Alleingeburt: Rechtliche Lage und Anmeldung

Eine Alleingeburt ist in Deutschland nicht verboten. Sie ist auch nicht Bestandteil eines Gesetzestextes. Die existierende Hebammenhinzuziehungspflicht gilt nur für medizinisches Personal. Damit soll sichergestellt werden, dass zum Beispiel ein Arzt keine Geburt begleitet, ohne eine Hebamme hinzuzuziehen. Eine Errungenschaft der Hebammen im Kampf um ihre Bedeutung bei der Geburtsbegleitung.

In Österreich dagegen gilt eine Hebammenhinzuziehungspflicht auch für die Mutter. Sie wird mit diesem Gesetz verpflichtet, eine Hebamme hinzuzuziehen – wenn nicht während der Geburt, dann so schnell wie möglich danach. Auch hier also eine kleine Lücke im Gesetz, die eine Alleingeburt rein rechtlich ermöglicht, solange man die Hebamme danach ruft. Mir sind einige Alleingeburten aus Österreich bekannt, auch ohne dass eine Hebamme gerufen wurde. Eine Verfolgung bei nicht Hinzuziehung der Hebamme ist mir bislang nicht zu Ohren gekommen. Wenn ihr Fälle kennt, lasst es mich gern in den Kommentaren wissen.

In der Schweiz gibt es keine gesetzlich geregelte Hebammenhinzuziehungspflicht und auch hier ist eine Alleingeburt nicht gesetzlich verboten.

Obwohl eine Alleingeburt also kein illegale Handlung ist, sind Behörden und Krankenhäuser selten mit der Tatsache vertraut, dass es Frauen gibt, die sich bewusst und selbstverantwortlich für so eine Geburt entscheiden. Es passiert nicht selten, dass solche Frauen in eine Schublade gesteckt werden mit denen, die aus einer prekären sozialen und/oder psychischen Situation heraus ihre Schwangerschaft leugnen und ihr Kind heimlich bekommen.

Es kommt deshalb immer wieder vor, dass Krankenhauspersonal oder Standesbeamte den Eltern das Jugendamt ins Haus schicken. In den meisten Fällen ist der Verdacht der Kindeswohlgefährdung mit einem kurzen Besuch vom Tisch. In Einzelfällen standen aber auch schon der Sorgerechtsentzug und Inobhutnahme im Raum. Für die Eltern ein nicht unerheblicher Stress, den man im Wochenbett gar nicht gebrauchen kann.

Um diese Szenarien vorzubeugen, kann man verschiedene Vorsichtsmaßnahmen ergreifen:

Nicht selten findet eine Jugendamt-Meldung statt, wenn die Mutter während oder nach der Geburt medizinischen Rat oder Hilfe in Anspruch nimmt. Ist der Mutterpass dann lückenhaft oder nicht vorhanden, verstärkt sich der Verdacht auf Vernachlässigung. Leider macht das die Schwelle für Frauen, die in Eigenregie schwanger waren, unter Umständen unnötig hoch Hilfe zu suchen. Will man sich da absichern, ist ein vollständig ausgefüllter Mutterpass jedenfalls von Vorteil – aber eben auch etwas, was man selbst gar nicht möchte, wenn man die Vorteile einer Schwangerschaft in Eigenregie genießt. Die meisten Hebammen – wenn man nicht eine solche für eine Hausgeburt gebucht hat – sind in dieser Situation leider keine Hilfe. Aus Gründen rechtlicher Absicherung bestellen die meisten von ihnen den Notarzt, wenn sie zu einer Geburt gerufen werden, für die sie nicht versichert sind. Das kann nach persönlichem Ermessen der Hebamme auch dann geschehen, wenn sie erst nach der Geburt dazu kommt.  Irgendjemanden bei Unsicherheiten um Rat fragen zu können, ohne gleich in der Klinik zu landen, ist aber für die jungen Eltern sehr wichtig, auch wenn sie sich bewusst für eine Geburt in Eigenregie entschieden haben. Hier ist man gut bedient, wenn man eine Hebamme, Doula oder eine andere geburtserfahrene Frau hat, die einer Alleingeburt gegenüber aufgeschlossen ist und bereit ist dazuzukommen (oder auch nur am Telefon zu beraten), ohne gleich den Notarzt zu verständigen. Und, so sehr es zum Teil verpönt ist: Bei Zweifeln konnten die Erfahrungen und der Rat anderer Mütter in online-Gruppen schon oft helfen, Situationen um die Geburt herum richtig einzuschätzen und entsprechend zu reagieren.

Ein weiteres Szenario, das gelegentlich zur Meldung beim Jugendamt führt, ensteht bei der Anmeldung der Geburt. Können keine der vom Standesbeamten erwarteten Dokumente vorgelegt werden, regt sich bei manchem Beamten der Verdacht auf Vernachlässigung. Hier kann man dafür sorgen, dass man zum Beispiel den Mutterpass oder andere Beweise für eine Schwangerschaft oder Geburt vorlegen kann – obwohl das keine Garantie dafür ist, die Bedenken des Beamten zu zerstreuen. Oder man hat im Vorfeld eine Hebamme oder einen Arzt, die einem ein Papier wie weiter unten ausgeführt unterschreiben, wo die Hausgeburt formlos bestätigt wird. Ansonsten hilfreich sind selbstbewusstes, freundliches Auftreten und ein Anruf nach der Geburt, aber bevor man auf das Amt geht.  Das hat u.a. den Vorteil, dass der Beamte etwas Zeit hat, die Situation zu durchdenken und den Schock über eine freie Geburt zu verdauen, bevor ihm die Eltern unter die Augen treten.

Die geschilderten Sachverhalte beruhen auf Erfahrungen aus Deutschland. In den anderen deutschsprachigen Ländern dürfte es aber ähnlich sein.

Anmeldung der Geburt

Laut Personenstandsgesetz PStG § 18 -20 (Deutschland) sind grundsätzlich die Eltern  verpflichtet, die Geburt ihres Kindes beim Amt anzumelden. Dies kann mündlich geschehen und muss innerhalb einer Woche passieren. Im Folgenden der Gesetzestext im Wortlaut:

Personenstandsgesetz PStG: 

§ 18 Anzeige

(1) Die Geburt eines Kindes muss dem Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich es geboren ist,

1. von den in § 19 Satz 1 genannten Personen mündlich oder
2. von den in § 20 Satz 1 und 2 genannten Einrichtungen schriftlich

binnen einer Woche angezeigt werden. Ist ein Kind tot geboren, so muss die Anzeige spätestens am dritten auf die Geburt folgenden Werktag erstattet werden.

(2) Bei einer vertraulichen Geburt nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes sind in der Anzeige auch das Pseudonym der Mutter und die für das Kind gewünschten Vornamen anzugeben.

§ 19 Anzeige durch Personen

Zur Anzeige sind verpflichtet

1. jeder Elternteil des Kindes, wenn er sorgeberechtigt ist,
2. jede andere Person, die bei der Geburt zugegen war oder von der Geburt aus eigenem Wissen unterrichtet ist.

Eine Anzeigepflicht nach Nummer 2 besteht nur, wenn die sorgeberechtigten Eltern an der Anzeige gehindert sind.

§ 20 Anzeige durch Einrichtungen

Bei Geburten in Krankenhäusern und sonstigen Einrichtungen, in denen Geburtshilfe geleistet wird, ist der Träger der Einrichtung zur Anzeige verpflichtet. Das Gleiche gilt für Geburten in Einrichtungen, die der Unterbringung psychisch Kranker dienen, in Einrichtungen der Träger der Jugendhilfe sowie in Anstalten, in denen eine Freiheitsstrafe, ein Jugendarrest oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. Die Anzeigeberechtigung der in § 19 genannten Personen und ihre Auskunftspflicht zu Angaben, die der nach Satz 1 oder 2 zur Anzeige Verpflichtete nicht machen kann, bleiben hiervon unberührt.
 Der Beamte muss sich auf irgendeine Weise versichern, dass niemand ein Kind anmeldet, das geklaut wurde oder nicht existiert. Dafür ist er gewohnt, mindestens die Bescheinigung durch eine Hebamme zu erhalten. Im Fall einer Alleingeburt muss man andere Nachweise erbringen und sich mit dem Beamten einigen, was er als Nachweis gelten lässt. Ruft man vor der Geburt an, um Details darüber in Erfahrung zu bringen, passiert es häufig, dass abgewiegelt und behauptet wird,  es ginge ohne eine Bescheinigung von der Hebamme einfach nicht. Ist die Geburt ohne Hebamme aber Tatsache, sieht es anders aus. Da muss der Beamte sich überlegen, was er an alternativen Nachweisen akzeptieren will, um die Geburt einzutragen. Will man diesbezüglichen Stress vermeiden (und hat man eine Hebamme oder einen Arzt, die/der da mit macht), kann man eine selbst formulierte, von Arzt oder Hebamme unterzeichnete Bescheinigung vorlegen. Die wird erfahrungsgemäß ohne Probleme akzeptiert. Im Gegensatz zur offiziellen Anmeldung, die Hausgeburtshebammen nach einer Geburt ausfüllen, spielt es hier keine Rolle, ob die Hebamme bei der Geburt zugegen war oder nicht. Das einzige was es braucht, ist ihre Bereitschaft, ihre Unterschrift unter ein Papier zu setzen. Auch die Unterschrift eines Arztes wird hier akzeptiert. Dafür setzt man ein einfaches Schreiben auf:
Ort, Datum
… (Vorname, Name und Geschlecht des Kindes), Kind der Eltern … (Vorname und Name der Eltern) wurde am … (Geburtsdatum, Uhrzeit) zu Hause in … (Adresse) geboren. 
….
(Unterschrift von Hebamme oder Arzt, am besten mit Stempel und/oder Telefonnummer)
Wenn man möchte, kann man natürlich weitere Details wie Geburtsgewicht und Co. ergänzen. Aber die genannten Angaben sollten mindestens enthalten sein.
Um kein unnötig düsteres Bild zu zeichnen, will ich hinzufügen, dass die Anmeldung einer Alleingeburt meistens reibungslos gelingt. Aber eine gewisse Vorsicht und Weisheit kann vielleicht den einen oder anderen unnötigen Behördenstress vermeiden helfen.
Es bleibt zu wünschen, dass die Geburt in Eigenregie in Zukunft als eine mögliche Form der Geburt mehr Anerkennung und Respekt findet und niemand sich dafür schämen, rechtfertigen oder verdächtigen lassen muss. Schließlich sollen auch alle Frauen, wenn sie möchten und brauchen, die Hilfe bekommen, die sie bekommen sollen – ohne Angst haben zu müssen, dass ihnen selbstverantwortliches Handeln als Vernachlässigung ausgelegt wird.
Lasst mir gern zu diesem Thema eure Erfahrungen da und schreibt in den Kommentaren.
Anmerkung: Ich bin kein Jurist. Ich erhebe keine Anspruch darauf, Begriffe und Sachverhalte im juristischen Sprachgebrauch korrekt zu verwenden. Habe ich Fehler eingebaut? Weist mich gern darauf hin. Wer es ganz genau wissen will, kann  zu diesem Thema einen Experten kontaktieren.

4 Gedanken zu „Alleingeburt: Rechtliche Lage und Anmeldung“

  1. Ich habe eine Bekannte, die 2 AGs in Ö hatte (2016 und 2017) und alles lief problemlos mit dem Anmelden. Als ich das mal ansprach, dass AGs in Ö eigentlich verboten sind, wurde ganz irritiert geguckt und sie meinten, es sei eher in D verboten (doch ich wusste, dass es so stimmt, wie Du geschrieben hast). Sie (und auch weitere Bekannte) hatten jedenfalls keine Anmelde-Probleme.
    Eine weitere Freundin, die in D im Rathaus arbeitet (und deren Mutter selbst 2 oder 3 AGs hatte, die letzte 2011) meinte dagegen, wenn bei ihnen so ein Fall auftauchen würde, müsste die Frau zum Arzt bei ihnen (Amtsarzt?). Ich war total geschockt und hab ihr auch gesagt, dass es dafür keine rechtliche Grundlage gibt. Aber sie hat darauf bestanden, dass das bei ihnen so geregelt sei. Puh. Für ihr eMutter hatte aber eine Hebamme unterschrieben.
    Liebe Grüße bei 38+5

  2. Also ich kann von meinem Beispiel berichten: Ich hatte Anfang April meine Alleingeburt und das Kind ist immer noch nicht angemeldet 😉 Wir hatten das Glück eine sehr nette Hebamme zu haben, die ein paar Stunden (ohne vorher eingeweiht zu sein) nach der Geburt dazu gekommen ist und unser Kind dann netterweise vom Krankenhaus aus angemeldet hat. Leider in der falschen Gemeinde wie sich herausstellte. Merke: Kind muss immer in der Gemeinde angemeldet werden in der es geboren ist (egal wie klein sie ist). Jetzt müssen wir zum nächsten Standesamt, das keine Erfahrung mit Geburten und erst recht nicht mit Hausgeburten hat. Ich bin also gespannt wie es weitergeht und deine Tipps aus dem Beitrag anwenden 🙂

    1. Unsere Tochter kam vor ein paar Jahren zuhause in einem ländlichen Dorf zur Welt – und die zuständige Standesbeamtin hätte so ein Fall wie unsere noch nie gehabt. Wir haben nach dem Anmeldung täglich nachgefragt, ob Sie endlich wüsste was sie bräuchte – müsste zweimal hin, denn das erste mal sie nicht wüsste was sie bräuchte und am zweiten mal haben wir dann alle mögliche Dokumente eingereicht – und danach noch dreimal hin um Geburtsbescheinigungen abzuholen. Bei die erste zwei Versuche war etwas schief gelaufen und wir müssten die ausgehändigte Bescheinigungen zurückgeben… Bis wir die richtige Bescheinigung im Hand hatten vergingen etwas zwei Wochen.

      Was die Beamtin alles leisten müsste: Da im Dorf alles rum spricht, haben wir zu hören bekommen dass sie mehrmals bei verschiedene Beamter in den nächsten Großstadt anrufen müsste um diverse Sache zu klären, von denen einen Anzeigeformular angefordert hat, auf dem sie den Ortsname durchgestrichen und händisch die Name unsere Gemeinde darauf schrieb, um unsere Geburtsanzeige aufzunehmen. Die elektronische Übernahme der Anzeigedaten hat dann nochmals ein paar Tage gedauert, da sie nochmals beim andere Standesamt Rat bräuchte… Und dass war nicht die ende der Geschichte. Nach etwa einem Jahr nach danach kam einen Brief dass beim Erteilung der Steuer-ID-Nummer auch etwas schief gelaufen wäre, wir sollten den alten Nummer vernichten und künftig nur noch den neuen verwenden sollen. Also gut, Kindergeldstelle informiert dass die Nummer sich geändert hat, Finanzamt informiert, …. zum Glück haben dieser Stellen uns nicht nach weitere Dokumentation gefragt!

  3. Nach der AG (an einem Wochenende) wollte ich zum Nähen des recht großen Risses doch ins Krankenhaus, bis Montag warten wäre zum Nähen zu lang gewesen – ein großer Fehler, kann jedem nur abraten. Hatte mich auch 5 Wochen nach der Geburt vom Schock Krankenhaus und Notarzt nicht erholt. Hatten einen RTW angefordert, da ich selbst noch nicht fahren konnte. Die riefen dann sinnloserweise den Notarzt dazu, was dann folgte war echt nicht schön.
    Dadurch hat aber das KH mindestens das Standesamt über die Geburt informiert und ein entsprechendes Schreiben IN KOPIE bereits beim Standesamt vorgelegt. Da es eben eine KOPIE und kein Original war, hat mir die Standesbeamtin die Hölle heiß gemacht, dass sie eine Bestätigung vom Arzt im Original bräuchte. Mutterpass, eidesstattliche Versicherungen von Arbeitgeber (übrigens arbeite ich bei der gleichen Kommune) oder Bekannten wurden nicht anerkannt. Habe jetzt höflich nachgefragt, wo das stehen würde, dass es von Arzt sein muss. Ich warte noch auf Antwort.

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