Alleingeburt im Wasser beim 3. Kind

Die Mama im folgenden Bericht entscheidet sich nach zwei Klinikgeburten für eine Hausgeburt, begleitet nur von ihrem Partner.


„Die laufende Inhaltsanalyse für Geburtsberichte“ – so hat mich mein Freund in den letzten Schwangerschaftstagen scherzhaft genannt, wenn ich wieder einmal vor dem Notebook saß und gelesen habe. Ich weiß nicht, ob es diesen Bericht über eine Alleingeburt geben würde, wenn nicht so viele Frauen im Internet offen ihre Geburtserlebnisse geteilt hätten. Von daher ist es für mich selbstverständlich, dass ich nun auch meine Geschichte erzähle.
Meine ersten zwei Jungs sind beide in derselben Klinik zur Welt gekommen (2013 und 2015). Bei der ersten Geburt wurde ich von einer jungen, unsicheren Hebamme begleitet. Das hatte die üblichen Interventionen zur Folge: Einleitung nach unerkannten Blasenriss, Einlauf, vorgeschriebene Geburtsposition, Baustrahler (!), Wehenmittel für die Geburt der Placenta… Die Geburt war nicht traumatisierend, aber im Nachhinein ärgere ich mich doch sehr über die vielen Einmischungen, die die Geburt erschwert und ihr ein bisschen das Magische genommen haben. Die zweite Geburt war schon auf Grund meiner Erfahrung deutlich selbstbestimmter. Die Hebamme war viel entspannter und ist erst in der Pressphase richtig anwesend. Als ich dann mit Kind 3 schwanger war, las ich zum ersten Mal einen Geburtsbericht über eine Alleingeburt. Zuerst hielt ich Alleingeburten für fahrlässig und unverantwortlich. Aber dann begann ich zu lesen (Geburtsberichte, „Alleingeburt“ von Sarah Schmid, Fachartikel etc.) und hörte die nächsten 9 Monate nicht mehr auf. Am Ende habe ich mich für eine Alleingeburt entschieden, weil es bei uns im Umkreis von 90km keine Hebamme mehr für Hausgeburten gibt und die Klinik nicht die besser Alternative war. Die Gefahr unter der Geburt von einer Hebamme/Arzt begleitet zu werden, deren Eingriff in den natürlichen Geburtsverlauf das Risiko einer medizinischen Intervention erhöht hätte, wollte ich nicht riskieren. Ohne meinen Freund, der mich sofort unterstützt hat und mir die Alleingeburt ohne zu Zögern zutraute, hätte ich den Versuch allerdings nicht gewagt. Für mich passt der Name „Alleingeburt“ deshalb auch eigentlich nicht – ich war nicht alleine, mein Partner war immer bei mir – als Masseur, Stützte, Koch, Unterhalter oder Fotograf.


Aber nun zum eigentlich Teil: die Geburt. Am Abend zuvor lag ich, wie so oft in den letzten Tagen mit Übungswehen im Bett wach, dachte mir aber nicht viel dabei. Am nächsten Morgen brachten wir um 6 Uhr morgens die Kinder zu ihren Großeltern – mein Freund musste arbeiten und die Kinder sollten den Tag dort verbringen, damit ich nochmal etwas Ruhe hatte. Auf der 10 minütigen Fahrt hatte ich zwei sehr deutliche aber schmerzfreie Wehen. Als auf der Rückfahrt die Wehen weiterhin kamen, bat ihr meinen Freund, seine Termine am Morgen abzusagen. Durch die tagelangen Übungswehen war ich allerdings sehr unsicher, ob sich das Ganze nicht wieder als Fehlalarm herausstellen würde. Wir begannen deshalb den Tag mit einem langen Spaziergang in der Morgensonne. Dabei wurden die Wehen immer intensiver (wenn auch immer noch schmerzfrei). Wir entschieden uns also den Ofen im Geburtszimmer anzumachen und den Geburtspool mit Wasser zu füllen. Ich habe alle meine Kinder im Wasser bekommen und wollte auch zu Hause nicht auf den Luxus verzichten. Die Wärme entspannte mich auch sofort als ich in die Wanne stieg. Vielleicht entspannte sie mich auch etwas zu sehr, denn die nächsten 3 Stunden verbrachte ich mit Essen, Unterhalten und Film schauen im Wasser. Erst ganz langsam wurden die Wehen wieder intensiver, waren aber mit einer Massage des Steißbeins von meinem Freund immer noch sehr gut zu veratmen. Gegen 12 Uhr merkte ich, dass mein Kreislauf mit der vielen Wärme (Wasser und Ofen) langsam Probleme bekam. Zwischendurch versuchte ich immer wieder meinen Muttermund zu tasten – aber ganz ehrlich – so eine richtige Orientierung habe ich bis zum Schluss nicht gefunden. Schweren Herzens entschloss ich mich aus der Wanne zu steigen und veratmete einige Wehen im Türrahmen. Der Druck auf das Steißbein tat unheimlich gut. Doch dann wurde es plötzlich ziemlich schnell unangenehm. Niemand war da, der mir sagte, wie weit mein Muttermund ist, wie lange es noch dauert, ob ich alles richtig mache – die Antwort auf diese Fragen lagen alle bei mir. Ich konnte mich in den letzten Minuten der Eröffnungsphase nicht so sehr fallen lassen, wie bei den Klinikgeburten. Der Muttermund war (nach meinen Tastversuchen) noch nicht vollständig geöffnet und trotzdem waren die Wehen so heftig, dass meine Entspannungstechniken nicht mehr funktionierten. Es tat weh und ich wollte das es aufhört. Ich stand im Türrahmen und begann, mit den Wehen langsam und vorsichtig nach unten zu drücken. Es waren eindeutig noch keine Presswehen aber es fühlte sich gut an und machte die Schmerzen erträglicher. Da ich Angst hatte, bei vorzeitigen Pressen etwas „kaputt zu machen“, schob ich nur vorsichtig mit. Dieser Zustand dauerte ca. 10min und war durch die Verunsicherung und die Schmerzen die anstregenste Phase. Dann endlich platzte die Fruchtblase. „Jetzt beginnen gleich die richtigen Presswehen“, schoss es mir durch den Kopf und ich stieg schnell wieder in die Badewanne. Das warme Wasser entspannte mich augenblicklich und ich bereute es etwas, nicht früher wieder ins Wasser gegangen zu sein. Wie vermutet begannen nun die richtigen Presswehen. Die Umstellung des Körpers von Übergangs- zu Austreibungsphase war bei allen drei Geburten faszinierend. Es ist, als wäre der stechenden, atemraubende Schmerz plötzlich von einer Sekunde auf die andere verschwunden. Die Presswehen empfand ich auch diesmal als wenig bis gar nicht scherzhaft. Natürlich spürt man die Dehnung und das Brennen, wenn das Köpfchen sich nach vorne schiebt, aber es ist viel angenehmer, als die Übergangsphase kurz zuvor. Die Tatsache, dass ich nun endlich etwas aktiv „machen“ konnte, um die Geburt vorwärts zu bringen, nahm mir fast vollständig die Schmerzen. Bei den ersten beiden Geburten bin ich leider nie auf die Idee gekommen, den Austritt des Köpfchens mit der Hand zu begleiten. Nun hing ich im Vierfüßlerstand über den Rand der Wanne und tastete bei jeder Wehe. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich merkte, wie sich das Köpfchen vorwärts schob und wieder zurückzog. Ich tastete die Haare und die weiche Haut. In der Klinik mit angeleitetem Pressen war dieser Moment viel unbewusster. Das Kind wurde von jemand anders aus mir herausbegleitet (ich war nur für das Pressen zuständig). Nun war ich diejenige, die es begleitete. Als das Köpfchen zur Hälfte draußen war musste ich lachen vor Freude und Glück. Angst, dass etwas nicht stimmen könnte (Nabelschnur, Herztöne etc.) hatte ich keine mehr. Mit der nächsten Wehe war das Köpfchen geboren. Nun war aller Druck weg. Ich war einfach nur glücklich und in der relativ langen Wehenpause unterhielt ich mich mit meinem Freund. Ich fühlte das Köpfchen vom Baby und die kleinen Ohren und mein Freund erzählte mir, wie das knautschige Gesicht aussah. Dann kam die nächste Wehe, die Schulter drehte sich (ein tolles, unbeschreibliches Gefühl) und 15.03 Uhr war unser drittes Kind geboren. Ich hob es langsam aus dem Wasser und es schrie sofort los. Sehr rosig und fast gar nicht blau lag es nun endlich in meinen Armen. Geschafft. Endlich. Ich hatte mein Kind alleine zur Welt gebracht und war stolz und glücklich. Nach ein paar Minuten schauten wir auch nach, was es geworden war: ein Junge, der entgegen der Prognose des Frauenarztes kein zu kleines, untergewichtiges Baby war, sondern ganze 3850g wog. Leider ging uns im diesem Moment das warme Wasser aus und so musste mein Freund während ich noch selig in der Wanne lag (und mich weigerte raus zu kommen) mit dem Wasserkocher nachhelfen. Vor zwei Punkten hatte ich bei der Alleingeburt am meisten Angst: das Kind atmet nicht oder meine Blutungen sind zu stark. Im Wasser lies sich der Anteil vom Blut nur sehr schwer einschätzen. Nach kurzer Zeit war das ganze Wasser rot. Ich wollte dennoch für die Nachgeburt im Wasser bleiben. Trotz meiner Sorgen vorher, hatte ich plötzlich keine Bedenken mehr wegen der Blutmenge. Ich fühlte mich gut – kräftig und kaum erschöpft – das gab mir die Zuversicht, dass die Blutungen nicht so stark sein können. Nach 30min kam dann endlich die Plazenta. Jedenfalls ¾ davon. Sie blieb quasi auf dem Weg nach draußen stecken und so saß ich nun in der Badewanne mit der Plazenta zwischen den Beinen und wusste nicht so recht weiter. Davon hatte ich noch in keinem Geburtsbericht gelesen. Durfte ich den Rest herausziehen? Ich entschied mich dafür die nächste Wehe abzuwarten. So saß ich da eine viertel Stunde. Dann hatte ich keine Lust mehr. Wir trennten die Nabelschnur durch und mein Partner nahm mir das Baby ab. Ich hockte mich in der Wanne hin und zog sehr vorsichtig mit Pressen den Rest der Plazenta heraus. Dann stieg ich endlich aus dem Wasser und machte es mir auf dem Sofa bequem. Der kleine Jorin lag in meinem Arm und machte die ersten Trinkversuche. Niemand war da, der uns in diesen ersten intimen Momenten zu Dritt störte. Nach drei Stunden riefen wir die Hebamme an. Ich wollte gerne jemanden haben, der sich noch einmal die Plazenta anschaut und meine Gebärmutter abtastet. Natürlich wusste sie nichts von der Alleingeburt und da sie mich während der Schwangerschaft nicht begleitet hatte, war ich mich wegen ihrer Reaktion unsicher. Eine Hebamme, die mir einen Vortrag über Risiken und mein unverantwortliches Handeln gehalten hätte, hätte die ganze Atmosphäre zerstört. Aber ich hatte Glück. Die Hebamme schien sich sogar zu freuen und war völlig positiv eingestellt. Die Plazenta war in Ordnung und ich hatte keinerlei Geburtsverletzungen davon getragen.

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