Eine Hausgeburt – Plädoyer für gute Hebammen

Nicht jede Frau fühlt sich bei der Geburt völlig allein am wohlsten. Gerade beim ersten Kind oder nach einer traumatischen Geburt kann die ruhige Zuversicht und Erfahrung einer anwesenden Person einen gewaltigen Unterschied machen. Wo Hebammen primär in der Klinik ausgebildet werden und die dortige Angst und Interventionsfreude leicht übernehmen, sind Hebammen, die abwarten und vertrauen können rar. In Deutschland, wo die Hausgeburtshebammen langsam aber sicher mit den steigenden Haftpflichtprämien abgeschafft werden, noch mehr. Aber es gibt sie, die guten Hebammen, die eigentlich gar nichts groß tun als da zu sein und dann tätig zu werden, wenn sie gebraucht werden. Schöne Geburten und zufriedene Mütter sind die Folge.  Diese Mama bekam ihr viertes Kind zu Hause, ihre dritte Hausgeburt mit einer Hebamme, die auch kein Problem damit hatte, sich in einem anderen Raum aufzuhalten, wenn die Mama allein sein wollte.

Bei meiner Hausgeburt wurde ich von einer sehr einfühlsamen Hebamme betreut. Ich habe im Vorfeld mit zwei Hebammen Kontakt gehabt, sie haben die Vorsorgeuntersuchungen gemacht, meistens im Wechsel und immer bei mir Zuhause. Es gehört zum Prinzip dieses Geburtshauses, dass sich zwei Hebammen in die Betreuung teilen, dass man beide gut kennen lernt und dass diejenige Hebamme dann zur Geburt kommt, die gerade für eine Woche das Bereitschaftshandy hat. Die andere Hebamme hat dann Pause und kann auch mal ins Kino, ins Konzert, die Sauna oder wohin auch immer gehen, mit der Gewissheit, dass sie arbeitsmäßig nicht gestört wird. Die Hebamme Lara kannte ich vom Erzählen bereits recht lang, mehrere Freundinnen von mir haben mit ihr entbunden und waren sehr zufrieden. Also traf auch ich mich zuerst mit Lara, die mir erklärte, dass die Hebammen in ihrem Geburtshaus eben immer in Zweierteams arbeiten. Wir unterhielten uns und sie antwortete geduldig auf alles, was ich so wissen wollte. Auch Maria lernte ich in der nächsten Zeit gut kennen und gemeinsam bereiteten wir drei uns auf das Abenteuer Geburt vor. Auch unsere drei großen Mädels (alle schon Schulkinder) und mein Mann wurden einbezogen – schließlich sollte es ja eine Hausgeburt werden und ich wollte meine Lieben gern um mich haben. Obwohl es eine vierte Geburt war und ich schon zweimal mal außerklinisch entbunden habe, war alles spannend und aufregend – durch den größeren Abstand irgendwie auch wie beim ersten Mal. Wir freuten uns sehr auf den neuen kleinen Erdenbürger, der Zuhause den Weg zu uns finden sollte. Der vom Geburtshaus geliehene und aufgeblasene Geburtspool stand zwei Wochen vor dem Entbindungstermin im Wohnzimmer bereit. Es konnte also losgehen! Genau eine Woche vor dem Termin hatte ich nachts einen Blasensprung. Da ich noch keine Wehen hatte, weckte ich erstmal niemand und versuchte weiterzuschlafen. Gar nicht so leicht, die Aufregung wird ja nicht kleiner nach einem Blasensprung. Morgens sagte ich dann meinem Mann und den Kindern Bescheid und vormittags meldete ich mich dann auch bei Maria, die gerade „dran“ war. Sie kam vorbei und freute sich mit uns auf das bevorstehende Ereignis. Da ich aber noch immer keine Wehen hatte, ließ sie uns wieder in Ruhe und schaute nachmittags und abends noch mal vorbei. Um neun Uhr sangen wir alle zusammen einen Kanon, redeten dem Baby noch mal gut zu und gegen 10 brachte mein Mann die Kinder ins Bett. Endlich merkte ich, dass es nun richtig loszugehen schien. (Ob ich unterbewusst doch die Kinder lieber raushalten wollte?!) Dass es nun losging, freute meine Hebamme auch sehr, denn irgendwann sollte sich das Baby ja mal auf den Weg machen, wenn die Fruchtblase geplatzt ist. Ungeduldig wie ich bin, wollte ich dann auch recht bald von Maria wissen, ob und wenn ja wie weit der Muttermund schon aufgegangen ist. (Die Hebammen erklärten mir im Vorfeld, dass sie nicht so gern vaginal untersuchen, denn das diene eigentlich nur der Befriedigung der Neugier der Hebamme und man braucht es nicht wirklich …) Hebammenneugier hin oder her – ICH wollte wissen, wie weit ich schon gekommen bin und so fühlte Maria nach meinem Muttermund. Zwei Zentimeter, das konnte also noch dauern … Es war inzwischen schon kurz vor 11 und wir beschlossen zu zweit noch ein bisschen spazieren zu gehen. Das stellte sich aber als ganz schön anstrengend heraus und so waren wir halb 12 wieder Zuhause, wo ich nun laut tönend die Wehen veratmete und bald in meinen Pool wollte. Das tat gut und entspannte mich! In dem Moment, als mein Mann dachte, jetzt wäre er eigentlich auch ganz gern allein mit mir, sagte Maria, dass sie sich mal zurückzieht, wir kämen gut ohne sie zurecht, sie geht eine Etage nach oben ins Gästezimmer und wenn wir sie brauchen, ist sie natürlich da. Ich hatte im Vorfeld mit beiden Hebammen besprochen, dass ich gern für mich wäre, solange ich mich gut dabei fühle. Die nächste Stunde verbrachte ich im Pool und auf dem Klo, bzw. auf allen vieren auf dem Weg zum Klo. Es zog mich dauernd zum Klo, weiß auch nicht warum. Meinem Naturell entsprechend, jammerte ich zwischendurch immer mal. „Das geht nicht. Ich kann nicht mehr. Wie soll denn bitteschön ein Baby aus mir rauskommen?! Das ist doch absurd und GEHT JA GAR NICHT!“
Mein geduldiger Mann redete mir gut zu und behauptete, dass ich das schaffen werde. Etwa gegen ein Uhr nachts (ich war im Wohnzimmer vor meinem Pool) verspürte ich den Drang zu pressen. Da schaltete sich schlagartig mein Kopf ein und sagte: „Das kann nicht sein, so schnell kann das nicht gehen, hier stimmt was nicht!“
Ich bekam richtig Angst und mein Mann wollte Maria holen. Das steigerte meine Angst nur, ich krallte mich an ihn und rief, dass er bei mir bleiben soll, ich habe schließlich Angst! Es kam die nächste Presswehe und noch als ich sie „wegdrücken“ wollte (der Kopf behauptete schließlich, dass das noch nicht sein kann), stand Maria vor mir. Sie redete beruhigend auf mich ein und ich erklärte ihr, dass ich pressen müsste und so doll Angst habe, denn das KANN ja noch gar nicht soweit sein. Sie soll doch bitte noch mal nach meinem Muttermund tasten. Das tat sie und sagte lächelnd: „Dein Baby ist so gut wie da!“
Ich konnte es nicht fassen! Weil das Kind (wie die Schwestern) im Wasser geboren werden sollte, „hüpfte“ ich schnell in meinen Pool und freute mich.  Das Baby ist so gut wie da! Ich fühlte selbst in mir nach dem Kopf des Babys und spürte etwas Runzeliges. Das Ohr! Ich war wie elektrisiert! Bei der nächsten Wehe kam dann das Köpfchen und eine Wehe später war das Baby geboren!!! Ich konnte es kaum fassen – so schnell …
Die Hebamme schaute direkt nach der Geburt ins Kinderzimmer. Die Kinder haben die Aufregung gespürt (eins musste sogar dringend aufs Klo) und waren alle wach. Sie kamen natürlich sofort und gemeinsam schauten wir, wer da bei uns gelandet ist. Ein Mädchen!!! Wie schön. Ich blieb noch ein bisschen im Pool, kam dann irgendwann raus und auf dem Sofa wurde die Plazenta geboren. So ein bisschen Geburt haben die Kinder dann also doch noch mitbekommen.  Als die Nabelschnur nicht mehr pulsierte, hat eine der Schwestern sie durchtrennt. Wir feierten dann gemeinsam noch ein bisschen mit Sekt und Limo, schließlich war ja Geburtstag! Maria erledigte ihren Schreibkram. Füllte brav alles aus …
Geboren um 1. 13 Uhr. 3340g, 51 cm lang. Gesundes Mädchen …
Es war irgendwie alles toll auf einmal.
Noch immer bin ich dankbar und froh! Es ist ein Glück, dass es so einfühlsame, kompetente Hebammen gibt! Danke, liebe Maria!!!

Einfach Kinderkriegen?

Wie wir unser genetisches Potential verspielen         von Sean Croxton  (aus dem Englischen von Sarah Schmid)

„Es wird nicht mehr so gemacht wie früher. Man hat den bewährten Bauplan verlassen. Wiederkehrende Produktionsfehler sind die Folge. Qualitätskontrollen finden kaum noch statt. Defekte Teile sind allgegenwärtig. Wie zu erwarten weist die Führungsetage sämtliche Verantwortung von sich und sieht die Schuld bei anderen. Weil es keine systematische Evaluierung aktueller Produktionsvorgänge gibt, erscheint die Krise unausweichlich.“

Die oben beschriebene Situation in einer Fabrik würde sicherlich einen öffentlichen Aufschrei provozieren. Arbeiter würden in Scharen die Arbeit niederlegen und streiken. Nur spreche ich hier nicht von der Aufsicht bei der Produktion von Waren, sondern davon, wie wir Babys machen.

Babys werden nicht mehr so gemacht wie früher.

Es ist noch nicht lange her, als Forscher und Missionare ihre Begegnungen mit den „übermenschlichen Kriegern“ niederschrieben, die durch ihren überragenden Mut und Intellekt beeindruckten und erstaunliche athletische Fähigkeiten und Widerstandskraft gegen Krankheit bewiesen. Diese Eingeborenen genossen ein langes Leben frei von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und den unzähligen Leiden des modernen Menschen. Sie verkörperten körperliche und geistige Perfektion mit ihren symmetrischen Gesichtern, weiten Nasenwegen für eine unbehinderte Atmung, breiten Kiefern, in denen alle ihre kariesfreien Zähne Platz hatten (die Weisheitszähne inbegriffen) und Augen die keine Brillen brauchten. Ihr Auftreten wurde als angenehm und umgänglich beschrieben. Ihre Dörfer brauchten keine Gefängnisse, psychiatrische Anstalten oder Krankenhäuser.

Die Älteren wurden in Würde alt und behielten ihre Leistungsfähigkeit und den klaren Verstand. Sie waren die Hüter des Wissens, das ihrer Sippe ermöglichte, sich körperlicher und geistiger Gesundheit zu erfreuen und kräftige Nachkommen zu zeugen, die die Traditionen fortsetzen würden. Ein Großteil dieses Wissens drehte sich um Ernährungsfragen. Dafür brauchten sie keine Bücher über Ernährung. Sie verließen sich auf die unzähligen Generationen vor ihnen, die die Zusammenhänge zwischen Nahrung und  menschlicher Entwicklung akribisch beobachtet hatten.

Das Kinderkriegen wurde nicht auf die leichte Schulter genommen. In vielen Kulturen war eine spezielle Ernährung vor Empfängnis und Schwangerschaft vorgeschrieben. Fischrogen (mit seinen Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA für die Entwicklung des Gehirns), Innereien (reich an fettlöslichen Vitaminen) und sorgfältig zubereitetes Getreide (für eine hohe Mineralstoffverfügbarkeit) waren gängige Lebensmittel, die den jungen Frauen halfen, kräftige Nachkommen zur Welt zu bringen. Männer wurden von dieser Regel nicht ausgenommen. Auch sie wurden vor der Hochzeit und Empfängnis einer speziellen Ernährung unterzogen. Um das Jüngere-Geschwister-Syndrom (1)  zu vermeiden (worauf ich später noch eingehe), wurden die Geburten in einem Abstand von 3-4 Jahren geplant. So konnte die Mutter ihre Nährstoffvorräte auffüllen, die während der vorangegangenen Schwangerschaft geleert worden waren. Diese „primitiven“ Eingeborenen betrieben die Fortpflanzung als Wissenschaft.

Auch wenn indigene Völker vermutlich nichts über Chromosomen und DNA wussten, wussten sie um den offensichtlichen Zusammenhang zwischen Ernährung und Genexpression. Laut Dr. Catherine Shanahan, der Autorin des Buches „Deep Nutrition: Why Your Genes Need Traditional Food“(2) waren die sorgfältig ausgearbeiteten Ernährungspläne dazu da, den genetischen Reichtum zu erhalten – das genetische Erbe weiterzugeben, das jede Generation von hunderten, wenn nicht tausenden Generationen vor ihr erhalten hatte.

Den genetischen Reichtum von Jahrtausenden zu bewahren war eine Verantwortung von höchster Priorität. Verpasste man es, den reproduktiven Bauplan einzuhalten, konnte das genetische Potential nicht ausgeschöpft werden, was schwache, kränkliche Nachkommen zur Folge hatte, die den ganzen Stamm schwächten. Diese Menschen waren sich der Tatsache sehr bewusst, dass die Ernährungssünden einer einzigen Generation nicht nur ihre Kinder beeinflussen konnten, sondern auch ihre Enkel und Urenkel. Gene haben ein langes Gedächtnis … und eine kurze Sicherung.

In den 1930ern dokumentierte der Ernährungspionier Weston A. Price fotografisch den körperlichen und moralischen Verfall isolierter indigener Völker, der auftrat, sobald sie mit den „Nahrungsmitteln des Kommerz“ wie er sie nannte, in Berührung kamen: weißer Zucker, Mehl, Kochsalz und pasteurisierte Milch. Das traditionell überlieferte Wissen bestätigte sich augenscheinlich: Die Kinder derer, die diese nährstoffarmen Lebensmittel nutzten, zeigten eine veränderte Genexpression. Dazu gehörten schmale Kiefer, Zahnengstände, schlechte Sehkraft, verengte Atemwege, eine weniger ausgeglichenes Gemüt und das plötzliche Auftreten von bisher nicht vorhandenen Zivilisationskrankheiten. In anderen Worten: In einer einzigen Generation verwandelten sich diese großartigen Menschen in … nun, unsereins.

Veränderungen des Gesichts, die im Vergleich zu traditioneller Kost (oben) mit moderner Ernährung auftreten (unten): schmalere Gesichter und enge Kiefer, enger stehende Augen, schmale Nasenwege, allgemein eine Unterentwicklung des mittleren und/oder unteren Gesichtsdrittels. Quelle: „Healing our Children“ von Ramiel Nagel. Photos stammen von Weston Price

1.) auf englisch „Second-Sibling-Syndrome“

2.) Das Buch wird laut Angaben der Autorin vermutlich 2018 auf deutsch erscheinen.

Ein Blick in den Spiegel

Wo kommen die kleinen Babys her?

Bereits als Kind, als mich diverse Bücher glauben ließen, ich wäre an einem Storchschnabel hängend in die Welt gekommen, war ich fasziniert von dieser entscheidenden Frage. Die Vorstellung, wie ich in einer kleinen Decke durch die Luft direkt in die ausgestreckten Arme meiner überglücklichen Eltern flog, hinterließ einen bleibenden Eindruck in meinem jungen Gedächtnis. Mit Liebe gemacht – Vom Storch gebracht.

Irgendwann übernahmen die Bienchen und die Blümchen die Rolle des Storchs. Es wundert mich immer noch, warum Sex und Fortpflanzung immer mit geflügelten Kreaturen verknüpft wird. Aber schließlich war die Zeit der Metaphern vorbei und das Wunder des Lebens nahm reale Züge an. Nichts mehr mit Herumfliegen, dafür jede Menge Schwimmen. Eine glückliche Samenzelle verschmolz mit einer Eizelle – eine Einheit, die neues Leben bedeutete.

Der Weg von der Befruchtung bis zur Geburt war eine komplizierte Geschichte. Zellen teilten und differenzierten sich, Mitose, Meiose … das Zeug, das ich in der 8. Klasse in Bio gelernt habe und immer noch nicht ganz verstehe. Kein Wunder, dass man sich die Sache mit dem Storch ausgedacht hat. Fortpflanzung ist echte Naturwissenschaft.

Nur wenige Generationen zurück war es eine Kulturwissenschaft. Das Wissen darüber wurde wie ein Staffelstab von einer Generation an die nächste weitergegeben. Dieses Wissen beruhte nicht auf Forschung, sondern auf praktisch erlerntem Wissen und Erfahrung. Die Nahrungsmittel für die optimale Kinderaufzucht waren bekannt. Zukünftige Mütter und Väter bereiteten sich durch eine nährstoffdichte Ernährung auf eine Empfängnis vor – und begannen damit nicht erst danach. Die Babys wurden zwei Jahre gestillt – oder länger. Und um sicherzugehen, dass der Körper der Mutter stark genug für die nächste Schwangerschaft war, wartete man 3-4 Jahre bis zum nächsten Kind.

Kinderkriegen begann nicht im Mutterleib. Es begann im Boden. Aus der reichen Erde wuchsen nährstoffreiche Pflanzen. Die wurden von den Tieren gefressen. Die Menschen konsumierten beides: Pflanzen und Tiere. Die Verdichtung dieser für das Leben essentiellen Nährstoffe ermöglichte viele Generationen gesunder Babys – Babys, die eines Tages Männer und Frauen wurden, die große Stärke besaßen und immun gegen Zivilisationskrankheiten waren. Es war ihre Aufgabe, den Staffelstab weiterzugeben.

Der Staffelstab ist gefallen. Die Böden sind ausgelaugt. Die Pflanzen mit Chemikalien belastet. Die Tiere krank. Die Menschen kränker. In nur drei Generationen wurden Jahrtausende von genetischem Potential verspielt. Die ursprüngliche Dynamik ist verloren gegangen und nähert sich langsam und scheinbar unaufhaltsam dem Stillstand.

Zu sagen, dass wir in die Irre gegangen sind, ist noch eine Untertreibung. Die Ankunft industriell verarbeiteter Nahrungsmittel und giftiger Chemikalien hat eine neue Art von Menschen hervorgebracht. Eine, die auf Traditionen und gesunden Menschenverstand nicht viel gibt. Der Glaube, dass nicht gesunde Eltern gesunde Kinder bekommen können, ist längst Teil der kollektiven Überzeugung geworden. Traditionelle Wege gelten als rückständig und primitiv, seit eine bequemere Lebensweise mit Hilfe der Wissenschaften Einzug gehalten hat.

Heute haben Vitamintabletten die speziellen Nahrungsmittel ersetzt, die traditionell in Vorbereitung auf eine Schwangerschaft eingesetzt wurden. Als ob eine Tablette die vielzähligen Enzyme, Mineralstoffe, essentiellen Fettsäuren und Cofaktoren ersetzen könnte, die notwendig sind, um Nachkommen von gleicher Exzellenz zu schaffen, wie es vergangenen Generationen möglich war. Im Namen einer guten Vererbung Fischrogen, Innereien und fermentierte Lebensmittel zu verwenden – dieser Gedanke überzeugt nicht mehr. Stattdessen bauen wir unsere Körper (und die unserer Nachkommen) mit süßen Getreidepops, hormonbelasteten Tieren, ranzigen Pflanzenfetten, 90 kg Zucker im Jahr(1) und einer Diät-Cola obendrauf.

Bin ich der einzige, dem bewusst ist, dass kranke Kinder zu kranken Erwachsenen werden und dass kranke Erwachsene kranke Kinder bekommen? Das fällt nicht schwer, sich zusammenzureimen.

Moderne Krankheiten und Syndrome sind in der Tat modern. Die eingeborenen Völker, die Weston A. Price in den 1930ern und 40ern besuchte und studierte, hatten keine Ahnung von ADHS oder Autismus. Obwohl es weder Zahnseide noch Zahnbürsten gab, waren ihre Kinder (und auch die Alten) frei von Karies und brauchten keine Zahnspangen. Die meisten Kulturen hatten gar kein Wort für Krebs und trotz Rohmilch, fettem Fleisch, Eigelb und Butter waren sie frei von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Machen wir den Sprung ins Heute: einen seltsamen Ort, wo fettarm in ist und Stillen out. Irgendwie haben wir uns eingebildet, dass eine Dose mit pasteurisiertem Pulver den gleichen Nährwert und die gleichen immunologischen Vorteile bietet wie Muttermilch. Wir haben Angst vor einem geschwächten Immunsystem und legen es gleichzeitig darauf an, dass unsere Kinder ein geschwächtes Immunsystem bekommen.

Stillen ist umständlich? Milchpulver mit fluoridiertem Wasser(2) in einer BPA-haltigen Flasche anzurühren ist es nicht. Wow …

Eltern legen keinen Wert mehr auf einen Abstand zwischen den Kindern, sondern kriegen eins nach dem anderen. Der mangelernährte Körper der Mutter mag es durch die erste Schwangerschaft geschafft haben, aber die zweite und dritte fordert ihren Tribut. Dass sich ihre Gesundheit nach dem zweiten Baby verschlechterte, war in Wirklichkeit kein Mysterium, nur Ignoranz grundlegender Prinzipien der Fortpflanzung. Und obwohl sie nur ein Jahr auseinander sind, ist die Tatsache, dass das erste Kind sich besserer Gesundheit erfreuen wird als das nächste nichts anderes als die Manifestation des Jüngere-Geschwister-Syndroms. Das erste Kind hat Mamas Nährstoffvorräte geplündert und nur noch die Krümel für die Geschwister übrig gelassen. Wenn Mama und Papa es nur nicht so eilig hätten … Aber so ist Mamas ausgelaugter Körper nicht in der Lage, noch einmal genauso gesunden Nachwuchs zu erzeugen.

„Das Jüngere-Geschwister-Syndrom“ lässt sich am anschaulichsten in der weniger optimalen Entwicklung des Gesichtsschädels beim jüngeren Geschwisterkind beobachten. Hier zwei Maori-Schwestern, deren Eltern die westliche Ernährung übernommen haben: Die ältere Schwester links hat ein breites Gesicht mit den typischen Maori-Zügen. Die jüngere Schwester rechts zeigt eine Unterentwicklung des mittleren Gesichts, das wie eingedrückt wirkt. Außerdem ist das Gesicht insgesamt schmaler. Quelle: „Healing our Children“ von Ramiel Nagel. Fotos stammen von Weston Price
Weitere Beispiele für das „Jüngere-Geschwister-Syndrom“: Links das jeweils ältere Geschwisterkind, rechts das jüngere. Quelle: „Healing our Children“ von Ramiel Nagel. Photos von Weston Price.

 

Da kommen also die kleinen Babys her.

Und wie wir es lieben, mit dem Finger zu zeigen! Unsere aktuelle Gebrechlichkeit ist nicht unsere Schuld! Die Pharmaindustrie hat uns krank gemacht. Sie verfolgt uns mit Medikamenten, die wir nicht brauchen würden, wäre da nicht unsere eigene Dummheit. Sie bietet Linderung für Symptome, bei denen die meisten von uns zu faul sind, sich selbst darum zu kümmern – mit Hilfe der Ernährung, Lebensstilveränderungen, genug Ruhezeiten und Stressreduzierung. Die grundlegenden Dinge können ganz schön anspruchsvoll sein.

Nein, die Impfungen sind schuld. Egal, dass wir die Kinder lieber per Kaiserschnitt zur Welt bringen, statt sie im Geburtskanal mit Millionen das Immunsystem stimulierenden Bakterien in Kontakt zu bringen. Das Immunsystem ist eigentlich dazu da, uns gegen die Krankheiten zu schützen, gegen die geimpft wird. Wenn wir unsere Kinder mit einem beeinträchtigten Immunsystem an den Start schicken, sind wir dann nicht teilweise selber schuld?

Wir als einzelne aber auch als Gesellschaft müssen weniger Zeit damit verbringen, den Schuldigen ausfindig zu machen und mehr Zeit darauf verwenden, in den Spiegel zu schauen. Kranke Menschen bekommen keine gesunden Kinder. Das ist kein Konzept, das schwer zu verstehen ist. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, haben einen genetischen Einfluss nicht nur auf unsere Kinder, sondern auch auf unsere Urenkel. Man kann sich die drohende Gesundheitskatastrophe ausmalen, die nur drei Generation weiter auf unserem kollektiven Familienbaum lauert.

Wir sollen das Leben achten, sagt man uns. Gleichzeitig führt unsere Selbstzentriertheit zu einer Missachtung der niedrigeren Lebensformen, die unser Leben überhaupt möglich machen und eine Nichtbeachtung des Lebens, das aus uns hervorgeht. Leider finden wir die existierenden Lösungen zu primitiv für so anspruchsvolle Wesen wie uns. Ein Bewusstwerden unserer Herkunft und unserer Vorfahren war noch nie so dringlich wie heute.

Wacht auf, Leute! Der Storch kommt nicht.

Sean Croxton

1.) Die Zahlen stammen aus den USA. Der Zuckerverbrauch in Deutschland liegt bei „nur“ 35 kg pro Kopf im Jahr.

2.) In den USA ist die Anreicherung des Trinkwassers mit Flouriden üblich. In Deutschland ist das zum Glück nicht der Fall.

Der Artikel wurde erstmalig veröffentlicht im Januar 2013 und erschien auf englisch unter der Überschrift „Mindless procreation“ auf www.undergroundwellness.com in zwei Teilen: Teil 1 und Teil 2

Abschließend meine persönliche Gedanken zum Artikel: Bis zum vierten Kind kannte ich das Konzept nicht, den Abstand zwischen den Geschwistern bewusst etwas größer zu wählen. Und auch nicht, mich mit speziellen Lebensmitteln vorzubereiten. Folglich kamen die ersten vier Kinder mit Abständen von unter zwei Jahren und das „Jüngere-Geschwister-Syndrom“ ist auch an ihnen nicht spurlos vorbeigegangen. Es war eine schöne, anstrengende Zeit, die mich körperlich an meine Grenzen brachte und auch ihren gesundheitlichen Tribut forderte. Ich will meine Kinder nicht missen, keins von ihnen. Aber ich habe einiges gelernt dabei. Auch wie wertvoll es sein kann, einen Abstand von drei statt nur zwei Jahren zu haben, den wir dann zwischen dem vierten und fünften Kind einhielten. Und für diesen Abstand möchte ich gern ein Bewusstsein erwecken. Denn so eine kleine Pause tut allen Beteiligten gut: der Mutter, der Paarbeziehung, dem größeren Geschwisterkind und dem jüngeren, das noch kommen soll. Wird dann die Zeit, in der wir Kinder haben, nicht unnötig lang? Sie würde sicherlich etwas länger. Aber vielleicht würde diese Zeit dann auch viel schöner und entspannter, so dass wir unsere fruchtbaren Jahre mit Kindern und unserem restlichen Leben zusammen noch mehr genießen können und das Ende gar nicht unbedingt herbeisehnen.

Eure Sarah Schmid

P.S.: Der übersetzte Artikel kann in seiner Kürze nur einen groben Überblick über das geben, was ich in den letzten 6 Jahren recherchiert und gelernt habe. Wer mehr lesen will, kann das hier tun:

„Das Vermächtnis unserer Nahrung“ von Sally Fallon

„Karies heilen: Natürlich starke Zähne mit der richtigen Ernährung“ von Ramiel Nagel

„Deep nutrition: Why your genes need traditional food“ von Dr. Catherine Shanahan

„Nutrition and physical degeneration“ von Weston Price (kostenlose Online-Version)

„The nourishing traditions book of baby and child care“ von Sally Fallon