… Und noch zwei freie Geburten

In diesem Beitrag berichtet eine Mama über die Geburten ihres fünften und sechsten Kindes. Beide geplant in Eigenregie. Unkompliziert und undramatisch, so wie Geburt gedacht ist.

Über ihre früheren Geburten hat sie auf dieser Seite schon einmal in diesem Beitrag berichtet.

Eigentlich sollte Elana das letzte Kind bleiben. Eigentlich. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. So hielten wir plötzlich vollkommen unerwartet kurz vor Weihnachten 2017 einen positiven Test in der Hand. Meine erste Reaktion: „Scheiße!“ Papas erste Reaktion: freudiges Lachen. Nach dem ersten Schock war die Freude auch meinerseits sehr groß. Wenn eine kleine Seele zu uns will, dann wird sie mit offenen Armen und Herzen empfangen. Ich war frei von Vorsorge, Zwang, Kontrolle und Panikmacherei. Im Gegenzug stellt mir auch niemand einen Mutterpass aus. Kein Systemzwang – keine Dokumente? Nun gut, dann war ich offiziell eben nicht schwanger, auch wenn mein Bauch wuchs und darin Party herrschte. Wie das dann bei der Anmeldung beim Standesamt laufen sollte, würden wir noch sehen. Die Vorlage von Mutterpass und U-Heft hatte ja bei der letzten Alleingeburt genügt, aber wurde auch so eingefordert. Entweder ich fand noch jemanden, der mir ohne Schwangerschaftsvorsorge einen offiziellen Mutterpass mit voraussichtlichem Entbindungstermin ausstellte oder wir würden improvisieren müssen.

Die gesamte Schwangerschaft verlief traumhaft und beschwerdefrei – somit blieb ich bis zum Ende vorSORGEfrei. Der Termin war zwar durch die vorangegangene Zyste unklar, aber stellte sich am Ende als ziemlich richtig berechnet heraus. Am 30.07. hatte ich ihn mir in etwa ausgerechnet. Die letzten Wochen der Schwangerschaft verdichtete sich das Gefühl immer mehr, dass es dieses mal kein Mädchen ist, aber woher soll ich denn wissen, wie sich ein Junge anfühlt? So warteten wir heiter auf unser Baby. Mir ging es blendend, bis auf die kleinen kräftigen Füße in den Rippen. Der Bauch wuchs von ursprünglichen 58/59 cm auf über 130 cm Umfang. So groß war er noch nie.
Am 28.07. gewitterte es und es kühlte endlich ein paar Grad ab. Zuvor war es so heiß, dass mein Körper sogar Übungswehen einstellte, um Kraft und Energie zu sparen.
An diesem Abend sind alle vier Kinder ungewöhnlich früh in den Schlaf gefallen und auch ich konnte seit langem mal wieder früher schlafen. Etwa 1:04 wachte ich schlagartig auf und war hellwach – Blasensprung. Ich weckte meinen Mann und wollte vorsichtig aus dem Bett steigen, um nicht zu viel nass zu machen. Dies gelang mir auch sehr gut. Meinen Plan, das Fruchtwasser in die Toilette abzulassen, funktionierte allerdings nicht. Es lief alles nach ein paar Metern in den Flur. Wir witzelten einwenig darüber, auch dass der Bauch plötzlich so viel kleiner war – es war wie immer sehr sehr viel Fruchtwasser. Also ging ich weiter von einem zarten Kind aus (wie alle meine Kinder), denn der Bauch war ja durch das Fruchtwasser so groß. Ich stieg in die Badewanne mit ein wenig Kerzenschein und wartete auf Wehen. Später lief ich etwas umher und kuschelte mich immer mal wieder zu meinen schlafenden Kindern. Nach ein paar Stunden, als es schon hell war, kamen langsam sanfte Wehen. Ich ging davon aus, dass es noch lange dauern würde und das Kind frühestens am Abend kommt. Als die anderen frühstückten, stieg ich nochmal in die Wanne. Die Wehen waren unregelmäßig und so angenehm, wie bei allen vier Kindern in der frühen Eröffnungsphase. An den Muttermund kam ich gar nicht mehr heran, aber das war auch unwichtig. Ich atmete und stöhnte ein wenig in meinem Wasser und wollte bald wieder heraus, um mich zu bewegen. Soweit kam es aber nicht. Urplötzlich kam der Drang zum Pressen, dem ich nachging. Ich schob also leicht und der Kopf war da. Die Presswehe war noch nicht vorbei, also schob ich ein weiteres mal mit und schon war das ganze Kind da. Ich hob es aus dem Wasser und nahm die Nabelschnur vom Hals, die ganz leicht halb um Hals und Schulter lag und sagte zu meinem Mann: „Es ist ein Junge!“ Wir alle sechs konnten es kaum fassen, dass wir nun einen Sohn haben und er in nicht einmal einer Minute aus mir herausgeschwommen kam. 9:42 kam er zur Welt. Ich bin ja eigentlich absolut gar keine Wassergebärende, aber das war in dem Moment vollkommen egal. Dem kleinen Mann ging das Ganze sichtbar auch zu schnell und er setzte etwas Mekonium ab. Kurz darauf dockte er das erste mal an der Brust an. Zum ersten mal wehrte ich mich (Dank einem tollen Bericht) nicht gegen meinen Drang, mein Neugeborenes abzulecken und leckte ihm kurz sanft über die Stirn. Ich tastete kurz nach und stellte fest, dass ich nur ganz minimal geschürft war – eigentlich nicht einmal erwähnenswert – und stieg dann mit ihm aus der Wanne. Wir kuschelten uns dann alle ins Bett. Es wurde gestillt, geschnuppert und alle waren hin und weg vom kleinen Bruder. Nach etwa zwei Stunden nabelten wir dann ab, denn die Nabelschnur war wieder sehr kurz und die Nachwehen schrecklich.
Wir holten Maßband und Waage, um die Daten aufzuschreiben. Er brachte stattliche 3790 g auf die Waage und war 58 cm lang (zum Vergleich: ich bin 1,54!). Sein Kopfumfang war bei 35,5 cm.
Ich war gespannt, wann die Plazenta dieses mal kommen wollte. Blutungen hatte ich keine, also war ich entspannt. Die letzte ließ uns 30 Stunden warten, aber dieses mal kam sie bereits nach etwa 3 1/2 Stunden. Auch diese Plazenta war wunderschön und vollständig. Dieses mal schnitt ich nicht nur ein kleines Stück, sondern 10 kleine Stücken ab, welche für später eingefroren wurden und schluckte eins direkt. Den Shake konnte ich nicht machen, denn wir erwarteten das Kind erst später und hatten zum Sonntag nicht die nötigen Zutaten Zuhause. Die Plazenta kam ebenfalls in den Gefrierschrank und kommt später in den Garten, um einen Apfelbaum darauf zu pflanzen.
Dann kuschelten wir zufrieden weiter.
Unser Vidar-Lian Norvid bekam seinen Namen wieder aus der nordischen Mythologie. Vidar war der Sohn vom Gott Odin und der Riesin Grid. Er ist ein Krieger des Waldes. Er ist das größte und schwerste Kind, das ich geboren habe, also ein kleiner hübscher Riese. Norvid ist der Nordwald. Jeder der uns kennt weiß, wie sehr wir den Wald lieben. Statt Lian sollte er ursprünglich Liam heißen, aber Lian passte einfach besser, also wurde das spontan geändert. Lian kommt aus dem Mandarin. Li steht für Kraft und An steht für Ruhe. So wie seine Geburt – sie begann und verlief ganz ruhig und endete wahnsinnig kraftvoll und energiereich.

Die darauf folgende Schwangerschaft war so absolut gar nicht geplant, aber da wollte dringend noch ein Seelchen zu uns. Das Kondom meinte es gut mit dem kleinen Wesen, das Sperma hielt sich gute 5 Tage bereit und mein Eisprung kam einfach mal anderthalb Wochen früher als er sollte. So kam es also wie es kommen sollte und ein kleines Menschlein machte es sich in mir gemütlich. Gut eine Woche vor Fälligkeit der Menstruation wusste ich es. Ich machte am 31. März 2019 einen Test, der auch schon leicht positiv war. Die folgenden Tage immer stärkere Linien. Ich habe wortwörtlich Rotz und Wasser geheult. Im Sommer wollte ich mir doch die Goldspirale setzen lassen und überhaupt wollte ich kein weiteres Kind. Ich war fix und fertig. Das Gefühl verging auch nie ganz. Zum ersten mal war ich nicht gern schwanger. Zum ersten mal fühlte ich mich beeinträchtigt. Zum ersten mal war ich unzufrieden. Aber dennoch freute ich mich natürlich auf das kleine Würmchen und dieses Gefühl wurde auch immer stärker, wenn auch die Schwangerschaft nicht toll war. Wie immer war ich fit. Ich konnte mich bewegen, meine Kinder tragen, alles tun, wie sonst auch. Dennoch konnte ich nicht genießen. Aber es war ok. Ich habe das Gefühl stets angenommen und mich nicht dafür schlecht gefühlt. Man muss nicht gern schwanger sein, um sich auf Geburt und Baby zu freuen. Ich wusste von Anfang an, dass wir einen weiteren Jungen bekommen. Warum? Ich weiß es nicht. Aber ich war mir so sicher wie noch nie. Dennoch hatten wir wie immer für beide Geschlechter einen Namen.

Je näher ich zum Termin (4. Dezember 2019) kam, desto mehr wünschte ich mir, dieses mal nicht so lange zu tragen wie sonst. Ich wünschte mir, warum auch immer, einen kleinen Skorpion. Aber bitte nicht an meinem Geburtstag. Das Kind soll seinen eigenen Ehrentag haben. Beim Tasten merkte ich immer, es hat laaaaaaaange Beinchen und in meiner Vorstellung war es lang und schlank. In allen Träumen und Vorstellungen war ich zur Geburt allein und deutete es so, dass mein Mann es nicht rechtzeitig von der Arbeit nach Hause schafft. Das wollte ich nicht. Ich bin gern allein beim Gebären, das weiß er und lässt mir den Freiraum. Aber ich weiß ihn ebenso gern in meiner Nähe, die er mir intuitiv gibt. Am 18. November 2019 nachmittags , zwei Tage vor meinem Geburtstag, ging es dann los. Ich bekam immer mal sanfte Wehen. Sanft aber kraftvoll. Der Schleimpfropf ging vollständig mit leichter Blutung ab. Also rief er in der Firma an und blieb Zuhause. Mit dem Trubel der Kinder waren die Wehen dann bis abends erstmal sehr sehr ruhig, kamen dann als sie schliefen wieder stärker zurück und ließen mich dann in der Nacht wieder schön ruhen und dösen. Wie gewünscht blieben die Schulkinder dann Zuhause. Bis Mittag wurden die Wehen dann wieder schön kraftvoll und weiter sanft ohne mich auszupowern. Mitten im Mittagsschlaf dann der Blasensprung. Das Köpfchen war zum Glück fest genug im Becken, so dass Bett und Einjähriger trocken blieben. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich dann gar nicht mehr liegen. Mein Mann nahm die Kinder und ich lief und lief und lief, wie üblich. So ging es auch weiter bis abends. Mann und Kinder machten Abendessen am Tisch und ich unterwegs. Als die Kinder dann müde waren, brachte er sie ins Bett und ich wehte weiter sanft herum. Dann wurden mir gegen 21 Uhr die Beine schwer. Ich kniete auf dem Sofa und urplötzlich sprang die Blase ein zweites mal direkt am vollstandig geöffneten Muttermund und mich überkam sofort eine Presswehe. Mit einmal schieben flog er mit sämtlichem Fruchtwasser regelrecht aus mir heraus in meine Hände. Hätte ich gestanden, dann hätte ich ihn sicher nicht mehr gefangen. Ich wickelte die Nabelschnur vom Bauch und nahm ihn in meine Arme. Dann kam mein Mann dazu. Wie vorher immer erahnt, war er also zu spät. Aber es war perfekt so wie es war. Nur ich und meine Geburt. Es hätte in diesem Moment nicht schöner sein können.

Als er da war, stand ich wieder auf und die Plazenta kam dieses mal 10 Minuten nach dem Kind aus mir herausgeflutscht. Unser Sohn schrie kurz auf, als sie sich löste. Sie war riesig und passte kaum in beide Hände. Etwa eine Stunde nach der Plazentageburt nabelten wir dann ab. Später wurde er dann vermessen und gewogen. Wie erwartet war er etwas kleiner als der letzte mit 56 cm Länge und 35 cm Kopfumfang. Laut Waage (die sicher nicht richtig funktioniert) war er zarte 2800 g. Lang und schlank ist er. Aber nicht dürr. Ich schätze ihn eigentlich etwas schwer. Aber das spielt keine Rolle. Er ist fit, gesund, rosig und wahnsinnig kräftig. Die Plazenta habe ich mir dieses Mal mit Saft pürieren lassen. Ich hatte einfach keine Lust sie so zu schlucken. Ein paar Stunden später wurde dann der große Bruder wach. Der war erstmal schockiert – Bauch weg, Baby da. Dann kam die Begeisterung über dieses kleine Wesen. Wir kuschelten uns dann alle zusammen zum Rest ins Bett. Am Morgen waren dann die vier Schwestern alle samt begeistert. Die älteste war traurig, dass sie die Geburt verschlafen hat, aber die Verliebtheit überwog. So und nun zum Namen, auf den alle immer gespannt sind: Unser jüngstes Familienmitglieder trägt den Namen Frey-Arvid Kurt. Frey der Fruchtbarkeitsgott und Bruder der Göttin Freya. Auch unser Frey hat seine Schwester Mirena-Freya. Arvid aus dem Nordischen für Adler und Baum. Der kleine Mann hatte die stärksten und kräftigsten Tritte aller meiner Kinder im Bauch. Ein starke, freier Adler und standfest wie ein Baum mit liebevollen Wurzeln. Kurt hieß mein wundervoller Opa, von dem ich so so so viel Wissen habe über Natur, Wald und Heilkräuter. Ein wahnsinnig toller Mann, den viele als griesgrämig wahrnahmen, weil sie ihn nicht wirklich kannten. Kurt bedeutet „Der kühne Ratgeber“ und genau das war mein Opa auch. Leider hat er nur sein erstes Urenkelchen kennenlernen dürfen. Er hat damals gekämpft, bis meine erste Tochter geboren war und hat sich erst dann vom Leben verabschiedet. Altes geht und Neues kommt. Für mich ist er immer präsent und nun lebt er in meinem letzten Kind ein Stückchen weiter.

Ich wünschte, jede Frau dürfte solche tollen Geburtserfahrungen machen, wie ich bei meinen letzten beiden Geburten. Die Alleingeburten waren zu 100% die absolut richtige Entscheidung für uns. Nur so kann ich mich voll und ganz auf mich und den Prozess einlassen und kann die Geburt genießen.
Fremde Menschen würden mich daran nur hindern und wenn ich an Kreißsaal und Ärzte denke, dann bekomme ich richtige Panikattacken. Ich bin unendlich dankbar für die letzten beiden Geburten und meinen Mann, der mit der gleichen Intuition und Vorbereitung an diese Ereignisse gegangen ist. Er ist für mich die perfekte Geburtsbegleitung, meine Traummann und engster Freund. Mit keinem anderen Menschen würde ich diese Erfahrungen teilen wollen.

Wenn die Schwangerschaft nur kurz wärt – die Geschichte einer Fehlgeburt

Fehlgeburten sind häufig in den ersten Schwangerschaftswochen. Obwohl Ärzte schnell die Überweisung zur Ausschabung in der Hand haben, ist dieser Eingriff doch selten wirklich nötig. Meistens kann der Körper eine kleine Geburt ohne medizinische Hilfe bewältigen. Die Mama im folgenden Bericht schildert ihre Erlebnisse mit einer frühen Fehlgeburt.

„Die Nacht wäre es doch wert, wenn daraus ein Kind enstehen würde“, sagte ich Mitte Januar noch zu meinem Mann. Vom Zeitpunkt her kam es ungefähr hin. Und dann, während ich einfach im Büro saß und arbeitete, spürte ich wenige Tage später ein charakteristisches Ziehen im Unterleib. Nein, nicht die Ankündigung der Regelblutung. Die Einnistung der Eizelle. Es hatte also geklappt. Danach spürte ich nichts mehr. Auch okay, war bisher schließlich auch nicht anders. Die Regel blieb aus. Ein Pinkeltest folgte. Die zweite Linie färbte sich — allerdings deutlich schwächer als die Kontrolllinie. Hm. Was bedeutet das nun? Ein bisschen schwanger? Das können doch eigentlich nur Rehe, oder? Zwei Tage später der nächste Test. Wieder positiv. Wieder schwächer als die Kontrolllinie. Ach, scheiß drauf. Ich freu mich jetzt — ich bin schwanger. Juhu! Hebamme angefunkt — hast du im Oktober noch Kapazitäten für eine Hausgeburt? Ja? Super. Jau, Ich melde mich. Hab bald sowieso den normalen Kontrolltermin bei der Gynäkologin, danach rufe ich durch und berichte.

Der Kontrolltermin war am 1. März, am späten Nachmittag. Der Abend vorher war hektisch. Ich war wütend, übellaunig, die Stimmung zu Hause auf dem Tiefpunkt. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das nicht einordnen; ich merkte bloß, dass die Emotionen überschlugen. Am ersten Märztag dann ging ich morgens, kurz bevor ich aus dem Haus musste, nochmal ins Bad. Oha. Blut im Urin. Okay, das kann alles und nichts sein. Beruhige dich. Nur, weil du das bei deinen vergangenen Schwangerschaften nicht hattest, muss das nicht heißen, dass jetzt irgendwas anders ist. Doch, etwas war anders. Irgendwie spürte ich das. Ich kontaktierte die Hebamme. Ihr Fazit: Wenn es nur eine Schmierblutung ist, leg die Beine hoch, mach mit Ruhe. Wenn es ein Abgang ist, kannst du nichts tun.

Also fahre ich zur Arbeit, lege dort die Beine hoch (Info an die Kollegen: Knie verdreht), so gut es geht. Immer wieder der Gang zur Toilette. Immer wieder Blut. Ich habe kein gutes Gefühl. Nachmittags dann fahre ich mit beklommenem Herzen zur Gynäkologin. Die Sprechstundenhilfe lässt mich nochmal einen Schwangerschaftstest machen. Das Ergebnis sagt mir dann die Ärztin: Laut Test bin ich immer noch schwanger. Ein Ultraschall folgt. Ergebnis: „Da war etwas, ja, aber es ist lange nicht so weit entwickelt, wie es sein sollte. Ich befürchte, es konnte sich nicht richtig einnisten.“ Der Schwangerschaftstest sei deshalb noch positiv, weil die Hormonwerte erst nach und nach wieder sinken würden. Die rational denkende Wissenschaftlerin in mir kommt durch: Wie geht es weiter? Muss ich in irgendeine Art Behandlung? Was bedeutet das für zukünftige Schwangerschaften? Wem muss ich alles Bescheid geben? Welche Rechte und Pflichten habe ich jetzt? Wenn es sich nicht richtig einnisten konnte, ist es vermutlich besser, dass der Abbruch jetzt so früh kam, statt erst später. Die Gynäkologin ist sehr mitfühlend. Sie erklärt mir, dass Abbrüche in diesem Stadium sehr häufig vorkommen (vielfach sogar unbemerkt von den Frauen, einfach als „verspätete Regelblutung“ eingestuft). Sie macht mich darauf aufmerksam, dass wir die Möglichkeit einer Eileiterschwangerschaft ausschließen sollten. Ich solle mich deshalb sofort melden, falls ich einseitige Schmerzen haben sollte. Sie sagt mir, um sicherzugehen, dass die Fehlgeburt ohne Nachwirkungen bleibt, würde sie jetzt Blut testen wollen und dann in ein paar Tagen nochmal, um festzustellen, wie die Hormonwerte sich entwickeln. Und natürlich könne sie mich krankschreiben. Ich entscheide mich spontan gegen die Krankschreibung. Nach der Blutabnahme fahre ich nach Hause. Am nächsten Tag arbeite ich von zu Hause aus. Mich trifft an diesem Tag die Fehlgeburt mit voller Härte. Ich bin allein zu Hause; brauche für niemanden stark sein. Immer wieder fließen die Tränen. Es ist komisch. Die Arbeit geht eigentlich gut von der Hand, und dann — von einer Sekunde auf die andere — drückt sich die Fehlgeburt in den Vordergrund. Ich kann nicht anders, als die Arbeit zu unterbrechen und mich der Trauer hinzugeben. Auch körperlich ist dieser Tag der Härteste. Ich hatte nie so schmerzhafte Regelblutungen wie andere Frauen sie beschreiben. Die Regel gehörte einfach dazu. Lediglich die erste Blutung nach der Geburt meiner zwei Kinder war etwas heftiger und schmerzhafter. Diese Fehlgeburt allerdings verlangt mir viel ab. Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich so ist, aber mir erscheint die Menge an Blut wesentlich mehr. Dazu kommt der Unterleibsschmerz. Manchmal ein leichtes Ziehen, oft aber auch richtige Krämpfe. Mini-Wehen. Nur hilft mir dieses Mal der Hormoncocktail nicht, diese als Geburtswellen anzunehmen. Stattdessen erinnern sie mich einfach nur permanent an meinen Verlust. Ich schwanke an diesem Tag zwischen der rationalen Informationssammlung zu Fehlgeburten einerseits und der Gefühlslage andererseits. Rational weiß ich, was mir auch die Ärztin und die Hebamme mehrfach gesagt haben: Solche frühen „Abgänge“ sind normal. Die Mutter kann da nichts dafür. Meist verlaufen sie ohne medizinisch nötige Eingriffe und meist gibt es keine langfristigen Folgen. Emotional stellen sich trotzdem die drängenden Fragen: Hätte ich es irgendwie verhindern können? Bin ich Schuld? Was passiert jetzt mit der kleinen Seele? Ich konnte sie doch gar nicht so lieben, wie ich es gerne gewollt hätte.

Ja, und nun, einige Monate später, schreibe ich diesen Beitrag und mir kommen bei diesem Absatz immer noch die Tränen. Es fällt schwer, zuzugeben, dass ich auf dem Klo saß und versuchte, in all dem Blut eine befruchtete Eizelle zu finden. Es gelang mir nicht. Zu viele Blut, das bereits zu dickeren, geleartigen Klumpen zusammengeklebt war. Ich habe für mich die Emotionen mit der Rationalität in Versöhnung gebracht — wir haben ein Bäumchen für das kleine Wesen gepflanzt, außerdem habe ich eine Urkunde des Standesamtes darüber, dass dieses kleine Wesen bei uns war. Es handelt sich dabei offiziell nicht um eine Geburtsurkunde; aber es war mir wichtig, dass auch dieses Kind einen Platz nicht nur im Herzen, sondern auch im Familienstammbuch hat.

Die meiste Zeit fällt es mir leicht, darüber zu sprechen, dass ich eine Fehlgeburt hatte. Klar, ich hab schließlich zwei gesunde Kinder und weiß, dass mein Körper es kann. Und doch überkommt mich manchmal urplötzlich eine Trauer, der ich mich nicht entziehen kann. Meistens sind es nur einige kurze Momente, dann ist alles wieder „normal“. „Normal“, im Sinne von „es gehört einfach dazu“, ist für mich jetzt eben auch die Tatsache, dass ich eine Fehlgeburt hatte. Drei Tage später war ich mit Familienmitgliedern in einem Spa. Salzwasser, Sauna … Es ging wieder. Meine körperlichen Beschwerden hatten schnell wieder nachgelassen und mit diesen auch mein seelischer Schmerz. Trotzdem habe ich an diesem Wochenende noch niemandem von der Fehlgeburt erzählt. Sie wussten nicht, dass ich schwanger gewesen war, ergo fragte mich auch niemand mit Bezug auf meinen Unterleib, wie es mir ginge. Mir war es recht. Ich war noch nicht bereit, darüber viel zu reden. Ich wollte erstmal selber damit klar kommen. Ein paar Tage später ging es mir da schon anders: Ich habe das Thema vielen Menschen in meinem Umfeld gegenüber angebracht. Manche waren mitfühlend, andere eher entsetzt, dass ich es ihnen überhaupt erzählen wollte. Fehlgeburten betreffen so viele Frauen, aber vielfach ist es trotzdem ein Tabuthema. Ich kann verstehen, wenn Menschen diese sehr persönliche Erfahrung für sich behalten wollen. Ich finde es mittlerweile wichtig, darüber zu sprechen. Oft erzählen Menschen dann sogar von sich selber oder von engen Familienmitgliedern, die ebenfalls eine Fehlgeburt hatten. Nur muss erst das Tor zum Thema geöffnet werden. Nach der Fehlgeburt wurde ich erstaunlich schnell wieder schwanger. Dieses Mal fühlte sich die Schwangerschaft „echt“ an — mit allen Begleiterscheinungen, die eine frühe Schwangerschaft so haben kann. Besonders andere Nahrungsgewohnheiten fielen mir auf. Ich merkte jetzt auch, dass ich mich während der Schwangerschaft mit unserem Sternenkind nicht richtig schwanger gefühlt hatte. Die Frage von Ursache und Wirkung („ich habe mich nicht richtig schwanger gefühlt, deshalb hat der Körper die Schwangerschaft nicht angenommen“ gegen „der Körper konnte die Schwangerschaft nicht umsetzen, deshalb habe ich mich nicht richtig schwanger gefühlt“) kann ich nicht beurteilen. Beide Meinungen sind mir schon untergekommen. Während ich diesen Beitrag schreibe, bin ich also schwanger. Ich freue mich auf unser Regenbogenkind. Anderen gegenüber trägt es den Projektnamen „Nummer 3“. In meinem Herzen aber ist es „Nummer 4“, denn eine Nummer 3 hatte ich schon. Wenn auch nur kurz; es war da, und in meinem Herzen hat es genau so einen Platz wie Nummer 1, 2 und 4.

Die Mama, die diesen Bericht geschrieben hat, betreibt die Seite www.ichgebaere.com. Sie sammelt Geburtsberichte und wenn du dich alleine beim Schreiben schwer tust, hilft sie dir deine eigene Geburtsgeschichte zu Papier zu bringen.