„Der überwachte Bauch“ und „Schwangerschaft schafft Heldinnenkraft“

Ich wollte euch heute mal zwei Bücher zum Thema Schwangerschaft vorstellen, die vielleicht für die eine andere von euch interessant sind.  Beide Bücher stammen aus der Feder von Doris Moser, die mit mir zusammen auch den privaten Mutterpass geschaffen hat.  Doris ist Medizinanthropologin und hat zwei Kinder.  Sie setzt sich in ihren Büchern für eine selbstbestimmte Schwangerschaft und einen informierten Umgang mit dem modernen Vorsorgesystem ein.

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„Der überwachte Bauch“ beschreibt und analysiert im Detail die Inhalte und den Ablauf der modernen Schwangerenvorsorge. Die Autorin ist Österreicherin, ihre Ausführungen beziehen sich schwerpunktmäßig auf die Situation in Österreich. Genauso fließen aber  auch deutsche und schweizerische Besonderheiten ein, da wo es sie gibt. Im Grunde unterscheiden sich die Vorsorgeprogramme der deutschsprachigen Länder ja kaum. Sie schildert ihre eigenen Erfahrungen, außerdem kommen Hebammen und andere Mütter mit ihren Erfahrungen und Meinungen zum Thema Schwangerenvorsorge zu Wort.

Mir gefällt gut, dass sie hier Aufklärungsarbeit leistet, mit der werdende Mütter sich kritisch mit den hiesigen Vorsorgemaßnahmen auseinandersetzen können. Zum Thema Ernährungsempfehlungen und Ernährung in der Schwangerschaft werden ich mit ihr als Veganerin sicher nie unter einen Hut kommen ;-), aber das ist eh nur ein Randthema in der heutigen medizinischen Vorsorge und folglich auch im Buch.

Also definitiv informativ und lesenswert für Erstschwangere oder Schwangere, die sich vorher noch nie Gedanken zu dem Thema gemacht haben.

Ein zweites Buch, das ich vorstellen möchte ist „Schwangerschaft schafft Heldinnenkraft“, ebenfalls von Doris.

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In diesem Buch geht es um die Selbstvorsorge während der Schwangerschaft und was man tun kann für eine harmonische Schwangerschaft.  Das Buch gibt beispielsweise Anleitungen für verschiedene Yoga-Positionen, die hilfreich sein sollen, und weitere die Schwangerschaft unterstützende und als Vorbereitung auf die Geburt nützliche Bewegungsmöglichkeiten. Es gibt Ernährungstipps, Tipps zur Bestimmung von Fundusstand, Kinds- und Plazentalage und Tipps für das eigene körperliche und emotionale Wohlbefinden. Außerdem findet man Platz und Anregungen für die Geburtsplanung.

Mir gefällt, dass das Buch sowohl die körperliche, emotionale als auch die intellektuelle Selbstvorsorge und Geburtsvorbereitung gleichermaßen in den Fokus nimmt. Dieses Buch eignet sich gerade für Erstschwangere (wo man noch viel ungestörte Zeit für die vorgestellten Übungen hat ;-)). Wer mit Yoga und anderen fernöstlichen Elementen nicht so viel anfangen kann oder mag – so wie ich zum Beispiel – für den ist es wahrscheinlich nur teilweise geeignet. Da hätte ich mir noch ausführlicher „neutralere“ Alternativen gewünscht. Aber für alle schwangeren Yoga- und Meditations-Begeisterten ist dieses Buch wohl goldrichtig. 🙂

 

Alleingeburt in der Regentonne

Hallo liebe Leser! Heute ein ganz frischer Geburtsbericht einer Mama, die ihr zweites Kind bekommen hat. Ich kenne sie persönlich und hatte das Vorrecht, sie nach der Geburt zu besuchen und auch ihre besondere Plazenta mit eigenen Augen zu sehen. Aber lest selbst. 🙂

Am 04.06.16 war ich den ganzen Tag furchtbar faul und wollte viel Zeit mit meinem Erstgeborenen verbringen. Ein paar Tage vorher hatte ich abends regelmäßige Wehen gehabt und seither wartete ich auf die Geburt, obwohl der errechnete Termin erst der 12. Juni war. Wir fuhren morgens mit meiner Mutter einkaufen, wobei ich nur im Auto kugelrund vor mich hin döste, danach rollte ich mich auf meine Stammliege im großelterlichen Garten und von dort auf die Spielplatzbank , wo ich glücklich (und im Liegen) meinem Sohn beim Sandeln zuschaute. Es begann zu regnen und ich chillte mich nach Hause auf unsere Couch. Ich war ja schon länger ziemlich träge, aber dieser Tag übertraf jeden anderen maßlos. Nachmittags/Abends hatte ich immer mal ein paar nicht schmerzhafte Wehchen und mir fiel auf, dass sie nicht nur zuhause kamen, sondern auch draußen, was bis dahin ungewöhnlich für meine Senkwehen war. Aber mein Schleimpfropf war noch drin und ich hatte auch sonst bis auf meine Faulheit keine Anzeichen für eine baldige Geburt. Kein Durchfall, keine Übelkeit. Also war es ok für mich, dass mein Mann an diesem Abend auf den Geburtstag eines Freundes ging, der allerdings etwa eine Autostunde weit weg stattfand. Im Nachhinein stellte sich das leider als Fehler heraus, denn er war die ganze Geburt über eher unkonzentriert und es blieb vieles an mir hängen während der Geburt zu managen.

Ab 23 Uhr spürte ich deutlich, dass sich was tat. Klara war sehr aktiv und drückte sehr runter, Muttermund stach und Bänder an den Leisten dehnten sich stark … Aber nicht wirklich Wehen. „Vielleicht wird’s nächste Nacht was …“, berichtete ich meinem Mann und legte mich neben mein schlafendes Kind. Es entwickelte sich zu einem Menstruationskribbeln, verbunden mit nicht schmerzhaften Wehen. Schlafen konnte ich aber auch nicht und ich hielt meinen Mann auf dem Laufenden, der sich etwas gestört fühlte. Er wollte den Geburtstag für einen Fehlalarm nicht verlassen und ich wollte nicht, dass er dann sauer auf mich ist. Um kurz nach 24 Uhr beschloss ich, das in Kauf zu nehmen und bestellte ihn Heim. Ich fand es auffällig, dass vor jeder Wehe Kindsbewegungen voraus gingen, als würde Klara sie auslösen. Er wollte in einer Viertelstunde los fahren. Nach 10 Minuten wurden die Wehen schmerzhaft und regelmäßig alle 4 Minuten und dauerten 30s an. Ich forderte ihn auf, sofort loszufahren! In der nächsten Stunde bereitete ich das Wohnzimmer in den Wehenpausen vor. Ich brachte noch eine Kakawindel raus, machte Sprudel, Rolläden runter, zündete die Kerzen und Duftlampe an, räumte Spielsachen weg, legte meinen Alleingeburtsordner raus, machte meine Geburtsmusik an, bereitete das Badesalz und den Schlauch vor. Die Wehen musste ich schon hörbar verschnaufen und mich dabei im Vierfüßler über die Couch oder den Gymnastikball hängen. Gegen 1 Uhr war er dann endlich da und ich sagte ihm, er solle bitte sofort die Adapter anschließen und die Tonne füllen. Leider klappte das nicht reibungslos, da das Warmwasser nicht ganz reichte und wir immer wieder warten mussten, bis wieder warmes Wasser kam. Am Ende erreichten mir nur 36, statt 37 Grad und ich konnte ziemlich überfällig endlich ins Wasser. Ich bin definitiv nicht der Typ zum Trockengebären und die Tonne verschaffte mir Erleichterung, gleichzeitig wurden die Wehen natürlich heftiger (wegen des Wassers? oder einfach natürlich weil die Geburt voranschritt). Ich schickte meinen Mann immer wieder zu unserem Sohn, um nach dem Rechten zu schauen. Weil ich immer lauter wurde, befürchtete ich, dass er bald aufwachen würde und ließ meine Mutter rufen. Die Wehen kamen nun alle 3 Minuten und dauerten 1 Minute an. Ich war in der Eröffnung und hatte das Gefühl, es zerreißt mich innerlich. Entgegen meiner Erwartung, schaffte ich es gut in mich hinein zu spüren. Ich fühlte die Dehnung des Muttermunds und deutliche Kindsbewegungen. Es war etwa 2 Uhr als ich die Dehnung nur noch schwer ertragen konnte und meinem Mann sagte, er solle mir sagen, dass ich „unendlich weit“ bin. Doch er sagte das nicht, sondern schrieb es ins Protokoll. Die Wehen kamen jetzt jede Minute und dauerten auch eine Minute an. Dann geschah eine Veränderung: Klara stellte ihren Kopf unten irgendwie um, das konnte ich sehr deutlich spüren und die Übergangsphase begann. Ich musste mal groß und überlegte noch, ob ich in die Tonne machen sollte, weil ich Angst davor hatte, die Übergangswehen im Trockenen zu erleben und ging dann doch platschnass aufs Klo, um besser los lassen zu können. Jetzt bemerkte ich auch den Schleimpfropf am Papier und rannte so schnell ich konnte wieder zurück in die Tonne. Um 2:13 Uhr kamen meine Mutter und meine Schwester. Ich schickte sie sofort aus dem Wohnzimmer raus und startete in die nächste Wehe. Sehr laut und sehr lang musste ich tönen, aber es war kein hysterisches Schreien, wie bei Lars, sondern konzentriertes Energie ableiten. Meine Schwester verkraulte ich damit sofort wieder und sie verpasste leider die kurz bevor stehende Geburt. Ich tönte meistens „Aaaaa“ und „Aaaauuuuu“ und wenn ich „Nein“ dachte, tönte ich „Jaaaa „. Diese Phase war sehr schlimm und ich jammerte viel, dass ich nicht mehr mag. Ich überlegte die 5 Minuten ins Städtische in den OP zu gehen und scheiterte daran, dass ich es im Trockenen nicht aushielt. „Es muss doch einfacher gehen“ Kinder zu kriegen, dachte ich mir und warum ich so blöd war, dass ich nochmal eins wollte. Immer wieder belästigten mich die Anwesenden mit ihrer Anwesenheit. Mein Mann „wollte mal gerne nachsehen, wie weit“ ich war. Die Situation war so absurd in meinem Elend, dass ich ihn fast ausgelacht hätte, wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte. Um 2:30 Uhr fühlte ich dann selber mal und spürte die Fruchtblase prall aus dem Muttermund hängen. Kurz danach um 2:46 Uhr platzte sie. Ich presste den Kopf sehr laut nach unten und wollte einfach nur diese unangenehme Situation hinter mich bringen. Er war schon etwas aus der Scheide, da rutschte er plötzlich wieder recht tief rein. Ich war kurz irritiert und machte dann einfach weiter (was auch sonst?!). Die Kopfgeburt fühlte sich an, als würde mir gleich „der A*** platzen“ und das brüllte ich auch immer wieder. Ich sagte meinem Mann, dass er nun leuchten kann und er freute sich ganz aufgeregt, dass der Kopf schon da war. Er rannte raus, um Kind und Oma zu holen und ich rief ihm hinterher, dass er Fotos machen soll. Wir warteten alle gemeinsam auf die letzte Wehe und ein paar Minuten tat sich nichts, auch drehen wollte sie sich nicht. Um 2:58 Uhr schoss sie dann aus mir heraus. Ich schnappte mir ein Ärmchen und zog das Kind an die Wasseroberfläche. Sie fing sofort an zu schreien und beeindruckte uns mit ihrer Laut- und Willensstärke. Außerdem war sie wie Lars damals rosig und sauber. Nur zierlicher war sie ganz offensichtlich. Die Nabelschnur war so kurz, dass ich Klara gerade so an der Luft halten konnte und ich hatte Mühe sie richtig zu halten. Da kam ein Handtuchangriff von meinem Mann und ich sagte ihm, dass ich keins brauchte und warf es zurück. Er versuchte wieder es uns aufzudrücken und ich musste mich weg drehen, damit er kapierte, dass ich „den Scheiß nicht will!“. Ich konnte auch erst nicht nachsehen, ob sie jetzt wirklich ein Mädchen ist (wie bei Lars verzichtete ich auch diese Schwangerschaft vollständig auf Ultraschall), weil die Nabelschnur so spannte. „Was ist es denn jetzt, Steffi?“ Meine Mutter war ganz ungeduldig und mein Sohn und ich stellten fest, dass meine Klara also tatsächlich ein „Muschele“ hat. Wie damals Lars, sah sie gar nicht aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Sie hatte schwarze Haare (mein Mann ist rot, ich blond) und auch im Gesicht sah sie uns gar nicht ähnlich. Sie sah nur etwas wie Lars als Neugeborener aus. Schon nach wenigen Minuten bekam ich wieder eine Wehe und drückte sehr laut heulend die Plazenta raus. Sie blieb erst noch in der Scheide hängen und nachdem ich sie rausgepopelt hatte, hatte ich Sorge, dass sie nicht vollständig sein könnte. Auch, weil sie so komisch aussah.

Nun fand ich auch heraus, woher meine Sorgen um Klara kamen, die in der Schwangerschaft immer wieder auftraten. Eine ganz leise, rational nicht erklärbare Angst, sie könnte nicht gesund sein. Ich zweifelte viel, ob mir nicht ein Ultraschall Klarheit verschaffen könnte. Aber wahnsinnig viel erkennen kann der auch nicht und was, wenn er meine Sorgen bestätigen würde? Sie würden nur wachsen, denn ändern kann der Ultraschall nichts. Vielleicht kam die Angst ja auch nur, weil es eben eine große Aufgabe ist, selbstverantwortlich zu sein. Dann hätte ich ihn umsonst über mich ergehen lassen. Und wären die Sorgen dann weg? Vermutlich nicht, denn es gibt um einiges mehr Erkrankungen, die ein Ultraschall gar nicht erkennen kann, als die wenigen, die er sieht (oder auch oft genug fälschlicherweise zu sehen glaubt). Ich entschied mich dazu, die Ängste auszuhalten. Sollte im Zweifel etwas sein, würden die 5 Minuten Fußweg zur Kinderklinik reichen. Die allermeisten Fehlbildungen werden ohnehin erst Tage nach der Geburt bei der U2 vom Kinderarzt erkannt und bei sehr schweren Fällen, wenn ein Kind nicht lebensfähig ist, kann da auch kein Arzt was dran ändern. Der Grund für meine Sorgen musste Klaras Plazenta gewesen sein, die einen seltenen Nabelschnuransatz hatte, den man als „Insertio velamentosa“ bezeichnet und der etwa bei jeder 100. Plazenta vorkommt. Klara selbst ist völlig gesund, das hat die Kinderärztin mir bei der U2 auch bestätigt.

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Leider riss ich auch diese Geburt wieder schlimm am Damm (DR 2.Grades), obwohl ich Klara in der tiefen Hocke und im Wasser geboren habe und sie mit einem 35 cm Kopfumfang kleiner ist als Lars es war (37 cm). Ich vermute, dass die Hebamme bei Lars die beiden Rissseiten nicht so zusammen genäht hat, wie sie hingehören, und die Stelle deshalb nicht so stabil zusammen wachsen konnte, sodass die Naht bei diese Geburt wieder auf ging. Nun habe ich nicht nähen lassen in der Hoffnung, dass ich jetzt da unten wieder so verheile, wie ich hingehöre und evtl. etwas größer, damit das nächste Kind durchpasst. Außerdem war es das letzte Mal sehr schmerzhaft, unten zugenäht zu werden und zu sein und diese Plage habe ich mir diesmal erspart. Bis jetzt macht mir der Riss keine Probleme und laut Hebamme verheilt er gut. Also hoffentlich war das der letzte Riss meines Lebens.

Auch wenn diese Geburt wieder eine gewaltige Aufgabe war, wenn auch nicht so schlimm wie beim Ersten, würde ich es wieder so machen. Allerdings nicht in den nächsten zwei Jahren, so viel Pause muss sein. Evtl. würde ich auch ganz alleine gebären (also auch ohne Familie), denn es ist auch nicht leicht, es mir unter der Geburt recht zu machen, wenn mein Nervenkostüm vor Schmerzen sehr dünn ist und die Anwesenden vor lauter Aufregung (verständlicher Weise) unkonzentriert werden.

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Ich möchte mich auch hier nochmal bei dir bedanken, liebe Sarah, für die vertrauensvolle Beratung in allen Themen der Mutterschaft und des Lebens generell. So viele Mütter und damit natürlich Kinder profitieren von deinen Erfahrungen und Erkenntnissen und du bist mir ein großes Vorbild. Was hab ich für ein Glück, dass es dich gibt!

 

 

Liebe voll verbunden statt lieblos entbunden – Alleingeburt beim zweiten Kind

Hallo, liebe Leser! Ich darf heute einen – wie ich finde – ganz bezaubernden Bericht mit euch teilen. Die erste Geburt dieser Frau fand im Krankenhaus statt. Die zweite dann daheim in Eigenregie. Hier berichtet sie über diese Geburt Geburt, aber auch über ihren Weg hin zu mehr Selbstbestimmung. Eine Lieblingsstelle von mir: 

„Wenn es um einen herum ganz still wird, kann man unglaubliche Dinge wahrnehmen.“

Aber lest selbst. 🙂

Nach der Geburt meines ersten Sohnes war mir klar, so entmündigt möchte ich mich in meinem Leben nimmer mehr fühlen. Eine angstbesetzte Schwangerschaft, mit eingeleiteter Geburt als Finale. Durch Unwissenheit ließ ich all die Interventionen zu und fühlte mich dabei oft gar nicht mehr wie eine erwachsene Frau. Trotzdem war der Moment, in dem ich meinen Sohn das erste Mal im Arm halten und stillen durfte, der schönste meines Lebens. Nun hatte ich für das Leben meines Sohnes ab Geburt recht konkrete Vorstellungen: Stillen nach Bedarf, keinerlei Impfungen, Familienbett, Tragen, windelfrei … Ich hatte nur leider die Schwangerschaft und Geburt schlicht nicht berücksichtigt. Aber man entwickelt sich ja weiter. Von nun an machte ich die bewusste Erfahrung, dass wildfremde Menschen über mich und das Leben meines Sohnes bestimmen wollten. Da fiel irgendwie über die Zeit der sprichwörtliche Groschen.

Die Schwangerschaft mit meinem zweiten Sohn begann leider mit einer recht starken Blutung, was mich doch wieder in die Hände meiner Frauenärztin trieb. Dort wurde mir auch sogleich die Hoffnung auf eine intakte Schwangerschaft genommen. Meine Anmerkung, ich hätte einen sehr langen Zyklus und das kleine Wesen in meinem Bauch sei zwei Wochen jünger als es die gängigen Errechnungsmethoden sagen, wurde belächelt. Nun gut, zwei Termine später war da „plötzlich“ ein Kindlein und der voraussichtliche Geburtstermin wurde um meine bereits bemerkten zwei Wochen nach hinten korrigiert ;-).

Ich fühlte mich von Mal zu Mal unwohler und erlaubte keine vaginalen Untersuchungen mehr, was ich stichhaltig begründen sollte. Ich spürte die Verärgerung meiner doch sonst so zurückhaltenden Ärztin. Dann sagte sie mir, dass sie schließlich die Verantwortung trüge und das war der letzte Schups in die richtige Richtung. Von nun an gab ich mir und meiner innewohnenden Intuition eine Chance. Arztstimmen können ja so laut sein! Wenn es um einen herum ganz still wird, kann man unglaubliche Dinge wahrnehmen.

Von dieser Warte aus betrachtet, schmerzte mich mein erstes Schwangerschafts- und Geburtserlebnis noch bewusster. Eine Zeit der Aufarbeitung und Selbstfindung begann, was für eine Chance. Ich bin heute tatsächlich eine andere. Die, von der ich schon sooft träumte, wird realer und ich habe solch eine Freude, ihrer Entwicklung zuzusehen. Werde, wer du bist, sagte ein wissender Philosoph.

Meine Vorbereitung auf die Geburt, über Bücher und Geburtsberichte all dieser mutigen selbstbestimmten Frauen, mündete aufgeregt freudig und etwas ungewiss am 09.05.16, in mittäglichen regelmäßigen Zehnminutenwellen. Etwa zwei Stunden lang und dann plötzlich alle fünf Minuten regelmäßig ebenfalls zwei Stunden lang, jedoch nicht sehr kräftig. Dann… Ruhe. Die sprichwörtliche vor dem Sturm, obwohl es Sturm nicht wirklich trifft, ehr Brise.

So war es Abend geworden und ganz still um uns, meinen Sohn, meine Frau und mich. Gegen 21.00 Uhr dann eine sehr kräftige Welle, gerade zu Beginn vom aufgezeichneten Börne und Thiel Tatort. Den haben wir bis heute nicht zu Ende gesehen 😉 … Ab dort zehnminütig gut zu veratmen bis 23.00 Uhr, dann hielt ich es liegend im Bett nicht mehr aus und weckte meine Liebste aus ihrem wohlverdienten Schlaf.

Wir betteten unseren schlummernden Sohn auf dem Sofa und verkrümelten uns still und leise im Bad. Dort blieb ich, bis zum Impuls in die Wanne zu steigen, recht komfortabel mit jeweils einem Buch als Erhöhung unter den Füßen (alte und neue Rechtschreibung, hihi…), auf der Toilette sitzen und ganz in meinem Geburtsmikrokosmos versunken. Alle drei Minuten ganz mitreißende Wellen auf mein Baby zu. Ich war wie im Rausch. Es war urgewaltig wundervoll. Dann ein zartes Plop, Fruchtblase geplatzt, im gleichen Zuge der Schleimpfropf gelöst und nun wusste ich, es ist ganz bald soweit.

Meine Liebste war meine stille Begleiterin, meine Gefährtin, einfach nur da. Ich stieg in die warme Badewanne und die Wellen wandelten sich unmittelbar in den unbezwingbaren Drang zum Pressen. Es war ein so mächtiges Gefühl, ich lachte glücklich und flüsterte: Langsam… Ich tastete nach seinem Köpfchen, aber dort war nur absolute Weichheit zu spüren. Meine Berührung löste sogleich die nächste Welle aus und als ich wieder tastete, spürte ich die Wölbung des Kopfes. Mit einem euphorischen Lachen wurde der Kopf geboren und bewegte sich zwischen meinen Schenkeln hin und her. Ein irres Gefühl. Ein kleiner selbstbestimmter NEIN-Sager. Und so unendlich weiches Haar. Liebste, dass musst du fühlen und schon ihre Hand gepackt und an seinen Kopf geführt. Pure Glückseligkeit. Die nächste Welle brachte mit einer Drehung seinen kleinen Körper zu uns.

Die Zeit war dahin geflogen, um 1.57 Uhr am 10.5.16 entließ mein Tor zur Welt meinen zweiten Sohn ins warme Nass. Unter der Wasseroberfläche konnten wir ihn das erste Mal betrachten. Er hatte seinen Mund zu einem Begrüßungsschrei geöffnet und es fiel mir schwer, ihn nicht in einem Anflug von Panik unsanft aus dem Wasser zu reißen. Kaum mit dem Kopf aus dem Wasser gehoben, brüllte er auch schon ein kräftiges Hallo und kuschelte sich im warmen Wasser auf meiner Brust zusammen. Alles gut, rosig und wundervoll. 3400g, 57 stolze cm und einen Kopfumfang von 36 cm.

Für die Geburt der Plazenta zogen wir auf’s Sofa nach nebenan. Etwa zwei Stunden nach der Geburt, gegen vier Uhr, mit einer recht starken Welle war es soweit. Unser verschlafener Erstgeborener kam im perfekten Moment dazu und bestaunte seinen kleinen Bruder und auch die Plazenta interessierte ihn sehr. Wir hatten im Vorfeld viel darüber gesprochen und er hatte so überhaupt keine Berührungsängste.

Ein traumhaftes Wochenbett mit Lotusgeburt und Selbstabnabelung vier Tage nach der Geburt folgten. Ein kräftiger Tritt und der Übergang in unsere Welt war vollendet. Eine Geburt, welche so wundervoll perfekt, in unserem heutigen Gesundheitssystem niemals möglich gewesen wäre.

Danke, Sarah und all den tollen Frauen da draußen, welche um diese vollkommene Weiblichkeit wissen.

 

 

Eine Geburtsreise in Eigenregie – 12 Tage nach Termin

Hallo liebe Leser, ich darf wieder eine ganz normale, wunderschöne Geburtsgeschichte mit euch teilen – die unter anderen Umständen wohl nicht so normal verlaufen wäre. Diese Mama erwartet ihr drittes Kind. Es ist ihre zweite Geburt in Eigenregie. 

Ich war bereits mal wieder 11 Tage über dem errechneten Entbindungstermin. Auch bei den anderen beiden Kindern hatte ich schon zwischen 2 und 3 Wochen übertragen. Also warum sollte es dieses Mal anders sein? 😉

Die ersten Wehen verspürte ich, als ich einen Tag zuvor ins Bett ging. Mir war aber noch nicht klar, dass es der Anfang unserer Geburt sein würde. Gegen 3 Uhr Nachts wurde ich wach und die Wellen hatten mich schon leicht im Griff. Also ging ich runter ins Wohnzimmer, zündete mir eine Kerze an und ließ die Wellen wie Wolken an mir vorbeiziehen. Es waren sehr schöne Momente bis zum Morgen, als hier dann der Alltag einkehrte. Die Kinder wurden wach und ich verkündete Ihnen, dass das Baby sich nun auf den Weg zu uns machen würde. Immer wieder musste ich während dem Frühstück inne halten, um mich auf die Wellen zu konzentrieren. Mein Körper war voller Farben, die das Ganze sehr angenehm machten. Als mein Partner mich anschaute, lächelte er und meinte, dass man mir die Geburt ansehen würde – ich war wie im Rausch. Der Vormittag ging rasend schnell vorbei und irgendwie konnte ich das alles gar nicht so richtig wahrnehmen. Die Vorfreude auf die Geburt war riesig. Ich war in einer Art Trancezustand und genoss jeden Moment …

Mir wurde klar, dass unser Baby erst dann kommen würde, wenn hier die Ruhe einkehrt …

Über den Nachmittag waren die Wehen zwar regelmäßig aber absolut nicht schmerzhaft. Es war eine wahnsinnige Kraft, die mich jedes Mal mitriss und in eine andere Welt entführte. Ein Gefühl, dass sich nicht in Worte fassen lässt, sondern welches man nur mit Gefühlen verstehen kann.

Mein Partner kümmerte sich die ganze Zeit um die Kinder und ganz schnell war es Abend geworden.

Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Ich konnte mich nicht zum Abendessen dazusetzen, denn ich wollte für mich sein, um die Wehen zu vertönen. Also zog ich mich zurück ins Bett und versuchte, nicht allzu laut zu sein. 😉 Die Kinder kamen kurz darauf nach oben, um schlafen zu gehen. Also ging ich wieder runter ins Wohnzimmer und nun hatten wir Zeit, uns als Paar voll und ganz auf die Geburt einzulassen. Wir lagen gemeinsam auf dem Sofa und ich legte meinen Kopf in seine Arme. Es waren wunderbare Momente. Bald darauf musste ich mich während der Wehen in den Vierfüßler begeben, um den Druck aushalten zu können. Es war meine erste Geburt mit Wehenpausen – bisher hatte ich nur Wehenstürme. Ich war sehr dankbar für die Pausen, in denen ich mich ausruhen und Kraft tanken konnte.

Gegen 11 Uhr war es dann soweit und mein Partner füllte den Geburtspool mit Wasser. Meine Hoffnung war, dass es nun nicht mehr lange dauern würde. Ich stieg in den Pool und das warme Wasser nahm mir im ersten Moment sofort den Wehendruck und ich hatte mal wieder Zeit, um mich etwas auszuruhen. Während der Wehen hing ich am Tuch, welches wir über dem Pool befestigt hatten. Mal wieder kam ich an den Punkt, an dem ich nicht wusste, wie ich das Ganze noch bis zur eigentlichen Geburt aushalten sollte. Mir war aber auch bewusst, dass dieser Punkt dann erreicht wird, wenn die eigentliche Geburt kurz bevor steht. Trotzdem konnte ich diesen Gedanken nicht fassen und festhalten. Ich war verzweifelt und wollte aus dieser Geburt „aussteigen“. Mein Partner, dem ich für die Unterstützung unendlich dankbar bin, versuchte mich zu ermutigen und tat alles, was mir irgendwie Erleichterung verschaffte. Mittlerweile war der Druck im Unterrücken für mich kaum noch auszuhalten und ich hatte Respekt vor jeder weiteren Wehe. Immer wieder tastete ich nach dem Kopf und war überrascht, wie weit die Geburt doch schon vorrangeschritten war. Der Kopf von meinem Baby lag quasi in Startposition und ich versuchte ganz vorsichtig während einer Wehe nach unten zu atmen und zu schieben. Es fiel mir allerdings sehr schwer, da der Druck im Unterrücken extrem war und mich zurückhielt.

Nach mehreren Versuchen hatte ich es dann doch geschafft und mein Baby machte sich auf den Weg zu uns. Ich hatte Bedenken, dass mein Damm diesem wohl doch sehr großen Kopf standhalten würde. Doch mit nur wenigen Schüben nach unten konnte ich nun endlich mein Baby im Wasser empfangen (und es ist alles heil gebliebenJ ). Ich fing an zu weinen – es war ein unbeschreibliches Gefühl, welches mich auch heute noch bei dem Gedanken daran zu Tränen rührt. Endlich war das Warten vorbei und ich durfte mein drittes Kind kennen und lieben lernen. Ich nahm das Baby aus dem Wasser … es war ein Mädchen. Um kurz nach halb eins kam Lina mit ca. 4700g zur Welt. Mein Partner hatte in der Zwischenzeit die beiden anderen Kinder dazu geholt. Maurice und Mila standen vor dem Pool und betrachteten ihr neues Geschwisterchen. Leider war die Nabelschnur sehr kurz, sodass ich meine Tochter nur bedingt auf meine Brust legen konnte. Keine 2 Minuten später kam mit einer kräftigen und absolut schmerzarmen Welle die Plazenta.

Auch bei dieser Geburt wurde ich wieder von einer stärkeren Blutung überrascht. Wir haben sie aber nach einiger Zeit in den Griff bekommen und ich konnte endlich unsere Tochter bewundern.

Jede Geburt war für mich einzigartig und mit jeder weiteren lerne ich, mir mehr zu vertrauen. Der Körper der Frau ist ein Wunderwerk und sollte auch als solches gesehen und behandelt werden. Ich „gebäre“ nicht einfach nur ein Kind, sondern ich begebe mich jedes Mal auf eine Reise ins wunderschöne Unbekannte. Eine Geburtsreise ist nicht in Worte zu fassen und auch nicht mit Bildern zu beschreiben. Ich durfte mich erneut, dank unserer Alleingeburt, voll und ganz  fallen lassen. Es gab nichts was mich davon abhielt, ganz tief abzutauchen und mich einfach treiben zu lassen …

Verzeiht mir Rechtschreib- und Grammatikfehler. Ich habe diesen Bericht geschrieben, während ich meine Tochter in den Schlaf geschaukelt oder gestillt habe 🙂

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Blasensprung ohne Wehen – Geschichte eines Geburtsmarathons

Heute teile ich mit Euch eine Geschichte aus meiner Feder bzw. Tastatur. Unser sechstes Kind braucht zwar noch ein paar Monate, bis es auf die Welt kommt, aber meine Schwester hat gerade ihr Baby bekommen. Ihr erstes. Und das war ein ganz schöner Brocken. Doch ich erzähle mal der Reihe nach:

8.4.2016

Für heute hat meine Schwester ihren Geburtstermin ausgerechnet. In der Schwangerschaft hat sie sich von einer Hebamme betreuen lassen und dabei auf Ultraschall und Blutabnahmen verzichtet. Die Geburt will sie allein mit ihrem Mann machen. Ich soll sie dann im Wochenbett unterstützen. Das Baby ist noch nicht da, aber die Ferienwohnung ab heute gebucht. Ich fahre also mit allen Kindern im Gepäck in meine alte Heimatstadt. 6 Stunden Fahrt – irgendwie gehen sie rum. Die Ferienwohnung liegt zentral und in der Nähe meiner Schwester. Hier quartieren wir uns für die nächsten zwei Wochen ein. Meine Mutter stößt zu uns und wird uns in der nächsten Zeit unterstützen. Mein Mann will eine Woche später dazu kommen.

Letzte Nacht hat meine Schwester fiese Zahnschmerzen bekommen, so dass sie nur schwer schlafen konnte. Ein Zahn mit tiefer Füllung, der seither schon immer etwas sensibel war. Zum Glück kennt sie die Ernährungsprinzipien nach Weston Price. Damit war sie in der Schwangerschaft eher nachlässig. Jetzt gibt sie alles, um die Wurzelbehandlung abzuwenden. Und über die nächsten Tage klingen die Zahnschmerzen tatsächlich ab, pünktlich bis zum …

12.4.2016

Blasensprung um 1.00 Uhr nachts! Es geht los. Denken wir. Denn Wehen sind auch bis zum Abend nicht in Sicht. Erst nachts nehmen sie etwas Fahrt auf, alle 6-8 Minuten, flauen zum Morgen aber wieder ab.

13.4.2016

Die Wehen sind wieder verschwunden. Nachmittags nehme ich meine Schwester mit auf einen langen Spaziergang, in der Hoffnung, Bewegung in die Sache zu bringen. In der folgenden Nacht schon kräftigere Wehen, aber auch die sind morgens verschwunden.

14.4.2016

Tagsüber zum Teil schon etwas stärkere Wehen. Wir vertreiben uns die Zeit. Meine Schwester ist guten Mutes, meint, dass Baby hat ihr sicherlich Zeit gegeben, bis die Zahnschmerzen ganz verschwunden sind. Ich äußere den Verdacht, dass das Baby ungünstig liegen könnte und es deshalb so schleppend geht. Aber davon will meine Schwester noch nichts wissen.

In der Nacht dann heftige Wehen bis alle 1-2 Minuten. Sie erwarten die Geburt, rufen eine Freundin dazu, die meine Schwester gern dabei haben will. Aber trotz durchwachter und durchwehter Nacht kein Baby.

15.4.2016

Heute wird meine Schwester 30! Früh um 7 Uhr klingelt mein Handy. Müde und ernüchtert erzählt sie mir von der letzten Nacht und fragt mich, was wir noch tun können. Ich ziehe die Kinder an, überlasse sie meiner Mutter und fahre hin. Um 9 Uhr bin ich da. Taste zuallererst einmal, wie das Baby liegt. Der Kopf unten und im Becken, der Rücken links. Auf den ersten Blick eine gute Lage. Aber im Nabelbereich taste ich eine Delle. Ich erinnere mich, was ich im Buch „Optimierung der Kindslage“ (Sutton) gelesen habe. Das Baby liegt gut, wenn der Bauch der Frau am bzw. kurz unter dem Nabel rund und fest ist. Tastet man dort eine Delle, deutet das auf eine potentiell ungünstige Lage hin. Dann ist der Rücken des Babys nicht weit genug vorn für eine schnelle Geburt.  Diese Seite erklärt das ganze mit schönen Bildchen: http://wellroundedmama.blogspot.de/2009/04/belly-shape-and-fetal-position.html Auf deutsch würde man die Lage, die das Baby meiner Schwester eingenommen hatte, wohl als seitliche Hinterhauptslage bezeichnen. Der Kopf des Babys liegt quer, der Rücken zeigt nach links. Dass der Kopf sich quer ins Becken einstellen muss, ist klar, das haut hin. Aber wenn dabei der Rücken seitlich oder auch nach hinten liegt, kann das Baby – bedingt durch die anatomischen Verhältnisse im Becken – den Kopf nicht gut auf die Brust nehmen und schiebt ihn in einem größeren Durchmesser nach unten. Und das macht die Sache unter Umständen sehr schwierig. Nachforschungen zufolge scheint diese Lagevariante im Deutschen nicht gesondert wahrgenommen zu werden. In Englischen wird sie als Left Occiput transverse (LOT) bezeichnet. Eine geburtsfähige Lage, aus der sich viele Babys noch mit dem Rücken nach vorn in die günstige vordere Hinterhauptslage drehen. Aber wenn das Baby das nicht macht, ist eine solche Geburt im Schnitt ähnlich kompliziert wie eine Sternguckergeburt (Geburt aus hinterer Hinterhauptslage = Baby mit Rücken nach hinten). Vor allem, wenn bestimmte Faktoren gegeben sind, die auch meine Schwester aufweist: großes Baby, Erstgebärende und wahrscheinlich etwas schmales Becken. Manche betrachten diese Lagevariante deshalb auch als eine Form der hinteren Hinterhauptslage. Das ganze erklärt jedenfalls den Blasensprung ohne Wehen, den langsamen Start und die anstrengende, lange Geburt bisher. Solche Geburten laufen typischerweise so ab.

So weit so gut zur Theorie. Ich weiß: Hier müssen wir alles versuchen, um das Kind noch irgendwie zu drehen. Allerdings schwierig, da der Blasensprung schon stattgefunden hat (Fruchtwasser wirkt als Drehung-erleichterndes Polster) und die Wehen das Kind auch schon stundenlang in die falsche Richtung gedrückt haben.

Eigentlich habe ich von allem viel theoretisches Wissen, aber kaum praktische Erfahrung. Aber zu verlieren gibt es nichts. Die Hebamme empfiehlt nur, ins Krankenhaus zu fahren. Aber was da passiert, wissen wir schon. Da wird nicht lange gefackelt mit Antibiotika und Kaiserschnitt. Dort lässt man eine Geburt niemals so lange laufen. Der Blasensprung ist nun mehr als drei Tage her. Aber meiner Schwester geht es ansonsten gut, kein Fieber oder ähnliche Anzeichen einer Infektion, das Kind bewegt sich munter, Fruchtwasser unauffällig. Und sie ist bereit, alles zu tun, damit es doch noch klappt. Also turnen wir, was ich mir auf spinningbabies.com und mit dem Rebozo (mexikanische Massagetechnik mit Hilfe eines Tuchs) abgeschaut habe. Sie findet auch die Beckenpresse angenehm (habe ich mir von der Hebamme Ina May Gaskin gemerkt), die das Becken nach unten weiter macht und die dann ihr Mann während jeder Wehe übernimmt. Treppensteigen scheint ebenfalls ganz wirksam zu sein. So arbeiten wir uns bis um 12 Uhr durch die Wehen. Dann beschließen wir eine Mittagspause. Ich fahre zur Ferienwohnung. Nach dem Essen versuche ich, noch ein Stündchen zu schlafen, aber mir gehen zu viele Sachen durch den Kopf. Als ich um 14 Uhr wieder hinfahre, ist das Baby an dem Hindernis vorbei, an dem es bis dahin gehangen hat und endlich tiefer gerutscht. Erleichterung. Die Geburt geht nun voran. Mit Turnen, Tanzen und Massage lässt sich meine Schwester trotz Erschöpfung bei Laune halten. 15.30 Uhr endlich die ersten Presswehen. Zunächst sieht es aus, als wäre das Baby nun gleich da … aber dann geht es irgendwann wieder nicht weiter. (Auch typisch bei dieser Lage, da das Baby mit einem größeren Durchmesser heraus muss und sich der Kopf dafür stärker verformen muss. Das dauert.) Meine Schwester ist nicht nur erschöpft, sondern langsam auch desillusioniert. Das Pressen schmerzt im Rücken und scheint nichts zu bringen. Um 19 Uhr bin ich auch erst mal fertig und fahre heim. Abendessen. Kinder ins Bett bringen. Ich überrede meine Mutter zu übernehmen. Ich bin einfach nicht mehr frisch nach einer 5-Stunden-Nacht wegen hustendem Kind und den vielen Stunden Turnen und Massieren.

Meine Mutter ist dann bei ihr und hält sie noch eine Weile bei Laune, obwohl meine Schwester nicht mehr will und kann. Aber das Krankenhaus fürchtete. Irgendwann ist sie zu erschöpft und entscheidet sich doch für die Verlegung.

16.4.2016

Um 0.15 Uhr, fast 4 Tage nach Blasensprung und nach fast 9 Stunden Presswehen, fahren sie in die Klinik. Meine Mutter hält mich per Handy auf dem Laufenden. Da man im Krankenhaus so lange nach Blasensprung gern Panik schiebt, erzählen sie eine abgemilderte Geschichte mit Blasensprung vor 2 Tagen und lassen auch die Details unserer Turnstunden weg. Die Hebammen dort sind erstaunlich nett und motiviert – und der Kreißsaal ansonsten leer. Die Oberärztin hatte selbst eine Hausgeburt, erzählt sie. Man befindet, dass das Baby durchaus normal geboren werden kann. Mit Wehentropf, in Käferstellung (Rückenlage) und mit klassischem Press-Coaching wird das Baby eine gute Stunde später geboren. Es hat sich derweil in die vordere Hinterhauptslage gedreht (so, wie ich gelesen hatte, dass viele Babys aus dieser Lage das noch tun, wenn der Kopf auf Beckenbodenebene angekommen ist), kommt also ganz normal zur Welt. Durch die lange Geburt – und vielleicht auch mit durch den Wehentropf – verliert meine Schwester 1,6 l Blut. Aber sonst ist alles gut. Ein Baby von fast 4 kg, 53 cm Länge und mit 36 cm Kopfumfang.

Weil der Blasensprung länger her war, soll Blut aus der Nabelschnur entnommen und auf Entzündungswerte untersucht werden. Meine Schwester besteht auf Auspulsieren der Nabelschnur und das nötige Blut wird aus der Plazenta gewonnen. Ein Wert, der allerdings nicht sehr aussagekräftig ist (Interleukin 6), ist erhöht und das reicht der Kinderärztin, um drastische Maßnahmen ergreifen zu wollen – unter Androhung von Tod und Verderben, falls man ihr das Kind nicht in fünf Minuten mit auf Kinderstation zur Antibiose mitgibt – für mindestens 3 Tage. Meine Schwester und ihr Mann lehnen ab, da das Kind völlig unauffällig ist. Sie einigen sich auf einer Verlaufskontrolle (regelmäßige Kontrolle der Körpertemperatur und Blutwerte ein paar Stunden später). Alles ist dann auch ganz normal. Am Nachmittag lässt meine Schwester sich nach Hause entlassen. Bleich aber sehr froh, dass alles trotzdem ohne Kaiserschnitt oder sonstige Schnitte und auch ohne Gewalt verlaufen ist. Eine Freundin hatte in selbigem Krankenhaus nämlich eine ganz andere Geschichte erlebt, mit gewaltätigem Kristellern (auf den Bauch drücken) und heftigen Verletzungen der Geburtswege. Vielleicht lag’s mit daran, dass sie dort die Hebamme meiner Schwester gut kannten …

Die frischgebackene Familie sechs Tage nach der Geburt:

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Mein Fazit:

  • Kindslage ist wichtig, aber eine Schädellage allein garantiert keine reibungslose Geburt. Leider haben da auch viele Hebammen offenbar nicht viel Ahnung. Dabei muss man nicht unbedingt ein Kindslagebestimmungsprofi sein. Kann man in Rückenlage eine Delle in/unter der Nabelgegend tasten? Taste mal, wo der Rücken liegt, fühle, wo die Füße treten und werde Dir – wenn nötig mithilfe einer erfahrenen Hebamme – klar, wie genau das Baby liegt. Liegt es tatsächlich nicht optimal, dann gibt es Übungen, die man machen kann, um den Rücken des Kindes weiter nach vorn zu drehen.
  • Je früher man eine ungünstige Lage entdeckt, desto besser. Am besten, bevor das Kind sich mit dem Kopf ins Becken senkt und bevor die Blase springt, denn das macht eine Drehung sehr viel schwieriger. Am besten aber, bevor die Geburt beginnt und man noch in aller Ruhe daran „arbeiten“ kann. Dann hat man sehr gute Chancen, stressfrei und erfolgreich die Kindslage durch gezielte Übungen zu verbessern. Ich vermute auch, dass meine Schwester die Kraft gehabt hätte, die Geburt ohne Krankenhaus zu beenden, wenn wir mindestens einen Tag früher angefangen hätten, das Kind herunterzuturnen.
  • Es ist wichtig, zu wissen was man will, und dabei das nötige Wissen dafür zu haben. Wäre meine Schwester nach Blasensprung und ohne Wehen ins Krankenhaus gegangen, wie man es hierzulande empfiehlt, sie wäre ohne Kaiserschnitt nicht aus der Geschichte herausgekommen – so wie es vielen anderen Frauen ergeht. Dabei ist ein Abwarten nach Blasensprung nicht riskant, solange die Mutter kein Fieber bekommt, sich wohl fühlt, gut isst und trinkt und die Kindsbewegungen im Blick hat. Das Vermeiden vaginaler Untersuchungen und das heimische Keimmilieu wirken zusätzlich als Schutz.
  • Glaube und Gottvertrauen geben Kraft und machen Unmögliches möglich. Meine Schwester glaubte daran, dass Gott bei ihr ist und sie nicht im Stich lässt. Während der Geburt gab es viele Leute, die für sie und einen guten Ausgang gebetet haben. Manche Umstände kann man nicht beeinflussen. Da ist es gut, sich in den Händen unseres liebevollen Vaters zu wissen.

Hinweis: Nicht alle Geburten aus hinterer oder seitlicher Hinterhauptslage verlaufen wie bei meiner Schwester, aber es ist ein gängiges Muster. Viele Faktoren beeinflussen zudem, ob und wann sich das Baby bei der Geburt noch dreht oder ob es auch aus dieser Lage leicht geboren wird. Bei manchen Frauen klappt es trotz guter Körperhaltung und Turnen nicht mit dem Dreh, weil ihr Becken nicht optimal geformt ist. Aber auch da kann das Baby mit Zeit, Geduld und Vertrauen meist geboren werden. Bei anderen Frauen (in der Regel, wenn es nicht das erste Kind ist) schlüpfen Babys aus dieser Lage mühelos durch’s Becken. Also keine Panik, wenn ein Baby sich trotz aller Mühe vor der Geburt nicht drehen will! Eine aufrechte Körperhaltung und freie Bewegung unter der Geburt sind allerdings in jedem Fall hilfreich – und Zeit und Geduld unter Umständen der entscheidende Faktor.

Nachtrag: Wie gesagt bin ich (leider) vor allem Theoretikerin. Falls hier eine mit diesem Thema erfahrene Hebamme, Doula oder Mama drüberstolpert, freue ich mich über Erfahrungsberichte, Tipps oder Korrekturen.