eine wunderbare Gebärposition dar, die das Becken unter der Geburt wunderbar öffnet. Auf diese Beckenöffnung zielt auch der Gebärhocker ab, dient hier aber zur deutlichen Unterstützung der Gebärenden, wenn die tiefe Hocke noch schwer fällt.
Als weiteres Training des Lenden-Darmbeinmuskels kann auch ein täglicher ca. 5 km langer Spaziergang dienen. Die Bewegung ist ein guter Ausgleich zum Sitzen.
Ein spezifisches Dehnen der Hüfte mittels eines großen Ausfallschrittes nach vorne in Verbindung mit einer Beckenkippe (Schambein zum Bauchnabel und Bauchnabel sanft Richtung Wirbelsäule ziehen), ggf. unterstützt durch zum Himmel gerichtete Arme, kann ebenfalls eine muskuläre Gesundheit und damit einhergehendes körperliches Wohlbefinden auch bezogen auf Wassereinlagerungen in den Beinen fördern.
Also, ganz viel Spaß in der Bewegung.
Let’s get back to the roots.
Eure Hebamme Ann-Kathrin Gnutzmann
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