Eine kleine Geburt in Eigenregie

Der Körper einer Frau ist gut zum Gebären gemacht. Und selbst wenn sich die Schwangerschaft aus irgendeinem Grund nicht weiterentwickelt, ist der Körper normalerweise gut in der Lage, mit dieser Situation umzugehen. Diese Mama erzählt die Geschichte ihrer selbstbestimmten Fehlgeburt.

Vorgeschichte 

Letztes Jahr hatte ich bereits eine frühe Fehlgeburt in der 7. Woche. „Zu meinem Glück“ begann die Blutung an einem Samstag und die Fehlgeburt war dann am Montag darauf, was ein Feiertag war, weshalb ich gar nicht erst zum Arzt ging und somit das Thema Ausschabung gar nicht erst aufkam.

Über ein Jahr später war ich dann etwas überraschend wieder schwanger.  Wir hatten es schon länger probiert und es ausgerechnet in diesem Zyklus eigentlich nicht darauf angelegt. Ich freute mich, konnte mich allerdings nicht so richtig auf die Schwangerschaft einlassen. Wahrscheinlich versuchte ich unbewusst, mich vor einer erneuten Enttäuschung zu schützen. Ich überlegte hin und her, ob ich zum Arzt gehen sollte – ein Herzschlag könnte mir vielleicht helfen, mich besser auf die Schwangerschaft einzulassen. Andererseits war mir klar, dass das immer nur eine Momentaufnahme ist. Trotzdem ging ich in der 8. Woche zum Arzt und vergoss Freudentränen, als tatsächlich ein Herzschlag zu sehen war. Die Freude hielt aber nur kurz an, schon bald überwog wieder die Angst, dass das Herz aufhören könnte zu schlagen. So überlegte ich wieder, ob ich überhaupt zum Vorsorgetermin in der 11. Woche gehen sollte. Am Tag danach wollten wir in den Urlaub fahren … Ich hatte zwar Angst vor dem Termin, gleichzeitig war die Unsicherheit aber auch schwer zu ertragen und so entschied ich mich, hinzugehen.

Ich wartete 45 Minuten mit Herklopfen und schwitzigen Händen. Der Arzt schallte und sagte erstmal nichts, dann nur „Querlage“ und dann wieder nichts. Da war mir schon alles klar. Er sagte dann auch „Das sieht nicht gut aus, ich kann keinen Herzschlag finden“. Und wieder brach ich noch auf dem Untersuchungsstuhl in Tränen aus. Er gab mir sofort eine Überweisung ins Krankenhaus, meinte, ich solle da nochmal nachschauen lassen, die hätten bessere Geräte, ich solle aber jetzt nichts mehr essen und trinken und nicht rauchen. Ich verstand das alles erstmal nicht. Meinte er, dass heute noch eine Ausschabung gemacht werden soll? Er hatte mir nicht einmal gesagt, wie groß der Embryo war und mich auch nicht gefragt, ob ich ein Bild haben will. Die Arzthelferin war nett, redete mir aber noch zu, dass ich dann nach der Schwangerschaft unbedingt die Röteln-Impfung machen lassen solle. Genau, was man in so einer Situation hören will …

Unter Tränen ging ich raus und rief erst einmal meine Mutter an. Sie riet mir, nach Hause zu fahren und die Hebammen zu kontaktieren. Das machte ich dann auch, rief noch meinen Mann auf der Arbeit an, der sofort zu mir kam und völlig schockiert und verzweifelt reagierte. Er war im Gegensatz zu mir optimistisch gewesen.

Die Hebamme beruhigte mich und sagte, dass ich auch erstmal abwarten und ruhig in den Urlaub fahren kann, was auch genau meinem Gefühl entsprach. So machte ich es, und es passierte erstmal lange nichts. Nach drei Wochen ließ ich im Krankenhaus nochmal einen Ultraschall machen. Ich wollte gerne wissen, wie weit die Schwangerschaft sich überhaupt entwickelt hatte und ob sich vielleicht schon etwas getan hat. Die Fruchtblase war sehr groß, der Embryo allerdings nur ca. 2 cm, was Ende der 9. Woche entspricht. Es hatte sich noch nichts getan.

Drei Tage danach, bei 12+6, also ziemlich genau 4 Wochen, nachdem das Herz stehen geblieben sein musste, begann eine leichte Blutung. Um meinen Körper zu unterstützen trank ich ab da Himbeerblätter- und Hirtentäscheltee. Die Blutung wurde aber nicht wirklich stärker, ab und an ging mal ein kleines bisschen Schleimhaut ab. Schmerzen hatte ich auch nicht wirklich, nur ein bisschen im unteren Rücken.

Die kleine Geburt

Bei 13+2 wurde ich morgens um 6.30 Uhr von Bauchschmerzen wach. Mit Wärme waren sie aber noch eine Weile gut auszuhalten. Die Blutung war immer noch sehr schwach.

Die Schmerzen steigerten sich dann aber, und es waren tatsächlich Wehen. Sie kamen, hielten vielleicht eine Minute an und danach kam eine Pause ohne Schmerzen. Die Pausen wurden dann immer kürzer und die Schmerzen immer heftiger. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war absolut nicht zu vergleichen mit der kleinen Geburt in der 7. Woche, bei der die Schmerzen nicht stärker als bei der Menstruation waren. Ich nahm dann 2 Paracetamol, die aber nach meinem Empfinden keine Wirkung zeigten. Diese starken Schmerzen hatte ich von etwa 10.30 Uhr bis zur kleinen Geburt um ca. 12.45 Uhr. Ich musste während der „Wehen“ heftig atmen, um es aushalten zu können. Mein Kreislauf machte das nicht gut mit, daher lag ich die meiste Zeit im Bett, weil ich sonst das Gefühl hatte, gleich umzukippen. Wenn ich merkte, dass was kommen würde, setzte ich mich auf die Toilette, meistens mit einer Schüssel drin. Meine Mutter war die ganze Zeit dabei, sie ist Krankenschwester auf der Neugeborenenstation. Es war beruhigend für mich, sie dabei zu haben, auch wegen meines schwachen Kreislaufs.

Was mich auch überraschte war, dass die ganze Zeit immer noch sehr wenig Blut und Gewebe kam. Das hatte ich von der letzten kleinen Geburt ganz anders in Erinnerung. Ich versuchte auch mal aktiv zu schieben, aber das brachte gar nichts. Irgendwann, vielleicht so eine dreiviertel Stunde bevor es vorbei war, äußerte ich die Vermutung, dass sich wahrscheinlich die Fruchtblase gelöst hat und vor dem Muttermund liegt und diesen blockiert. Irgendwie fühlte es sich so an und es war für mich eine logische Erklärung dafür, dass so wenig Blut kam. Ich wollte dann eigentlich mal nachfühlen, dazu kam ich aber nicht, weil ich zu sehr mit den Schmerzen beschäftigt war.

Irgendwann bekam ich dann einen leichten Anflug von Verzweiflung, wollte, dass endlich was rauskommt, fragte, wie lange das jetzt noch so weiter gehen soll. Kurz hatte ich den Gedanken, dass es dann eben doch in Ordnung wäre, ins Krankenhaus zu fahren und eine Ausschabung machen zu lassen, fragte mich nur, wie ich die Fahrt ins Krankenhaus schaffen sollte. Während ich diese Gedanken hatte war ich sehr zittrig, kniete auf dem Boden und zitterte. Ich merkte, dass mir so langsam unwohl wird bei der Sache und es jetzt bald mal vorbei sein müsste.

Es fühlte sich aber sehr danach an, dass dort etwas ist, was nicht rauskommt. Ich sagte noch zu meiner Mutter, dass es sich anfühlt wie Verstopfung. Ich bat meine Mutter dann kurz rauszugehen, um mich alleine besser entspannen zu können. Ich hatte noch eine letzte Hoffnung, dass es dann vielleicht doch noch klappen könnte, wenn ich mal diesen Druck wegbekommen würde. Sie war gerade raus, ich setzte mich auf die Toilette und nach ein paar Sekunden fiel etwas Großes aus mir heraus ins Wasser (da war leider gerade keine Schüssel drin). Danach ging es mir plötzlich schlagartig besser, das Zittern und die Schmerzen waren sofort weg.

Ich sagte meiner Mutter Bescheid und sie zog sich Handschuhe an, fischte es raus und legte es in eine Schüssel. Sie war ganz euphorisch und meinte: Du hast es geschafft! Ich konnte es irgendwie noch nicht ganz glauben, aber eigentlich wusste ich es auch. Was da rausgekommen war, war die Fruchtblase, komplett intakt und noch gefüllt mit Fruchtwasser. Es sah im Prinzip aus wie ein mit Wasser gefüllter Ballon, ca. 10 cm lang und 5 cm breit. Ich fand das unglaublich, dass sie intakt geblieben ist. Meine Mutter meinte auch, am Rand die Plazenta zu erkennen, bzw. da wo sie angewachsen war. Tatsächlich sah es da etwas anders aus. Ich denke, ich lag richtig mit meiner Vermutung, dass die Fruchtblase sich gelöst und den Muttermund praktisch verschlossen hatte. Vielleicht hatte ich auch deswegen so starke Schmerzen. Es muss ja doch ein gewisser Druck dagewesen sein und der Muttermund sich ziemlich weit geöffnet haben, damit sie so völlig unbeschädigt rauskommen konnte. Irgendwie war ich sehr glücklich darüber, dass sie komplett war. Dadurch war ich mir sehr sicher, dass es jetzt vorbei ist und ich hatte danach auch tatsächlich gar keine Schmerzen mehr.

Ich wollte dann gerne noch nachschauen, ob man den Embryo sehen kann. Dafür mussten wir die Fruchtblase aufschneiden. Und tatsächlich, man konnte ganz eindeutig einen kleinen, ca. 2 cm großen Embryo erkennen. Mit Augen an den Seiten, kleinen Paddeln und ich meine auch noch einen kleinen Schwanz erkannt zu haben. Auch der Embryo war noch völlig intakt, obwohl das Herz ja schon vor 4 Wochen aufgehört hatte zu schlagen, aber er lag ja auch die ganze Zeit im Fruchtwasser. Auch die Nabelschnur konnte man erkennen. Ich fand das absolut faszinierend und bin sehr glücklich, dass ich das sehen konnte. Wir haben dann noch Fotos gemacht und meine Mutter fragte, ob ich es ins Labor schicken will. Ich war mir nicht sicher und habe dann meinen Mann angerufen. Er war aber eher dagegen. So haben wir es dann nachmittags im Garten begraben.

Nachdem es überstanden war, ging es mir sofort viel besser und ich war sehr erleichtert. Danach kamen noch ein paar Schwälle Blut, aber alles in allem nicht besonders viel, wie ich fand. Am dritten Tag nach der kleinen Geburt kam nochmal viel Blut, ansonsten war die Blutung nicht mehr als meine normale Menstruation. Gut zwei Wochen nach der kleinen Geburt hatte ich wieder einen Eisprung.

Ich ließ danach noch meinen Eisenwert und hcG-Wert überprüfen, der Eisenwert war sehr gut, ich hatte auch zur Vorbereitung Kräuterblutsaft getrunken und viel Eisenhaltiges gegessen. Das hcG war 4 Tage nach der kleinen Geburt schon auf 120 gesunken und eine Woche später auf 25. Aufgrund von Unstimmigkeiten mit meinem Frauenarzt ließ ich keinen Ultraschall mehr machen.

Ein selbstbestimmter Weg

Obwohl die kleine Geburt ziemlich schmerzhaft war und ich auch an einen Punkt gekommen bin, an dem ich kurz vorm Verzweifeln war (vielleicht so eine Art Übergangsphase…?) bin ich sehr, sehr froh, diesen Weg gegangen zu sein. Ich habe nach der Diagnose fast drei Wochen auf die kleine Geburt gewartet und habe das Gefühl, dass ich dadurch Zeit hatte, mich körperlich und mental darauf vorzubereiten und loszulassen. Dass ich es gesehen habe, hilft mir glaube ich auch, es zu realisieren und zu verarbeiten. Zwischendurch hatte ich sehr große Angst vor dem, was danach kommt, wieder aufs schwanger werden warten, wieder die ersten Wochen zittern…aber da müssen wir wohl durch und auch das werden wir schaffen. Dass mein Körper es selbst geschafft hat gibt mir trotz allem ein Stück weit Vertrauen zurück.

Allen, die unsicher sind, ob sie die kleine Geburt machen wollen, möchte ich Mut zusprechen. Lasst euch nicht von Ärzten und anderen Menschen verunsichern, sondern hört auf eure Bedürfnisse und achtet gut auf euch und euren Körper. Wenn ich Anzeichen einer Infektion gehabt hätte, wäre ich sofort zum Arzt gegangen, aber so lange es mir gut ging sah ich keinen Grund zur Eile. Die Begleitung meiner Mutter und meiner Hebammen war Gold wert (im Gegensatz zur Verunsicherung durch den Arzt).

Ich hoffe sehr, dass Frauen wie wir, die diesen Weg gehen, irgendwann ein Umdenken bei den Ärzten anregen werden. Auch ich bin natürlich sehr dankbar für die medizinischen Möglichkeiten, wenn ich sie brauche, wünsche mir aber sehr, dass endlich mal mit alten Ammenmärchen aufgeräumt wird und den Frauen und ihren meist sehr gut funktionierenden Körpern wieder mehr Vertrauen entgegen gebracht wird.

 

 

 

Zwillingsgeburt in Eigenregie – „Da schaut ein Füßchen unten raus.“

Die Mama im folgenden Bericht wünscht sich auch bei ihrem vierten Kind eine Hausgeburt. Aber dann stellt sich heraus, dass sie mit Zwillingen schwanger ist. Ihre Hebamme will/kann sie so nicht bei einer Hausgeburt begleiten. Ist der Traum also geplatzt? In diesem Bericht erzählt sie von der Geburt ihrer beiden Jungs.

Geburtsbericht Twins  21.6.18

Vorgeschichte: Nachdem ich schon dreimal absolut unkompliziert und rasch geboren habe (1x im Spital, 2x zu Hause mit Hebamme), hätte ich mir auch diesmal wieder eine Hausgeburt gewünscht. In der 24. SSW ging ich zum (geplant einzigen) Ultraschall, wo uns die Ärztin eröffnete, dass da zwei Kinder im Bauch sind! Ein Riesenschock, war doch die Schwangerschaft sowieso nicht geplant und von meinem Mann auch nicht gewollt … also mussten wir uns nun damit anfreunden, gleich zwei Kinder zu bekommen. Puh. Da Zwillings-Geburten per Definition Ärztesache sind, wollte/konnte uns die Hausgeburtshebamme nicht für die Geburt begleiten und trotz intensiver Suche fanden wir auch keine andere, die das übernommen hätte. Allenfalls, wenn es zu schnell ginge, um noch ins Spital zu fahren, würden sie uns natürlich schon zur Hilfe kommen. Aber nicht als geplante Hausgeburt. Für mich war das eine riesige Enttäuschung. Ich soll in die Klinik? Obwohl ich selbst Hebamme bin, konnte ich mir das nicht vorstellen. Alles in mir sträubte sich dagegen. Zum Gebären brauche ich Ruhe und sicher niemanden, der mir irgendwie dreinredet oder Stress macht … schon nur die ganzen Routinehandlungen wie Venenkatheter und CTG, um die ich nicht herumkommen würde, machten mir sehr Mühe. Ich begann zu überlegen, Alternativen zu suchen, fand aber keine – ausser der unassistierten Hausgeburt. Dazu fehlte mir aber die innere Ruhe und vor allem das Vertrauen meines Mannes. Seine grösste Angst war es, dass ein behindertes Kind zur Welt kommen könnte und keine Fachperson da war, die die Verantwortung dafür hätte übernehmen können. Ich suchte also eine Beleghebamme für die Klinik und diskutierte mit meiner Ärztin meine Geburtsvorstellungen – sicher kein Kaiserschnitt, nur im absoluten Notfall, und eigentlich wollte ich ja überhaupt nichts und niemanden dabei haben! Ich merkte glücklicherweise, dass beide – Hebamme und Gynäkologin – sehr an einer interventionsarmen Geburt interessiert waren und ich von ihnen wirklich unterstützt wurde. Dies gab mir die nötige Ruhe, mich auf jedes mögliche Szenario einzulassen, und nahm mir meinen Stress bezüglich Klinikgeburt ziemlich. Blieb noch die Tatsache, dass ich mit Wehen Auto fahren müsste und meine älteren Kinder nicht dabei sein könnten. Besonders das machte mich sehr traurig, hatte doch meine 4jährige Tochter von Anfang an geäussert, sie wolle dann die Nabelschnüre durchtrennen … und das wollte ich ihr irgendwie gerne ermöglichen. Überhaupt empfinde ich es als normal, dass ältere Kinder bei der Geburt ihres Geschwisters dabei sind, und ich hatte deshalb sehr Mühe damit, sie auszuklammern. Ich entschied mich ca. in der Mitte der Schwangerschaft bewusst dazu, mich möglichst gesund und ausgewogen zu ernähren, mich genug zu bewegen und aktiv zu entspannen, damit die Zwerge möglichst normal gedeihen konnten. Ich las nochmal die Bücher ˋAlleingeburtˋ, ˋMeisterin der Geburtˋ und ˋflow birthingˋ und begann zu recherchieren. Kontaktierte Alleingebärerinnen und insbesondere eine andere Zwillingsmama, die ihre Kinder allein geboren hatte. Diese Begegnungen waren allesamt so schön, bestärkend, mutmachend – einfach toll. Wie Puzzleteile, die sich eins ums andere zu einem ganzen Bild zusammensetzten. Bezüglich Beckenendlage und Zwillingen half mir der Rockenschaub sehr, meine Bedenken wegen möglicher Komplikationen einzugrenzen. Die einzige Sorge, die ich hatte, war die einer vorzeitigen Plazentaablösung vor Geburt des 2. Kindes, was aber meine Frauenärztin als sehr unwahrscheinlich darstellte. Gut, ein Problem weniger! Eine befreundete Hypnosetherapeutin machte eine individuelle Geburtshypnose für mich. Diese CD hörte ich oft vor dem Einschlafen. Ich übte auch, mich bewusst zu entspannen und wahrzunehmen, ging schwimmen und übte dabei positive Affirmationen ein …

Visualisierte ich meine Wunschgeburt, war es immer Tag. Mein Mann war außer Haus, nur die Kinder hier. Ich gebäre meine Babys alleine. Dennoch ließ ich mir bis zum Schluss alle Optionen offen und übte mich darin, jedes Setting und jeden möglichen Geburtsverlauf anzunehmen und doch bei mir zu bleiben. Die Spitalgeburt blieb – auch in meinen Gedanken – offizielles Hauptszenario. Das war wahnsinnig wichtig für mich – ich wollte mich nicht zu sehr auf etwas fixieren und deshalb eine Komplikation verpassen. Lange waren beide Kinder in Beckenendlage, später drehte sich B (das obere) in Schädellage. So ab Woche 35 begann mich dies zu beschäftigen und ich versuchte, es mittels Übungen, Moxen und Visualisieren zum Drehen zu bewegen. Erfolglos. Meine Ärztin hatte diese Lagekombination ursprünglich als zwingende Indikation für einen Kaiserschnitt dargestellt, aufgrund des Verkeilungsrisikos. Ich konnte mir jedoch nicht vorstellen, dass dieses 100% beträgt, schon gar nicht bei zweieiigen Zwillingen. Sie forschte nach und fand irgend ein Schema einer deutschen Klinik, das bei Mehrgebärenden Spontangeburtsversuche zulässt, worauf sie sich bereit erklärte, mich in meinem Wunsch zu unterstützen. Ich hätte mich auf jeden Fall geweigert, eine Plansectio durchführen zu lassen, und war deshalb sehr froh, hier nicht weiter diskutieren zu müssen! Wann würden sie wohl geboren werden? Hoffentlich vor dem errechneten Termin. Ich hatte Angst um meinen Bauch, der immer grösser wurde … hatte keinen Bedarf an noch mehr Schwangerschaftsstreifen. Dazu kam die angespannte Beziehung zu meinem Mann. Irgendwie spitzte sich alles so sehr zu, dass ich ihn eines Abends, ca 3 Wochen vor dem errechneten Termin, fast aus dem Haus geworfen hätte. Wir kamen jedoch überein, am nächsten Abend nochmals zusammen zu reden. In dieser Nacht schlief ich nicht gut. Am nächsten Morgen kam ich fast nicht aus dem Bett. Wie sollte ich diesen schwierigen Tag überstehen? Ich nahm mir vor, einfach zu schauen, dass die Kinder gut versorgt sind, und möglichst bald wieder schlafen zu gehen … doch dazu sollte es nicht mehr kommen! 9:00 Uhr: Wir stehen auf. Der Älteste ist schon zur Schule gegangen. Ich entscheide mich, nicht wie geplant ins Freibad zu gehen, da die Kleinen zwei noch stark husten. Ich mache also das Frühstück bereit und überlege, was wir sonst tun könnten. Lustigerweise sehe ich, als ich aus dem Küchenfenster schaue, wie schon die letzten paar Tage einen Storch auf dem abgemähten Maisfeld gegenüber herumspazieren. Ich freue mich, denke mir aber gar nichts dabei … 10:30 Uhr: essen abräumen. Plötzlich strampelt es im Bauch. Ein Fuss stösst kräftig in Richtung Ausgang. Es knackt. Hoppla! Ist das jetzt ein Blasensprung? Tatsächlich, mir läuft ein Schwall Fruchtwasser die Beine herunter. Und ich fühle irgendetwas im Scheidenausgang … also erstmal alles aufputzen, dann ins Bad zum Kontrollieren. Da schaut ein Füsschen unten raus …. ok. Ich berühre es vorsichtig. Das Baby reagiert sofort mit Bewegung, es geht ihm also gut. Aber der Fuss bleibt draussen. Ich überlege, was zu tun ist, und entscheide mich erstmal abzuwarten, ob sich Kontraktionen entwickeln. Die Kinder haben mitbekommen, was passiert ist. Ich erkläre der 4jährigen, dass die Babys heute zur Welt kommen werden. Natürlich reagiert sie total aufgedreht, rennt im ganzen Haus herum … 11:00 Uhr: Ich suche mal alles zusammen, was ich für eine Hausgeburt brauchen könnte. Nabelklemmen, sterile Schere, ein paar Tücher, Gazen … was noch? Mehr braucht’s doch eigentlich gar nicht. Das alles auch nur für den Fall, dass ich Nr. 1 abnabeln müsste, bevor Nr. 2 kommt. Dann packe ich die Kliniktasche, das hatte ich bisher immer aufgeschoben, da ich bis heute das Gefühl hatte, noch ewig schwanger zu sein … Die Kids wuseln zwischen meinen Beinen herum, meine Tochter stellt tausend Fragen. Oh Mann, wie soll man so gebären können? Ich spüre ganz leichte, kurze Kontraktionen, nichts Ernsthaftes. Es kommt immer wieder Fruchtwasser, ich wechsle regelmässig die Binden, es läuft klar. Dazwischen kreise ich mit dem Becken, rede den Zwergen gut zu, kontrolliere immer wieder, ob sie sich normal bewegen … ja, alles gut. Ich erzähle den Kids ein Bilderbuch und hänge die nasse Wäsche auf. Hoffentlich fällt den Nachbarn nichts auf. 11:30 Uhr: Ich bin trotzdem minimal unsicher wegen der Fusslage, nehme meine Fachbücher hervor. Schneider: Fusslage ist sehr komplikationsträchtig, sofort Sectio, bei Mehrgebärenden allenfalls Spontangeburtsversuch, 15% Erfolgschancen. Ok. Rockenschaub: Es ist völlig egal, wie genau die Steisslage aussieht, solange es der Mutter gut geht und sie nicht in Angst gerät, passt das Kind durch. Schon besser. Ich werd mich lieber an dem orientieren 🙂 Ich mache Mittagessen für die Kids. Kontraktionen eher zunehmend, aber immer noch nicht kräftig genug. Kindsbewegungen weiterhin völlig normal, was mich beruhigt. Ich gebe uns Zeit bis nach dem Mittagessen, ich will den 2jährigen ins Bett bringen und schauen, ob dann die Geburt losgeht. Ich habe den Eindruck, dass es nur an der nötigen Ruhe fehlt. Ansonsten würde ich meinen Mann und die Hebamme informieren und in die Klinik fahren. Wobei man dort ja auch nicht mehr machen kann als hier zu Hause. 12:45 Uhr: Der Kleine ist im Bett. Zum Glück schläft er mittags zuverlässig. Endlich Ruhe. Ich schlage meiner Tochter vor, eine Zeichnung zu machen für die Zwerge. Erstaunlicherweise ist sie einverstanden. Die Kontraktionen werden stärker und häufiger, sind aber nicht schmerzhaft. 12:55 Uhr: Ich stelle mich unter die Dusche. Das warme Wasser tut gut, ich entspanne mich völlig. Komm, Baby! Ich bin so gespannt auf die Zwerge. Muttermund-Kontrolle: ist noch gleich, aber der Fuss kommt tiefer. Baby bewegt sich normal, Fruchtwasser läuft klar. Unter der Dusche werden die Wellen plötzlich kräftiger, ich wechsle von der Hocke ins Stehen, kreise das Becken, singe irgendwas. Freue mich, bald meine Kinder zu sehen! 13:10 Uhr: Muttermund-Kontrolle. Ein Saum steht noch. Ich spüre das zweite Beinchen oberhalb. Es will sich herausdrücken, steht noch quer im Beckeneingang. Gut so, es geht vorwärts. Urplötzlich überwältigen mich die Wellen. Ich muss mitschieben, atmen reicht nicht mehr. Das zweite Bein entwickelt sich. Mit der nächsten Welle rutscht der Körper nach unten, ich stehe auf, fasse ihn. Presse nach der Kontraktion einfach noch etwas weiter, es brennt, dann kommt auch der Kopf. 13:20 Uhr: Baby Nr. 1 ist da. Welch ein Wunder! Er ist blau, voller Käseschmiere. Ein paar kleine Schreie, er beginnt zu atmen. So ein kleines Baby … Ich nehme ihn hoch. Rufe meine Tochter. Mache ein Beweisfoto. Die grosse Schwester kommt ins Bad, sieht sich den Kleinen an, staunt. 13:30 Uhr: Ich rufe meinen Mann an, der wundersamerweise ganz in der Nähe am Ausliefern ist – Er wird in 10 Minuten da sein. Gut. Ich stille den Zwerg. 13:40 Uhr: Mein Mann ist da. Er hat eine Freundin informiert, die Pflegefachfrau ist, sie wird auch bald eintreffen – einfach damit noch zwei Hände mehr da sind. Ob er die Hebamme informieren soll? Nein, ich denke nicht. Uns geht es gut, ich brauche niemanden. Ich möchte keine gestresste Hebamme hier haben. Nach dem Stillen versuche ich, Nr. 1 irgendwie zu verstauen, damit ich die Hände frei habe für Nr. 2. Es geht nicht, die Nabelschnur ist zu kurz. Also doch abnabeln. Zum Glück ist die Nabelschnur schon auspulsiert. Meine Tochter schneidet sie durch, voller Stolz. 13:50 Uhr: Mein Mann nimmt den Kleinen zu sich. Ich möchte allein sein, schicke ihn mit den Kindern raus. 14:00 Uhr: Die Wellen beginnen erneut. Werden rasch intensiver. Ich untersuche mich – der Muttermund ist noch fast ganz geöffnet, dahinter eine pralle Fruchtblase. Das Baby bewegt sich, bisher blute ich nicht, also muss die Plazenta von Nr. 1 noch fest sein. Gut. Ich versuche irgendwie, den Bauch zu schienen, um Nr. 2 in Längslage zu halten. Keine Chance, die Gebärmutter hat einen zu hohen Tonus. Es ist auch gar nicht notwendig, der Zwerg wird seinen Weg selber finden, das weiss ich. Meine Freundin kommt rein, ich schicke sie sofort weg. Ich kann hier niemanden brauchen, ich mache das allein. 14:15 Uhr:  Ich wechsle bei jeder Welle die Position. Nirgends ist mir wohl, ich habe keine Lust mehr, die Wellen schmerzen wahnsinnig. Wenn nur diese verd… Fruchtblase springen würde! Ich versuche sie zu öffnen, das geht nicht. Vielleicht besser so. Ich spüre Pressdrang. Will nicht, will trotzdem, drücke fluchend mit. 14:25 Uhr: Die Fruchtblase springt während einer Presswehe. Ein Riesenschwall Fruchtwasser ergiesst sich, das Baby rutscht hinterher. Es brennt, der Kopf wird geboren, der Rest des Körpers rutscht einfach hinterher … 14:32 Uhr: Baby Nr. 2 ist geboren! Auch er beginnt sofort zu atmen, alles gut. Ich wechsle aufs Sofa, damit ich ihn in Ruhe stillen kann. Nach 10 Minuten kommen beide Plazenten gleichzeitig, keine vermehrte Blutung, die Gebärmutter kontrahiert sofort gut. Nachdem beide Zwerge gestillt sind und die Nabelschnur von Nr. 2 auspulsiert ist, darf meine Tochter auch diese durchschneiden. Kurze Zeit später kommt der 2jährige von seinem Mittagsschlaf nach unten in die Stube und bestaunt, noch etwas zurückhaltend, seine zwei Brüder. Auch die Nachsorgehebamme trifft bald ein, hilft uns aufzuräumen und die Zwerge zu vermessen. Geburtsverletzungen habe ich keine. So gut! Dann liegen wir lange zusammen auf dem Sofa und bestaunen die zwei kleinen Wunder. Als der Älteste von der Schule kommt, schaut er ziemlich ungläubig, freut sich dann aber mit uns über seine Brüder. Ich bin total erfreut darüber, wie einfach diese Geburt war! Hätte ich mich wie jede andere Frau gutgläubig auf das Kliniksystem eingelassen, wären meine Kinder garantiert per Plan-Kaiserschnitt geboren worden. Was hätte ich da verpasst … erstaunlich ist auch, wie sehr die reale Geburt der hundertmal visualisierten Wunschgeburt glich. Auch jetzt noch, Monate später, wo ich diesen Bericht zum x-ten mal durchlese und überarbeite, bin ich sehr berührt und dankbar für dieses Erlebnis. Es hat für mich nichts mit ‚Mut’, ‚Lebensmüdigkeit’ oder ‚Glück’ zu tun, dass meine Kinder zu Hause, ohne professionelle Hilfe, geboren wurden und gesund sind. Im Gegenteil – es war eine sehr überlegte Wahl. Nachdem ich mich mit sämtlichen bekannten Risiken eingehend befasst habe, konnte ich sie für mich soweit eingrenzen, dass ich die Hausgeburt als mindestens so sicher wie die Spitalgeburt (und für mich viel angenehmer) einordnen konnte. Ich bin dankbar, dass ich dank des tollen Klinik-Teams, das mir zur Verfügung gestanden wäre, eine echte Wahl hatte und nicht aus Verzweiflung oder Angst heraus handeln musste. Es war gut, dass ich die volle Verantwortung für mich – für uns – übernommen habe.